DDR

Kerstin Apel: Der Kreuzworträtselmord

Inhalt:

Die Berliner Journalistin Shiva ist alles andere als begeistert, als ihr Chef sie aus dem lang ersehnten Urlaub in Oberhof reißt, um einen uralten, längst gelösten Kriminalfall neu zu recherchieren. Und damit will der die miese Auflage steigern?

1981 hatte der Kreuzworträtselmord die ganze Republik wochenlang in Atem gehalten und eine der größten Fahndungsaktionen der DDR ausgelöst. Aber der Täter wurde gefasst und hat seine Strafe abgesessen. Lustlos beginnt Shiva, Zeugen zu befragen und die Fakten zu rekonstruieren. An eine Story glaubt sie nicht so recht.

Nur, warum gibt sich die Polizei so zugeknöpft und wer versucht, den Täter zu verstecken? Als Shiva eine Zeugin ausfindig macht, wird sie angegriffen. Was ist damals wirklich geschehen? (Klappentext)

Rezension:

In der Kriminalgeschichte Ostdeutschlands gehören die Ermittlungen im Fall des Verschwindens und der Ermordung des siebenjährigen Lars Bense zu den bekannteren unter den Fällen der ehemaligen DDR. Als ein Langstreckenläufer entlang der Bahngleise den Koffer mit der Kinderleiche findet, tappen die Ermittler der Volkspolizei zunächst im Dunkeln.

Erst später führt eine beispiellose Sammlung von Schriftproben zur Ergreifung und schließlich zur Verurteilung des Täters, wie sie so unter dem rechtstaatlichen System der Bundesrepublik nicht möglich gewesen wäre.

So viel zur Geschichte selbst, die bereits in mehreren Fernsehserien zur Grundlage genommen, sowie in einigen Dokumentationen verarbeitet wurde. Bis zum Erscheinen des True Crime Romans galt der Fall als aufgeklärt, ohne offene Fragen. Die stellten sich jedoch 2013 der Staatsanwaltschaft, als Kerstin Apel im Sutton Verlag die Fiktionalisierung der Geschichte veröffentlichte. Das brisante, die Autorin war als junge Erwachsene 1981 mit dem Täter befreundet.

In „Der Kreuzworträtselmord – Die wahre Geschichte“ wird die Geschichte zunächst aus der Sicht der Lokaljournalistin Shiva erzählt, die diesen Fall noch einmal nachrecherchieren soll, um eventuell Details zu finden, die bislang noch unentdeckt geblieben sind, um ihren Beitrag dafür zu leisten, die kränkelnde Auflage ihrer Zeitung zu retten. Nicht ahnend, in welches Wespennest sie stochert, begibt sie sich auf Spurensuche, auf eine Zeitreise in die jüngere Kriminalgeschichte und in menschliche Abgründe hinein.

So viel zur Geschichte, deren Grundgerüst mit dem realen Fall hinlänglich bekannt sein dürfte und abgesehen von der blaß bleibenden Hauptprotagonistin keine neuen Facetten einbringt. Wer diesen Krimi liest, bekommt ein flüssig zu lesenden, aber nach Schema F ausgearbeiteten Roman, den man ebenso wie die Ermittlungsbehörden sich nur zu Gemüte führt, da die Autorinschaft Detailwissen vermuten lässt, welches sonst so nicht möglich ist.

Jedoch wird gleich zu Beginn durch den Verlag klar gestellt, dass hier reales Geschehen hinreichend verfremdet wurde, so dass sich hieraus nicht wirklich Aussagen ziehen lassen. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin auch ihre Ermittlungen 2014 wieder eingestellt.

Die Handlung, wenn auch absolut vorhersehbar, kommt dennoch schnell voran. Schreiben kann Kerstin Apel, auch ihr alter Ego, die Protagonistin, in der sie sich, wie auch immer, wiederfindet, ist nachvollziehbar dargestellt. Mit ihr kommt im zweiten Teil des Romans auch genug Tempo hinein, wenn auch der Abschluss im Blick auf die Rolle der Shiva nicht ganz rund wirkt. Da kommt das Autorinnendebüt dann doch zu sehr durch und die Schwächen in der nicht sehr tiefgehenden Ausarbeitung der Figuren.

Flüssig erzählt ist das alles, aber eben ohne wirkliche Überraschungen, immerhin ist keine Verklärung der Tat und auch sonst zu finden.

Bleibt die Frage, was wollte die Autorin mit diesen Kriminalroman erreichen? Ist die Fiktionalisierung eines schrecklichen Geschehens ausreichend, um dieses zu verarbeiten, vorausgesetzt, es ginge darum? Hat sie mit diesem zeitlichen Abstand verdeckt Wissen preisgeben wollen, was ihr damals aus verschiedenen Gründen nicht möglich gewesen ist?

Wollte sie einfach einmal sich im Schreiben ausprobieren und hat dafür Ereignisse verwendet, zu denen sie Berührungspunkte hat? Gehen wir davon aus, ist es ihr gelungen, wenn auch der ganz große Wurf ausgeblieben ist.

Autorin:

Kerstin Apel wurde 1963 geboren und lernte als Schülerin in Halle-Neustadt den Täter kennen, dessen Verbrechen in die deutsche Kriminalgeschichte eingehen sollte. Dies ist ihr erster Roman, mit dem sie das Erlebte 30 Jahre später zu verarbeiten suchte.

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Roman Deininger/Uwe Ritzer: Die Spiele des Jahrhunderts

Inhalt:

Raus aus den Schatten der NS-Zeit, den Wiederaufbau geschafft – 1972 herrscht Aufbruchsstimmung und die Olympischen Spiele in München sollen der Welt das neue, lässige Deutschland zeigen. Als ein Fest der Demokratie, als Gegenentwurf zur martialischen Propaganda 1936 in Berlin. Unter den verwegenen Zeltdach verkörpern Schwimmer Mark Spitz, die junge Gold-Springerin Ulrike Meyfarth und die Sprinterin Heide Rosendahl mitten im Kalten Krieg den Traum vom friedlichen Miteinander. Dann setzt palästinensicher Terror alledem ein grausames Ende. Doch: „The Games must go on.“

Roman Deininger und Uwe Ritzer erzählen eine große Geschichte, die beinahe 100 Jahre umfasst und sich in den beiden Wochen der Olympischen Spiele dramatisch verdichtet. Virtuos und höchst unterhaltsam entfalten sie das funkelnde Panorama einer ganzen Epoche. (Klappentext)

Rezension:

Als am 05. September Attentäter das Gelände des olympischen Dorfes stürmten und Mitglieder der israelischen Mannschaft in Geiselhaft nahmen, die Befreiung dieser aufgrund eines mangelhaften Sicherheitskonzeptes dramatisch scheiterte, schien die Welt für einen Moment stillzustehen. Deutschland hielt den Atem an. Heitere Spiele hatten es sein sollen, schon die Architektur des Stadions ein kompletter Gegenentwurf zum architektonischen Brutalismus von Berlin 1936.

Zunächst ging diese Rechnung der Organisatoren auch auf. Dramatische Duelle zwischen Sportlern und Sportlerinnen zweier Systeme waren zu bestaunen, im Fernsehen zum ersten Mal in Farbe. In der Politik riecht es nach Aufbruch. Die Blokaden der Olympischen Spiele der Achtziger Jahre waren noch nicht zu erahnen, die Kommerzialisierung des Sports und Dopingskandale noch kleinteilig. Doch, 27 Jahre später kamen wieder Juden auf deutschem Boden ums Leben. Die Journalisten Roman Deininger und Uwe Ritzer begaben sich auf Spurensuche. Was bleibt von den Spielen, die Aufbruch signalisieren sollten und zum Fest am Abgrund wurden?

Wer die Ereignisse der Olympischen Spiele 1972 verstehen und im historischen Kontext einordnen möchte, muss zurückblicken. Die beiden Autoren tun dies und beginnen mit den Ereignissen um 1936, die zur Orientierung der Organisatoren werden sollten, wie man Deutschland keinesfalls der Welt präsentieren wollte. Alles sollte anders werden und so heften sich die Journalisten mithilfe einer Reihe von längeren Interviews und Archivmaterial an die beteiligten Personen der Spiele der Bundesrepublik, um so flirrende Wochen des Sports wieder aufleben zu lassen.

Deininger und und Ritzer zeigen, wie es den Organisatoren gelang, die Olympischen Spiele nach München zu holen und wie zum letzten Mal mehrheitlich AmateursportlerInnen, nicht Profis, gegeneinander antraten, auch im Wettstreit zweier Systeme. Dabei ist das beschriebene Ende nicht das Attentat selbst oder eben die gescheiterte Befreiung der Geiseln, sondern der Ausblick auf die Zeit nach Olympia mit den Folgen von 1972.

Vor dem geistigen Auge lassen die Autoren legendäre Zweikämpfe, kleine und manchmal große Dramen und Momente wieder auferstehen. Sie schaffen es, selbst jene in den Bann zu ziehen, die nicht unbedingt sportbegeistert sind (mich), um so mehr wird das dann ebenfalls beschriebene Drama des Attentats deutlich. Immer wieder geben Deininger und Ritzer Einblicke in die Psyche der Athleten, Angehörigen und Organisatoren, zeigen Widersprüche zu den Ansprüchen auf, mit denen sich nicht nur die Politik, auch und insbesondere das Internationale olympische Komitee konfrontiert sah.

Eine detailreiche Übersicht der Ereignisse ist dies, die sich jedoch nicht im Kleinklein verliert und einen entscheidenden Moment auch deutscher Geschichte festhält. Aufgrund des Entlanghangelns anhand einzelner Biografien haben die Journalisten hier verdeutlicht, wie sehr die Olympischen Spiele 1972 zum Brennglas von Ereignissen überall auf der Welt wurden und warum ausgerechnet in München der größte anzunehmende Alptraum Realität wurde. Aufgelockert ist dies mit einem Bildteil zu Beginn eines jeden Kapitels, fassbar durch die abschnittsbezogene Gestaltung des Textes, der gar nicht anders kann als unter die Haut zu gehen.

In München trafen die Welt, die Freude und der Tod aufeinander. Roman Deininger und Uwe Ritzer über dies und was daraus folgte.

Autoren:

Roman Deininger wurde 1978 in Ingolstadt geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor. Nach einem Studium der Politischen Wissenschaft, Amerikanischen Kulturgeschichte und Theaterwissenschaft in München, begann er 2004 ein Doktoratsstudium der Politikwissenschaft mit Forschungsaufenthalten in den USA. Nach seiner Dissertation wurde er 2009 in Wien promoviert und arbeitete als freier Jorunalist für verschiedene Zeitungen und Magazine, seit 2007 für die Süddeutsche Zeitung in verschiedenen Positionen. Er veröffentlichte eine vielbeachtete Biografie Markus Söders und erhielt dafür 2017 den Theodor-Wolff-Preis.

Uwe Ritzer wurde 1965 in Franken geboren und ist ein deutscher Journalist. Nach einem Volontariat bei den Nürnberger Nachrichten war er von ^993 bis 2004 Lokalredakteur bei dem Weißenburger Tagblatt, ab 1998 freier Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung. mit investigativen Recherchen, etwa zur Schmiergeldaffäre Siemens, erlangte er größere Bekanntheit und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Nannenpreis, den Wächterpreis und 2013 mit den Helmut-Schmidt-Journalistenpreis.

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Michael Göring: Dresden – Roman einer Familie

Inhalt:

Fabian reist 1975 zum ersten Mal über die deutsch-deutsche Grenze zur Familie Gersberger nach Dresden. Danach kommt er fast jedes Jahr. Er verliebt sich in Anne, freundet sich an mit ihrem Bruder Kai und wird Zeuge, wie die Unzufriedenheit mit dem Staat von Jahr zu Jahr wächst. Gleichzeitig erlebt Fabian eine zwischenmenschliche Wärme in der Familie, die ihn, den Westbesucher, herausfordert und verändert.

