Rettung

Thomas Finn: Bermuda

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Bermuda Thomas Finn Droemer Knaur Erschienen am: 01.09.2020 Seiten: 522 ISBN: 978-3-426-22719-0

Inhalt:

Nur knapp überleben der Biologe Alex Kirchner und die Kreuzfahrt-Mitarbeiterin Itzil Perez den Untergang ihres Luxusliners, der mitten im Atlantik in einen schrecklichen Hurrikan gerät. Zusammen mit einem Dutzend weiterer Überlebender werden die beiden am Strand einer Vulkaninsel angespült.

Doch die vermeintliche Rettung erweist sich schnell als tödliche Falle: Weder Handys noch Kompasse funktionieren; mumifizierte Leichen werden angespült und nachts kommt es zu unheimlichen Licht- und Geräuchphänomenen. Schließlich kommt der erste Schiffsbrüchige ums Leben. Schleifspuren führen in den Mangrovendschungel, in dem ein namenoses Grauen lauert. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

Nördlich der Karibik liegt ein legendenumwobenes und zu Teilen gefürchtetes atlantisches Seengebiet, in dem bereits mehrere Schiffe und Flugzeuge spurlos verschwunden sein sollen. Von der kleinen Jolle bis zum großen Frachtschiff sollen unzählige Objekte Opfer der Fluten geworden sein und so ist es kein Wunder, dass auch in der Literatur das Bermuda-Dreieck Grundlage für unzählige Geschichten bietet.

Zuletzt für den hier vorliegenden Horrorthriller des deutschen Autoren Thomas Finn.

Eine verlegerische Entscheidung sicherlich, ist die Ausformulierung von Klappentexten, doch verrät dieser beinahe zu viel, wenn auch nicht so, als dass es gespoilert wäre, doch beginnt mit der Ausführlichkeit eine Grauzone, die mit Vorsicht zu genießen ist.

Ein zwei Sätze weniger hätten es auch getan. Für diese Rezension habe ich mich daher entschlossen, den Klappentext etwas abzuwandeln. Ansonsten ist dies nämlich ein solider Horrorthriller, der alle Alpträume wahr werden lässt.

Das Motiv der idyllisch wirkenden Tropeninsel, auf der sich nach und nach die Hölle auf Erden entwickelt, sei es durch dem Schauplatz selbst oder durch die Protagonisten, ist nicht neu. Tatsächlich werden hier Elemente aus “Robinson Crusoe” ebenso aufgegriffen, als auch aus “Der Herr der Fliegen”, das gilt zum einen für den Schauplatz als auch für den für die Handlung zufällig zusammengewürfelten Personenkreis.

Der Autor bringt von den ersten Seiten an, Tempo in die Handlung, deren Spannungsbogen sich rasant entwickelt. Dem Lesenden wird so schnell wie den Protagonisten, die sich deutlich in Sympathie- und Antipathieträger unterscheiden, klar, welches Grauen auf dem Eiland vorherrschen muss.

Ein jeder geht damit anders um, zum Überleben oder Nachteil der Gruppe gereichend.

Solche Geschichten lesen sich sehr flüssig, doch gilt es kleinere Logikfehler und so manches Mal harte Sprünge zu ignorieren, zwecks Lesegenuss. Der kommt auf, wirkt zum Teilen jedoch wie ein Horrorzweiteiler in den Öffentlich Rechtlichen, zumindest, was diese als solche bezeichnen.

Eine solide Speise ist das, die man essen kann, von der man satt wird, Begeisterungsstürme jedoch nicht auslöst. Einige Überraschungen gegen Ende runden die Geschichte jedoch in soweit ab, dass die Geschichte kein Fehlschlag ist.

Hervorzuheben ist das Erzähltempo und der Spannungsbogen, sowie das formulierte Ende. Für meinen Geschmack hätten der Geschichte jedoch ein paar mehr Seiten gut getan, sowie die Konzentration auf ein paar weniger Genre-Spielarten, als man diese hier vorfindet.

An manchen Stellen wirkt der Mix aus Horror, Historientrhiller, Wissenschaftsthriller, Science Fiction einfach ein wenig zu sehr over the top, von der fehlenden Subtilität einmal ganz abgesehen. Dass man dies über weite Strecken ignorieren kann, liegt allein an der Formulierungsleistung Thomas Finns.

