Bericht

Udo Lielischkies: Im Schatten des Kreml

Inhalt:

Seit Wladimir Putin 1999 an die Macht kam, berichtete Udo Lielischkies als ARD-Korrespondent aus dem riesigen Land. In dieser Zeit hat er nicht nur die russische Politik, sondern auch den Wandel des russischen Lebens unter Putin hautnah miterlebt. Udo Lielischkies erzählt von seinen Erlebnissen zwischen Kreml und russischer Provinz und vor allem von den stillen Helden in den Weiten Russlands. Ein einzigartiges Bild des facettenreichen wie widersprüchlichen Landes. (Klappentext)

Rezension:

Fast zeitgleich, als Putin 1999 an die Macht kam, wechselte der ARD-Reporter Udo Lielischkies das Berichtsgebiet und begann einzutauchen, in das Leben und die große Politik des größten Landes der Erde. In seinem Sachbuch berichtet er, in der Neuauflage vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine, vom Wandel der russischen Gesellschaft, einem Staat, dessen Gesicht nun ein vollkommen anderes ist, aber auch von den Herausforderungen des Korrespondenten-Daseins, wenn nichts ist, wie es zunächst scheint.

Eingerahmt von Eindrücken des jüngsten Ereignisses beginnt der Autor das Erlebte von Beginn an, aufzurollen und zeigt die Schwierigkeiten des Reporterlebens in einem zunächst ihm unbekannten Land auf, sowie die Schnelllebigkeit der Ereignisse, die von Beginn an seine Tätigkeit bestimmte.

Dabei setzt er den Fokus auf einzelne Ereignisse, sowie auf seinen Begegnungen mit Menschen aus ganz Russland und portraitiert das Leben in Moskau ebenso, wie die Unzulänglichkeiten der Provinz, aber auch die Unberechenbarkeiten des Tschetschenien-Kriegs, das erste Geschehnis, welchem er für den ersten deutschen Fernsehsender auf den Grund gehen musste. Im Fokus dabei, neben der Einordnung politischer Entscheidungen für die Zuschauenden, immer auch die Menschen, die davon direkt betroffen waren, dabei einen vollkommenen und gefährlichen Umbau der russischen Gesellschaft zu erleben.

Kompakt reiht er Ereignis um Geschenis aneinander, zeigt die Konsequenzen auf und konzentriert sich dabei immer wieder auf einzelne Themen, wie die Gleichschaltung des einheimischen Journalismus’, sowie dem Ausschalten derer, die versuchen, so lange, wie möglich, noch ihre eigene Sicht der Dinge zu publizieren oder aber die Vereinnahmung von Ernten kleiner Bauern durch übermächtige Agrar-Konzerne mit Verbindungen, hinein in höchste politische Ebenen.

Warum sind trotz offensichtlicher Willkür und um sich greifender Korruption, spurlos verschwindender Gelder aus thematisch begrenzten Budgets, so viele Menschen immer noch für Putin? Was hält dieses Land zusammen, wo das Vertrauen nicht Weniger längst zerstört ist und Russland längst ausblutet?

Anhand von zahlreichen Beispielen gibt er Einblick in den schwierigen Alltag der Menschen, die oft das propagierte Bild im Einklang mit der Wahrheit bringen müssen, was immer schwieriger wird. Was nützt es, ständig von Erfolgen zu hören, wenn der eigene Kühlschrank leer bleibt, da Löhne und Renten nicht zum leben reichen, Dächer undicht sind und kein Zugang zu sauberen Trinkwasser vorhanden ist. Udo Lielischkies gibt jedoch auch Einblick in den schwierigen Reporter-Alltag, Recherchearbeit, Berichtsglück und der Entscheidungsfindung, was berichtet wird, wenn sich die Ereignisse mal wieder überschlagen.

Doch nicht die großen Eindrücke sind es, die diese Rückschau so interessant macht, sondern die zahlreichen dokumentierten Begegnungen, vor allem mit Menschen, die die Differenzen sehen, jedoch nicht gegen die Allmacht des Staates und seiner Anhängel ankommen. Einmal mehr gilt der Spruch, Russland schert sich nicht um das Lebensglück seiner Menschen. Fasslungslos nimmt man das Beschriebene auf, welches zudem durch umfangreiches Quellenmaterial unterfüttert wird, welches der Autor hintenan stellt.

Udo Lielischkies hat Wandel und Widerspruch portraitiert, authentisch zudem, da auch er inzwischen in Russland Familie hat und sozusagen den Alltag mitbekommt. Das Land, was er 2018 verließ, war da längst ein anderes, als das, von welchem er 1999 zu berichten begann, vier Jahre später sowie so.

Der Journalist schlägt sich auf keine Seite, beobachtet und ordnet ein und zeigt an zahlreichen Beispielen auf, wie Entscheidungen verschiedener staatlicher Ebenen, gewollt ein System der Willkür und Korruption geschaffen haben, welches längst ein Eigenleben führt. so gewollt von der obersten Führung.

Der Ton wechselt dabei von sachlicher zu emotionaler Ebene. Sowohl die Portraits der Ereignisse als auch der teilhabenden Menschen waren sehr spannend zu lesen, aber auch, wie Berichtsalltag in einem solch kaum fassbaren Land überhaupt funktioniert. Vom letzteren hätte es nicht geschadet, noch mehr Beispiele aufgeführt zu sehen, jedoch auch so ist ein sehr bezeichnender Bericht. Udo Lielischkies zeigt, was passiert, wenn sich Politik und Volk auseinander entwickeln und nur durch verschiedene Formen von Gewalt und Willkür zusammengehalten werden. “Im Schatten des Kreml” zeigen sich die Widersprüche.

Autor:

Udo Lielischkies wurde 1953 in Köln geboren und ist ein deutscher Journalist und ehemaliger Leiter des ARD-Studios in Moskau. Er studierte in Köln Volkswirtschaft und Soziologie, sowie Journalistik. 1980 begann er als Wirtschaftsredakteur beim WDR, nachdem er zuvor als freier Mitarbeiter tätig war.

Nach Stationen in verschiedenen Redaktionen wurde er 1994 Europa- und NATO-Korrespondernt in Brüssel, bevor er 1999 nach Moskau wechselte und von dort u. a. aus Tschetschenien und der Ukraine berichtete. Für seine Reportagen wurde er u. a. mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Ab 2006 war er kurzzeitig in washington tätig, kehrte jedoch bald für die ARD nach Moskau zurück und blieb dort bis zu seinem Ruhestand, 2018.

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Jenny von Sperber: Fritz, der Gorilla

Inhalt:

Diese faszinierende Gorilla-Familiensaga erzählt nicht nur das bewegte Leben von Fritz, sondern zeigt auch die Entwicklung in europäischen Zoos im Umgang mit Menschenaffen auf. Als Jenny von Sperber Fritz zum ersten Mal begegnet, lässt der Gorilla sie nicht aus den Augen. Er ist damals schon über 50 Jahre alt, aber immer noch sehr charismatisch. Für die Journalistin ist klar: Sie will alles über das Leben von fritz herausfinden. (Klappentext)

Rezension:

Es ist noch gar nicht so lange her, da bekamen Zoos weltweit nicht selten ihre Tiere durch Wildfänge rund um die Welt, bis man diese Praxis durch internationale Abkommen weitgehend beendete. In Bezug auf Menschenaffen bedeutete dies oft, eine ganze Gruppe von Tieren zu töten, um an die Jungtiere heranzukommen. Wahrscheinlich, genau weiß man das nicht, kam so auch der Gorilla Fritz als einer der ersten seiner Art nach Deutschland und begründete dort eine Familiendynastie, die nicht nur den Wandel der Zootierhaltung erlebte. Die Journalistin Jenny von Sperber begab sich auf weltweite Spurensuche. Entstanden ist so eine beeindruckende tierische Biografie.

Mal etwas ganz anderes ist es, eine Biografie über ein Individuum unserer nächsten Verwandten zu verfassen, zugleich ein Sachbuch, welches sich mit dem Wandel der Betrachtung von Tieren und den Blick auf eine zeitgemäße Betrachtung von Zoos und Tierparks richtet. Dies kombiniert die Autorin hier in einem kompakten, einfühlsamen und doch sehr informationsreichen Sachbuch, welches sich spannend liest, ohne den objektiven Blick zu verlieren.

Interessant ist dabei der immerwährende Perspektivwechsel zwischen der Geschichte eines Tieres, welches nicht nur die Autorin ins herz geschlossen hat, dem sie trotz anfangs spärlich vorhandener Informationen auf den Grund gehen möchte, auch die Geschichte von Zoos, die Tiere zu reinen Anschauungsobjekten machten, bis zum heutigen Versuch einer, wie auch immer, artgerechten Tierhaltung. Natürlich verbunden mit Artenschutzprogrammen und dem Aufbau eines Backups für bedrohte Tierarten, die in freier Wildnis kaum eine Chance hätten, zu überleben, da Lebensräume immer kleinräumiger werden.

Jenny von Sperber geht dabei biografisch vor, hangelt sich anhand einer Zeitachse entlang und streut Episoden aus den Erinnerungen ehemaliger Mitarbeiter von Zoos, sowie Fritz’ Nachkommen nach, um ein Gefühl für den beeindruckenden Gorilla-Mann zu bekommen, der nur ein paar Jahre nach ihrem ersten Treffen sterben, damit jedoch trotzdem seine Artgenossen in der Wildnis um mindestens zwanzig Jahre überleben sollte. Sie stellt dabei ethische Fragen über Tierhaltung und Artenschutz in Verbund mit Zoos, zudem die Probleme, mit denen sich das internationale Arterhaltungsprogramm heute auseinandersetzen muss.

Keineswegs nüchtern liest sich das. Den Zwiespalt der Autorin liest man in jeder Zeile, doch verlässt Jenny von Sperber, vielleicht auch wegen des Kontakts mit Zoomitarbeitern und Wissenschaftlern, Naturschützern, nicht die sachliche Ebene. Schon deshalb ist die Lektüre wertvoll, da sie sich nicht auf die oft sehr falsch oder zumindest ziemlich einseitig geführte Diskussion um die Daseinsberechtigung der Zoos und Tierparks einlässt. Die Autorin sieht Zweck und Nutzen, verknüpft diese mit einem großen Aber.

Schwenks zurück führen immer wieder zu Fritz und seinen Verwandten, so dass die Grundthematik nicht aus den Augen verloren wird. Interessant hierbei ist der Blick auf Fritz’ Familie, deren Nachkommen inzwischen weltweit verstreut leben, aber auch, wie viel Wissen sich die Autorin im Laufe der Recherchen und Kontaktaufnahmen zu Sachverständigen und Experten erarbeitet haben muss. Zudem wird detailreich erzählt, ein großes Plus.

Das Sachbuch ist biografisch gehalten, eröffnet neue Blickwinkel und lässt uns einem unserer nächsten Verwandten fortan mit anderen Augen sehen. Mehr solche Beiträge zu Diskussionen wären wünschenswert, gerade wenn nicht die Festlegung auf nur eine Perspektive dieser zuträglich ist. Und das ist ja zumeist der Fall. Auch dafür steht dann Jenny von Sperbers “Fritz, der Gorilla”.

Autorin:

Jenny von Sperber wurde 1979 geboren und arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin. Für Rundfunk und Fernsehen veröffentlichte sie verschiedene Beiträge mit den Schwerpunkten Ökologie, Wild Life, sowie weitere gesellschaftlich relevante Themen. Ausgezeichnet wurde sie mit dem Heureka-Preis für Wissenschaftsjournalismus. Vorher studierte sie u. a. in Tokyo, Japan, bereiste für verschiedene Reportagen die Welt. “Fritz, der Gorilla”, ist ihr erstes Buch.

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Marietta Slomka: Nachts im Kanzleramt

Inhalt:

Politik zu erklären ist Marietta Slomkas Beruf: Die bekannte Journalistin moderiert im ZDF das heute journal und weiß, wie es hinter den Kulissen zugeht. In Nachts im Kanzleramt erklärt sie locker und verständlich, mit Anekdoten und praktischen Beispielen, wie Politik tatsächlich funktioniert und welche Insiderbegriffe man kennen sollte.

Wer dieses Buch gelesen hat, hat nicht nur den Durchblick, sondern ist auch fit für jede politische Debatte. Ein junges Buch für die Themen von heute! (Klappentext)

Rezension:

Die politische Debatte verliert sich in Details zu verlieren und am Ende erscheint das Ergebnis nur als fauler Kompromiss, der zudem bei vielen Menschen auf Unverständnis stößt. Doch, warum mahlen die Mühlen der Politik so langsam? Wie funktioniert das überhaupt, die Politik in der Hauptstadt und das staatliche Gefüge der Bundesrepublik? Wie entstehen Nachrichten und regiert Geld tatsächlich die Welt? Wenn ja, bei viel Grad wäscht man es?

