Inhalt:
Familie Barnes steckt in Schwierigkeiten. Dickie Barnes‘ lukratives Autogeschäft läuft nicht mehr. Aber anstatt sich dem Problem zu stellen, beginnt er in den Wäldern einen Bunker zu bauen. Seiner Frau Imelda, die ihren Schmuck auf ebay verkauft, erscheinen die Avancen von Big Mike, dem reichen Rinderzüchter, immer attraktiver. Die achtzehnjährige Cass, die immer die Klassenbeste war, reagiert auf den Niedergang, in dem sie beschließt, sich bis zu ihrem Abschluss jeden Tag zu betrinken, während der zwölfjährige PJ einen Plan schmiedet, um von zu Hause abzuhauen. (Klappentext)
Rezension:
Immer heftiger werden die dichter aufeinanderfolgenden Einschläge. Die Konstruktion ist schon lange instabil und steht nun kurz vor den Zusammenbruch, als deren Säulen auseinander streben, der Verfall einer Familie in Zeiten finanzieller (und der Klima-)Krise. Ein irisches Buddenbrooks in modernen Gewand legt uns der Schriftsteller Paul Murray mit seinem Roman „Der Stich der Biene“ vor. Doch, funktioniert das?
In der Tradition großer irischer Erzählungen versucht sich der Autor mit seiner Geschichte, deren Dreh- und Angelpunkt eine von der Wirtschaftskrise gebeutelte Kleinstadt ist, deren Auswirkungen auch jene zu spüren bekommen, die mit ihrem Betrieb einst Pulsgeber des Ortes waren. Das Autohaus, welches Dickie Barnes mehr aus Pflichtgefühl denn Leidenschaft und Interesse von seinem Vater übernommen hat, steckt in der Krise.
Das Schicksal des Unternehmens hat bereits auf die einzelnen Familienmitglieder abzufärben begonnen. Schwermütig deprimierend beginnt sich die Geschichte in einer immer dichteren Folge aus Perspektivwechseln zu entspinnen und zeigt, eine Kette von Ereignissen, deren Ursachen vielschichtig sind.
Die Erzählung selbst, mit der Murray versucht etwa an Jonathan Franzen oder Frank McCourt anzuknüpfen, wird geprägt durch die verschiedenen Perspektiven, die zunächst viel Raum bekommen, dann jedoch immer schneller wechselnd auf das Finale zusteuern. Dabei wird ein Zeitraum von wenigen Wochen umrissen, in derer sich die Protagonisten ihrer Vergangenheit, möglichen und vergebenen Chancen stellen müssen, um Auswege zu finden, die es eigentlich nicht gibt.
Dabei entstehen über die einzelnen Kapitel, die mit dem jeweiligen Charakter überschrieben sind, aus dessen Sicht in dem Moment erzählt wird, unweigerlich Längen. Die hätte es wahrlich nicht gebraucht. Einen Protagonisten weniger vielleicht, zweihundert Seiten weniger in jedem Fall. Das hätte der Dynamik dieses Romans gut getan. Hier hilft dann auch nicht mehr der stete Perspektivwechsel, der aus den einzelnen Vergangenheitsperspektiven heraus Wendungen für die Gegenwart der Figuren bewirkt. In China fällt ein Sack Reis um. Hier ist es ein Insektenstich, der alles auslöst. Oder begann die Geschichte der Barnes viel eher?
Einzeln für sich sind die Protagonisten durchaus interessant ausgestaltet. Alle haben ihre Ecken und Kanten, verbergen Geheimnisse, die zur Sprache gebracht vielleicht gemeinsam zu lösen wären, doch bleiben letztlich alle für sich. „Der Stich der Biene“ als Roman vieler Worte, in denen die Figuren nicht viele Worte miteinander verlieren. Und kaum Satzzeichen.
Ohne Sinn und Verstand fehlende Zeichensetzung als stilistisches Mittel zu verwenden, traut sich auch kaum jemand. Wer „Der Stich der Biene“ liest, weiß anschließend auch, warum. Nebst aller anderen Kritikpunkte, die vielleicht irgendwie noch zu rechtfertigen sind, ist das der größte. Nicht zu sprechen vom halboffenen Ende, welches bei der vorhergehenden sehr ausführlichen Erzählweise so wirkt, als hätte der Autor keine Lust gehabt, seine Geschichte zu Ende zu erzählen oder unbedingt einen Termin einhalten müssen. Was auch immer.
All diese Punkte machen diese Erzählung, die so interessant hätte werden können, nur schwer zugänglich. Es wird wohl hier nur Top oder Flop geben. Entweder man mag den Stil oder eben nicht. Ein Dazwischen gibt es nicht. Mit guten Wille auch ein Verweis auf die Finanzkrise. Entweder man kommt durch oder fällt hinten runter. In diesem Sinne ist der Roman wohl gelungen. Für mich hat das leider nicht gereicht.
Autor:
Paul Murray wurde 1975 in Dublin geboren und ist ein irischer Schriftsteller. Nach der Schule studierte er Englische Literatur am Trinity College in Dublin, sowie Kreatives Schreiben in Norwich. Bevor er sich als Autor betätigte, arbeitete er als Buchhändler. Murray veröffentlichte 2003 seinen ersten Roman, dem weitere folgten. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet.