Südkorea

Hwang Sok-yong: Vertraute Welt

Inhalt:

Am Rand der südkoreanischen Metropole Seoul liegt die “Blumeninsel”, eine gigantische Müllhalde, Lebensgrundlage und Wohnstätte einer Kolonie von Habenichtsen und Ausgestoßenen, die dort ihre Claims abgesteckt haben. Unentwegt durchkämmen sie den frischen Abfall der boomenden Stadt nach Verwertbaren. hier landet der 13-jährige Glupschaug zusammen mit seiner Mutter, nachdem sein Vater von der regierung in ein “Umerziehungslager” gesteckt wurde.

Es ist kein tiefer Fall, denn sie kommen aus den wuchernden Slums der Mega-City, wo seine Mutter Straßenhändlerin ist. Glupschaug hat die Schule abgebrochen und geht seiner Mutter zur Hand, für die sich ein in der Hackordnung weit oben stehender Müllhaldenbewohner interessiert. Dieser “Baron” ist Glupschaug unsympathisch, eine verhasste Stiefvaterfigur. Mit Glatzfleck, dem Sohn des Barons, freundet er sich jedoch rasch an. Glatzfleck nimmt ihn mit auf seine Abenteuergänge und eröffnet ihm eine geheimnisvolle Welt jenseits der gewaltigen Müllberge. (Klappentext)

Rezension:

Das Leben in Millionenstädten ist ein unaufhörlicher Verdrängungswettbewerb, der täglich Existenzen scheitern lässt. Wie Gegenstände, die sich überholt haben oder nicht mehr gebraucht werden, werden auch die Menschen sehr schnell aussortiert, an den Rand gedrängt. In einigen Ländern greift dann ein soziales Netz, welches die schlimmsten Auswirkungen abfedert.

Vielerorts gibt es das jedoch nicht. So finden sich auch der 13-jährige Glupschaug und seine Mutter am Rande einer Mülldeponie wieder, auf der sie fortan leben sollen. Der einzige Platz, der ihnen in der Mega-City Seoul noch bleibt. Glupschaug muss mit der neuen Situation zurechtkommen, denn die Deponie verzeiht nichts, doch findet er schnell Anschluss in dieser eigentümlichen Welt.

In seinem Roman “Vertraute Welt” verdeutlicht der südkoreanische Schriftsteller Hwang Sok-yong die Schattenseiten des Erfolgs seines Landes. “Tigerstaat” nennt man Südkorea zuweilen, dass in Sachen Technologie Spitzenpositionen einnimmt, doch rau ist zu den Menschen, die diesen Fortschritt schaffen.

Wer nicht aufpasst, bleibt zurück, der Fall ist mitunter tief und so nimmt der Autor uns mit zu jenen, die damit nicht mithalten können. All jenen Vergessenen, die die Gesellschaft wie gerade weggeworfene Gegenstände behandelt, gibt er eine Stimme.

Von Beginn an begleiten wir den sehr sympathischen Hauptprotagonisten, einen Jungen, der in dieser rauen Umgebung zu schnell erwachsen werden muss und doch immer wieder an grenzen stößt, die aufzeigen, dass er eben doch nur ein Kind, ein Jugendlicher ist. Wir durchstreifen mit ihm eine eigentümliche welt, die hwang Sok-yong uns sehr plastisch vor Augen führt. . Fast ist es, als würde man den Müll in seiner gaballten Form vor sich sehen, spüren, wie sich Gerüche von Vergangenem in Kleidung und Haut festsetzen, während Gase einen metallischen Geschmack auf der Zunge hinterlassen.

Glupschaug lebte nun schon länger als einen Monat auf der Blumeninsel. Seine Mutter hatte ihm gleich am Anfang einreden wollen, dies sei eben auch nur ein Ort wie viele anderer, wo Menschen hausten. Doch er ließ sich nichts vormachen. Es war ein Mishaufen. Hier landeten Sachen, die man weggeworfen hatte. Verbraucht, nicht mehr interessant, kaputt. Und auch die Menschen, die hier lebten, waren von der Stadt aussortierte und entsorgte Existenzen.

hwang Sok-yong: Vertraute Welt

Viele Worte verliert er dabei nicht, dafür um so härtere. Trotzdem blitzen hin und wieder kleine Momente des Glücks auf, die es auch dort gibt. Sonst würde man die Erzählung kaum durchhalten. Die Figuren sind klar gezeichnet, haben alle ihre Geheimnisse, Ecken und Kanten, auch die Welt des Slums, der ein reales Vorbild nahe dem berühmten Stadtteil Gangnam hat, wird sehr kompakt geschildert. Hart und kompromisslos schildert er diese Leben, immer aus Sicht Glupschaugs.

Für die Entwicklung des Hauptprotagonisten und jenen, die ihn direkt umgeben, gibt Sok-yong dagegen Raum. Wir begleiten Glupschaug, der auf diesen Spitznamen stolz ist, da ehrlich errungen, durch die Müllberge, Hütten aus Wellblech und Pappe Mit jeder voranschreitender Zeile spüren wir die sich heranschleichende Katastrophe, in dieser dennoch irgendwie heilen Welt, wenn man davon sprechen kann.

Der Autor übt Kritik, wie in seinem Leben schon so oft, und legt den Finger in die Wunde. Die Härte der asiatischen Gesellschaft zu den sozial Schwachen wird ebenso dargestellt, wie die Wegwerfmentalität unserer Wohlstandsgesellschaft. Welchen Preis lassen wir die unteren Schichten für unser Leben zahlen? Was wird aus uns, wenn wir selbst aussortiert werden, wie der Müll um uns herum?

Autor:

Hwang Sok-yong wurde 1943 in Xinjing, damaliges Mandschukou, heute zu China gehörig, geboren und ist ein südkoreabnischer Autor, der schon als Schüler Erzählungen schrieb. Er schloss ein Philosophiestudium ab und kehrte 1969 aus dem Vietnamkrieg zurück, engagierte sich später aktiv in der Demokratiebewegung der 1970er und 80er Jahre. In den 1970er Jahren entstanden seine ersten Romane, die sich mit der Frage der Arbeiterbewegung und der Teilung Koreas beschäftigten.

1985 formulierte er ein Manifest für die Demokratiebwegung in Korea. Nach Teilnahme an einem Treffen von Schriftstellern in Nordkorea lebte er für mehrere Jahre abwechselnd in Berlin und New York, wurde nach seiner Rückkehr nach Südkorea wegen seiner Besuche im Nachbarland zu sieben Jahren Haft verurteilt. 1998 wurde er begnadigt und zum südkoreanischen Kulturbotschafter für Nordkorea ernannt. Seine Werke wurden mehrfach übersetzt, teilweise verfilmt und ausgezeichnet.

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Sören Kittel: An guten Tagen siehst du den Norden

An guten Tagen siehst du den Norden Book Cover
An guten Tagen siehst du den Norden Sören Kittel Dumont/mairdumont Erschienen am: 03.08.2018 Seiten: 384 ISBN: 978-3-7701-8297-8

Inhalt:
Unterwegs im Land der Extreme

Südkorea scheint nur Rekorde zu kennen: die längsten Arbeitszeiten, die niedrigsten Geburten- und höchsten Wachstumsraten. Reporter Sören Kittel arbeitete eineinhalb Jahre in der ostasiatischen Republik und erzählt die besten Geschichten aus dem Land im Aufbruch: Geschichten vom Wandel einer Diktatur zur Demokratie, von Verliebten, die sich nur noch per App verständigen, und mordernen Koreanern, die es zurück in die Tempel zieht. (Klappentext)

Rezension:
Es ist ein Land, welches schon aufgrund der Entfernung zu Europa kaum auf die Liste der zu besuchenden Reiseziele steht und auch sonst eher in den Nachrichten nur im Zusammenhang mit den bösen Nachbarn steht. Nordkorea ist das einzige Land, mit dem es eine gemeinsame, wenn auch spannungsintensive Grenze gibt.

Theoretisch befindet sich Südkorea immer noch im Krieg. Der Schwebezustand, in dem sich Land und Leute befinden, existiert seit 1953, als nach dem Koreakrieg ein Waffenstillstandsvertrag geschlossen wurde.

Der 38. Breitengrad ist seither Staatsgrenze und Zone allerlei Konflikte. Grund für das Han, den Zustand der Traurigkeit, den nur Koreaner verstehen können. Sören Kittel begibt sich auf die Suche nach dem Han und erkundet dabei das Land, entlang der Küste von Seoul bis zum südlichsten Punkt des Landes, und wieder zurück zur Grenze, in mitten der Halbinsel.

Es sind die Geschichten der Menschen, die ihn interessieren und denen er nachspürt. Kittel entdeckt dabei ein Land im Auf- und Umbruch, ein Land zwischen Tradition und Moderne, auf der Suche zu sich selbst und Menschen, die nicht mit aber in keinem Fall ohne Südkorea können.

Im reportagenhaften Stil berichtet Sören Kittel von seinen Begegnungen. Die kurzweiligen Kapitel sind nach den örtlichen Stationen gegliedert, die er bereist, betitelt jeweils mit dem Synonym für die jeweilige Gegend, die Besonderheit, auf der sich der Abschnitt herunterbrechen lässt und jeweils einem koreanischen Begriff.

Der Autor versucht einen Zugang zu den Menschen zu finden, zunächst mit den eigenen Erfahrungen, schließlich war auch Deutschland einst geteilt, ein Beispiel, welches man sich in beiden koreanischen Staaten genau anschaut, welches jedoch aktuell in weiter Ferne gerückt ist, dann über die Extreme selbst, die Südkorea zu bieten hat.

Unbemerkt zwischen den geopolitischen Globalplayern China und Japan hat sich längst eine neue wissenstechnologische Supermacht etabliert, die im ständigen Balanceakt nicht nur sich selbst sucht, sondern auch, zumindest in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht längst Weltgeschicke bestimmt. Kittel spricht mit den Menschen über die Auswirkungen, in einer autoritären Demokratie zu leben, die aufgrund der politischen Situation unsicher im Umgang mit der eigenen Geschichte zu sein scheint. Ein Zustand, der sich quer in der Gesellschaft zeigt.

Thematisch wird dabei kaum ein Thema unberührt gelassen, gerade deshalb ist “In guten Tagen siehst du den Norden” eine vielschichtige und sensible Reisereportage, die dieses Land dann doch auf die Liste potenzieller Reiseziele ganz weit nach Oben rückt. Und vielleicht versteht man dann auch, was Han eigentlich genau ist.

Autor:
Sören Kittel wurde 1978 in Dresden geboren, studierte nach der Schule in Leipzig, Amsterdam und Berlin Ethnologie und Südostasienwissenschaften, lernte verschiedene Sprachen und lebte in Jakarta, Peking und Nairobi. Für die Berliner Morgenpost schrieb er verschiedene Reportagen und gewann u.a. den EMMA-Männerpreis, sowie für eine Reisereportage über Nordkorea den Meridian-Journalistenpreis. 2014 zog er nach Seoul und arbeitete dort für verschiedene Zeitungen und Magazine als freier Journalist. Zurzeit arbeitet er für die Funke-Mediengruppe. Kittel lebt in Seoul und Berlin.

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D.B. John: Stern des Nordens

Stern des Nordens Book Cover
Stern des Nordens Autor: D.B. John Rezensionsexemplar/Thriller Rowohlt/Wunderlich Taschenbuch Seiten: 541 ISBN: 978-3-8052-0032-5

Inhalt:
Nordkorea, 2010. Niemand kennt das verbotene Land so gut wie sie.
Die CIA erwählt sie für eine tödliche Mission. Doch Jenna Williams hat noch ein anderes Ziel: Sie muss ihre Zwillingsschwester finden.
Und sich selbst retten. (Klappentext)

Rezension:
Die meisten Thriller funktionieren nach Schemen, die sich bewährt haben, für gute und vor allem spannende Unterhaltung sorgen und daher immer wieder bemüht werden. Das beginnt schon bei den Handlungsorten, die sich fast gänzlich in Skandinavien, Amerika, in einer europäischen Großstadt oder, noch schlimmer, in der ländlichen Provinz befinden und so ist es wohltuend, wenn das eine oder andere Werk dann doch mal davon abweichen.

Der „Stern des Nordens“ von D.B. John ist ein solches, welches gleich drei Handlungsorte und -stränge aufweist und damit von Anfang an eine Dynamik mit sich bringt, die die gesamte Lesezeit über anhalten wird. Zum einen haben wir zwar den in Amerika beginnenden Handlungsstrang um die Professorin Jenna Williams, die mit den Familienschicksal der verschwundenen Schwester hadert und später von der CIA für eine heikle Mission ausgewählt wird, aber wir haben eben auch zwei andere Erzählstränge, die in Nordkoreas Gefilden spielen.

Da gibt es den der nordkoreanischen Landbewohnerin, die sich und ihren Mann mehr schlecht als recht durchs Leben bringt, ständig bedroht durch Hunger oder den Gängeleien der örtlichen staatlichen Kräfte und den anderen, in dem ein nordkoreanischer Diplomat genau so schnell aufsteigt, wie er später fallen wird. Heraus kommt dabei eine Erzählung, die an Spannung und Grusel kaum zu überbieten ist. Ein Politthriller, der sich von der auf den Büchertischen verfügbaren Masse abhebt.

Das Unbekannte ist es, was reizt und so sind die zwei letztgenannten Handlungsstränge der Trumpf D.B. Johns, mit dessen Ausarbeitung der Autor in diesem Werk glänzt. Recherchearbeit und Hintergrundwissen merkt man ihm an. Tatsächlich hat der Schriftsteller selbst schon Nordkorea bereist. Anders kann man auch wohl kaum so authentisch Landschaft und das Gefühl beschreiben, welches einem schon als Außenstehenden umgeben muss.

Wie mag es dann erst für die Bewohner Nordkoreas selbst sein, die sich täglich mit den Absurditäten und Differenzen auseinandersetzen müssen, die ihr Leben bestimmen? Für den Leser jedenfalls ergibt sich alleine daraus ein spannender Nervenkitzel, der es in sich hat. Abweichungen, die sich zur Realität ergeben, klärt der Autor in den hintenan gestellten Anmerkungen auf und sorgt für den nötigen Hintergrund bei seiner Leserschaft, auch das ein großes Plus. Wenn das nur alle Schreiberlinge machen würden.

Nicht ganz so überzeugend ist der erste Handlungsstrang, was aber zumindest am Anfang an den fehlenden Spannungsmomenten liegt, die Zusammenführung ist auch nicht perfekt, was widerum jedoch Jammern auf hohem Niveau ist. Ansonsten liegt hier ein Werk vor, von jemanden, der schreiben kann, gut lektoriert und vorher recherchiert wurde, um die nötigen Hintergründe auch glaubwürdig einzuflechten. Das gelang D.B. John in „Stern des Nordens“ sehr gut und so ergibt sich ein Thriller, der sich wirklich von anderen Werken abhebt.

Die Protagonisten sind scharfkantig und entwickeln sich im Laufe der Geschichte weiter. Nebencharaktere tragen zu Spannungsmomenten und der Dynamik des Werkes bei. Örtliche Beschreibungen gehen teilweise so unter die Haut, dass man glauben möchte, der Autor hätte all das tatsächlich gesehen, was man sich bei einigen Kapiteln jedoch für Niemanden wünschen mag.

Hier wird vieles zusammengeführt. Die Sicht von Außen, aus dem Inneren dieses kuriosem Staates, politische Einflechtungen und eine darauf basierende Thrillebene, die nicht loslässt. Die Faszination des Bösen, komprimiert zwischen zwei Buchdeckeln. Den „Stern des Nordens“ wird man sich kaum entziehen können.

Autor:
D.B. John studierte zunächst Jura, verlegte sich jedoch in das Publizieren von Büchern und Editieren von Kinderliteratur. 2009 zog der in Wales geborene Schriftsteller nach Berlin und schrieb seinen ersten Roman. Zuvor hat John lange in Südkorea gelebt, eine Reise in den Norden inspirierte ihn schließlich zu diesen Roman.

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Rüdiger Frank: Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates

Nordkorea - Innenansichten eines totalen Staates Book Cover
Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates Rüdiger Frank Pantheon Verlag Seiten: 461 Broschur ISBN: 978-3-570-55293-3

Inhalt:

Nordkorea und seine diktatorischen Machthaber aus der Kim-Familie werden gefürchtet und verlacht. Gefürchtet, weil das Regime mit Atomkrieg droht und die Bevölkerung im letzten staatssozialistischen System der Erde unterjocht. Verlacht, weil auf westliche Betrachte Rückständigkeit und Massenaufmärche vor allem kurios wirken. Aber das wird dem Land kaum gerecht.

Rüdiger Frank, einer der besten Kenner Nordkoreas, der regelmäßig dorthin reist, versucht in diesem Buch eine Annäherung an das abgeschottete Land, aus dem nur wenig verlässliche Nachrichten dringen. Aus seiner reichen Erfahrung heraus erklärt er Geschichte und Selbstverständnis, die Machtstrukturen und die seit einiger Zeit zu beobachtenden Änderungen im Alltag und in den wirtschaftlichen Verhätlnissen.

Und er wagt einen Ausblick auf die Frage einer möglichen Wiedervereinigung mit Südkorea. (Klappentext)

Rezension:
Nordkorea ist als kleines Land die große Unbekannte unter den Staaten Asiens. Über kaum ein Land dringt so wenig nach Außen, über kaum ein Land gibt es so wenige Informationen und wird so einseitig berichtet, wie dieses auf der koreanischen Halbinsel.

Doch, abseits von Halbwissen und Begrifflichkeiten wie der “Achse des Bösen”, wozu die Vereinigten Staaten das Land zählen, “Atomtests” und “Hungersnöte”, fragt sich der westliche Beobachter, wie es den Land bis heute gelingt, zu existieren, während andere Länder mit ähnlichen Staatssystemen zusammenbrachen oder zumindest wirtschaftlich eine 180-Gradwende vollzogen, allen voran Nordkoreas großer Nachbar China.

Wie gelang es dem Regime sich trotz Hungersnöte und technologischen Rückstand zu halten? Wir alle haben die Satellitenbilder im Kopf, die ein dunkles Nordkorea zeigen, umgeben von durch Elektrizität hell erleuchteten Nachbarstaaten. Worauf baut der Staat auf? Welche Ideologien stecken dahinter und sind diese wirklich so starr, wie es scheint?

Oder durchlebt der Nachbar Südkoreas gerade eine Phase des langsamen, aber kontinuierlichen Umbruchs? Wie gestaltet sich die Gesellschaft Nordkoreas ihren Alltag? Gibt es ein Umdenken im Umgang mit den Regime und den Nachbarn?

Weshalb ist die Teilung Koreas und dem zu Folge eine mögliche Wiederveinigung nicht mit der Deutschlands zu vergleichen, auch wenn beide Staaten nach Berlin schauen und die Wiedervereinigung Fernziel für beide ist? Und, wo liegen die Fallstricke?

Rüdiger Frank, der beide koreanische Staaten vom Äußern und insbesondere vom Inneren her kennt, analysiert Korea und zeichnet das Bild eines Staates, welches mehr interessante Fragen bereithält, als dass es Fragen beantwortet.

Zu spannend ist es, zu beobachten, was derzeit in Nordkorea passiert, wenn es sich auch für den Beobachter, der jetzt nur die Beiträge aus den westlichen Medien kennt, selten so zu erkennen gibt. Man muss schon dorthin reisen und Kontakte in beide koreanische Staaten haben, um analysieren zu können und genau dies tut Frank in diesem Buch.

Zunächst beschäftigt sich der Autor mit der Geschichte Koreas, die in die Teilung von Außen heraus führte und folgend mit den ideologischen Überbau, der als erstaunlich wandlungs- und interpretationsfähig beschrieben wird. Sowohl von der staatlichen Seite als auch von der Bevölkerung selbst. Das politische System wird, soweit möglich, aufgegliedert und die wackelige Wirtschaft analysiert.

Der Autor beschreibt den Wandel Nordkoreas anhand von Reformversuchen des Regimes, zeigt, was funktioniert und was trotz Scheitern, etwa der Remormen 2002, trotzdem zurückbleibt und eines Tages helfen könnte, zu einem völligen Wandel beizutragen. Mit oder ohne den derzeitigen Machthabern.

Rüdiger Frank geht noch einen Schritt weiter und schildert die Rolle der Sonderwirtschaftszonen und die Rolle des derzeitigen Machthabers Kim-Jong-Un im staatlichen System Nordkoreas, sowie, wie Propaganda als Sonderweg zwischen Russland bzw. der ehemaligen Sowjetunion, China und den Erfeind USA funktioniert. Er wagt aber auch zugleich einen Blick in die Glaskugel, bezüglich Varianten einer Wiederveinigung beider koreanischen Staaten.

So gegliedert, ergibt sich ein ausgiebiges und detailliertes Standardwerk über die aktuelle Situation Nordkoreas und ein anderes Bild, abseits der üblichen Medien-Berichte, welches man unbedingt verinnerlichen sollte.

Rüdiger Frank zeigt auf, wo das Regime an sich selbst scheitert, aber auch, was funktioniert und welche roten Linien die internationale Staatengemeinschaft überdenken sollte, die sich zu sehr auf’s einseitige Handeln verlegt hat und damit alle Chancen der Annäherung verspielt, wenngleich Nordkorea nicht unschuldig daran ist.

Der Autor gibt einen sehr differenzierten und interessierten Einblick, der auf jeden Fall das Wissen über Nordkorea erweitert und dazu anstößt, sich eben nicht mit zweiminütigen Berichten in der Tagesschau zufrieden zu geben, sondern mehr zu erfahren.

In klarer und verständlicher Sprache zeichnet der Autor dieses Bild, dennoch verlangt das Lesen Konzentration ab, die man halten muss. Es ist kein Werk zum Nebenherlesen, aber so spannend beschrieben, wie Geschichte, Politik und Wirtschaft sonst nicht sein können. Dafür und für eine etwas klarerer Sicht auf ein, uns so unbekanntes, Land, lohnt sich die Lektüre.

Autor:
Rüdiger Frank wurde 1969 in Leipzig geboren und ist ein deutscher Wirtschafts- und Ostasienwissenschaftler. 1991/92 verbrachte er ein einsemestriges Sprachstudium an der Kim-Il-Sung-Universität im nordkoreanischen Pjörnjang, finanziert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst und studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin Koreanistik, sowie Volkswirtschaftslehre und Internationale Beziehungen.

Später lehrte er in New York, wurde 2007 zum Professort für “East Asian Economy and Society” an der Universität Wien ernannt und ist seit 2012 Vorstand des Instituts für Ostasienwissenschaften in Wien. In Seoul ist er als außerplanmäßiger Professor tätig und besucht beide Staaten regelmäßig. Er war Mitglied mehrerer EU-Delegationen und des World Economic Forum.

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