Inhalt:
Eines der größten Probleme der Gegenwart hat uns die Corona-Pandemie unerbittlich vor Augen geführt: Unser Gesundheits- und Pflegesystem ist in der Krise. David Gutensohn schreibt engagiert und fundiert über die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Mit konkreten Vorschlägen ruft er zum Wandel auf und zeichnet die Vision eines funktionierenden Gesundheitssektors. deutlich wird dabei: Der Pflegenotstand betrifft uns alle, und der Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt! (Klappentext)
Rezension:
Wenn Ökosysteme sich nicht mehr aus eigener Kraft regenerieren, klimatische Veränderungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können, spricht die Wissenschaft von Kipppunkten. Das sind Momente, in denen unaufhaltsame Folgen in Gang gesetzt werden und nicht mehr umkehrbar gemacht werden können.
Auch unsere Sozialsysteme, unser Gesundheits- und Pflegesystem hat einen solchen, spätestens dann, wenn die geburtenstärksten Jahrgänge der Republik in den Ruhestand gehen und viele von ihnen im Alter gepflegt werden müssen. Schon heute jedoch, stößt die Versorgung Pflegebedürftiger an ihre Grenzen. Pflegekräfte haben weder Wertschätzung in unserer Gesellschaft, noch Zeit für die Patienten, die zu einem reinen Kostenfaktor für die Verwaltungen großer Krankenhauskonzerne geworden sind. Personalmangel, schlechte Bezahlung, wenig Aus- und Weiterbildungschancen tragen ihr übriges dazu bei.
Der Journalist David Gutensohn, der von klein auf mit Pflegenden und zu pflegenden in Kontakt gekommen ist, rechechiert seit längerem zu Thermen wie Gesundheits- und Pflegesystem und hat in der nun vorliegenden Denkschrift herausgearbeitet, wie einige der entscheidenden Mängel mit denen wir heute umgehen müssen, entstanden sind, und wie diese behoben werden können, auch und im Blick auf unsere Zukunft.
Sachlich stellt er zunächst dar, wie unser Gesundheitssystem kommerzialisiert wurde und was dies für die Arbeit in Krankenhäusern und in der Pflege bedeutet. Gutensohn erläutert am Beispiel der viel diskutierten Fallpauschale, wie diese funktioniert, was ursprünglich damit erreicht werden sollte und wie die negativen Auswirkungen sich heute auf medizinische Behandlungen auswirkt, wie sie die schere zwischen chronisch unterfinanzierten kommunalen Krankenhäusern und florierenden Krankenhauskonzernen weiter öffnet. Dem gegenüber stellt er zugleich Lösungsansätze, wie sie heute regional schon versucht werden und erläutert punktuell, was getan werden muss, um die kommunale medizinische Versorgung auch in Zukunft zu gewährleisten.
Diese Gliederung, zuerst die Entstehung eines Problems aufzuzeigen, deren Auswirkungen zu erläutern und dann anhand von Lösungswegen Strategien aufzuzeigen, wie man den Herausforderungen begegnen könnte, durchzieht die gesamte Denkschrift, die bewusst positiv gehalten ist. Zwar sieht der Autor die kritischen Punkte dieser Thematik und die Schwierigkeiten, die damit einher gehen, Gutensohn zeigt jedoch, wie es gelingen kann, dem zu begegnen. Zudem werden viele weitere Facetten erläutert, wie der gravierende Fachkräftemangel oder wie zukünftig unser Gesundheitssystem finanziert werden könnte.
Hier versucht jemand, der den Bereich Pflege und Gesundheit aus eigenem erleben, unzähligen Recherchen und Interviews mit Fachkräften kennt, aufzuzeigen, wie kritisch der momentane Ist-Zustand sich zeigt und wie dem begegnet werden kann. Für und Wider der angesprochenen Punkte werden dabei für Laien verständlich erläutert. Schwierigkeiten dem zu folgen, hat man hier beim Lesen nicht. Bewusst werden fachspezifische Begriffe vermieden. Die Denkschrift selbst entstand aus der Recherche von Gutensohn und anderen geschriebenen Artikeln, aus denen vor allem praktische Beispiele und Szenarien gezogen werden.
David Gutensohn gibt hier Denkanstöße, die sich die Parteien allesamt zu Eigen machen könnten, wenn sie den anstehenden Problemen wirklich begegnen wollten. Zeit dafür wäre jetzt noch, gerade so. er zeigt aber auch, wie sich das gesellschaftliche Klima gegenüber den Pflegenden, etwa in Krankenhäusern und Heimen, ändern müsste, sowie, um nicht ganz den positiven Blick zu verlieren, was sich bereits heute schon tut. Applaus ist nicht genug. War es nie.
Autor:
David Gutensohn hat in Berlin Sozailwissenschaft studiert und besuchte danach die Deutsche Journalistenschule in München. Für Zeit Online schreibt er seit 2019 als Redakteuer über Gesundheits- und Sozialpolitik und Arbeitsmärkte. Er wuchs als Sohn zweier Pflegekräfte in einem Seniorenheim auf und beschäftigt sich heute sehr intensiv mit unserem Pflegesystem.