Rezension

Unda Hörner: 1929 – Frauen im Jahr Babylon

1929 - Frauen im Jahr Babylon Book Cover
1929 – Frauen im Jahr Babylon Unda Hörner ebersbach & simon Erschienen am: 19.08.2020 Seiten: 253 ISBN: 978-3-86915-213-4

Inhalt:

1929 – die wilden Zwanziger entfalten noch einmal ihre volle Blüte, es ist ein letzter Tanz auf dem Vulkan. Marlene Dietrich spielt die Rolle ihres Lebens in Der Blaue Engel, Vicki Baum wird mit Menschen im Hotel weltberühmt und Lotte Jacobi zur Starfotografin der Berliner Prominenz.

Clärenore Stinnes tourt todesmutig im Auto um die Welt, Louise Brooks öffnet in Berlin Die Büchse der Pandora und Lotte Lenya feiert als Seeräuberin Jenny in der Dreigroschenoper triumphale Erfolge. Unda Hörner lädt ein zu einer faszinierenden Zeitreise auf den Spuren berühmter Frauen und entwirft ein facettenreiches Panorama weiblicher Kulturgeschichte im Jahr Babylon. (Klappentext)

Rezension:

Immer bedrohlicher zeigen sich dunkle Wolken am Himmel, als die letzten Monate des Jahres voranschreiten. Hetze in den Zeitungsblättern tritt deutlicher zu Tage, die Wirtschaft gerät ins Wanken. Doch, bevor es so weit ist, feiert sich die Welt noch einmal selbst. Mittelpunkt des Tanz‘ auf dem Vulkan ist die Metropole an der Spree, wo sich die Lebenswege ihrer Protagonistinnen kreuzen.

Die Autorin Unda Hörner nimmt uns mit auf eine Zeitreise, durch ein Jahr gleichsam als Sammlung kultureller Höhepunkte und legt damit einen wunderbaren Roman vor.

Der hat es in sich. Gegliedert nach Monaten beginnt die Zeitreise im Januar 1929. Kurzweilig sind die Abschnitte, handlich zu lesen die Kapitel. Mittelpunkt sind die Menschen, die das letzte Jahr der Goldenen Zwanziger prägten, wobei der Fokus hier auf die kulturelle und vor allem weibliche Seite gelegt wird.

Die studierte Germanistin begibt sich dabei auf den Spuren von Erika Mann, ebenso Marlene Dietrich, die den Dreh für einen Film beginnen wird, der ihr zum Durchbruch verhilft. Wir begleiten die Verlegerin an der Seite Erich Kästners und schauen durch die Linse Lotte Jacobis, die die Berliner Prominenz auf Zelluloid zu bannen weiß. Eine unvollständige, aber bezeichnende Sammlung in Romanform, die es in sich hat.

Es sollte das letzte Jahr friedlicher Unbeschwertheit sein, und so erlebt der Lesende Menschen, die gleichsam optimistisch und gespannt in die Zukunft blicken. Zumindest zunächst. Frauen, die bisher im Hintergrund tätig waren, treten nun nach vorne und bahnen sich sich zurecht ihren Weg. der führt dann schon einmal querfeldein durch Amerika oder in die dunklen Hallen des damals modernsten Studios für den damals noch relativ neuen und aufstrebenenden Tonfilm.

Geschickt hat die Autorin hier historische Fakten in einem historischen Roman eingewebt, der oftmals sehr still ist, mit Spannungsbögen sehr sparsam umgeht. Schließlich sind die Ereignisse ja bekannt. Was daraus Unda Hörner jedoch entwickelt hat, diese Dialoge, die die Erzählung lebendig werden lassen und tatsächlich so abgelaufen sein könnten, ist einfach schön.

Hier trifft es einmal, dass schöne Sprache nicht nur zu einem Kunstprodukt führt, sondern sich gut lesen lässt.

Wir begleiten Marlene Dietrich auf den Weg zu ihrer wohl größten Rolle und schauen Erika Mann über die Schulter, die versucht aus dem Schatten ihres übermächtigen Vaters herauszufinden, der den Nobelpreis bekommen wird. Wer diesen Roman liest, wird durch die Kameralinse von Lotte Jacobi schauen und eine Verlegerin bei der Suche nach einem Autoren begleiten, der ihr ein modernes Kinderbuch schreiben soll.

Alleine diese Geschichten schon sind interessant, ausgeschmückt mit vielen Details auf doch so wenigen Seiten kann man das letzte Jahr der 1920er Jahre hier praktisch durch die kulturelle Lupe betrachten. Sehr dicht wird das alles erzählt, Momente zum Innehalten, wie auch der Rausch der Zeit zu spüren ist, für jeden, der das liest.

Große Kunst ist das.

Autorin:

Unda Hörner wurde 1961 in Kaiserslautern geboren und ist eine deutsche Schriftstellerin. Zunächst studierte sie an der Freien Universität Berlin Germanistik und Romanistik, promovierte im letzteren 1993 über Elsa Triolet. Seither beschäftigt sie sich mit berühmten oder weniger berühmten Frauen und brachte mehrere Romane und zahlreiche Biografien zu Papier. Im Jahr 2001 erhielt sie den Bettina-von-Arnim-Preis.

Die Autorin, die auch als Journalistin, Übersetzerin und Herausgeberin tätig ist, veröffentlichte u.a. „1919 – Das Jahr der Frauen“, sowie „Kafka und Felice“, welches 2017 erschien.

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Duden-Verlag (Hrsg.): Kleines Kuriositätenkabinett der deutschen Sprache

Kleines Kuriositätenkabinett der deutschen Sprache Book Cover
Kleines Kuriositätenkabinett der deutschen Sprache Duden-Verlag (Hrsg.) Erschienen am: 07.09.2020 Duden-Verlag Seiten: 128 ISBN: 978-3-411-71786-6

Inhalt:

Die deutsche Sprache ist sonderbar, abenteuerlich, komisch, manchmal skurril- und absolut liebenswert.

Dieses Büchlein versammelt sie alle: Die Wortschönheiten, die Längenungetüme, die peniblen Regeln und die irren Ausnahmen.

Folgen Sie uns in das Kuriositätenkabinett der deutschen Sprache und lassen Sie sich verzaubern von den herrlichen Sonderbarkeiten, die unsere Sprache zum Leuchten bringen. (Klappentext)

Rezension:

Deutsche Sprache, schwere Sprache, wusste schon Mark Twain zu sagen, dem zu Folge es um die dreißig Jahre dauert, bis man diese ansatzweise gelernt hätte. Tatsächlich gibt es einfachere Sprachen, und so verwundert es nicht, dass selbst die hier Geborenen immer wieder über Auswüchse, Ausnahmen und Kuriositäten stolpern.

Alleine, die Duden-Redaktion bekommt jährlich dutzende Anfragen zur richtigen Anwendung der Sprache, so dass es einmal Zeit wurde, die kleinen Juwelen des Deutschem zu sichten. Herausgekommen dabei ist das hier vorliegende kleine „Kuriositätenkabinett der deutschen Sprache“.

Überschaubar ist das Format, auch vom Umfang her ist dieses besondere Lexikon nicht besonders, doch wer es aufschlägt, entdeckt viel Kreativität in der Gestaltung einerseits, natürlich auch, welche Lust an der Recherche die Duden-Redaktion selbst gehabt haben muss.

Wie groß ist der Anteil tatsächlicher Anglizismen an unserer Sprache, welche Wörter und Begriffe haben vom Deutschen in andere Sprachen ihren Weg gefunden? Welches ist das Wort mit den meisten enthaltenen Zusammensetzungen? Und wo sagt man wie, zu dem Rest vom Apfel?

Dabei ist dies kein starres Lexikon. Die Form wird aufgelöst, durch grafische Spielereien, die die Thematik auflockern. Mit einem Blick vermag man den Inhalt zu erfassen, manchmal auch gedanklich zu ergänzen. Tatsächlich wird für das Werk kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, doch schon dieser kleine Teil Besonderheiten fasziniert.

Lange und kurze Ortsnamen:

Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch ist mit 58 Buchstaben der längste Ortsname Europa. Der walisische Ort ist mit dem Dorf Y in Frankreich verschwistert. Platz 1 der kürzesten Ortsnamen Europas miss sich Y alledings mit mehreren Orten namens Å in Norwegen, Schweden und Dänemark teilen.

[Einklappen]

Vieles hat der Lesende bereits geahnt, viel wird mit der Lektüre an Wissen hinzukommen. Welche Orte etwa, haben den kürzesten Ortsnamen, welcher Ort den, mit den meisten Buchstaben? Welche Wörter kommen in Texten allgemein, in Romanen besonders häufig vor und wie viele Beispiele gibt es für Wörter mit mehreren aufeinander folgenden Vokalen? Welche Buchstaben kommen wie häufig vor? Und, ist nicht jeder von uns unbewusst eigentlich ein Lateiner?

Es gibt viel zu entdecken und hier lädt der Duden-Verlag einmal ausdrücklich dazu ein. Aus der Lektüre, die eher einem Forschen gleicht, Fließtext sucht man hier fast vergeblich, geht man in jedem Fall schlauer hervor. Eines der guten und unterhaltsamen Lexika. Oder Lexikons? 😉

Autoren:

Iris Glahn und Jürgen C. Hess zeichnen sich für die redaktionelle Erarbeitung des vorliegenden Werkes aus dem Duden-Verlag verantwortlich. Zunächst wurde der Duden erstmalig 1880 herausgegeben, im Zuge der deutschen Teilung wurden in Ost und West unterschiedliche Rechtschreibsammlungen herausgegeben, bevor 1991 der Einheitsduden veröffentlicht wurde.

Bis zur Reform der deutschen Rechtschreibung war der Duden maßgebend für die amtliche Rechtschreibung. Inzwischen wird er aufgrund der aktuellen amtlichen Rechtschreibregeln des Rats für deutsche Rechtschreibung erstellt. Immer wieder erscheinen zudem weitere Fachbücher und Ergänzungsliteratur, zuletzt 2020 das vorliegende Werk.

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Johann Hinrich Claussen: Die seltsamsten Orte der Religionen

Die seltsamsten Orte der Religionen Book Cover
Die seltsamsten Orte der Religionen Johann Hinrich Claussen C.H. Beck Verlag Erschienen am: 27.08.2020 Seiten: 239 ISBN: 978-3-406-75598-9 Illustrationen: Lukas Wossagk

Inhalt:

Niemand hat die Absicht, einen seltsamen Ort zu schaffen. Es passier einfach. Der älteste Steingarten Japans wird von Moos überwuchert, Bäume erweisen sich plötzlich als heilkräftig, Kirchen müssen vor Verfolgern versteckt werden. Das Buch führt seine Leserinnen und Leser zu 39 christlichen und nichtchristlichen Orten auf der ganzen Welt, die wie von einem anderen Stern sind. (Klappentext)

Rezension:

Die Welt ist voller Religion, ob es einem gefällt oder nicht.

Johann Hinrich Claussen: Die seltsamsten Orte der Religionen

Was und woran glaubst du? An der Frage scheiden sich, sprichwörtlich, die Geister und so kommt es nicht von Ungefähr, dass sich die unterschiedlichen Spielarten in den verschiedensten Plätzen und Orten, Gebäuden, manifestieren. Kirchen, Moscheen und Synagogen, Tempel sind zwar die Norm, doch Religion zeigt sich eben nicht nur in offiziellen Bauten.

Vielerorts gibt es Abweichungen von der Norm, die hervorstechen und dadurch zu etwas Besonderen werden. Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen nimmt uns Lesende mit auf eine Reise zu den spirituellen Orten der Welt.

Der sonderbare Trip erfordert einen besonderen Reiseführer, der nun in der Art eines kurzweiligen Sachbuches bei C.H. Beck vorliegt. In handlichen Kapiteln und kurzweiligen Abschnitten werden hier Pilgerziele für Millionen ebenso vorgestellt, wie Orte religiöser Prägung, die nur einer kleinen ausgewählten Gruppe von Menschen vorbehalten sind.

Spannend die Geschichten dahinter, weshalb in Frankreich etwa ein Postbote sein Mausoleum errichtet hat oder der Gottesdienst seinen Weg ins Internet gefunden hat. Hat wer vielleicht Angst vor dem Tod, gibt es inzwischen die Möglichkeit sich einfrieren zu lassen. Nachhaltigkeit gibt es jedoch auch ganz und gar, zum Beispiel in Spanien. Dort wird eine Kathedrale aus Müll errichtet.

Aus der Ferne sieht es aus wie ein überdimensionierter Schrotthaufen – ein wildes Gewirr von Metallstäben, die spitz in die Höhe ragen. Dabei ist es das Nationalheiligtum Litauens.

Johann Hinrich Claussen: Die seltsamsten Orte der Religionen

Vornehmlich christliche Orte werden hier aufgelistet, was dann auch einer der wenigen Kritikpunkte ist, immer mit Ortsangabe und kurzem, überhaupt nicht trögen geschichtlichen Abriss. Manifestifikationen anderer Religionen sind Einsprengsel und werden in wenigen Beiträgen erörtert. Schade, dabei gibt es gerade auf diesem Gebiet sicher so viel zu entdecken, wenn es auch nicht für jeden ein Besuch im indischen Rattentempel sein muss.

Sachlich und wohlwollend sind die Schilderungen. Kritik schimmert kaum durch, doch zeigt Claussen durchaus Wege auf, die Menschen konsequent gegangen sind, wenn diese sich verstoßen oder ausgegrenzt, wahlweise auch erleuchtet gefühlt haben, um ihrem Glaube Ausdruck zu verleihen.

Das funktioniert im Großen und Ganzen, wenn auch einige Längen beim Lesen entstehen, die jedoch den Blick über den Tellerrand schärfen. Und, wer weiß? Vielleicht begibt sich ja der eine oder andere Leser selbst einmal auf Entdeckungsreise. Der Autor zeigt zumindest, dass sich ein Trip da und dorthin durchaus lohnen kann.

Autor:

Johann Hinrich Claussen wurde 1964 in Hamburg geboren und ist ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe und Autor. Er studierte evangelische Theologie in Tübingen, Hamburg und London, promvierte dort im Jahr 1996.

Im selben Jahr wurde er zum Pastort ordiniert, habilitierte sich 2005 an der Universität Hamburg und lehrte dort als Privatdozent. Claussen ist Beauftragter im Rat der EKD für Kultur und leiter des dort dafür zuständigen Büros. Für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften schreibt er regelmäßig Beiträge. Eines seiner ersten Werke erschien im Jahr 2004.

Illustrator:

Lukas Wossagk ist seit 2012 als freiberuflicher Illustrator und Grafiker tätig, unter anderem für Projekte der Stadt München. Zudem wirkte er bereits mehrfach für im C.H. Beck Verlag erschienene Werke.

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John Bolton: Der Raum, in dem alles geschah

Der Raum, in dem alles geschah Book Cover
Der Raum, in dem alles geschah John Bolton Verlag Das Neue Berlin Erschienen am: 14.08.2020 Seiten: 638 ISBN: 978-3-360-01371-2 Übersetzer: Shaya Zarrin, Patrick Baumgärtel (u.a.)

Inhalt:

John Bolton verbrachte viele seiner 519 Tage unter Donald Trump in dem „Raum, in dem alles geschah“. Als einer der engsten Vertrauten des US-Präsidenten musste er dort erfahren, dass es diesem gar nicht um das Wohl der Nation geht, sondern um Selbstinszenierung und Wiederwahl.

Bolton berichtet über Anmaßungen, politische Inkompetenz und rechtswidrige Handlungen Trumps. Das Weiße Haus versuchte die Veröffentlichung mit allem Mitteln zu verhindern, denn diese Dokumentation alleine rechtfertigt ein Amtsenthebungsverfahren gegen dem mächtigsten Mann der Welt. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

Das Amt des US-Präsidenten und die Personen, die es inne hatten, polarisierten schon immer, doch seit Donald Trump im Jahr 2016 die Wahlen um diese Position gewann, regieren nur noch mehr Chaos und Willkür das Weiße Haus.

Entscheidungen werden sprunghaft getroffen, ohne politische Kenntnis oder diplomatischen Fingerspitzengefühl, persönliche Beweggründe in den Vordergrund gerückt. Die politische Landschaft radikalisiert sich zunehmend. Dies hat System, ist jedoch so willkürlich von außen zu beobachten, dass die Weltgemeinschaft, nicht einmal mehr die US-Bevölkerung selbst den Atem anhalten kann, schon gibt es den nächsten Punkt Ungeheuerlichkeit zu berichten.

Einer, der dies praktisch von Beginn an für über 500 Tage aus nächster Nähe erleben musste, ist der umstrittene konservative Diplomat und Politiker John Bolton.

Die Veröffentlichung selbst, versuchte das Weiße Haus unter Donald Trump zu verhindern, enthalt „Der Raum, in dem alles geschah“, doch allerhand Sprengmaterial, welches der Autor sachlich nüchtern aneinanderreiht. Bezeichnend, dass Bolton schon in den ersten Tagen Anzeichen dafür entdeckte, die in Summe für ihn später Rücktrittsgrund genug waren.

Er selbst, wegen seiner Positionen zu verschiedenen politischen Themen, schon umstritten genug, arbeitete anderthalb Jahre für die Sprungahftigkeit und Willkür schlecht hin, zeigt, wie das System Trump funktioniert.

Dabei gibt er sachliche Einblicke, wie eigentlich Regierungsarbeit in Washington funktioniert, in seinen Augen oft fehlgeleitet, stellt jedoch die Unterschiede der Politik des 45. Präsidenten der USA dar, die keine Spuren von Verlässlichkeit und Orientierung bietet.

Die Positionen des Autoren selbst, sind wohl für nur sehr wenige politisch Interessierte außerhalb der USA nachvollziehbar. Tatsächlich richtet sich das Werk vor allem an das amerikanische Publikum, was man beim Lesen beachten sollte. John Bolton bestätigt viele konservative Positionen und Ziele, die Trump verfolgt, zeichnet sich jedoch gegenüber diesem als zuverlässig aus, nicht sprunghaft, zumindest wenn man seinen eigenen Darstellungen hier folgen möchte.

Poltik in dieser Position zu betreiben, ist ein Knochenjob, vor allem, wenn man mit und oft genug gegen einen sehr sprunghaften US-Präsidenten arbeiten muss, dabei in manchen Teilen sehr trocken. So entstanden auch hier Längen, die es mitunter erschweren, zu folgen.

Interessant hierbei wiederum die Darstellung, wie ein Amtsenthebungsverfahren seiner Meinung nach hätte Erfolg haben können, was zum Ende der Schilderungen wieder in den Lesefluss führt, den man für diese Art der Lektüre benötigt, um voran zu kommen.

Zwischendurchlektüre ist das alles nicht, da man sich hier mitunter auf sehr absolute Positionen einlassen muss, um den Ablauf zumindest etwas nachzuvollziehen.

Wer das nicht kann, wird das Lesen dieses Buches schwerfallen. Für alle anderen bietet sich ein sachlich nüchterner Einblick da hinein, was Politik aus Menschen macht oder anders, was die falschen Personen in bestimmten Postionen mit Politik machen, welche Ziele sie verfolgen und wie dieses System der Machtausübung funktioniert. Feststehen tut eines. Egal, wie die nächsten Wahlen ausgehen und was danach kommen mag, von den Folgen schon der ersten Amtszeit werden die USA und die Welt noch lange etwas haben. In diesem Sinne, eine wichtige und bezeichnende Lektüre.

Autor:

John Robert Bolton wurde 1948 in Baltimore, Maryland, geboren und ist ein US-amerikanischer Politiker und Diplomat. Vom 9. April 2018 bis 10. September 2019 war er Nationaler Sicherheitsberater für US-Präsient Donald Trump, zuvor diente er als Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen und in verschiedenen Positionen für republikanische Regierungen seit Ronald Reagan.

Der Autor gilt als Neokonservativer, wobei er selbst diese Charakterisierung ablehnt. 2020 hätte Bolton ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump unterstützt, wenn der Senat ihn unter Strafandrohung zu einer Aussage aufgefordert hätte. Er gilt als Kritiker des UN-Menschenrechtsrates, der Vereinten Nationen und setzt sich für das Recht ein, dass Privatpersonen weltweit Schusswaffen tragen dürfen.

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Jens Steiner: Ameisen unterm Brennglas

Ameisen unterm Brennglas Book Cover
Ameisen unterm Brennglas Jens Steiner Arche Verlag Erschienen am: 21.08.2020 Seiten: 240 ISBN: 978-3-7160-2790-5

Inhalt:

Eine Serie von Gewaltakten erschüttert die Schweiz: Ein unbekanntes Paar steckt ein Haus in Brand, schießt auf eine Raststätte, nimmt eine Geisel. Die Medien schreiben den Taten sogleich verschiedenste terroristische Hintergründe zu.

Auch die Bevölkerung versucht, sich einen Reim auf die Vorkommnisse zu machen, unter ihnen: Frühpensionär Toni Manfredi, Mittelschichtsvater Martin Boll und die alleinerziehende Mutter Regina Novotny. Sie alle wünschen sich Halt und Stabilität, doch ihre Welt gerät immer mehr aus den Fugen. Darauf reagieren sie mit Resignation – oder mit lautstarker Entrüstung und Aggression. (Klappentext)

Rezension:

Das brennende Haus zuerst, dann der Überfall auf den Fressbalken? Was mag da noch kommen? Könnte ja alles nur Zufall sein, aber man macht sich schon so seine Gedanken. Die kleine Stadt inmitten der Schweiz ist in jedem Fall in Aufruhr.

Ein jeder versucht, Erklärungen zu finden und geht mit der Situation anders um. Darin verwickelt ist man ja irgendwie auch, schließlich lebt man hier. Doch, was ist nur mit dieser Gesellschaft los? Jens Steiners Roman als Portrait unserer Gesellschaft hält uns LeserInnen den Spiegel vor.

Ameisen, die wir alle auf den Planeten leben, vermögen wir als Einzelne kaum etwas zu bewegen oder zu verändern, wirken jedoch als Gesamtheit dann doch. Nicht nur leider im Guten, sondern vielmehr auch im Schlechten und das beginnt schon bei den Erklärungsversuchen von Ereignissen und den Umgang mit diesen.

Stellvertretend für die Gesamtheit stellt der Autor dies an seiner Auswahl von Protagonisten dar, die allesamt unabhängig von einander agieren, deren Handlungen sich hin und wieder kreuzen, gegenseitig beeinflussen. fein gezeichnet sind sie, diese Charaktere, aus deren Sicht abschnittsweise die Geschichte erzählt wird.

Gemeinsam haben sie nur, die Region in der sie leben, ansonsten wirken sie in diesem Szenario zwar mittendrin, doch irgendwie verloren.

… Ein Abenteuer ist wie ein Fangnetz, da kommst du nicht mehr so schnell raus. Wie Donald Duck, der wieder mal in der Patsche sitzt, zappelst und tobst du, aber das nützt dir gar nichts. Musst eben mitmachen bei dem Abenteuer. Vielleicht ist das deine Mission. Hast nie gewusst, was deine Mission ist. Bitte schön, jetzt hast du eine. Mitmachen und alles sehen. Jedes Abenteuer braucht einen, der alles sieht und in seinem Gedächtnis behält.

Jens Steiner: Ameisen unterm Brennglas

Die Zeitspanne der Handlung ist etwas weniger als eine Woche, entsprechend verdichtet ist die Erzählweise, sehr erstaunlich, wenn man die Vielzahl der Protagonisten betrachtet. Die sind so gewählt, dass jede/r Leser/in seine Identifikationsfigur findet, egal welchen Alters und welcher Lebenssituation zugetan.

Der kleine durch die Gegend streunende Junge, wie das sich sorgende Oberhaupt, welcher sich sowohl in der Familie als auch im Büro zunehmend an den Rand gedrängt fühlt, die mit ihren angehäuften Ehrenämtern überforderte Mutter, wie der nur noch auf den Tod wartende Pensionär. Sie alle kreisen um sich selbst, sowie um die Ereignisse, denen sie sich ausgesetzt fühlen, denen sie nichts entgegenzusetzen haben.

Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, der man mit Resignation oder Wut begegnet. Die gegensätzlichen Charaktere reagieren entgegen ihrer Gewohnheiten oder stellen sich auf die veränderten Gegebenheiten ein. Überwiegend still wird die Geschichte aus der Feder Jens Steiners erzählt, unspannend ist das dennoch nicht. Gedankensprünge der Protagonisten bringen Bewegung in die Geschichte und verhindern langwierige Stellen.

Überraschungen gibt es nur mehr gegen Ende der Geschichte, auch manche Lücken im Handlungsverlauf, die sich jedoch logisch einfügen ins Ganze. Hier ist weniger mehr. Auch die Anzahl der Seiten ist begrenzt. Es zeigt sich, ein guter Roman muss kein Wälzer sein.

Jetzt ist er nur noch müde. Er will nicht mehr abhauen. Außerdem, was bringt es? Er macht ja sowie so alles falsch. Ist immer zur falschen Zeit am falschen Ort. Mama hat schon recht, dass sie ihm nachspioniert. Würde er auch machen, wenn er seine Mutter wäre. Hohlkopf. Volldödel. Hein Blöd.

Braucht man sich nicht zu wundern, wenn man am Schluss in diesem trüben Rübezahl-Landstrich landet. Trübezahl. Trüb und kahl. Müd und fahl.

Jens Steiner: Ameisen unterm Brennglas

Bildlich tauchen die Schauplätze vor den Augen der Lesenden auf. Jens Steiner vermag es, kurzweilig Orte und Situationen zu beschreiben, so dass man sie förmlich greifen kann. Ein Juwel im Bücherregal, ein Roman als Psychogramm der von außen ruhig wirkenden Schweizer Gesellschaft. Vom Autoren sollte noch mehr gelesen werden, unbedingt. Mit dieser verdichteten Erzählung kann man ja den Anfang machen. Der lohnt sich in jedem Falle.

Autor:

Jens Steiner wurde 1975 in Zürich geboren und ist ein Schweizer Schriftsteller. Nach der Schule studierte er Germanistik, Philosophie und Vergleichende Literaturwissenschaft eben dort und in Genf, bevor er als Lehrer und Lektor arbeitete. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet und für den Deutschen Buchpreis nominiert. Den Schweizer Buchpreis erhielt er 2013.

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Tom Chesshyre: Slow Train

Slow Train - Eine Liebeserklärung an Europa heute in 25 Stationen Book Cover
Slow Train – Eine Liebeserklärung an Europa heute in 25 Stationen Tom Chesshyre Dumont Reise/mairdumont Erschienen am: 14.04.2020 Seiten: 334 ISBN: 978-3-7701-6696-1 Übersetzerin: Astrid Gravert

Inhalt:

Die Freiheit auf Schienen genießen – dafür begibt sich Tom Chesshyre auf eine abenteuerliche Zugreise quer durch Europa, von London über die Ukraine bis nach Venedig. Das eigenetliche Reiseziel, Europa und seine Bewohner kennenlernen.

Tom Chesshyre reist ohne genauen Plan, eben dorthin, wohin die Schienen führen, und freundet sich unterwegs mit seinen Mitreisenden an – und natürlich mit dem ein oder anderen Schaffner. Ein persönlicher Reisebericht, der zeigt, was Europa zusammenhält. Und eine leidenschaftliche Einladung, sich mit dem nächsten Zug selbst auf den Weg zu machen. (Klappentext)

Rezension:

Als Groß-Britannien sich dafür entscheidet, die Europäische Union zu verlassen, besteigt der Reiseschriftsteller Tom Chesshyre einen Zug und begibt sich auf die Suche nach eben dem, wovon sich so viele seiner Landsleute entfernt zu haben scheinen. Was ist das, dieses Europa? Welche Bedeutung hat der Begriff, der für die Einen Hoffungsschimmer und Sehnsuchtsort, für die anderen Projektionsfläche allen Übels darstellt?

Was können wir heute noch von diesem Zusammenhalt für uns mitnehmen, der zunehmend zu bröckeln beginnt. Mit einem Interrailticket durchquert der Autor den Kontinent, von West nach Ost, Endstation Venedig.

Reiseberichte sind Momentaufnahmen bestimmter Zustände und zumeist sehr subjektiv. Da nimmt sich dieser von Tom Chesdshyre nicht aus, dessen Liebe zu Zügen bereits auf den ersten Seiten auffällt. Der Leser begleitet den Autor von Station zu Station, die Kapiteleinteilung folgt der Reiseroute. Eindrücklich sind die Schilderungen von Begegnungen im Zug, kurzen Momenten der Beobachtung an den Bahnsteigen. Passieren tut nicht viel.

Tom Chesshyre lässt sich treiben und überraschen, ob von belgischen Schaffnern oder im Museum der zerbrochenen Beziehungen, irgendwo im ehemaligen Jugoslawien. Das macht nichts. Interessant sind ohnehin die Gedanken des Briten, die mit zunehmender Entfernung von zu Hause immer mehr zum dortigen politischen Geschehen schweifen. Werden in einem Europa, in dem sich die Staaten immer mehr von einander entfernen, Reisen wie diese noch möglich sein?

Am Rande der Bahnsteige, Bahnhöfe, zeigen sich für Autor und LeserInnen, wie Europa heute noch wirkt und was das für die Menschen bedeuten kann, etwa im gebeutelten Kosovo oder in der von den jüngsten Auseinandersetzungen mit Russland geplagten Ukraine.

Sachlich, doch immer auch mit viel Emotionen verbunden, beschreibt Chesshyre was er sieht ohne ins Kitschige abzugleiten. Nur manchmal ist das Technische, die Eisenbahnliebhaberei dann doch etwas zu viel des Guten. Fans des Rollwerks auf Schienen kommen jedoch auf ihre Kosten. Liebhaber von Reiseberichten, ohnehin.

Ein Plädoyer für Europa, ob nun innerhalb eines politischen Gebildes, so doch als Gemeinschaft, in der ein jeder sein eigenes Leben lebt und doch auf den jeweils Anderen einwirkt. Die Eisenbahn verbindet heute noch ganze Länder und Regionen, funktioniert auch dort zuweilen, wo Politik gerade auseinander triftet.

Auf persönlicher Ebene scheint noch zu klappen, was offiziell immer schwieriger wird. Tom Chesshyre beobachtet, saugt auf und spricht mit den Menschen, hört zu. Das Reisen auf Schienen macht neugierig, verbindet, verändert Blickwinkel. Einen hauch davon kann man aus diesem Bericht mitnehmen. Damit ist dann schon ein Anfang gemacht.

Autor:

Tom Chesshyre wurde 1971 geboren und ist ein britischer Reiseschriftsteller. Für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichte er mehrere Reportagen, u.a. bei The Times. Auch für National Geographic war er bereits tätig. Über das Zugreisen schrieb er bereits mehrere Reiseberichte. Chesshyre lebt in London.

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Alan Gratz: Vor uns das Meer

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Vor uns das Meer Alan Gratz Erschienen am: 17.02.2020 Hanser Seiten: 301 ISBN: 978-3-446-26613-1 Übersetzerin: Meritxell Janina Piel

Inhalt:

Wenn das eigene Zuhause zu einem Ort der Angst und Unmenschlichkeit wird, ist es kein Zuhause mehr.

Josef ist 11, als er 1939 mit seiner Familie aus Deutschland vor den Nazis fliehen muss. Isabel lebt im Jahr 1994 in Kuba und leidet Hunger – auch sie begibt sich auf eine gefährliche Reise in das verheißungsvolle Amerika. Und der 12-jährige Mahmoud verlässt im Jahr 2015 seine zerstörte Heimatstadt Aleppo, um in Deutschland neu anzufangen.

Alan Gratz verwebt geschickt und ungemein spannend die Geschichten und Schicksale dreier Kinder aus unterschiedlichen Zeiten. Ein zeitloses Buch über Vertreibung und Hoffnung, über die Sehnsucht nach Heimat und Ankommen. (Klappentext)

Rezension:

Unerwartet taucht zwischen den Büchern in den Regalen manchmal ein Juwel auf, was nachhaltig beeindruckt. Rar und kostbar, wenn die Protagonisten berühren und der Schreibende es schafft, seine Leser zu fesseln und nachdenklich zu stimmen. Ein solches Kunststück ist Alan Gratz gelungen. Der amerikanische Autor bringt wie kaum jemand anderes drei Geschichten, drei Zeitebenen, drei Handlungsstränge zusammen und versucht so, kaum zu Erklärendes begreifbar zu machen.

Kapitelweise wechselt die Perspektive zwischen den Zeiten. Die drei Hauptprotagonisten erzählen aus der Ich-Perspektive vom Grauen, welches sie erleben, ihren Sehnsüchten, Träumen. Wir Leser erleben, wenn Hoffnung in Verzweiflung umschlägt und Entscheidungen über Leben und Tod getroffen werden müssen, von jenen, die eigentlich noch Kinder sind, aber viel zu schnell erwachsen werden müssen. 1933 übernehmen die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht. Die jüdische Bevölkerung wird an den Rand gedrängt.

Auch Josefs Familie sucht einen Ausweg und ergattert Tickets für das Schiff St. Louis nach Kuba. Jahrzehnte später sucht auch Isabels Familie, die in Kuba hungert und politisch bedrängt wird, nach einem Ausweg und schließlich muss 2015 auch Mahmouds Familie den Kriegswirren in Syrien entfliehen. Verbindendes Element sind Sehnsüchte und Hoffnungen, eine böse Ahnung von Gefahr, falls die Flucht schiefgehen sollte. Werden die drei Jugendlichen ihr Ziel erreichen?

Spannend und einfühlsam beschreibt Alan Gratz den Weg der drei, der anhand von gezeichneten Karten im Anhang des Romans nachvollzogen werdne, nicht zuletzt durch eine historische Einordnung des Autoren im Nachwort. Der Lesende wird mitfiebern, mitleiden.

Unerträglich die Spannung, nur ganz karg blitzen sie auf, die kleinen Momente des Glücks, das Hervorscheinen einer viel zu schnell beendeten Kindheit, nur damit das Schicksal im nächsten Moment wieder mit aller Härte zurückschlagen kann. Ja, so könnte die Geschichte von drei Kindern tatsächlich verlaufen sein. Nachvollziehbar ehrlich geht Gratz mit der Zielgruppe um, wenn auch ein paar Momente ganz klar over the top sind und nicht so recht passen mögen.

Das schmälert die Lektüre nicht und so ist dieses Werk auf einer Linie mit z.B. „Damals war es Friedrich“, von Hans Peter Richter zu nennen, wenn auch Gratz gleich mehrere Zeitebenen zu fassen bekommt. Der kontinuierliche Spannungsbogen aller drei Geschichten lässt bis zum Ende nicht locker, wird unscheinbar miteinander verwoben. Die Auflösung selbst vermag zu überraschen, wirkt wie ein Schrei und schüttelt die Leser förmlich.

Wir haben es in der Hand, nicht mehr zu zu lassen, dass sich solche Geschichte wiederholt. Alleine, uns gelingt dies nicht, wie die jüngste der drei Zeitebenen zeigt.

Wie ist das, die Heimat, die gewohnte Umgebung, Spielkameraden, eine Perspektive aufzugeben und dann ständig auf der Hut zu sein? Immer die Gefahr vor Augen, beim nächsten falschen Wort, mit der nächsten falschen Bewegung umzukommen? Beieindruckend in der Lektüre, nachhallend wie kaum anderes.

Eine unbedingte Leseempfehlung.

Autor:

Alan Gratz wurde 1972 in Knoxville, Tennessee, und ist ein amerikanischer Schriftsteller. Er studierte Kreatives Schreiben und veröffentlichte 2006 sein erstes Jugendbuch. Weitere folgten. 2017 gewann er den National Jewish Book Award. Der Autor lebt in Asheville, North Carolina.

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Peter Graf: Was nicht mehr im Duden steht

Was nicht mehr im Duden steht Book Cover
Was nicht mehr im Duden steht Peter Graf Duden Verlag Erschienen am. 12.08.2020 (neu) Seiten: 240 ISBN: 978-3-411-70405-7

Inhalt:

Immer wenn ein neuer Rechtschreibduden erscheint, fragen die Journalistinnen und Journalisten zunächst nach den Wörtern, die erstmals Einzug in DAS Wörterbuch der Deutschen gehalten haben. Anhand dieser Wörter lässt sich Zeitgeschichte erzählen. Das gilt aber auch für die Wörter, die gestrichen wurden.

Was sagen sie uns über die Zeit, in der sie im Duden standen, und was über die, in der sie gestrichen wurden? In dieser aktualisierten Ausgabe stehen in 21 Essays samt Anhängen nun also Wörter im Mittelpunkt, die einmal wichtig waren und die uns sozial-, kultur- und sprachgeschichtliche Einblicke in die letzten gut 100 Jahre gewähren. (Klappentext)

Rezension:

Es gleicht einer Sisyphusarbeit, die sich die Redaktion des Wörterbuchs der Deutschen stellt, schließlich ist unsere Sprache im ständigen Wandel begriffen. Neue Wörter werden aufgenommen, andere fallen raus und so kann der Verlag heute aus einem sog. „Dudenkorpus“ von über 5,6 Milliarden Wortformen schöpfen, von denen 148.000 Stück in der aktuellen 28. Auflage des Dudens zu finden sind.

Doch, wer wählt aus, was nicht mehr im wohl gebräuchlichsten aller Nachschlagewerke zu verzeichnen ist und wie schaffen es Wörter in den Duden hinein? Spannend ist sie, die Reise durch unsere Sprachgeschichte, seit 1880 Konrad Duden das erste „Vollständige Orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache“ vorstellte. Der Autor Peter Graf nimmt die Leser mit auf eine Reise zu Wörtern, die es nicht mehr gibt.

Thematisch geordnet ist sie, diese Sprachreise, die mal amüsant, mal sehr bedrückend scheint. So vielfältig sind auch die Gründe, warum Wörter neu in unserem Alltag integriert werden, dann wieder sang- und klanglos verschwinden.

LeserInnen finden heraus, um welche Wörter uns Medizin und Naturwissenschaften einst bereicherten, welche Begriffe in Technik und Handwerk gebräuchlich waren, was der Kolonialismus und der Nationalsozialismus mit unserer Sprache und letztendlich mit dem heute gelben Nachschlagewerk machten.

Präsentiert wird eine Auswahl, wie auch der Rechtschreibduden als erster Band der vom Verlag ständig aktualisierten Reihe, nur eine Auswahl der gebräuchlichsten Wörter unserer Zeit darstellt. Nur führt uns diese Reise in die Vergangenheit.

Wer weiß schon, was einst Automatenrestaurants gewesen sind, wo sie doch von großen Fastfoodketten erst von der Straße, schließlich aus dem Wörterbuch verdrängt wurden? Wen schimpfte man einst einen deutschen Knollmichel und wann ersetzten die Begriffe Nichte und Neffe entgültig das veraltete Wort Schwesterkind?

So spannend und teilweise witzig ist kein Deutschunterricht, wenn man auch hier mit einigen Längen kämpfen muss. Immerhin kann man sich hier in handlichen Kapiteln zu den Themen Wörter anlesen, die einem interessieren. Wie viele Anglizismen gibt es in unserer Sprache wirklich und wie viele kommen tatsächlich davon zur Anwendung?

Welchen Unterschied machten die Auflagen in Ost und West vor der Wiedervereinigung? Und geht Liebe nicht nur durch den Magen, sondern auch durch den Wortschatz? Sehr sachlich, immer wieder unterhaltsam beschreibt der Autor, was im Duden beschrieben wird, und warum.

Beeindruckend die Schilderungen, wie die Duden-Redaktion nicht nur bei der Auswahl der Wörter des Jahres eine Auswahl treffen muss, sondern auch bei jeder neuen Auflage dieses sehr komplexen Werkes und weshalb unsere Sprache immer noch sehr lebendig ist.

Ein interessanter Streifzug durch die Geschichte von Konrad Duden über den Versuch, ein Wörterbuch zu erstellen, welches dem Wortschatz Goethes gerecht wird, bis hinein in unsere Zeit. Viel Spaß dabei.

Autor:

Peter Graf leitet die Verlagsagentur Walde und Graf und ist einer der Gründer des Verlags „Das kulturelle Gedächtnis“.

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Bo Svernström: Carl Edson 2 – Spiele

Spiele Book Cover
Spiele Carl Edson – 2 Rezensionsexemplar/Thriller Rowohlt Taschenbuch Seiten: 608
ISBN: 978-3-499-27630-9
Übersetzerin: Ulla Ackermann

Inhalt:

Robert Lindström hütet ein Geheimnis: In einem Wutanfall tötete er seinen besten Freund. Aber war es wirklich so? Als Elfjähriger des Mordes beschuldigt, wurde er aufgrund seines Alters nie verurteilt. Als Erwachsener lebt er zurückgezogen. Bis ihn Lexa kontaktiert. Sie ist Journalistin und schreibt ein Buch über den Fall.

Ihre Theorie: Robert ist unschuldig. Zur gleichen Zeit wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Im gleichen Stockholmer Vorort, in dem Robert aufwuchs. Und in dem er mit Lexa den Ereignissen von damals nachgeht. Zufall? Hauptkommissar Carl Edson von der Reichsmordkommission leitet die Ermittlungen, und seltsame Zwischenfälle führen ihn immer näher an die Wahrheit über Robert. (Klappentext)

Bücher der Reihe

Bo Svernström: Carl Edson 1 – Opfer

Bo Svernström: Carl Edson 2 – Spiele

[Einklappen]

Rezension:

Skandinavische Krimis versinken entweder in ihrem melancholisch anmutenden Mehltau oder funktionieren. Grautöne gibt es dazwischen nur selten. Dem Schweden Bo Svernströms ist mit seinem Nachfolge-Band um Kriminalhauptkommissar Carl Edson jedoch ein solches Werk gelungen. Vielschichtig und zunächst in Teilen etwas zu komplex ist die Geschichte gezeichnet, die den Fokus auf den zweiten Hauptprotagonisten anfangs legt, dessen eigene Vergangenheit zum Dreh- und Angelpunkt wird.

Nur, Robert Lindström kann sich schlechterdings an diese fast nicht erinnern, doch eine aufgefundene Kinderleiche wird für ihm und die Journalistin Lexa zum Anlass, diese noch einmal nachzuspüren. Nicht wissend, welche Geister der Vergangenheit sie wachrufen.

Vielschichtig sind die Protagonisten der ermittelnden Seite gezeichnet, die sich hier aufgliedert in die üblichen Kommissare, die jedoch auch unterschiedliche Parts in den Rollenverhältnissen besetzen, sowie Robert und Lexa, die irgendwo zwischen diesen und der anderen, zunächst nicht näher definierten Seite stehen.

Verkompliziert wird dies durch per Kapitel abgegrenzte Zeitsprünge und Erzählperspektivwechsel, in die man sich Lesende/r erst einmal hineinfinden muss. Das ist gewöhnungsbedürftig, lässt diverse Längen entstehen und funktioniert erst mit zunehmender Seitenzahl.

Der Band lässt sich als Einzelband lesen. Lücken bemerkt man nicht, so sie vorhanden sind, wenn man den Vorgänger „Opfer“ nicht kennt. Positiv hervorzuheben ist , dass Bo Svernström ohne phantastisch anmutende Wendungen auskommt und trotzdem den Fall so auflösen lässt, wie man es kaum auf der Rechnung hat.

Selbst geübte Krimileser dürften damit über die Runden kommen, einmal nicht mit Schema F konfrontiert zu werden. Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden ebenso glaubwürdig dargestellt, wie die Motive der Protagonisten, wenn auch der Autor bewusst Lücken lässt. Das Kopfkino darf mitspielen. Blutig wird das ganze nur im Auge des Betrachters, fast nicht in den Textzeilen selbst.

Der Fokus liegt hier auf der Psyche und in den gesellschaftlichen Verhältnissen, einmal jedoch nicht skandinavische Ermittler als seelische Fracks serviert zu bekommen, ist eine Wohltat. Trotz der Längen, die dennoch vorhanden sind, ein gut zu lesender Krimi, mit Tendenz zum Positiven. Man darf also gespannt sein, ob und wie sich diese Reihe in der Feder des Autoren noch entwickelt.

Autor:

Bo Svernström, Jahrgang 1964, promovierte in schwedischer Literatur und arbeitete jahrelang als Journalist für Aftonbladet, eine der größten schwedischen Zeitungen. «Opfer» ist sein Debütroman, der in elf Ländern bisher erscheint. Der Autor lebt mit seiner Familie in Stockholm.

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Adele Brand: Füchse – Unsere wilden Nachbarn

Füchse - Unsere wilden Nachbarn Book Cover
Füchse – Unsere wilden Nachbarn Adele Brand C.H. Beck Erschienen am: 16.03.2020 Seiten: 208 ISBN: 978-3-406-75113-4 Übersetzerin: Beate Schäfer

Inhalt:

Seit Urzeiten begleitet der Fuchs den Menschen und schon immer war er für seine Intelligenz und Schlauheit berühmt. Heute ist er das am weitesten verbreitete Raubtier und sein leuchtendes Fell selbst in den Städten ein häufiger Anblick.

Doch wer ist dieser wilde Nachbar des Menschen in Wirklichkeit? Adele Brand erschließt uns in ihrem klugen und warmherzigen Buch den mysteriösen Kosmus der Füchse mit ihren erstaunlichen Überlebenskünsten. (Klappentext)

Rezension:

Die Liste von Naturräumen, die der Mensch inzwischen nachhaltig zerstört hat, ist lang. Die Liste von Tierarten und Pflanzen, die von ihm ausgerottet oder an den Rand des Aussterbens gebracht wurden, noch vielschichtiger. Nur wenige Lebewesen konnten sich dagegen behaupten, in dem sie sich an die verändernden Bedingungen anpassten. Der erfolgreichste Kulturfolger unter ihnen ist der Rotfuchs.

Zwischen Bahndämmen und Mülltonnen, Häuserschluchten und Brachflächen hat der listige Jäger nicht nur unsere Vorgärten erobert, sondern tummelt sich inzwischen auch in den Zentren unserer Metropolen. Die britische Ökologin ist seit zwanzig Jahren auf Spurensuche und zeigt in ihrem neuen Buch auf, was sich hinter dem Erfolg von Vulpes vulpes verbirgt und What Does The Fox Say?

Ganz nahe am Nature writing ist dieses vorliegende Werk, doch liegt mit diesem Titel kein verklärendes Stück Literatur vor, sondern ein unterhaltsames und vielschichtiges Sachbuch. In diesem werden Fakten amüsant aufbereitet und einem kritischen Blick unterworfen. Adele Brand versteht es dabei, den Fuchs als Tier unter verschiedenen Winkeln zu beleuchten. In handlichen und kurzweiligen Kapiteln gibt sie zunächst einen Überblick über dessen Entwicklungsgeschichte, welche den Grundstein für den Erfolg und das heutige Überleben bildete.

Danach wendet sie sich der Biologie der Tiere zu, zeigt das komplexe Sozialleben der Füchse auf und zeigt schließlich, wie ein Zusammenleben mit diesen imponierenden Tieren gelingen kann, wie man selbst zum Beobachter eines Wesens werden kann, welches schon längst in Teilen begonnen hat, uns zu studieren.

Interessant hierbei ist vor allem der Einblick in der Arbeit der Autorin, die Feldstudien mit diesem undurchschaubaren Raubtier in unserer Mitte durchgeführt und viel zum Verständnis für den Rotfuchs beigetragen hat. Sie zeigt, was ihn im Gegensatz zu seinen Verwandten, etwa dem Polarfuchs, so erfolgreich machte und was diesem Tier im Gegensatz zu Wolf oder Luchs bisweilen besser gelungen ist.

Aufgelockert wird das ganze durch Geschichten persönlicher Beobachtungen, anhand derer sie etwa Fuchskrankheiten erklärt, um so den Lebenszyklus dieser Tiere zu komplettieren. Auffällig, es ist keine ausufernde oder fordernde Lektüre, auch kein reines Pamphlet pro und contra der umstrittenen Fuchsjagd, welches aus Groß-Britannien zu erwarten wäre. Adele Brands Position dazu ergibt sich praktisch schon mit den ersten Zeilen.

Eine Spur sachlicher als Sy Montgomery (Rendezvous mit einem Oktopus) in ihrem ebenfalls hervorragenden Werken, ist Adele Brand ein hervorragendes Plädoyer für das letzte Stück Wildnis gelungen, welches Bestandteil auch vieler unserer Leben geworden ist. Wer nach der Lektüre einen Rotfuchs beobachtet, wird diesen mit einem noch wertschätzenderen Blick begegnen, als zuvor so schon.

Und, wie macht nun eigentlich der Fuchs? LeserInnen werden das herausfinden.

Weiterführende Informationen:

Blog und Facebook der Autorin

Youtube-Channel der Autorin: hier klicken

Autorin:

Adele Brand ist Ökologin und hat schon als Kind in ihren Tagebüchern über Füchse geschrieben, die die Passion ihres Lebens wurden. Sie hat Füchse auf vier Kontinenten studiert, Forschungsprojekte in fünf verschiedenen Ländern geleitet, verwaiste Fuchswelpen aufgezogen und verletzte Füchse gepflegt. Bei all dem setzt sie sich leidenschaftlich dafür ein, die Verbindung der Menschen mit der Tierwelt zu stärken. (Autorenangabe Verlag)

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