Inhalt:
New York, 1980: Die Stadt platzt fast vor Glamour und Energie und keine Subkultur könnte diesen Zeitraum besser verkörpern als die aufkommende LGBTQ-Ballroom-Szene. Neu in diese schillernde Welt kommt angel, eine gerade mal siebzehnjährige Dragqueen, schwer traumatisiert von ihrer eigenen Vergangenheit und auf der Suche nach einer Familie für Menschen ohne Familie.
Sie begegnet Hector, der davon träumt, Profitänzer zu werden. Die Beiden verlieben sich und gründen das Haus Xtravagaanza, in dem sie ausschließlich Latino-Queens aufnehmen, um in sogenannten Bällen gegen die anderen Häuser anzutreten. Zur Familie der Xtravaganzas gehören bald noch Venus, Juanito und Daniel; zusammen kämpfen die Xtravaganzas um Anerkennung und Respekt vor ihren Lebensentwürfen – und nicht zuletzt ums blanke Überleben, denn ein grausames Virus macht die Runde. (Klappentext)
Rezension:
Ein Roman, wie ein Schrei. So in etwa kann man die Geschichte aus der Feder Joseph Cassaras beschreiben, die uns Kiepenheuer & Witsch hier in der deutschen Übersetzung vorlegt. In seinem Debüt erzählt der aus New Jersey stammende Schriftsteller vom Wandel der Gesellschaft, einem flirrenden Jahrzehnt, Rausch und Extremen und Extremsituationen, denen sich die Protagonisten ausgesetzt sehen.
In handlichen Kapiteln begleiten wir die Figuren, die alle ihre Lebensgeschichte als schweres Paket mit sich herumtragen, durch das schillernde New York, jedoch in seine Schattenseiten hinein. Angel ist die Hauptprotagonistin, die ob ihrer Geschlechtsidentität aus den vorgegebenen engen Grenzen der Gesellschaft zunächst ausbricht, später anderen dabei hilft. In Zeiten von Diversity ein hochaktuelles Thema, welches noch vor wenigen Jahren weniger offen gehandhabt wurde, heute immer noch auf Barrieren stößt.
Vertiefend steht am Anfang der Einführung zunächst die Lebensgeschichte, eingebunden in die Romanhandlung, der Figuren, die zusammen einen Weg suchen, ihre eigene Identität zu finden, zu wahren und zu verteidigen. Das ist anfangs etwas anstrengend zu lesen. Man muss sich in Schreib- und Erzählstil, immer aus wechselnder Protagonisten-Sicht übrigens, einfinden.
Die eingeflochtenen hispanischen Redewendungen und Ausdrücke, der Slang des Buches macht das selbige nicht gerade zu einer einfachen Lektüre, zumal Joseph Cassara seine Protagonisten quält und sie von der einen in die andere Extremsituation wirft. Es geht ums Leben, die Liebe, den Tod, Gesellschaft und Ausgrenzung, Selbstfindung, Drogen und Sexualität. Auch das damals aufkommende HIV-Virus ist ein immer wiederkehrendes Thema.
Ziemlich viel für eine Geschichte. Es klappt, wenn es auch an einigen Stellen hakt. Übergänge zwischen einzelnen Handlungen hätte ich mir an mancher Stelle etwas sanfter gewünscht, rein vom Lesefluss her, Brüche dramatischer und in bestimmten Zeitebenen, zum Beispiel Rückblicke, wäre ich gerne ein wenig länger verharrt.
Wer sich ein wenig mit neuerer Zeitgeschichte, Subkulturen und LGBTQ auskennt, wird sich vielleicht leichter einfinden, andere werden neue Facetten entdecken und ein Jahrzehnt im Schnelldurchlauf durchleben, aus Sicht einer damals sehr weit ausgrenzten Gruppe von Menschen.
Josep Cassara hat mit diesem Roman gezeigt, dass er das Zeug dazu hat, in einer Reihe mit großen amerikanischen Schriftstellern, etwa Jonathan Safran Foer, genannt zu werden, die ein fortschrittliches und nachdenkliches, kritisches Amerika repräsentieren und den Finger auf die Wunden legen. Dafür hat sich dieses Werk, wenn auch mit kleineren Abstrichen, gelohnt. Und da kann man auch mal das extrem ablenkende Cover übersehen, welches ich jetzt jedoch als verlegerische Entscheidung werte.
Autor:
Joseph Cassara ist in New Jersey geboren und aufgewachsen. Er studierte zunächst an der Columbia University und schloss einen Schreibworkshop ab, bevor er selbst seinen ersten Roman “Das Haus der unfassbar Schönen” veröffentlichte. Für diesen erhielt er bereits mehrere Preise. Parallel unterrichtet er selbst Kreatives Schreiben.