Autor:

Thomas Finn wurde 1967 in Evanston/Chicago geboren und ist ein Schriftsteller und Journalist. Nach der Schule studierte er Volkswirtschaft in Hamburg und arbeitetete parallel als Journalist und Autor für diverse Verlage. Zuvor hatte er außerdem eine Lehre als Werbekaufmann absolviert. 1992 erhielt er den “ZauberZeit-Lesepreis”. Seit 2001 arbeitet er als Roman-, Spiele- und Drehbuchautor.

Bis 2011 war er zudem im Redaktionsstab des Rollenspiels “Das schwarze Auge” (DSA) tätig. Finn lebt und arbeitet in Hamburg.

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Oskar Roehler: Der Mangel

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Der Mangel Oskar Roehler ullstein Erschienen am: 28.02.2020 Seiten: 170 ISBN: 978-3-550-20038-0

Inhalt:

Vom Übergang einer Mangelgesellschaft, in der es von allem zu wenig gab, in eine Konsumgesellschaft, die den Menschen ihre Würde raubt.

Vom Großwerden einer Gruppe von Kindern in den Sechszigern, den Anstrengungen der Väter, Wohlstand oder zumindest eine Illusion davon zu erschaffen.

Von den Rückschlägen, die sie erleiden. Von den Sorgen und Existenzängsten der Mütter und das Gegenbild dazu, der Ausweg aus Mangel und Überfluss zugleich: die Kunst als Rettungsanker für das Überleben. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Der namenlose Junge beobachtet die Erwachsenen, die daran scheitern, eine Illusion von Wohlstand Wirklichkeit werden zu lassen und daran zu Grunde gehen, zerbrechen. Mit Gleichaltrigen trollt er durch die noch nicht fertige Neubausiedlung am Rande eines Dorfes, gräbt sich durch Schlamm und Lehm, versinkt sprichwörtlich in seiner eigenen Welt.

Zu Beginn ist er ein Vorschulkind, welches um sich herum alles aufnimmt, später versucht, mit den Mitteln der Kunst zu überleben, beinahe wie einst die Mütter und Väter um ihn herum, zu scheitern droht.

Beindruckend ist diese Novelle, deren Handlung der Leser wie einen kunstfollen Kurzfilm vor dem inneren Auge ablaufen sieht. Nicht von ungefähr kommt dieser Effekt, ist doch der Autor Oskar Roehler selbst Filmregisseur und Drehbuchautor.

Der Protagonist, Vorschulkind, Kind, früher Jugendlicher ist das alte Ego des Autors, der Eindrücke in sich aufsaugt, wie ein Schwamm. Kurz und prägnant sind die Sätze, messerscharf und folgerichtig, wie die Beobachtungen selbst.

In der Erzählung fühlt man mit dem Handelnden, der begreift, dass es da draußen in der großen weiten Welt noch etwas anderes geben muss, dass die Chancen, die sich ihm bieten, jedoch noch weniger als rar gesät sind.

Röhler verbildlicht hier Trost- und Perspektivlosigkeit, die Zeit des Wirtschaftswunders, die überall ankommt, nur nicht dort. Die Zeitspanne umreißt die ersten Jahrzehnte der bundesrepublikanischen Gesellschaft, mit allen Möglichkeiten, vielmehr jedoch mit allen Fallstricken.

Der Protagonist bleibt dabei immer in der Position des Schwachen, ständig am Rand des Abrgund stehend, selbst, als er beginnt, sich daraus zu kämpfen. Trost nur in der Welt der Kunst, der Sprache.

Roehlers Stil, diese Geschichte eine lehmhafte Schwere angedeihen zu lassen, ist gewöhnungsbedürftig. Schön zu lesen, doch plätschert die Trostlosigkeit wie voluminöse Regentropfen nur so dahin. Die Atmosphäre ist düster, die ganze Zeit über, kaum Hoffnungsschimmer.

Um das zu lesen, sollte man in der richtigen Stimmung sein. Für depressive Gemüter ist das nichts.

Es ist eine kompakte Erzählung mit dem Effekt eines Günter Grass, der mit Worten zu faszinieren oder verschrecken mochte. Dazwischen gibt es nichts, sozusagen luftleerer Raum.

Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Kunst als zweifelhafter Rettungsanker. Und immer wieder Dreck, Schlamm, Feuchtigkeit, Lehm. Graue, braune Masse, aus der man etwas erschaffen oder in die man versinken kann.

Doch, muss das zwischen zwei Buchdeckeln sein?

Autor:

Oskar Roehler wurde 1959 geboren und ist ein deutscher Filmregisseur, Journalist und Autor. Nach seinem Abitur ist er als Autor für Drehbücher tätig und wurde ab 1990 als Spielfilmregisseur bekannt. Sein erfolgreichster Film war “Die Unberührbaren”, der u.a. mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde.

Roehler gehört zu den Gründungsmitgleidern der Deutschen Filmakademie, 2003. Im Jahr 2011 veröffentlichte er einen autobiografischen Roman, den er auch verfilmte. 2018 verfilmte er den Roman “HERRliche Zeiten” des umstrittenen rechten Schriftstellers Thor Kunkel.

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Nicoletta Giampietro: Niemand weiß, dass du hier bist

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Niemand weiß, dass du hier bist Nicoletta Giampietro Piper Erschienen am: 01.03.2019 Seiten: 416 ISBN: 978-3-492-05918-3

Inhalt:

Der zwölfjährige Lorenzo soll bei seiner Tante in Siena unterkommen, bis der Krieg vorüber ist. Die Toskana gilt als sicher. Mit seinem neuen Freund Franco träumt Lorenzo vom glorreichen Triumph des faschistischen Italiens. Doch die Begegnung mit Daniele bringt seine Überzeugungen ins Wanken. Daniele ist Jude. Als die Stadt schließlich von den Deutschen besetzt wird, schweben er und seine Eltern in großer Gefahr. Und Lorenzo trifft eine folgenreiche Entscheidung. (Klappentext)

Rezension:

Es gibt Romane, deren Geschichten verschwinden, sobald man den Buchdeckel zugeklappt hat und andere, die bleiben und nachwirken. Zur letzteren Sorte gehört “Niemand weiß, dass du hier bist” von Nicoletta Giampietro. Das Debüt der italienischen Autorin erzählt die Geschichte des kleinen Lorenzo, der vor den Kriegswirren des Zweiten Weltkrieges in Afrika ins vermeintlich sichere Italien zu Verwandten gebracht wird und dort mit seinem neuen Freund Franco vom Siegeszug des Faschismus träumt.

Zunächst ist alles noch aufregend, auch wenn erste Anzeichen von der Grausamkeit und Bedingungslosigkeit auch den Kinderaugen des Zwölfjährigen nicht entgehen. Jüdische Mitschüler verschwinden aus dem Unterricht, immer schwieriger wird es, an Lebensmittel zu kommen, die Tante eckt mit allzu freier Meinungsäußerung an.

Im Szenario einer Kleinstadt, Siena, in der Toskana konzentrieren sich die Auswirkungen des Krieges. Viel packt die Autorin hinein. An historischen Gegebenheiten orierentierent, an realen Personen nur leicht angelehnt, hat sie einen Aufarbeitungsversuch eines Stückes italienischer Geschichte geschaffen, der fasst zu vergessen werden drohte.

Zunächst die Protagonisten, in deren Zentrum der anfangs zwölfjährige Lorenzo steht. Aufgewachsen in Tripolis, ist er der wache Charakter, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Zugleich außenstehender Beobachter und Beteiligter trägt der Protagonist die Geschichte.

Detailliert zeigt die Autorin den Zwiespalt auf, in dem Lorenzo sich befindet, vor allem in den gegensätzlichen Freundschaften, einerseits zum gleichaltrigen Franco, dessen Familie vom Faschismus profitiert, er selbst ist ganz der Ideologie verfallen, andererseits im späteren Verlauf zu Daniele, der nur knapp dem Unheil der Deportation entgeht. Beide Freundschaften bringen Lorenzo, auf die eine oder andere Art und Weise, in Gefahr.

Immer wieder fallen dabei bezeichnende Sätze, wie dieser:

Ich war an einem sicheren Ort gebracht und zurückgelassen worden. Aber Kriege sind unberechenbar. Und sichere Orte auch.

Nicoletta Giampietro: Niemand weiß, dass du hier bist

Die Geschichte entfaltet eine Sogwirkung, zunächst nur leicht, mit zunehmender Seitenzahl immer stärker, der man sich nicht entziehen kann. Dazu trägt ein kontinuierlicher Spannungsbogen bei und die Tatsache, dass die Autorin möglichst viele Themen gezielt untergebracht hat.

Zwar nur haarscharf an der Überfrachtung vorbei, sind auch die Nebenfiguren so detailliert gezeichnet, dass sie fassbar werden, allen voran Figuren wie Matteo oder Zia Chiara, die durchaus zur Identifikation taugen. Lorenzo steht irgendwo dazwischen. Auch thematisch macht es Giampietro ihren Lesern nicht leicht. Geschont wird niemand.

Es werden die Auswirkungen des Krieges auf den Alltag, das Denken und Handeln der Partisanen, der Mitläufer und der Täter behandelt, aber auch dort immer wieder gezeigt, dass jede Geschichte zwei seiten hat, eine großer Stärke des Romans, unterstützt durch sprachlich wunderbare Bilder.

… fast verschmolzen mit der Wand, zitternd wie ein Pappelblatt im Wind, schmutzig und mit riesigen, angsterfüllten Augen, …

Nicoletta Giampietro: Niemand weiß, dass du hier bist

Geschichtliche Aufarbeitung kennen wir von deutscher, niederländischer oder von polnischer Seite, dieser Roman zeigt einen Versuch etwas Unfassbares fassbar zu machen aus italienischer Sicht. So gelungen, habe ich selten etwas gelesen und kann diesen Roman nur jeden Interessierten ans Herz legen.

In klarer verständlicher Sprache und nicht allzu langen Kapiteln verfolgt die Autorin das Handeln ihres Protgonisten über mehrere Jahre, in denen Lorenzo einen Prozess des zu schnellen Erwachsenwerdens durchmachen muss. Leben, damit der andere überlebt, dabei einen klareren Blick bekommen. Vielleicht kann man es so zusammenfassen?

Emotional, nicht kitschig, beschreibt die Autorin Lorenzos Weg und zeigt im Nachwort auf, welchen realen Gegebenheiten einzelne Elemente der Handlung und Beschreibungen entlehnt sind. Gerade dies macht “Niemand weiß, dass du da bist” zu einem unglaublich starken Roman, dessen Geschichte sich so oder ähnlich tatsächlich hätte abspielen können. Manche Szenen sind der Realität entlehnt.

Wer diesen Roman liest, wird dies mit zunehmend offenen Mund tun und viel Stoff zum Nachdenken bekommen. Eine Geschichte mit Nachhall, die ihres Gleichen sucht, gegen das Vergessen und für das Erinnern. Eine unbedingte Empfehlung.

Autorin:

Nicoletta Giampietro wurde 1960 in Mailand geboren und wuchs in einer italienisch-französischen Familie auf. Sie studierte nach der Schule Politikwissenschaften und geschichte in Mailand und Tübingen, zog 1986 nach Deutschland. Seit 1995 lebt sie in mainz, nach Stationen in Köln und Rotterdam. Sie spricht mehrere Sprachen. “Niemand weiß, dass du hier bist” ist ihr erster Roman.

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Hampton Sides: Die Polarfahrt

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Die Polarfahrt Hampton Sides mare Erschienen am: 01.10.2019 Seiten. 576 ISBN: 978-3-86648-243-2 Übersetzer: Rudolf Mast

Inhalt:

Der Nordpol galt als Problem, als Ende der Welt und ungelöstes Geheimnis. Ein blinder Fleck auf den Landkarten. Ein verrückter Zeitungsverleger, auf der Jagd nach Sensationsgeschichten, kaufte ein Schiff, erkor einen Kapitän und schickte 1879 dreiunddreißig Männer ins Eis, die die Theorie eines offenen Polarmeeres überprüfen sollten.

Doch, die USS Jeanette blieb im Packeis stecken. Fortan kämpfte die Besatzung des Schiffes um ihr Überleben. Meilenweite Märsche über das gefrorene Meer, Schneeblindheit, Erfrierungen, Stürme und Hunger brachten die Mannschaft an ihre physischen und psychischen Grenzen. Hampton Sides erzählt ihre Geschichte. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

So unscheinbar, wie sie wirkt, diese Welt aus Schnee, Fels und Eis, so unverzeihlich geht sie mit begangenen Fehlern um. Es ist eine scheinbar endlose und abweisende Gegend, die Nordpolarregion, gerade deswegen ungeheuer fasznierend.

