Theodoros Iatridis: Das weiße Haus mit den weißen Dachziegeln

Inhalt:
Irgendwann werden wir aufwachen und nichts wird mehr so sein, wie es gewesen ist.

Ich schaue nach links und dort steht ein türkisfarbenes Haus mit türkisfarbenen Dachziegeln und blauen Fensterläden. Ich verlasse meinen Trampelpfad und öffne die türkisfarbene Tür und trete ein. Es ist ein Cafe und es fühlt sich an, als wäre das Heute ein Gestern und alles, was ich gerade tue, ist bereits vollbracht worden.

Folgt Thomas auf seiner absonderlichen Abenteuerreise und werdet Zeugen einer grotesken Welt.

Eine Geschichte über die Liebe eines Mannes, an einem bizarren Tag, der kein Ende zu finden scheint.
(Klappentext)

Rezension:
Einmal im Monat betrinkt Thomas sich. In einem Rausch durchlebt er den Tag. heute hat ihn sein Chef freigegeben, nicht ohne das Problem anzusprechen. Doch jetzt ist er allein mit sich und seinen Gedanken. Oder ist er gar nicht allein? Ein Spaziergang wird vermutlich helfen, den Kopf frei zu bekommen. Auf seinem Spaziergang verliert er sich in bizarren Begegnungen. Ist das alles wirklich? Thomas beginnt Vergangenes zu verarbeiten. Ob es ihm gelingen wird?

„Das weiße Haus mit den weißen Dachziegeln“, ist eine kleine Novelle aus der Feder von Thodoros Iatridis, der damit eine Erzählung über Trauer und Verarbeitung, dem Begreifen und Erfassen geschrieben, dies in einem sehr poetischen Ton verfasst hat. Beim Lesen des kompakten Textes begleiten wir den Protagonisten, erfahren zunächst wenig über den Hintergrund, der sich nur langsam erschließen wird. Der Protagonist selbst ist ebenfalls lange Zeit nicht wirklich zu greifen. Was treibt ihn an, was treibt ihn um? Warum begibt er sich in einem Zustand, in der die Phantasie überhand nimmt und die reale Welt in den Hintergrund rücken lässt.

Surrealistisch und abstrakt wirkt der Text. Fast ist es so, als würde man von Gemälde zu Gemälde springen. Wer liest bekommt viel Zeit zur Interpretation. Das Erzähltempo ist langsam. Ein wirklicher Lesefluss mag sich dabei nicht einstellen. Vielmehr reihen sich Momente zum Innehalten aneinander, wie auf eine Perlenkette. Der Protagonist, so begreift man dann, ist in einer Phase der Trauer, noch nicht bereit loszulassen, aber kurz davor. Was zuvor passiert ist, bleibt länger im Dunkeln.

Sehr poetisch ist der Ton. Die Sprache wirkt zuweilen sehr geschliffen. Und erreicht nur, wenn man in der richtigen Stimmung für diese Art von Literatur ist, ansonsten bleibt man davon merkwürdig unberührt. Das fühlt sich falsch an, wo man doch weiß, dass es einem nahegehen müsste, gerade wenn man die Ebenen dahinter erfasst hat. Die Mischung aus Erzähltempo und Tonalität ist jedoch sehr besonders und macht den Einstieg nicht gerade leicht.

Kurz und kompakt sind die Kapitel gestaltet. Der Protagonist wird in ihnen mit seinen Gedanken und Gefühlen konfrontiert. Ständige Wiederholungen unterstreichen die tiefen Narben, deren Herkunft sich erst spät erschließen wird. Der Takt der Wiederholungen von Sprachbildern lässt den Text sehr kantig wirken. Das ist nur den sehr geduligen Lesenden zuträglich. Alle anderen bleiben leider auf der Strecke. Innerhalb der Ebenen, wenn es um Trauer und Verarbeitung geht, um das sich Erinnern, ist die Erzählung dennoch schlüssig, auf seine eigen bizarre Art und Weise. Manchmal wirkt es so, als hat der Autor sich hier nicht entscheiden können, ob er nun ausschweifend oder detailliert formulieren wolle. Das merkt man durchaus an der einen oder anderen Stelle.

Lücken erschließen sich gegen Ende des kleinen Romans, dessen Phantasiewelten im Kopf des Protagonisten man sich durchaus plastisch vorstellen kann. Schauplätze vermag Iatridis vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Reicht das aber aus? Wer keinen Zugang zum Surrealen findet, dem wird dies leider nicht genügen. Eventuell wirkt das anders, wenn man selbst schon trauern musste? Das möchte ich dem Autoren gerne zugestehen, habe mich selbst zum Glück aber bisher noch nie in dieser Lage befunden.

Definitiv keine leichtgängige Lektüre ist „Das weiße Haus mit den weißen Dachziegeln“, die man unbedingt in der richtigen Stimmung lesen sollte, um sie wirken zu lassen. Anders funktioniert es hier nicht. Zu abstrakt ist da der Text und damit auch nicht wirklich greifbar. Und das ist schade, denn manches sprachliches Bild darin ist durchaus schön.

Autor:
Theodoros Iatridis ist 1984 geboren und ein deutscher Schriftsteller. Mit seinem Debüt „klein ist die Seele“ durfte er an der Veranstaltungsreihe „das erste Buch“ vom Raabe-Haus, Literaturzentrum Braunschweig, teilnehmen. Er ist Autor mehrerer Erzählungen.

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Folge mir auf folgenden Plattformen:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert