Inhalt:
Richard Overy zeichnet ein neues Bild des Zweiten Weltkriegs – als das letzte Aufbäumen des Imperialismus. Er zeigt ihn als den alles Vorausgegangene übertreffenden imperialistischen Krieg – in dem Achsenmächte ebenso wie Alliierte danach strebten, Imperien zu festigen, zu verteidigen, zu erweitern oder auch erst zu schaffen.
Ein weltumspannendes, zeitlich weit ausgreifendes Geschehen und eine Perspektive, in der etwa der Krieg im Pazifik stärker als bisher üblich in den Blick gerät; beginnend bereits 1931 mit dem Einfall des Japanischen Kaiserreichs in die Mandschurei, der die Richtung vorgab für das exzessive Expansionsstreben Italiens und Nazideutschlands. Overy schildert die Ereignisse, die in die Katastrophe führten, ebenso wie die Folgen für die neue Weltordnung nach 1945; er zeigt die geopolitisch-strategische wie die menschliche Dimension dieses Krieges, mit dem das imperialistische Zeitalter sein Ende finden sollte.
Das Opus magnum eines der bedeutendsten Historiker des Zweiten Weltkriegs, das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung – und eine Neubewertung dieses zerstörerischsten aller Kriege, die uns auch unsere Gegenwart mit anderen Augen sehen lässt. (Inhalt lt. Verlag)
Rezension:
Der eurozentrische Blick bestimmt bis heute den Diskurs über den Zweiten Weltkrieg. Beginnend mit den politischen Umwälzungen in Mitteleuropa, der Machtübernahme der Faschisten in Italien, der Nationalsozialisten in Deutschland und dem Spanischen Bürgerkrieg rückt das Jahr 1939 mit all seinem Vorgeplänkel in das Blickfeld, doch der Krieg, der so zerstörerisch, so mörderisch wie kein anderer zuvor werden sollte, begann auf der anderen Seite der Erdkugel bereits viel eher.
Der britische Historiker Richard Overy bringt als einer der wenigen ausführlich auch uns weit entfernt scheinende Schauplätze näher und zeigt, dass bereits 1931 Vorläufer eines Krieges begannen, der weltumspannend zum letzten Aufbäumen des imperialen Zeitalters in seiner alten Form führen sollte.
In der Einführung dieses weit umspannenden Werks geht es zunächst um die Definition nach alter Lesart, um welche Art von Imperien die einzelnen Akteure kämpften bzw. welche sie zu erschaffen oder zu verhindern suchten, bevor es dann in chronologischer Abfolge zunächst um bekannte Abläufe geht. Schon in diesen ersten drei, dem eigentlichen Hauptwerk vorangehenden Kapiteln kommen Orte und Geschehnisse zum Tragen, die in der Mehrzahl der hier zu findenden Werke beinahe vernachlässigt werden.
Overy geht zum einen sehr kritisch mit der britischen Führung unter Churchill um, auch das ist eher selten zu lesen, zum anderen beleuchtet er das imperialistische Streben Japans in Asien ausführlich, vor allem die langwierigen und zermürbenden Auseinandersetzungen in China, die bei uns kaum zur Sprache kommen, werden in „Weltenbrand“ analysiert.
Auch betrachtet der Historiker sehr detailliert die Auseinandersetzung innerhalb der alliierten Partner, bei denen es nicht nur zwischen den Hauptakteuren zu Auseinandersetzungen kam, die nach 1945 beinahe nahtlos in den Kalten Krieg hinein führten, auch zeigt Overy die Bruchlinien zwischen Briten und Amerikanern, die diametral entgegengesetzte Ansichten zur künftigen Handhabung im Umgang mit dem imperialen Erbe hegten.
Akteure wie Indien, Australien oder Kanada, die einen Gutteil der britischen Streitmacht stellten werden in späteren Kapiteln beleuchtet, wie auch die inneren Konflikte der POC in der amerikanischen Armee. Alleine diese Punkte machen das Werk zu etwas besonderen, welches sich von der Masse an Lektüren abhebt, die über diese Zeitspanne, zudem auch ein kritischer Blick auf das Vorgehen der Alliierten selten zu finden ist.
Nach drei Kapiteln werden die Betrachtungen nach einem historischen Zeitstrahl verlassen und einzelne Themenkomplexe nochmals gesondert analysiert. Dies liest sich interessanter, da so auf zuvor vernachlässigte Aspekte nun noch einmal genauer eingegangen wird, wie etwa das komplexe Gebiet der Kriegswirtschaft, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Alliierten sowie den Achsenmächten, aber auch Kriegsführung, zuvor Mobilisierung oder die emotionale Geografie des Krieges werden beleuchtet.
Overy nimmt sich die Zeit, dies auszuführen, was innerhalb der Lektüre teilweise zwar zu erheblichen Längen führt und auch Wiederholungen und Bezugnahmen beinhaltet, doch in der Gesamtheit ergibt sich dadurch ein stimmigeres Bild, welches den zuvor erfolgten kurzen historischen Abriss noch einmal ergänzt.
„Weltenbrand – Der große imperiale Krieg 1931-1945“ zeigt, wie die alte imperiale Welt den schlimmsten aller Wege ging, um zu ihrem Ende zu kommen und daraus neue Akteure entstanden, die das Weltgeschehen fortan bestimmten und auch eine neue Definition von Imperien anstelle der alten trat. Zwar ergänzt durch mehrere Fototeile ist dieses Sachbuch mehr Standardwerk als es der populärwissenschaftlichen Lektüre dient und so liest es sich dann auch. Stellenweise doch trocken.
Unterfüttert werden die Ausführungen durch zahlreiche Quellen, die aus jahrzehntelanger Archivarbeit resultieren und einem Kartenteil, der auch wieder Bezug nimmt auf das anfangs erwähnte erweiterte Blickfeld, was eine intensive Beschäftigung mit der Thematik ermöglicht. Overys Blick auf die einzelnen Aspekte und deren unterschiedlichen Wirken an verschiedenen Schauplätzen, Vergleiche und daraus gezogene Schlussfolgerungen lassen eine gelungene Lektüre geschehen, aus der man mit mehr Wissen als vorher herausgeht.
Autor:
Richard James Overy wurde 1947 in London geboren und ist ein britischer Historiker. Er studierte zunächst in Cambridge, bevor er nach verschiedenen Stationen 1992 eine Professur für Moderne Geschichte am King’s College in London annahm. 2004 wechselte er an die University of Exeter, wo er ebenfalls Geschichte lehrt.
Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Wolfson History Prize und der Duke of Wellingon Medal for Military History. Seine Werke gelten als Standardwerke. 2014 wandte er sich gegen die Behauptung, die Bombardements gegen die deutsche Zivilbevölkerung hätten entscheidend zum Sieg der Alliierten beigetragen.