Diese und andere Fragen hat die Nachrichten-Moderatorin Marietta Slomka zusammengestellt. Entstanden ist eine Sammlung von Grundlagenmaterial, welche Schule machen müsste.

Aufgelockert durch Karikaturen von Mario Lars und eigenen Anekdoten beschreibt die Autorin zunächst das politische System der Bundesrepublik, wie Wahlen und Mherheitsverhältnisse zustande kommt und danach, wie das Zusammenspiel in der Politik eigentlich funktioniert. Wie arbeiten die staatlichen Organe? Wie kommen Gesetze und Beschlüsse zustande und warum kommt es in der Praxis manchmal anders als in der Theorie?

Darauf folgen ein Schnellkurs Medien, sowie Wirtschaft und Europa, zuletzt das Wirken der internationalen Staatengemeinschaft. Auch hier geht die Autorin nicht vom Vorwissen aus, sondern bleibt bei den Grundlagen, von denen man vielleicht bereits viel kennen mag, jedoch nicht in allen Aspekten oder Übergänge und Unterschiede danach noch genauer umreißen können dürfte.

Betont sachlich zeigt sie Schwach- und Reibungspunkte des Systems Bundesrepublik auf, jedoch auch, wie und warum dieses gefüge funktioniert. Zusammenhänge werden so verständlich dargestellt.

Politisches Wissen frischt die Moderatorin auf oder beginnt es zu schaffen, je nachdem, von welchem Standpunkt aus das Werk gelesen wird. Mit diesem Werk Schulbibliotheken zu bestücken oder es im Unterricht zu verwenden, ist vielleicht gar keine so schlechte Idee.

Bei diesem Publikum dürften beim Lesen auch keine Längen entstehen, was bei politisch Versierten durchaus der Fall an der einen oder anderen Stelle ist. Mancher wird sich sagen, das weiß man doch. Aber wirklich alles?

Autorin:

Marietta Slomka wurde 1969 in Köln geboren und ist eine deutsche Journalistin und Fernsehmoderatorin. Zunächst studierte sie Volkswirtschaftslehre und Internationale Politik in Köln und der University of Kent in Canterbury/England, bevor sie 1995 dieses als Diplom-Volkswirtin in Köln abschloss.

Von 1991-1996 war sie freie Mitarbeiterin des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, ab 1994 für die Kölnische Rundschau tätig.

Nach einem Volontariat bei der Deutschen Welle arbeitete sie zunächst für das ZDF als Parlamentskorrespondentin in Bonn, bevor sie 2000 die Moderation des Nachrichtenmagazins heute nacht übernahm, ein Jahr später dann das heute journal.

2013 erhielt sie den Deutschen Fernsehpreis für die beste Informationssendung, 2015 den Janns-Joachim-Friedrichs-Preis. Neben dem heute journal moderierte und produzierte sie bis dato weitere Sendungen und Formate für das ZDF.

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Tete Loeper: Barfuß in Deutschland

Inhalt:

Mutoni, eine junge, gebildete Frau aus ruanda, beschließt nach dem Tod ihrer Mutter auszuwandern. Über eine ehemalige Mitschülerin erhält sie das Angebot, nach Hamburg zu ziehen und dort einen Mann zu heiraten. Voller Zuversicht und Hoffnung auf ein besseres Leben begibt sie sich auf den Weg nach Deutschland. Entgegen ihren Erwartungen findet sie sich jedoch schon bald in unterdrückenden, teils gewaltvollen Arbeitsverhältnissen wieder. Die Erfahrungen, die sie als Schwarze Migrantin in Deutschland alltäglich macht, führen sie schließlich zu einer unerwarteten Entscheidung… (Klappentext)

Rezension:

Als alle Fäden in ihrer Heimat förmlich zerreißen, entschließt sich die junge und lebensfrohe Mutoni ihr Heimatland Ruanda zu verlassen. In der Stadt, in der sie aufgewachsen ist, hält sie nichts mehr, nachdem mehrere Familienmitglieder ebenfalls den Schritt in die Ferne gewagt haben, die Mutter gestorben ist und das Bild, welches sie von Europa im Kopf hat, immer verführerischer wird.

Ein Angebot, in Deutschland einen Mann zu heiraten, den sie kaum kennt, zu arbeiten und Fuß zu fassen, kommt da gerade recht. Doch, nicht nur Temperaturen und Kleidung sorgen schnell für einen Kulturschock. Mutoni erkennt schnell, dass sie unter falschen Versprechungen hergelockt wurde. Ihr gelingt es, sich davon zu befreien, doch auch alltäglichere Nadelstiche setzen ihr zu, gerade wenn den Verursachern contra gegeben wird.

Sie stoppte augenblicklich in ihrer Bewegung und warf mir einen skeptischen Blick zu. Es hatte ihr wohl die Sprache verschlagen, denn wortlos verließ sie die Küche und schloss demonstrativ die Wohnzimmertür hinter sich.

Tete Loeper: Barfuß in Deutschland

So beginnt die Geschichte, die die Autorin und Journalistin Tete Loeper anhand ihrer und die Anderer Erfahrungen entlang aufgeschrieben und zu einem berührenden Roman gewoben hat, der einen nachdenklich zurücklassen wird. In kompakter Form schafft sie es, all die Hoffnungen und Enttäuschungen, die Gewalterfahrungen unterzubringen, seien sie nun physischer oder psychischer Natur, dass es einem beim Lesen kalt den Rücken hinunter laufen wird. Unweigerlich wird man sich zudem fragen, wie viel Härte das Lektorat herausnehmen musste, gerade zu Beginn, damit der Text gerade zu Beginn noch für Lesende zu verarbeiten ist.

Dieses Gefühl wird nach und nach durch zwar immer kleinere aber auch spür- und sichtbare Nadelstiche ersetzt, die die Protagonistin verspürt, ob nun durch ihre Umgebung ungewollt oder gewollt hervorgerufen. Loeper gibt hier einen Ansatz von Vorstellungen weiter, die niemand aktiv erleben möchte, der leider jedoch immer noch Alltag für viele ist. Gleichzeitig ist es der Autorin in prägnanter Sprache gelungen, auf wenigen Seiten ihrer Protagonistin eine gewisse Wandlungsfähigkeit angedeien zu lassen, die weit über das hinaus geht, was sich anfangs erahnen lässt.