Hampton Sides ist eingetaucht in die Gegend umbarmherziger Kälte und hat sich auf Spurensuche begeben. Herausgekommen dabei ist ein faszinierender und facettenreicher Bericht über die wohl eindrücklichste und vom grausigen Schicksal verfolgte Erkundungsexpedition, die es in diese Gegend verschlagen hat.

Vor wenigen Jahrhunderten noch war gänzlich wenig über die kälteste Region des Erdballs bekannt, und der Drang sich zu beweisen war besonders bei den Männern der damals noch jungen Vereinigten Staaten von Amerika besonders groß.

Es ist hier die Geschichte junger Offiziere und Naturforscher, Ärzte und Meteorologen, aber auch eine Erzählung unglaublicher menschlicher Kraft und großer Pionierleistungen, die der Autor zu Tage gefördert und dicht recherchiert eine geeignete Plattform gibt.

Eindrückklich wird geschildert, wie groß das Verlangen bei den Männern dieser Generation, die in Zeiten kurz vor der Elektrifizierung der Infrastruktur, der Erfindung der Glühbirne und wegweisenden Maschinen, wie die Dampfmaschine, sich zu beweisen und welche Bedeutung die Erkundung der letzten weißen Flecken auf den Landkarten für die Menschen hatte.

Intensiv begleitet der Leser auf Grundlage von Briefen und Tagebuchaufzeichnungen, ausführlich geschildert, die Vorbereitungen zu einer Expedition, die dann doch sprichwörtlich im Eis stecken bleiben musste.

Geschildert wird die Auswirkungen von Sensationsgier, schon damals als es noch keine anderen Medien als Zeitungen gab, und welche fatalen Folgen kleinste Fehler schon bei der Planung haben konnten, zudem welchen Gefahren Entdecker damals auf noch unbekannten Terrain ausgesetzt waren.

Das alles wird klar und deutlich, kurzweilig und über die Maßen so spannend geschildert, wie nur wahre Geschichte sein kann. Hier merkt man in jeder einzelnen Zeile, die intensive Rechercheleistung von Hampton Sides, der den Weg in die Katastrophe und für zu wenige Teilnehmer der Expedition wieder hinaus, beschreibt.

Durchsetzt und aufgelockert wird dieses Sachbuch mit den Fotos aller Teilnehmer dieser Polarfahrt und Karten auf den Innenseiten des Buchdeckels.

Die hochwertige Aufmachung und die erzählte, gut recherchierte Geschichte, deren Expeditionsmitglieder für die künftige Kartographie und Naturforschung trotz Scheiterns wichtige Erkenntnisse brachten, ist es wert, erfahren und weiter verbreitet zu werden.

Der Leser wird dem Leid der Besatzung der USS Jeanette so nachempfinden können, als wäre er selbst Mitglied dessen, auf das es einem kalt den Rücken hinunter laufe. Eine unbedingte Empfehlung, die außerhalb des Eisschrankes gelesen und gut sichtbar in jedes Regal gehört.

Autor:

Hampton Sides wurde 1962 in Memphis/Tennessee geboren und ist ein US-amerikanischer Historiker, Autor und Journalist. Er schloss sein Geschichtsstudium an der Yale University ab und hielt danach Gastvorlesungen an verschiedenen Institutionen der USA.

Er ist Berichterstatter für die Zeitschrift “Outside” und arbeitet für das “National Geographic Magazine”, sowie verschiedenen großen Zeitungen, u.a. die “The Washington Post”. Er ist Autor mehrerer Bücher mit geschichtlichen Themen und lebt mit seiner Familie in Santa Fe/New Mexico.

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Bo Lidegaard: Die Ausnahme

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Die Ausnahme Bo Lidegaard Blessing Verlag Seiten: 592 Hardcover ISBN: 978-3-89667-510-1 Übersetzerin: Yvonne Badal

Inhalt:

“Die Geschichte der Rettung der dänischen Juden ist nur ein winziger Teil der gewaltigen Geschichte der Shoah. Aber sie erteilt uns eine Lektion. Denn sie erzählt vom Selbsterhaltungstrieb, vom zivilen Ungehorsam und von der Hilfe, die fast ein ganzes Volk leistete, weil es sich empört und zornig gegn die Deportation seiner Landsleute auflehnte.

