
Inhalt:
Mit gerade einmal sieben Jahren sticht Suzanne Heywood mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder auf dem Segelschiff Wavewalker in See, um die Welt zu umrunden. Doch was als aufregendes Abenteuer beginnt, wird bald zu einem Alptraum für das Kind: ein Leben in Stürmen, Angst, Einsamkeit. Suzanne sehnt sich danach, wieder zur Schule zu gehen und ein normales Leben zu führen, doch sie bleibt gefangen im Lebenstraum ihres Vaters. Erst nach zehn Jahren kehrt sie in ihre Heimat zurück – mit Aussicht auf einen Studienplatz in Oxford.
Eine wahre Geschichte über das Erwachsenwerden und den Mut, seinem eigenen Weg zu gehen. (Klappentext)
Rezension:
Um so kleiner das Boot, um so mehr ist man automatisch Teil der Besatzung. Was jedoch zunächst als Traum und gemeinsames Abenteuer begann, wurde für Suzanne Heywood schnell zur Hölle ihrer Kindheit und Jugend. Über das Heranwachsen, die Strapazen und Gefahren auf dem Schoner Wavewalker beim Versuch des Vaters, die dritte und letzte Reise von James Cook nachzuempfinden, erzählt die heute erfolgreiche Geschäftsfrau, die die Reise, je länger sie dauerte, von ihrer Familie mehr und mehr entfremdet hat.
Natürlich ist dies ein Reisebericht, der von den Herausforderungen an Bord eines Segelschiffes und vor allem in Anbetracht der Route erzählt, der es die Cooks ihrem Namensvetter gleichtun wollten. Hauptsächlich aber ist es eine beeindruckende und bedrückende Biografie der Autorin von sich selbst und das Psychogram einer auseinanderbrechenden Familie. Detailreich schildert sie das Leben auf den Meer und dem Aufatmen, wenn zwischen den Fahrten, sei es da selbst oder in den Häfen, so etwas wie Routine aufkommt.
Heywood schildert sehr detailliert, wie ihr im Laufe der Jahre die Unbeständigkeit der Eltern, was noch freundlich ausgedrückt ist, bewusst wurde, sowie die Beziehungskälte der Eltern, die sie in ihrer Jugend als das erkennen wird, was es ist. Nichts anderes als psychische Gewalt. Beginnend mit dem Ausnutzen kindlicher und jugendlicher Arbeitskraft bis hin zur beinahe totalen Verweigerung von Bildung. Die Taktung negativer Momente wird dabei mit zunehmender Seitenzahl immer dichter, während die ruhigen Momente weniger werden, sowie auch schneller verblassen.
Eine Kindheit auf den Boot, mag sich romantisch anhören, doch wächst man sehr isoliert auf, gesellschaftlicher Schutz ist beinahe nicht vorhanden, Möglichkeiten, Beziehungen und dauerhafte Kontakte zu knüpfen, gibt es kaum und wenn, sind sie sehr unbeständig. Hier legt die Autorin die Finger in die Wunde und hinterfragt all das, was für sie erst mit der Zeit sichtbar wurde. Wann war der wendepunkt, an dem den Eltern der eigene Traum wichtiger wurde als das Leben der Kinder, sogar so wichtig, um diese zu vernachlässigen und damit beinahe zwei Biografien zu zerstören, bevor in diesen entscheidende Weichen gestellt werden konnten? Wie gelang es Heywood, ihren Weg dennoch zu finden und vor allem den Schlüssel zur Bildung zu erlangen, den vor allem ihre Mutter ihr konsequent verweigerte?
Nicht auf alles findet die Autorin in diesem Buch, in denen auch die Reisebeschreibungen kaum Zeit zum Aufatmen wie auch ihre Familie und die Geschichte des Bootes sie nicht loslassen wird, eine Antwort. Es ist der Versuch einer Verarbeitung, die sicher noch nicht abgeschlossen ist und eine Erzählung, wie zwei Erwachsene, überfordert von ihrem Traum und doch darin gefangen, ihre Kinder fast zerbrachen.
Entlang der Reiseabschnitte erzählt die Autorin temporeich vom Ende ihrer Kindheit, welches spätestens mit einem schweren Sturm auf hoher See und einer gefährlichen Kopfverletzung gezeichnet war. So erdrückend wie kurzweilig ist das, was da erzählt wird. Praktisch empfindet man blanke Wut und Seekrankheit hier im steten Wechsel. Das Kippen des Machtgefälles kann man da nur herbeisehnen.
Wer einen lieben Reisebericht lesen möchte, ist hier an der falschen Stelle. Vielmehr ist es die Biografie eines Mädchens, später einer jungen Frau, die sich ihre Freiheit zwischen Koje und Segel mehr als mühsam erkämpfen musste. Gegen alle Widerstände, aber vor allem gegen die eigenen Eltern. Viele einzelne Szenen bleiben da wie Nadelstiche nach dem Lesen zurück.
Das durchgehalten zu haben verdient Hochachtung. Davon zu erzählen und sich seinen Erinnerungen zu stellen, noch viel mehr.
Suzanne Heywood, offizielle Seite: Hier klicken. I Unhappy Boat-Kids: Hier klicken.
Autorin:
Suzanne Heywood ist eine britische Geschäftsfrau und ehemalige Beamtin. Sie wurde 1969 in Southampton geboren und wuchs auf einem Segelschiff auf, studierte anschlißend in Oxford und Cambridge. Nach einer Beamtenposition im britischen Finanzministerium wechselte sie in die Privatwirtschaft. 2024 wurde sie zum Kommandeur des Order of the Britsich Empire ernannt.
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