Das setzt dann auch eine gewisse Fähigkeit beim Lesenden voraus, sich selbst zu hinterfragen. Wie bestimmen Klischees unser Denken und Handeln, auch unbewusst? Wie kommentieren und beobachten wir, wie wirkt dies nach außen und wie ist es gemeint, im Guten oder auch im Schlechten? Was macht das mit jenen, die dann im Fokus stehen? Was macht es mit uns, als Gesellschaft? Wenn man sich diese Punkte einmal nach dem Lesen des Romans durch den Kopf gehen lässt, hat dieser sehr viel erreicht.

Autorin:

Divine Gashugi Umulisa, bekannt unter ihrem Pseudonym Tete Loeper, wurde 1990 in Ruanda geboren. Sie lebte während des Völkermords an den Tutsi in Burundi und im Kongo im Exil. Nach ihrem Studium des Journalismus arbeitete sie in verschiedenen Forschungsprojekten mit gefährdeten Mädchen und jungen Frauen, leitete Workshops für Kreatives Schreiben. Seit 2016 lebt sie in Deutschland und arbeitet als Autorin, Schauspielerin, Bildungsreferentin für interkulturellen Austausch und globales Lernen.

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Mein Rückblick durch’s Bücherjahr 2021

Immer wieder stelle ich fest, dass gerade in, sagen wir, fordernden Zeiten, mir Bücher einen besonderen Halt geben. Mit dem Lesen einiger Seiten auf den Weg zur Arbeit oder vor Hochfahren des Büro-Laptops im Home Office starte ich in den Tag, abends auf den Nachhauseweg in der U-Bahn schaufel ich mir mit Büchern den Kopf frei und komme auf andere Gedanken. So habe ich dieses Jahr viele Bücher für mich entdecken können, mehr gelesen als etwa im Jahr 2020, erstaunlicherweise mit vergleichsweise wenigen Totalausfällen. Nur einen Abbruch hatte ich auf den Zähler. Darum soll es heute aber nicht gehen. 2021 war für uns alle anstrengend genug. daher habe ich mich dazu entschlossen, meinen Rückblick auf die Lese-Highlights des Jahres zu beschränken und die anderen Werke aus meinem Gedächtnis zu verdrängen. Wer diese sich noch einmal zu Gemüte führen möchte, den bleibt nichts übrig, als die Rezensionen zu durchstöbern. Hier soll es heute nur um die Highlights gehen. Über die Flops sprechen wir zu oft.

Eine Top 10 auszuwählen, ist mir dabei nicht gelungen, so zeige ich ganze zwanzig Bücher, die ich in positiver Erinnerung habe. Von der Belletristik bis zum Sachbuch, von der Neuerscheinung bis zur Backlistliteratur ist alles dabei. Natürlich könnte ich noch viel mehr Werke nennen, aber ihr kennt den Ausdruck: “Das sprengt den Rahmen!”. 🙂

Während Björn Stephan mich mit seinem Schreibdebüt, einem sensiblen Coming of Age Roman, überraschen konnte, entführte mich Esther Horvath gleich zu Beginn des Jahres in die eisigen Gefilde der Arktis. Sie begleitete die bis dato größte von den Forschern des deutschen Alfred-Wegner-Instituts angeführte Polarexpedition, auf dem Eisbrecher “Polarstern” und brachte beeindruckende Fotos mit nach Hause, die sie in diesem Bildband versammelt hat. Stephan Orth nahm seine LeserInnen dagegen in ein nahezu noch unbekanntes Land. Saudi-Arabien. Immer, Auge und Auge mit Scheichs und Kamelen. Unvergessen natürlich, das Interview, welches ich mit ihm führen durfte.

Christa von Bernuths Kriminalroman “Tief in der Erde”, der auf wahre Begebenheiten eines spekatkulären Falls der bundesdeutschen Kriminalgeschichte beruht, gehört im Bereich True Crime zu meinen Highlights, wie auch Sasha Filipenko, der mit seinem Roman “Der ehemalige Sohn” tief in die belarussische Gesellschaft Einblick nehmen lässt. Noch nie habe ich einen, über weite Strecken, so deprimierenden Roman gelesen, der jedoch sehr eindrucksvoll zu lesen ist und deshalb definitiv zu meinen Highlights zählt. Olga Grjasnowas Essay über den Nutzen von Mehrsprachigkeit war nichtminder aufschlussreich.

Genau so wie ich Olga Grjasnowas Ausführungen zur Mehrsprachigkeit empfehlen kann, möchte ich allen Natasha A. Kellys Essay über Rassismus ans Herz legen. Hier beschreibt sie, woher Rassismus kommt, wie das wirkt und wie wir dieses strukturelle Problem lösen können. Ihr Werk hatte in jedem Fall den Preis für die am schwersten zu schreibende Rezension gewonnen. So oft habe ich, glaube ich, selten, nach den richtigen Worten gesucht. Khue Pham beeindruckte mit ihrem halbbiografischen Roman einer über die Welt verstreuten, ursprünglich aus Vietnam stammenden Familie und Stefanie vor Schulte mit einer sprachlich so anspruchsvollen erzählung, die ihres Gleichen sucht.

Familiengeschichten oder Coming of Age dominierten bei mir im Bereich der Belletristik und so kann ich auch Alex Schulman “Die Überlebenden”, wie auch das Debüt von janina Hecht “In diesen Sommern” zu meinen Highlights zählen. In beiden Romanen geht es um Kindheiten und den nicht ganz so einfachen Umgang damit, im Erwachsenenalter, während Ariel Magnus in seinem Roman “Das zweite Leben des Adolf Eichmanns”, den eben genannten wieder lebendig werden lässt, bis zu seiner Entführung und Verhaftung durch Agenten des israelischen Geheimdiensts Mossad. Spannend und erschreckend zugleich , einmal diese Perspektive einzunehmen.

Wie bekommen wir die Fragestellungen und Probleme, die sich gerade jetzt klar und deutlich zeigen, in den Griff? Wo liegen die Stellschrauben im Gesundheitssystem und unserer Gesellschaft? Was muss sich ändern, da Applaus nicht genug ist? Diese Fragen stellt der Journalist David Gutensohn und zeigt, wie Lösungen aussehen können und was in winzigkleinen Schritten schon jetzt passiert oder, wo es noch viel zu tun gibt. Frank Vorpahl entwirrt derweil Mythos und Wirklichkeit um Heinrich Schliemann und Xose Neira Vilas’ Novelle “Tagebuch einer Kindheit in Galicien” war genau so erschreckend, wie düster, wie hoffnungsvoll.

Der Historiker Uwe Wittstock zeigt in seinem romanhaft anmutenden Sachbuch “Februar 33 – Der Winter der Literatur”, wie schnell Kunst und Kultur von den Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme vereinnahmt wurden und Schriftsteller, wie Künstler, ins Abseits gedrängt oder für ideologische Zwecke ausgenutzt wurden. Das Werk zählt wohl bei so Einigen zu den Highlights, wie vielleicht auch “Shuggie Bain” von Douglas Stuart, eine traurigere und trostlosere Version und Mischung aus “Billie Elliott” oder Frank McCourts “Die Asche meiner Mutter”. Fast möchte man die Hauptfigur aus den Roman herausziehen, und sie vor allem Übel der Welt beschützen.

Last, but not least. Karsten Krogmann und Marco Seng konstruierten in ihrem Sachbuch “Der Todespfleger” die Geschichte des Krankenpflegers Niels Högel, der zum größten Serienmörder der deutschen Nachkriegsgeschichte avancieren sollte, zeigen die Mühlen der Justiz auf, eben so wie deren Schlagkraft, während Roman Deininger und Uwe Ritzer noch einmal Olympia 1972 aufleben lassen, welches so anders werden sollte, als die Spiele der Nazis 1936, und dann doch durch einen Terroranschlag in ihren Grudnfesten erschüttert wurden. Nach zwei Sachbüchern, zu guter Letzt ein wunderschöner Roman, “Heaven”, von Mieko Kawakami, über Mobbing und zarter Freundschaft.

Das waren sie nun, meine zwanzig Highlights des Jahres, die ich um noch weitere Werke hätte ergänzen können, doch lade ich euch natürlich ein, im Rezensionsverzeichnis nach Herzenslust zu stöbern, nach diesen oder nach anderen Werken, nicht nur Highlights, aber eben auch. Es hat mir wieder großen Spaß gemacht, so vielschichtig, auch für euch, zu lesen und ich freue mich auf das kommende Lesejahr, was hoffentlich genau so abwechslungsreich und spannend werden wird.

Vielleicht ist ja das eine oder andere Werk, auch für euch, dabei?

Bis zum nächsten Jahr. Nicht vergessen, wir lesen uns.

Viele Grüße,

findo.

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Christian Hardinghaus: Die verlorene Generation

Inhalt:

Hitlers letztes Aufgebot war minderjährig. Aufgepeitscht durch Kriegspropaganda glaubten viele Hitlerjungen, sie könnten den Endsieg noch herbeiführen und Deutschland vor dem Untergang bewahren. Als Luftwaffenhelfer, im Volkssturm und in Panzervernichtungstrupps kämpften zuletzt selbst 14-jährige als Lückenfüller und Kanonenfutter. Alleine in den letzten Kriegswochen fielen über 60.000 Kindersoldaten. Die Überlebendenden leiden bis heute an verdrängten Kriegstraumata und konnten oder wollten nie darüber sprechen. Am Ende ihres Lebens berichten dreizehn Zeitzeugen von ihren Kindheitserlebnissen während erbarmungsloser Kämpfe oder zermürbender Gefangenschaft. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

In den Trümmern des Dritten Reiches kämpften zuletzt nur noch die Jüngsten, zumeist ums nackte Überleben. Noch halbe Kinder, waren sie das letzte Aufgebot des NS-Regimes, chancenlos und auf verlorenen Posten. Die auf zerstörung getrimmte Kriegspropaganda gepaart mit der teilweise naiven Sicht Pubertierender, die sich für unverwundbar hielten, führte dazu, dass diese sowjetischen oder amerikanischen Soldaten mitunter schmerzliche Verluste zufügten.

Am Ende mussten diese entscheiden, was mit den Halbwüchsigen, die in Fantasieuniformen mit viel zu großen Stahlhelmen steckten, geschehen sollte. Nicht wenige kamen in Kriegsgefangenschaft, wo für viele sich das Grauen fortsetzte. Der Historiker Christian Hardinghaus hat sich, nach den Soldaten und Frauen im Zweiten Weltkrieg nun der dritten Gruppe, der als Kindersoldaten eingebundenen Minderjährigen angenommen. Die Geschichten dreizehn von ihnen, sind nun für die Nachwelt festgehalten.

Ein wichtiger Bestandteil der Erforschung von Zeitgeschichte ist das Festhalten von Erlebnisberichten, das Recherchieren von Tagebüchern und das Führen von Interviews. Lange war dies bei den Kindersoldaten des Zweiten Weltkriegs nicht möglich, zum Einen, da Aufarbeitungsprozesse zu weilen einseitig verlaufen, zum anderen da Verarbeitungsprozesse mitunter langwierig verlaufen. erst in jüngster Zeit wird aufgearbeitet und zugehört.

Viele Veröffentlichungen, etwa von Tagebüchern aus Kriegskindertagen, gab es in den letzten Jahren und doch wird der Gruppe, die das NS-Regime für seine Zwecke ganz zuletzt noch missbrauchte, kaum Beachtung geschenkt. Die Kinder und Jugendlichen nämlich, die im Rahmen willkürlich zusammengewürfelter Volkssturm-Einheiten gegen die Übermacht alliierter Soldaten ankämpfen musste, während um ihnen herum der Staat in seine Bestandteile zerfiel. Die Wahrnehmung der Zeitzeugen darüber, unterscheidet sich dabei zuweilen deutlich von der nachfolgender Generationen.

Christian Hardinghaus hat daher vor allem eines, Gespräche geführt, zugehört und nachgefragt. Wie in seinen anderen Werken zuvor hinterfragt er zunächst die Erinnerungskultur und wie eine Annäherung, hier an die ehemaligen deutschen Jugendlichen im Zweiten Weltkrieg gelingen kann, welche Bandbreite vor allem jahrgangsmäßig dies umfassen muss und welche Nachfragen nicht außen vor gelassen werden können.

Diese stellt er jeweils am Ende dieser so entstandenen Kurzbiografien, die vor allem die Jugendzeit der Befragten ausführlich behandeln. Eingeführt werden ihre Geschichten durch die Darstellung der jetzigen Lebenssituation, um so Zugang dazu zu finden.

Der Autor wertet dabei nicht oder hält sich zumindest großteils damit zurück, zeigt die Dynamik des NS-Terrors in Form ihrer Propaganda und jahrelanger Indoktrination, aber auch, was die Haltung der sie umgebenden Erwachsenen, ob nun Eltern, Lehrer oder Soldaten ausmachen konnte, wie zuweilen ein Schritt zur Seite Leben oder Tod bedeutete. Hardinghaus lässt die Zeitzeugen erzählen, ungeschönt nehmen diese kein Blatt vor den Mund und sprechen auch dabei die weniger bekannten Kapitel an, etwa von den Zuständen im Rheinwiesenlager für Kriegsgefangene der Alliierten.

Sachlich und konzentriert wirken die mit Fotos durchsetzten Berichte, zuweilen erstaunlich nüchtern, dann wieder ins Emotionale kippend, was vielleicht dem zeitlichen Verarbeitungsprozess geschuldet ist. Auch dieser wird immer kurz dargestellt. Die Wertung, wenn eine solche denn möglich ist, erfolgt dann durch die Lesenden, die mit Informationsgewinn aus der Lektüre gehen werden. Mit diesem Band, der aus dem Pool ausgewählter Zeitzeugenberichte entstanden ist, denen sich Hardinghaus bedienen konnte, ist das Bild abgerundet und sollte auch gelesen werden.

Ein wichtiger und zur weiteren Diskussion anregender Beitrag zur Aufarbeitung ist das, der herausgestellt werden kann, jedoch nicht für sich alleine stehen sollte. Für mein Interesse an der Thematik hätten es jedoch ruhig noch mehr Berichte sein können. Vielleicht wird ja das Bild noch durch kommende Lektüre ergänzt werden?

Autor:

Christian Hardinghaus wurde 1978 in Osnabrück geboren und ist ein deutscher Historiker, Schriftsteller und Fachjournalist. Nach seinem Studium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft (Film und TV) promovierte er an der Universität Osnabrück im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung. Im gleichen Jahr absolvierte er den Lehrgang Fachjournalismus an der Freien Journalismusschule. 2016 erwarb er zudem den Abschluss für das gymnasiale Lehramt in den Fächern Deutsch und Geschichte. Er ist Autor zahlreicher Sachbücher und Romane. Hardinghaus lebt in Osnabrück.

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Nicolai Boudaghi/Alexander Leschik: Im Bann der AfD

Inhalt:

Sie sind jung, neugierig und hoch motiviert. Über Jahre hinweg engagieren sich Nicolai Boudaghi und Alexander Leschik in der AfD. Schnell steigen sie auf. Dabei stehen sie auf der Seite der gemäßigten. Doch irgendwann müssen sie sich eingestehen, dass der radikale Flügel der Partei nicht zu stoppen ist. In diesem verstörenden Insider-Bericht schildern sie ihre Wege und Fehler in der AfD-Jugendorganisation und der Mutterpartei.

Anhand von Chats, Sitzungsprotokollen und vertraulicher Untelagen geben sie einen Einblick in die rechte Partei, deren Weg und wie Spitzenfunktionäre diesen beurteilen, sowie einen Ausblick auf das Kommende. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

Vor Gründung der AfD hielt man eine Partei von derartiger Ausrichtung kaum für möglich und dauerhaft erfolgreich in Deutschland, doch ist diese seit 2013 in sämtliche Landesparlamente und schließlich in den Deutschen Bundestag eingezogen. Eine Alternative zur etablierten Politik wollten ihre Gründer einst schaffen, vieles anders oder besser machen. Seit dem hat sich viel verändert. Mit zunehmenden Erfolg veränderte sich, zunächst schleichend die Zusammensetzung der Mitglieder, mit ihnen die Tonalität innerhalb der Partei und schließlich den Parlamenten. Heute ist die AfD kaum mehr wiederzuerkennen, geben extreme Kräfte den Ton an.

Wie konnte es dazu kommen? Die Autoren Alexander Leschik und Nicolai Boudaghi zeichnen ihren Weg nach, von den zunächst politikinteressierten Jugendlichen, die sie waren, hin zu engagierten mitgliedern, die nach und nach mit ansehen mussten, wie die vernetzte Rechte nach und nach ihre Partei in eine Richtung dreht, die heute nur mehr als gefährlich und abstoßend zu bezeichnen ist.

Welche Position nahmen sie dazu ein, welche Fehler machten sie und wo eigentlich liegt der Kipppunkt in der bisherigen Geschichte einer Partei, die in Gefahr läuft als Gesamtes vom Verfassungsschutz unter Beobachtung gestellt zu werden, deren Landesverbände zerstritten sind und schon mehrere Metamorphosen hinter sich hat, im Laufe derer nur immer noch radikalere Mitglieder die Zügel an sich gerissen haben.

Ungeschönt erzählen die beiden Autoren von Parteiveranstaltungen und Versammlungen, zitieren aus Chatgruppen und internen Dokumenten, wie rechte Netzwerker im Laufe der Jahre immer mehr den Ton vorgaben, von Taschenspielertricks, die die AfD den etablierten Parteien vorwirft, jedoch selbst bis auf die Spitze treibt und von psychologischer Kriegsführung und Tauziehen um Machtpositionen innerhalb der Parteiebenen, welches irgendwann auch die letzten gemäßigten Mitglieder vertreiben oder mit in den Abrgund reißen wird.

Die Autoren zeigen ihren Weg in der Partei auf, verdeutlichen Beweggründe von Beitritt bis zum Austritt aus der AfD, verdeutlichen Kipppunkte, ihre eigenen Fehler und auch, weshalb sich die AfD so schnell radikalisiert hat. Anhand von Chatprotokollen und internen Dokumenten, Zitaten aus der Führungsebene zeigen Boudaghi und Leschik wie die Partei in ihrem Inneren funktioniert, wie sehr sich Innen- und Außenwirkung unterscheiden. Wie radikal ist die AfD heute, whin wird dieser Weg führen? Wer sind die bestimmenden Personen in der Partei heute? Haben die demokratischen Parteien dagegen eine Chance? Wie sieht diese aus?

Das alles ließt sich schwergängig. Man blättert durch die Seiten mit offenen Mund, erlebt die Zeit seit 2013 im Schnelldurchlauf, in der eine Unerhörtheit der nächsten Absurdität folgt. Zu oft kann man nicht fassen, was da in und zwischen den Zeilen steht. Und, Boughadi und Leschik? Ja, es ist wieder ein Buch von Aussteigern und natürlich mit einer gewissen Intension geschrieben, die man beiden jedoch auch abnimmt, zumal wenn man das Verhalten von Abgeordneten der AfD, deren Aussagen betrachtet und all jenen Verknüpfungen, die es in andere radikale Netzwerke hinein gibt, zudem jene Ereignisse vor Augen führt, auf die gewisse Reaktionen folgten.

Dieses Buch dürfte hoffentlich, ja es muss hohe Wellen schlagen. Unbedingt.

TV-Interview Kontraste:

Interview Tim Gabel:

(Interviews, wie auf der Verlagsseite eingebunden)

Autoren:

Nicolai Boudaghi wurde 1991 geboren und trat 2013 der AfD bei. Er arbeitetet im Vorstand des Bezirksverbands Düsseldorf und arbeitete für die Partei im Landtag, sowie in der Nachwuchsorganisation “Junge Alternative” als stellvertretender Bundesvorsitzender. Er studierte Sozialwissenschaften und trat 2020 aus der AfD aus.

Alexander Leschik wurde 2000 geboren und schloss sich mit 15 Jahren der AfD-Nachwuchsorganisation an, bewährte sich als Vize-Kreissprecher in Münster und wurde 2021 in die Arbeitsgruppe Verfassungsschutz vom Bundesvorstand berufen. Er studiert Rechtswissenschaften und verließ 2021 die AfD.

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Alice Piciocchi/Andrea Angeli: Kiribati

Inhalt:

Die kleine Inselwelt Kiribati – 1777 von James Cook zwischen Australien und Hawaii entdeckt – versinkt infolge des Klimawandels allmählich im weiten Blau des Pazifischen Ozeans. Mit einem reich illustrierten Reisetagebuch wollen Alice Piciocchi und Andrea Angeli diese Welt ein Stück weit bewahren.

Hier sind Familien seit Generationen zu Hause, werden alte Traditionen gelebt und sind magische Rituale genauso Teil des alltags wie Satellitenfernsehen und das Internet. Das Buch erzählt von einer Reise ans andere Ende der Welt, ist ein buntes Mosaik aus Anekdoten und Erlebnissen, aufwendig gestalteten Karten, Zeichnungen und Infografiken. Ein Buch, das unsere Sehnsucht weckt und die Hoffnung, dass dieser besondere Ort auch zukünftig bestehen bleibt. (Klappentext)

Rezension:

Mehrere Atolle entlang der Datumsgrenze, die bis zu ihrer Verschiebung den Tag in zwei Teile teilte, bilden eines der letzten Paradiese dieser Erde. Noch leben dort, auf den Inseln des Südseestaates Kiribati, Menschen. Die Frage ist nur, wie lange noch? Die Welt, die einst James Cook entdeckte, zuvor jedoch bereits tausende Jahre besiedelt war, wird untergehen. Für die Umsiedlung der Bevölkerung gibt es bereits einen Plan der dortigen Regierung.

Kiribati – Eine Inselwelt versinkt im Meer (Andrea Angeli)

Doch, wie leben die Menschen dort auf den Inseln, von denen keine eine höhere erhebung hat als fünf Meter über den Meeresspiegel? Mit welchen Problemen haben sie bereits heute zu kämpfen? Was bedeutet es, isoliert und doch verbunden zu sein? Die Autorinnen Alice Piciocchi und Andrea Angeli haben eine Reise um den halben Erdball unternommen, um dies zu ergründen. Herausgekommen dabei ist ein besonderer Bericht über eine entschwindende Welt.

Der besteht aus Elemeneten verschiedener Genre. Beinahe Graphic Novel, nicht ganz Lexikon mit Elementen einer statistischen Sammlung, natürlich Reisebericht findet alle Lesenden etwas, was sie faszinieren wird. Kapitelweise werden die unterschiedlichen Fascetten des Insellebens beleuchtet, aufgelockert durch großflächige Grafiken und liebevollen Zeichnungen. Jeder beobachtung, jedem Atoll setzen die Autorinnen damit ein Denkmal und schaffen es, ohne mahnenden Zeigefinger zu beschreiben, was wir zu verlieren drohen, wenn wir nicht aufpassen.

Dabei befinden sich Piciocchi und Angeli nicht permament im Krisenmodus. Viel Zeit haben sich die beiden genommen, wenn es um die Traditionen, Flora und Faune etwa geht. Neben den Problemen wird vor allem die Schönheit und Verletzlichkeit Kiribatis in den Vordergrund gestellt. Ein Glossar der wichtigsten begriffe ergänzt dieses Werk, zudem ein Zeitstrahl um die historische Komponente. Vielleicht ist dieses Buch so, wie der Inselstaat selbst. Vielfältig, geheimnisvoll und einzigartig.

Vom Gestalterischen hat das Werk ebenso viel Wert, wie von den Informationen her, die man diesem entnehmen kann. Fortwährend kann man das lesen, ebenso umblättern, zurück schauen, innehalten, überfliegen. Zeit wird auf den Inseln Kiribatis in gewissen sinne mit anderen Maßstäben gemessen. Gleiches gilt für dieses Buch.

Autorinnen:

Andrea Angeli wurde 1984 in Brescia geboren und ist ein italienischer architekt. Seit Studium absolvierte er in Mailand, bevor er über verschiedene Stationen schließlich im Verlagswesen landete. Im Zeichnen entdeckte er das Konstruieren von Geschichten.

Alice Piciocchi wurde 1985 in Mailand geboren und studierte zunächst Industriedesign, bevor sie zu Architektur und Design verschiedene Forschungsarbeiten verfasste. Schon früh entwickelte sie eine Begeisterung für Landkarten und studierte schließlich Geografie. Ihre Beiträge erscheinen regeömäßig in diversen italienischen Zeitungen und Magazinen

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Timo Peters: Couchsailing

Inhalt:

Timo Peters hat kein Boot, so gut wie keine Segelerfahrung und kaum Geld – aber den Traum, auf einem Segelboot den Atlantik zu überqueren: Mit leichtem Gepäck macht er sich auf die Suche nach einem Kapitän, bei dem er anheuern kann. In mehreren Etappen und auf verschiedenen Schiffen geht es über den Ozean – unterwegs erwarten ihn überraschende Herausforderungen, Grenzerfahrungen und wunderliche Begegnungen. Eine unvergessliche Reise, ein unglaubliches Abenteuer! (Klappentext)

Rezension:

Spätestens seit Stephan Orth dürfte vielen der Begriff Couchsourfing geläufig sein, doch funktioniert diese Form des Reisens auch auf hoher See? Ein Platz in einer Koje gegen eine helfende Hand an Bord? Mit nur wenig Segelerfahrung, wenn man diese überhaupt so bezeichnen mag, macht sich Timo Peters auf die Suche, dies herauszufinden. Am Ende steht ein neues Leben, ein großes Abenteuer und ein Bericht über die eigentümliche Welt der Segler.