Michael Göring schreibt eine bewegende Familiengeschichte und erzählt einfühlsam und präzise von den entscheidenden Jahren 1975-1989. (Klappentext)

Rezension:

Wie umfassend kann ein zeithistorisches Portrait sein? Wie komplex die Betrachtungen der Sichtweisen und wie vielschichtig die Protagonisten? Daran scheitern die Schreibenden großer historischer Romane immer wieder, zumal wenn zwischen vergleichsweise wenigen Seiten viel erzählt werden soll.

Besser ist es, sich auf einen genau umrissenen Ausschnitt zu konzentrieren. Das versucht der Schriftsteller Michael Göring mit seiner Erzählung „Dresden – Roman einer Familie“.

Die in Zeitsprüngen erzählte Handlung umfasst die letzten Jahre der DDR, deren Wandel er aus der Sicht des zunächst wohlwollenden Westbesuchers erzählt, der jugendlich optimistisch zunächst die Schwächen des Systems großzügig übersieht, wozu auch die ihm umgebenden Protagonisten beitragen.

Der Besucher von „Drüben“ soll einen guten Eindruck bekommen, schon die menschliche Wärme der Gastgeber nimmt Fabian in sich auf, nichts ahnend, dass sein Schicksal vom ersten Treffen an mit denen der Gersbergers eng verknüpft sein wird. So erlebt auch er immer mehr das Leben hinter der zunehmend bröckelnden Fassade, aber auch die verschiedenen Innenansichten, die die Jahre 1975-1989 prägten.

Der Autor zeichnet die Protagonisten klar, die jenigen, die sich im System eingerichtet haben und ihr kleines Glück gefunden haben, eben so, wie diese, die an den Schwächen zweifeln oder gar ihr Heil in der Flucht suchen. Das gelingt an vielen Stellen, anderes muss man mit eigenen Erfahrungen abgleichen oder mit den Geschichten, die einem selbst erzählt worden.

Klar ist, der Autor bringt in den Hauptprotagonisten teilweise seine Perspektive ein, die wohlwollend wirkt, aber nichts übersieht. Gleichsam machen auch die anderen Figuren eine langsame Wandlung durch, verstärkt durch den Kontrast der Zeitsprünge, die kapitelweise erfolgen.

Beim Lesen muss bewusst sein, dass es neben dieser auch unzählige andere Sichtweisen gibt, ja, geben muss, der Fokus liegt hier aber vor allem auf die familiäre Dynamik zwischen den Jahren, derer man sich nicht entziehen möchte.

Es ist kein Roman mit Knalleffekt oder mit Zeigefinger, zumal an nicht wenigen Stellen einfach zu knapp gehalten, gar ein sprachlicher Geniestreich. Eine nette Familiengeschichte bekommt man. Nicht mehr und nicht weniger. Manchmal reicht das aber.

Autor:

Michael Göring wurde 1956 in Lippstadt geboren und ist ein deutscher Schriftsteller. Zuinächst studierte er Anglistik, Geografie, Amerikanistik und Philosophie, bevor er sich mit englischen Literaturwissenschaften beschäftigte.

1986 war er als Hochschulassistent an der Universität München tätig und wechselte darauf zur Studienstiftung des deutschen Volkes nach Bonn. 2011 erschien sein erster Roman, darauf folgten weitere. Er ist Mitglied und Vorsitzender der ZEIT-Stiftung und lehrt an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Göring wurde mehrfach ausgezeichnet und gehört zu den Initiatoren der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union.

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Sven Felix Kellerhoff: Eine kurze Geschichte der RAF

Eine kurze Geschichte der RAF Book Cover
Eine kurze Geschichte der RAF Autor: Sven Felix Kellerhoff Klett-Cotta Erschienen am: 22.02.2020 Seiten: 208 ISBN: 978-3-608-98221-3

Inhalt:

Die RAF hatte dem Rechtsstaat den Kampf angesagt. Sie stürzte die Bundesrepublik in ihre bis dahin tiefste Krise. Welche Rolle spielten die Baader-Meinhof-Anwälte? Warum wurde an den Mythos der „Vernichtungshaft“ geglaubt?

Wie machte die RAF nach dem „Deutschen Herbst“ 1977 weiter? Der Autor zieht pointiert Bilanz und enthüllt die konzise Gesamtgeschichte des Linksterrorismus in Deutschland, der schonungslos gegen die Demokratie ins Feld zog. (Klappentext)

Rezension:

Aus kleinen Teilen einer Portestbewegung heraus entstand Ende der 1960er Jahre eine Terrororganisation, die mehr als dreißig Jahre die Bundesrepublik in Atem hielt, die Gesellschaft und den Rechtsstaat herausfordern sollte.

Zunächst getragen von Sympathien, anfangs von Teilen der Studentenschaft und Intellektuellenkreisen, verschaffte sie sich durch Anschläge auf Personen und Institutionen der Medienwelt, Wirtschaft und Politik Aufmerksamkeit, doch bröckelte der Rückhalt mit den Jahren, spätestens aber mit der Nacht von Stammheim zusehens.

Immer schwieriger wurde es, für vermeintliche und tatsächliche Ziele Personal zu requirieren und so lief die als „Proejekt Stadtguerilla“ gegründete Terrororganisation nach drei Generationen aus.

Die Rote Armee Fraktion scheiterte an der Gesellschaft und Hartnäckigkeit des Staates. Viel ist darüber geschrieben wurden, über die Täter und die Entwicklung dieser Bewegung, nicht zuletzt in den Monumentalwerken Stefan Austs und Butz Peters, die damit Standartliteratur geschaffen haben.

Doch, ist es möglich, die Perspektive der Opfer einzunehmen und eine Kurzfassung darüber zu schreiben? Sven Felix Kellerhoff hat dies versucht.

Knapp 208 Seiten umfasst das vorliegende Werk, wenn man Inhalts- und Quellenverzeichnisse mitzählt und so erhält man eine wahrhafte Kompaktfassung, die mit „Eine kurze Geschichte der RAF“ dies auch im Titel deutlich macht.

Das knapp gehaltene Sachbuch umfasst die wesentliche Geschichte der die Bundesrepublik Deutschland prägenden Terrororganisation, die an ihren beteiligten Personen, der Politik und letztendlich auch an der Gesellschaft scheitern sollte. Die Recherchearbeit merkt man dem Autoren an.

Es ist jedoch schade, dass es ihm nicht so gelungen ist, wie auf den ersten Seiten geschildert, hier den Opfern der Anschläge genug Raum zu geben.

Doch ist es erstaunlich, auf wie wenig Seiten sich die Geschichte der RAF raffen lässt, die selbst heutzutage kaum lesbare Pamphlete als Rechtfertigung für ihre Anschläge schrieb.

Kellerhoff zeichnet so knapp wie möglich die Entwicklung der Roten Armee Fraktion nach, wie es wohl kaum einem Autoren vor ihm gelungen ist. Viel neues wird einem Kenner der Materie jedoch nicht begegnen. Gut recherchiert ist es jedoch und so nah geschrieben, dass es sich als Einführung gut lesen lässt, was nun im Klett-Cotta Verlag erschienen ist.

„Eine kurze Geschichte der RAF“ ist Einführungsliteratur, nicht mehr, jedoch auch nicht weniger. Wer sich jedoch weitergehend informieren möchte, etwa zu Mogadischu, den Anschlag in Stockholm oder den vorangegangenen Ereignissen der Gründung der RAF sollte auf andere Literatur umschwenken, bzw. diese nachfolgend lesen.

Nichts destotrotz wird Kellerhoff künftig im Kanon der Geschichtsliteratur zur Roten Armee Fraktion zu Recht zu finden sein.

Autor:

Sven Felix Kellerhoff wurde 1971 in Stuttgart geboren und ist ein deuterscher Journalist, Historiker und Autor. Nach der Schule studierte er an der Freien Universität Berlin Neuere und Alte Geschichte, Publizistik und Medienrecht.

Er arbeiete zunächst für verschiedene Zeitungen und Fernsehsender, absolvierte 1997/1998 die Berliner Journalisten-Schule. Seit 1998 arbeitet er für den Axel Springer Verlag. Dort war er von 2000-2002 Leiter der Wissenschaftsredaktion der Berliner Morgenpost und danach Verantwortlicher für die Kulturberichterstattung.

Seit 2003 ist er leitender Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte der Welt und Berliner Morgenpost. Seit 2012 ist er verantwortlich für den Geschichtskanal der Welt/N24.

Kellerhoff ist Autor verschiedener Sachbücher und war von 2005-2008 Beisitzer im Vorstand des Landesverbands Berlin des Deutschen Journalisten-Verbands.

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Dirk Kummer: Alles nur aus Zuckersand

Alles nur aus Zuckersand Book Cover
Alles nur aus Zuckersand Dirk Kummer Carlsen Erschienen am: 30.08.2019 Seiten: 139 ISBN: 978-3-551-55390-4

Inhalt:
Für Fred und seinen besten Freund Jonas ist jeder Tag ein Abenteuer. Am liebsten spielen sie in der verlassenen Fabrik, ganz in der Nähe der Grenze zu West-Berlin. Doch als bekannt wird, dass Jonas‘ Mutter einen Ausreiseantrag gestellt hat, werden die beiden aus ihrem unbeschwerten Alltag gerissen.

Ab sofort dürfen sie sich nicht mehr treffen. Aber die Freunde haben einen Plan: Heimlich fangen sie an, einen Tunnel in den Brandenburger Sand zu graben. Auch wenn Jonas die DDR verlässt, werden sie sich wiedersehen. Ganz sicher. (Klappentext)

Rezension:
Das Leben könnte so einfach sein, wenn die Erwachsenen nicht immer so kompliziert wären. Und wenn dann noch die blöde Politik dazu kommt, ist alles aus. Was also tun? Auf diese Formel könnte man diesens Kleinod der jüngeren Kinderliteratur aus dem Carlsen-Verlag herunterbrechen, die von zwei Jungen erzählt, die um ihre Freundschaft kämpfen. Identifikationsfiguren sind Jonas und Ernst, beste Freunde, die alles zusammen unternehmen.

Man stromert durch die Gegend, auf den Schulhof und durchlebt einen wunderschönen Sommer, bis zu dem Tag, an den für Ernst die Welt zusammenbricht. Jonas‘ Mutter hat doch tatsächlich einen Ausreiseantrag gestellt. Was das heißt, begreift Jonas sofort.

Nie wieder werden sie zusammen spielen können, denn Ende der 1970er Jahre ist die Welt noch in zwei Teile getrennt, durch Zäune, Mauern, Stacheldraht. Doch die beiden Freunde entwickeln einen Plan, man müsste nur einen Tunnel graben, dann könnte man sich treffen. In der zwischenzeit könnte man es ja per Telepathie versuchen, wie die Ureinwohner in Australien. Daran würden Ernst auch nicht seine systemtreuen Eltern oder die Sportschule hindern. Gesagt, getan.

Man beginnt zu graben. Unweit der Grenze, in einem verlassenen Fabrikgebäude. Doch, nicht nur der brandenburgische Sand bereit den beiden Jungen Probleme.

So viel zum Inhalt, der allen bekannt sein dürfte, die den Film „Zuckersand“ 2017 im Fernsehen geschaut haben. Der Film war gut, die Schauspieler noch besser und so stellt man sich die Jungen gleich einmal bildlich vor, wie sie da fassungslos vor der Entscheidungsgewalt der Erwachsenen stehen und einer Politik, die sie noch niht verstehen.

Warum sollte man ausgerechnet ihnen die Freundschaft zueinander verbieten? Warum fallen nachts manchmal Schüsse an der Grenze und wie erhält man eine Freundschaft, die auseinander gerissen wird? Fragende Kinderaugen inklusive.

Dirk Kummer hat als Regisseur des Filmes gezeigt was er kann und dies in einer für gerade jüngere Kinder freundlicheren Variante abgewandelt nun zwischen zwei Buchdeckeln verpackt. Trotzdem oder gerade deswegen funktioniert dieser kleine Roman gerade für die Zielgruppe sehr gut, da hier Werte wie Freundschaft, Mut und Zusammenhalt dem gegenüber gestellt werden, was man durchaus als Erwachsenenverhalten bezeichnen kann, sich unbedingt zu einer Seite bekennen zu müssen. Erwachsene machen die Welt kompliziert. So einfach ist das.

Einfühlsam baut Dirk Kummer mit wenigen Sätzen, das Werk ist nicht sehr umfangreich, die Charaktere auf, die man sofort mag. Für Kinder bieten beide Jungen Identifikationsfiguren und so ganz nebenbei erklärt man ein aus Kinderaugen sicherlich unverständliches Stück Geschichte. Dicht ist der Schreibstil, temporeich die Erzählweise, auch wenn Ernsts Gedanken mal wieder zu den Aborigines nach Australien reisen.

Dort kann Jonas ja bald sein, er selbst müsste entweder Reisekader des Olympiateams werden oder später Rentner. Interessenten sei empfohlen, jedoch nicht so lange zu warten. Ihr solltet das Buch gleich lesen. Vielleicht nachdem ihr den Film gesehen habt. Aufgrund der Erarbeitung des Stoffes funktioniert das auch.

Autor:
Dirk Kummer wurde 1966 geboren und ist ein deutscher Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler. Nach Kindheit und Jugend in Falkensee und Ost-Berlin, spielte Kummer als 13-jähriger in seiner ersten Fernsehrolle und leistete nach seinem Abitur drei Jahre Wehrdienst bei den Grenztruppen. Danach studierte er Darstellende Kunst.

1992 ging er in die Schweiz, arbeitete ab 1993 nur noch sporadisch als Schauspieler, hauptsächlich als Regie-Assistent und erhielt 2002 ein Autorenstipendium der Drehbuchwerkstatt Nürnberg und des Bayerischen Rundfunks. Ein Jahr später arbeitete er fast ausschließlich asl Drehbuchautor und Regisseur. Sein Film „Zuckersand“ erhielt 2017 u.a. den 3sat-Zuschauerpreis und 2018 den Grimme-Preis.

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Andreas Petersen: Die Moskauer

Die Moskauer Book Cover
Die Moskauer Andreas Petersen S. Fischer Erschienen am: 13.03.2019 Seiten: 361 ISBN: 978-3-397435-5

Inhalt:

Die DDR war vor allem in den ersten Jahrzehnten geprägt von Paranoia und Denunziation. Die Gründergeneration um Pieck und Ulbricht hatte einst in Moskau die Jahre des Terrors überlebt, in denen Stalin mehr Spitzenkader der KPD ermorden ließ als Hitler. Angst und Verrat wurden Normalität.

Ab 1945 setzten sich die „Moskauer“ im Machtstreben um die Führung in der sowjetisch besetzten Zone durch. Zweifel und Fragen waren nicht erwünscht. Die „Moskauer“ hätten sich sonst ihrer eigenen Verstrickung stellen müssen. Im neuen werdenden Staat setzten siee die gleichen Methoden ein, denen sie fast alle Jahre zuvor zum Opfer fielen. Das Stalintrauma und seine Folgen, analysiert von Andreas Petersen. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Die Geschichte der DDR begann schon Jahre vor der Gründung mit einer Gruppe von Kommunisten, die sich vor den Nazis in die Sowjetunion flüchten konnten und in den Jahren des Exils versuchten, eine Machtbasis für einen späteren Neuanfang zu schmieden. Mit Hilfe der Sowjets gelang dies auch später, doch der Weg zur Macht war für Ulbricht, Pieck und andere weder von vornherein klar vorgezeichnet, noch sicher.

Stalin, der im eigenen Land mit den Jahren unter immer größeren Verfolgungswahn litt, ließ Hunderttausende seiner Landsleute, offiziere des Militärs und selbst der Geheimdienste ermorden, schreckte auch nicht vor der Ermordung der Exilanten zurück.

Hunderte KPD-Mitglieder wurden deportiert, gefoltert und ermordet. So viel zur bekannten Geschichte. Doch, wie prägte das die Führungsriege der KPD und welche Auswirkungen hatte dies später auf das eigene Herrschaftsverhalten nach dem Krieg? Andreas Petersen hat Einblick genommen in Tagebücher, Archive und Berichte. Herausgekommen dabei ist ein minutiös gezeichnetes Sachbuch.

Leider auch ein schwer zu lesendes. Dieses Kapitel deutscher und auch russischer Geschichte ist alleine von der Thematik her sehr interessant, zumal noch nicht alle Archive geöffnet und ausgewertet sind und es noch ganz wenige Zeitzeugen gibt, die davon berichten können. In sofern hätten „Die Moskauer“ interessant und spannend beschrieben werden können, das werden und das Formen der Gründergeneration der DDR.

Warum dieses absolute Machtstreben, Denunziation und Aushorchen selbst unter politischen Gleichgesinnten und die Schaffung eines Klimas der Angst, welches über den Tode Stalins noch hinaus wirkte? Warum löschte der Diktator selbst seine künftigen verbündeten einst beinahe selbst komplett aus? Weshalb setzten die DDR-Oberen diese Politik unter anderen Vorzeichen, obwohl selbst einst Betroffene, in ihrem eigenen Staat fort?