Kennzeichnend für Reiseberichte sind vor allem ausführliche Schilderungen von Begegnungen und die Beschreibung von Landschaften. Letztere beschränken sich hier zwangsläufig fast nur auf die Hafenanlagen für Segelschiffe und die Boote selbst, stellen diese doch für Wochen die ganze Welt dar. Ansonsten ist man der Natur ausgeliefert, der Willkür von Wind, Wasser und Wetter. Anfangs noch fasziniert davon, schenkt dem der Autor nach einer gewissen Zeit kaum mehr Aufmerksamkeit als er muss.

Gerade nur so viel wird zur Kenntnis genommen, wie es für den Trip über den Atlantik von Nöten ist, um so mehr fokussiert sich Peters auf die Schilderungen der Menschen um ihn herum. Schließlich stelklen diese für Wochen seine einzigen Kontakte dar. Im Notfall ist man aufeinander angewiesen. Aus dem Weg gehen kann man sich nach dem Ablegen ohnehin nicht.

Kurzweilig schreibt Timo Peters von seiner Reise, die ihm unbekannte Sichtweisen auf eine teilweise sehr eigentümliche Welt zeigt. Was macht das mit Einem, wenn man der Natur ausgeliefert ist und Menschen, denen man nie zu vor begegnet ist? Welche Schicksale kreuzen sich in den Anlagen der Marinas? Was treibt die Glücksritter, Abenteuerlustigen, Sportsegler und Sinnsuchende an, für Wochen den schwankenden Boden unter den Füßen zu suchen?

Der Autor erzählt von den kleinen Momenten des Glücks, mehr Augenblicken des Zweifels und auch jenen, in denen man nur noch funktionieren und in Bruchteilen von Sekunden die richtigen Entscheidungen treffen muss. Zu Beginn vielleicht noch etwas blauäugig, an manchen Stellen färbt zudem die rosarote Brille im Nachhinein, findet Peters dann doch immer wieder den Ausgleich, so dass auch Konflikte und Gefahren zur Sprache kommen, auf die er reagieren musste.

Für all jene, die jetzt überlegen, eine solche Reise anzutreten, es ist kein Ratgeber, aber der Autor zeigt, was ein solcher Trip mit einem macht. Wenn man daraus etwas für sich ziehen kann, ist es gut. Für alle anderen bleibt die Erkenntnis, das große Abenteuer auch heute noch möglich sind.

Autor:

Timo Peters lebt und arbeitet als freiberuflicher Journalist für diverse Zeitungen und Magazine in Norwegen. Nebenbei betreibt er den Abenteuerblog »bruderleichtfuss.com« und das Onlinemagazin “Fjordwelten“.

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Torbjorn Ekelund: Mein Sohn und der Berg

Inhalt:

August ist sieben Jahre alt, als sein Vater Torbjorn Ekelund ihn auf eine erste große Tour in die Natur mitnimmt. Mit Rucksack und Zelt wandern sie durch magische Kiefernwälder und über felsige Pfade. Ihr Ziel: ein Berggipfel südwestlich von Oslo.

Dabei folgen sie den Spuren eines kleinen Jungen, der 122 Jahre zuvor auf der Route verschwunden ist. Ekelund sucht nach einer Erklärung, was damals passiert sein könnte und beobachtet fasziniert, wie spielerisch sein Sohn sich durch die Landschaft bewegt. Ein zärtlicher Text über unsere Verbundenheit mit den Elementen und die Beziehung zwischen Vater und Sohn. (Klappentext)

Rezension:

In der Nähe von Norwegens Hauptstadt Oslo liegt die kleine, aber doch zerklüftete und immer wieder Überraschungen bereithaltende Gebirgslandschaft des Skrim. Es ist nicht die größte unter den skandinavischen Naturlandschaften, doch betritt man sie, ist man in mitten einer der letzten ursprünglichen Gegenden Nordeuropas. Vor mehr als hundert Jahren spielte sich dort eine der schlimmsten Katastrophen ab, denen Eltern ausgesetzt sein können. Der norwegische Journalist Torbjorn Ekelund begab sich nun auf Spurensuche.

Es ist der Bericht einer faszinierenden Wanderung, die Beschreibung einer Vater-Sohn-Erfahrung und ein Stück nahezu unbekannter Geschichte, die uns hier erzählt wird. Einfühlsam nimmt der Autor seine Leserschaft mit auf eine Reise, die doch nur ein paar Tage andauert, doch deren Strapazen man beim Lesen förmlich selbst in den Knochen spüren wird.

Torbjorn Ekelund lässt sowohl die zuweilen unbarmherzige Natur des Skrim vor den Augen entstehen, nimmt uns zugleich jedoch mit, wenn er die Geschichte des kleinen Hans Torske erzählt, dabei selbst immer auf seinem Sohn ein wachsames Auge hat, der ihn auf die Reise begleitet und die Welt durch Kinderaugen erleben lässt. Für diesen ist es ein Abenteuer zwischen Vater und Sohn, mitten in der Natur. Jeder Stein wird umgedreht, jeder Stock inspiziert. Für den Vater geht es auch um die Erfahrung? Was geschah mit dem Jungen, in dem Alter seines Sohnes? Warum verirrte er sich? Was macht die Natur mit den Menschen?

Es ist ein liebevoller Bericht ohne mahnende Zeigefinger, wenn es um die Schönheit des Naturerlebnisses oder das Aufwachsen von Kindern in heutiger Zeit geht, gleichzeitig natürlich ein Gedenken an ein Stück Geschichte, welche sonst auch innerhalb der Region vor den Toren Oslos verloren ginge. Diese kleinen Erfahrungs-, Reisebericht wird man gerne lesen, nicht unbedingt erforderlich zwar, aber es schadet zumindest nicht. Nur ein Wermutstropfen bleibt. Eine Karte der Wanderung oder zumindest der Landschaft hätte gut als Ergänzung gewirkt.

Autor:

Torbjorn Ekelund wurde 1971 geboren und ist ein norwegischer Journalist und Autor. Er schreibt u. a. für die norwegische Zeitung Dagbladet und ist Mitherausgeber eines kleinen unabhängigen Buchverlags. Er begründete ein Onlinemagazin mit und veröffentlichte mehrere Bücher, die bereits in mehreren Sprachen erschienen sind.

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