Ein Stoff, wie gemacht für einen Politkrimi, jedoch unglaublich reich an Fakten und Statistiken, die auch durch persönliche Geschichten fassbar gemacht werden können. Alleine mit letzteren geht der Autor jedoch allzu sparsum um, so dass am Ende ein schwer zu lesender, für den Laien kaum aufzunehmender Text übrig bleibt, der mehrmals gelesen werden muss, um verinnerlicht zu werden.

Was hängen bleibt, sind Längen und einzelne Fakten. Persönlichkeitsgeschichte, die sonst in solchen Werken den Leser bei Stange hält, ist rar gesät. das funktioniert nur ungenügend, zumal man praktisch gezwungen ist, Absätze wiederholend sich zu Gemüte zu führen und langsam zu lesen.

Vielleicht dachte der Autor beim Schreiben eher an sein sonstiges Zielpublikum? Im Regelfall sind das Studenten. Für’s Fach sind „Die Moskauer“ jedenfalls nach meinem dafürhalten mehr geeignet, als jetzt für den Laien, der sich mit Geschichte beschäftigen und sich diesem bestimmten Kapitel mal von einer etwas anderen Sicht aus nähern möchte.

Als populärwissenschaftliches Werk funktioniert es nicht, was schade ist, denn die zahlreichen Quellen, die auf eine intensive Recherchearbeit schließen lassen, verknüpft mit einzelner Personengeschichte, hätten anders aufbereitet interessanter wirken können. So aber ist die Thematik nicht greifbarer geworden. Schade.

Autor:

Andreas Petersen wurde 1961 in Köln geboren und ist ein deutscher Historiker. Nach der Schule studierte er Osteuropäische Geschichte an der Universität Zürich und war Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin. Als Dozent für Zeitgeschichte wirkt er an der Fachhochschule Nordwestschweiz und ist zudem Gründungspräsident des Forums für Zeitzeugen in Aarau. Er schreibt für Tageszeitungen und Zeitschriften, pendelt zwischen Berlin und Zürich. Er ist Herausgeber und Autor mehrerer sachgeschichtlicher Werke.

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Reinhard Kuhnert: In fremder Nähe

In fremder Nähe Book Cover
In fremder Nähe Reinhard Kuhnert Mirabilis Verlag Erschienen am: 22.02.2019 Seiten: 272 ISBN: 978-3-9818484-9-6

Inhalt:

Elias Effert ist Theatermann. Stückeschreiber, Regisseur und Liedermacher und feiert in der DDR große Erfolge, bis er zu sehr mit seinen Texten aneckt. Der Geschasste verlässt die DDR, nur einer holt ihn in Westberlin ab. Joachim, Chef eines Westberliner Theaters, will helfen.

Doch, Elias ist skeptisch, nach und nach stellen sich jedoch erste Erfolge ein. Effert erlebt aber auch die Zweifel und Schwierigkeiten, ein Westler zu werden. Eine Welt wurde ihm fremd, die andere wird nie ganz nah. Nach Jahren öffnet sich für Elias ein völlig unerwarteter Weg. (eigene Inhaltsangabe).

Rezension:

Wenn man den Umschlagstext und die Inhaltsangabe eines großen Verkaufsportals auf diese art und Weise zusammenfasst, könnte man fast den Eindruck bekommen, man hätte es hier mit einer spannenden und wendungsreichen Thematik zu tun, wird aber gleichsam auf den ersten Seiten enttäuscht werden. Und die gehören schon zu den spannendsten, welche der Künstlerroman zu bieten hat.

Geschrieben hat ihn Reinhart Kuhnert, der hier als Theatermensch seine eigene Biografie verarbeitet hat und von den Schwierigkeiten erzählt, zwischen Tür und Angel, in diesem Fall zwischen Ost und West zu leben und nirgendwo so richtig anzukommen.

Und genau das passiert zunächst auch mit den Leser. Vielleicht liegt es daran, dass mir das bewusste Erleben der DDR- und Wendezeit fehlt, jedenfalls ist das anfangs noch verständliche Verhalten und Denken des Hauptprotagonisten, welches ihn zu einer durchaus wandelbaren und interessanten Figur hätte machen können, mir sehr schnell gehörig auf die Nerven gegangen. Diese ständigen Selbstzweifel, das Jammern wird mit der Zeit so unerträglich, dass es auch nicht hilft, dass man aufgrund des Erzählstils geradezu durch die Seiten fliegt.

Zu nennen sind die beiden Hauptfiguren, Effert zum einen und zum anderen Kramert, die gleichsam gegensätzliche Pole ihrer Orientierung bilden, denen man jedoch beide gegen eine Ziegelmauer stoßen möchte. Fast möchte man beiden Protagonisten zu schreien, man kann sich aber auch anstellen.

Ansonsten bewegt sich außer der dahinplätschernden Handlung nicht viel. Sinnsuche, vielleicht nicht ohne Sinn aber ohne Ergebnis und irgendwie habe ich das von diesen Roman erwartet. War dann vielleicht auch ein Fehler von mir.

Interessant ist die Verschmelzung der Geschichte des Autors mit der seines Protagonisten. Hier erweißt sich das Reale wieder einmal spannender als die gesponnene Geschichte. Kuhnert hat selbst eine Dissidentenbiografie vorzuweisen und ging in den 1980er jahren in den Westen, musste als Künstler praktisch von Null auf starten, verarbeitete mit diesem Roman wahrscheinlich all die Gedanken, die ihn seither begleiteten.

Er verwendete dafür reale Texte, die er selbst für verschiedene Theaterbühnen schrieb und legte sie seinen Protagonisten in den Mund oder in der Füllertinte. Solch einen Kniff zu verwenden ist stark. Um so bedauerlicher, dass Kuhnert nicht mehr daraus gemacht hat als diesen Roman, der mich fragend zurücklässt und farblos erscheint.

Vielleicht wirkt die Geschichte anders, wenn man selbst eine ähnliche Biografie aufweisen kann oder zumindest der Generation des Autoren angehört oder dessen Berufsgruppe? Mir fehlte leider der Zugang.

Autor:

Reinhard Kuhnert ist Schauspieler, Regieassistent und Regisseur und arbeitete an verschiedenen Theatern in der DDR, später in Westberlin und im Ausland.. Bis 1983 wirkte er als erfolgreicher Dramatiker in Ostberlin, bevor er nach zunehmenden Konflikten mit der Zensur und den folgenden Rauswurf aus den Schriftstellerverband der DDR nach Westberlin übersieltelte.

Er schreibt Stücke für Theater, Funk und Fernsehen aber auch Romane und Gedichte.Von 1994 bis 2007 lebte er in Galway/Irland und war dort Gastdozent der dortigen Universität, sowie 2006 an der Universität und dem Victorian College of Arts Melbourne. Er erhielt 1999 den Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlins und 2017 die Goldene Schallplatte.

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Klaus-Dieter Felsmann: Deutsche Kinderfilme aus Babelsberg

Deutsche Kinderfilme aus Babelsberg Book Cover
Deutsche Kinderfilme aus Babelsberg Klaus-Dieter Felsmann/Bernd Sahling Verlag: DEFA Stiftung Erschienen: 01.02.2010 Seiten: 172 ISBN: 978-3-00-030098-1

Inhalt:

Der DEFA-Kinderfilm erfreute sich aufgrund seiner liebevollen Machart und thematischen Vielfalt großer Beliebtheit beim DDR-Publikum. Klaus-Dieter Felsmann beleuchtet nun zum ersten Mal, welche Rolle der DEFA-Kinderfilm in der Bundesrepublik Deutschland spielte.

In Zeiten der politischen Trennung stellte er ein kleines aber durchaus verbindendes Element der Kinolandschaft beider Staaten dar. Dabei wird sein Anteil am Kinderkino der Bundesrepublik und dessen Kinderfilmfestivals, die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und seine Wirkungsrelevanz für die Kinderfilmkultur untersucht.

Bernd Sahling führt Gespräche mit den Kinderfilmregisseuren der DEFA. […] Sie berichten aus ihrem reichen Erfahrungsschatz und lassen den Leser Hintergründe und Arbeitsweise der damaligen Produktionen besser verstehen. (Klappentext)

Rezension:

Die Spielfilme der DEFA sind inzwischen Kult. Egal, ob „Moritz in der Litfaßsäule“ oder „Der kleine Muck“, dessen Requisiten man immer noch in den Filmstudios Babelsberg betrachten kann, Kinderfilme waren nicht nur ein verhältnismäßig vom politischen Druck freies Feld für Regisseure in der DDR, sie waren über die Jahre ein kontinuierliches Band zum Westen.

In Kinos in Bayern, im Ruhrpott oder an der Nordsee wurden die Filme gezeigt, ebenso im bundesdeutschen Fernsehprogramm. Doch, wie arbeitete es sich in den Filmstätten in Potsdam?

Wie entstanden die legendären Streifen und welche Voraussetzung gab es auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs für den deutschen Kinderfilm?

Klaus-Dieter Felsmann und Bernd Sahling haben sich durch die Archive der DEFA gearbeitet, Regisseure wie Helmut Dzuba und Hannelore Unterberg interviewt und liefern einen einzigartigen Einblick von der Idee zum Film, bis zum Suchen und der Arbeit mit den Kinderschauspielern und einen Ausblick auf die heutige Situation des Kinderfilms im vereinigten Deutschland.

Die Schriftenreihe der DEFA ist für Cinemasten ein Muss, wird hier doch qualitativ hochwertig ausgewertet, was in den dortigen Studios einst entstand und heute teilweise Sammlerwerte besitzt, die auf Ebay Preise erzielen, wenn sie nicht gar immer mal wieder im Fernsehprogramm oder auch bei öffentlichen Vorführungen zu finden sind.

Es geht um Zahlen, um die Wirkung von Filmen, Technik und Metern von Filmrollen, um nervige politische Diskussionen,w as gedreht werden durfte, was nicht und um das kleine Glück, mit ganz besonderen Darstellerkindern arbeiten zu dürfen.

Unaufgeregt, einige zu verschmerzende Längen mitgenommen, analysieren die beiden Autoren das Filmschaffen von vier Regisseuren, die vor dem Mauerfall viel wollten und teilweise auch machen durften, nach der Wende von der bundesdeutschen Konkurrenz an den Rand gedrängt, da es nun um das Abgreifen von Fördergeldern ging.

Bis auf Günter Meyer konnte keiner der DEFA-Regisseure an frühere Erfolge mehr anknüpfen, doch halten Feldmann und Sahlinger eine für Filmschaffende wundersame zeit fest, die es zu entdecken gilt.

Spannend die Interviews über das Aussuchen der Kinderdarsteller, Drehtage und Entstehungsprozesse, die von einem ganz anderen Tempo und Hintergrund geprägt waren, als es heutige Filmemacher erleben.

Mit einem kritischen Blick in die Entwicklung und der Sparte des Kinderfilms, der von Fernsehschaffenden und Kinobetreibern kritisch beäugt und stiefmütterlich behandelt wird, früher jedoch einen ganz anderen Stellenwert hatte.

Man muss sich schon für Filme interessieren, sollte vielleicht den einen oder anderen zumindest vom Namen her kennen und zeitlich einordnen können, um die Gedankengänge aller Personen zu verstehen, die zu Wort kommen, dann aber ist dies ein beeindruckender Band festgehaltener Filmgeschichte und ein willkommener Anlass, sich diese Filme nochmals zu Gemüte zu führen (heute wieder möglich, da ein Großteil inzwischen auch auf DVD erschienen ist).

Bis dahin kann man sich zumindest lesetechnisch schon mal einstimmen.

Autoren:

Klaus-Dieter Felsmann wurde 1951 geboren und studierte Germanistik und Geschichte, lebt als freier Publizist und Autor in Berlin. 1997 übernahm er die Leitung der „Buckower Mediengespräche“.

Bernd Sahling wurde 1961 geboren und arbeitete nach einem Volontariat im DEFA-Spielfilmstudio babelsberg als Regieassistent, bevor er ein Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen, ebenfalls in Babelsberg, begann. Daneben arbeitete er als Regisseur und autor und gibt Workshops zum Thema Kinderfilme.

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Jürgen Petschull: Mit dem Wind nach Westen

Mit dem Wind nach Westen Book Cover
Mit dem Wind nach Westen Jürgen Petschull Goldmann (antiquarisch) Erschienen am: 01.01.1980 Seiten: 245 ISBN: 978-3-44211-5-013

Inhalt:

Eine kleine Stadt in Thüringen, in der Nähe der deutsch-deutschen Grenze. Zwei Männer glauben, das Herrschaftssystem der DDR nicht mehr länger ertragen zu können und verfallen auf eine phantastische Idee.

In einem selbstgebauten Heißluftballon wollen sie mit ihren Familien in den Westen fliehen, doch der erste Versuch misslingt. Zweihundetr Meter vor dem Todesstreifen im Sperrgebiet bleibt der Ballon in den Bäumen hängen.

Die Flüchtenden entkommen unerkannt, müssen den Ballon aber zurücklassen. Doch, bald starten sie einen neuen Fluchtversuch, denn den beiden Familien ist klar, die Staatssicherheit wird sie jagen. Mit einem zweiten Ballon starten sie schließlich einen neuen Versuch. Der Wind weht in westlicher Richtung. (eigener Text)

Rezension:
Für einen kurzen Moment der Geschichte rückte der kleine fränkische Ort Naila in den Blick der Weltgeschichte. Die westdeutsche, europäische, selbst die amerikanische Presse fand sich in den Ort ein, um über Unglaubliches zu berichten.

Zwei Familien hatten in der Nacht des 16. September 1979 mit einem selbst konstruierten Ballon die Flucht aus der DDR gewagt und waren sicher in der Nähe des Ortes gelandet, nachdem ein paar Monate zuvor der erste Versuch, die Grenze zu überqueren, gescheitert war.

Doch, was trieb zwei Familien dazu, die Flucht zu wagen, worauf mindestens langjährige Gefängnisstrafen, an der Grenze mit Selbstschussanlagen, scharfen Hunden und Minen mindestens Verstümmelungen, wenn nicht sogar der Tod bei Scheitern gedroht hätten?

Weshalb wollten die Wetzels und die Strelzyks, denen es beiden im System der DDR gut ging, die es zu so etwas wie Wohlstand gebracht hatten, diesem entfliehen? Jürgen Petschull schrieb ihre Geschichte auf. Ein Jahr nach ihrer Flucht.

Den Film kann man inzwischen auf allen möglichen Plattformen auf DVD zu Phantasie-Preisen erwerben, das Buch ist dagegen antiquarisch für ein paar Cent zu haben. Und es lohnt sich heute noch, diese Momentaufnahme der Geschichte vorzunehmen.

Jürgen Petschull hat vor Ort, in Pößneck in der DDR recherchiert, sowie in Naila beide Familien nach ihrer Flucht besucht und rekonstruiert diese von der ersten Idee bishin zum Bau des ersten Ballons, erzähltt von Mut und Überlebenswillen, Überdruss über ein verkrustetes Staatssystem und den Willen zur Veränderung.

In einer Zeit, in der es noch viele Berichte ideologisch gefärbt gegeben haben mag, auf beiden Seiten der Grenze, ganz unaufgeregt und neutral.

Er beleuchtet die Ereignisse von allen Seiten, fühlt den beiden Familien nach, stellt die Arbeit der Staatssicherheit dar, die nach dem ersten Fluchtversuch sicher die Fährte aufnahm und den Abtrünnigen auf die Schliche kam. Doch, die waren da schon längst mit dem zweiten Ballon mit dem Wind in den westen getrieben.

Zum Zeitpunkt des Aufschreibens war noch nicht klar, dass die Mauer ein gutes Jahrzehnt später fallen und die Grenze sich öffnen würde. Auch, dass die Familien sich im Umgang miteinander beide entfremden würden, war nicht abzusehen.

Ein Jahr später stand nur eines fest, die beiden Familien hatten es einem System gezeigt, welches nur überleben konnte, da es seine Bürger einsperrte. Und das wollte man würdigen.

Der bayerische Grenzort wollte profitieren, die Familien sollten es und die Welt sollte erfahren, dass man nur Mittel und Wege, Ideen, haben musste und manchmal auch eine gewaltige Portion Glück, die Grenzanlagen zu überwinden.

Peter Strelzyk ist dieses Jahr im Alter von 74 Jahren gestorben. In sofern ist es Zeit, sich an diese Geschichte zu erinnern, die glücklich ausgang und sich an jene Fluchten zu erinnern, die mit Gefängnis oder gar den Tod endeten.

Und daran, dass sich eben der Mensch als freiheitsliebendes Wesen nicht einsperren lässt. Herrlich neutral und ohne Ideologie erzählt Jürgen Petschull klar dokumentarisch ein Stück zweier unvergesslicher Familienbiografien, in deren Mittelpunkt ein selbstgebauter Ballon stand.

Dieser ist heute im Heimatmuseum in Naila zu bewundern, während die Familien nach der Wende wieder in ihre Heimat zurückkehrten. Als dieses Mal freie Menschen.

Autor:
Jürgen Petschull wurde 1942 in Berlin geboren und ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Er volontierte zunächst bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und arbeitete danach für die Neue Rhein/Ruhr Zeitung als Redakteur und Reporter, bevor er zum Magazin Stern wechselte.

Er schrieb vielfach beachtete deutsche und internationale Reportagen, arbeitete auch als Chefreporter für Geo. Er schreibt zeitgeschichtliche Sachbücher und Romane, die zumeist auf wahren Geschehnissen beruhen.1980 schrieb er über die Ballonflucht zweier Familien aus der DDR sein erstes Sachbuch. Mit seiner Familie lebt er in Bremen.

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