Somit ist es auch die Geschichte von einer Gesellschaft, die kein Jota von ihrem Rechts- und Unrechtsempfinden wich, und das, während sie der überlegenen Macht deutscher Besatzer unterstand.” (Klappentext)

Rezension:

Eine der tragenden Säulen des NS-Regimes war die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas und um so deutlicher sich abzeichnete, dass der Krieg nicht zu gewinnen war, um so grausamer und energischer wurde dieses Ziel verfolgt.

Und kostete schließlich über 6 Milionen Menschen das Leben. Doch nicht überall gelang dies den Häschern der Nazis, immer wieder gab es auch Menschen, die sich der kalten Ideologie entzogen und ihre ausgestoßenen Mitbürger schützten.

Unter Gefahr für ihr eigenes Leben. Bulgarien und Dänemark gelang es sogar fast die komplette jüdische Bevölkerung ihres Landes zu schützen, Ausnahme in Zeiten des Terrors.

Vom Sonderweg Dänemarks, dass winzig klein unter einem übermächtigen Gegner litt und ihn trotzdem Grenzen aufzeigte, berichtet Bo Lidegaard kenntnis- und detailreich anhand von Tagebuchaufzeichnungen und Archivfunden.

Er stellt dar, wie es einem ganzen Land im Konsens gelang, und unter dem Auge der deutschen Besatzer, über 6000 Menschen in Sicherheit zu bringen. Praktisch über Nacht. Und wie das Rechtsbewusstsein und die Menschlichkeit einer Nation über Unmenschlichkeit und Grausamkeit triumphierte.

Der Sonderweg Dänemarks ist nur ein kleines aber bedeutendes Kapitel in der europäischen, vor allem aber in der dänischen Geschichte, welcher erst seit einigen Jahren beachtet und erforscht wird. Noch liegt vieles im Dunkeln.

Was waren die tatsächlichen Beweggründe der deutschen Besatzer wegzusehen als ein ganzes Land vor ihren Augen die jüdische Bevölkerung schützte? Warum funktionierte hier der NS-Terror nicht, der nur ein paar Landesgrenzen weiter etwa die Niederlande oder noch schlimer Polen in Griff hielt?

Weshalb hielten König, Politiker, Staatssekretäre, Beamte und nicht zuletzt ein Volk zusammen und rangen den Deutschen imer wieder Konzensionen gegenüber “ihren” Juden ab?

Wieso lenkten selbst Männer wie Himmler und Eichmmann ein, der nach seiner Festnahme durch den israelischen Geheimdienst in Argentinien aussagte, dass Dänemark ihm die größten Probleme bereitet habe?

Diese Fragen stellt sich Bo Lidegaard und analysiert scharfsinnig die Gründe anzhand von Augenzeugenberichten und Tagebuchaufzeichnungen Betroffener.

Er zeigt dabei auf, dass ein Land keineswegs machtlos war gegenüber den übermächtigen Gegner NS-Deutschland und dass es durchaus gelingen konnte, unter der Besatzung zu leben ohne sich selbst zu verraten.

Gelungen ist dies aus einer Vielzahl von Gründen die freilich nur auf Dänemark zutrafen und auf keines der anderen besetzten Länder hätten Anwendung finden können. Gerade deshalb ist es jedoch wichtig daran zu erinnern. An den Funken Menschlichkeit, Glück und Hilfsbereitschaft einer ganzen Nation in einer dunklen Zeit.

Autor:

Bo Lidegaard wurde 1953 in Nuuk, Grönland geboren und studierte nach dem Abitur Geschichte. Nach seinem Abschluss des Studiums trat er in den Auswärtigen Dienst Dänemarks ein und übernahm zunächst die Leitung einer sektion des Außenministeriums.

Von 1987 bis 1990 arbeitete er bei der Ständigen Vertretung der Vereinten Nationen in Genf als Sekretär und wurde nach seiner Rückkehr nach Dänemark Forschungswissenschaftler der Dänischen Königlichen Bibliothek in Kopenhagen.

Danach arbeitete er im außenpolitischen Ausschuss des Folketing und als Botschaftsrat in der Dänischen Botschaft in Paris. Nach verschiedenen weiteren außenpolitischen Stationen übernahm er 2011 die Chefredaktion der dänischen Zeitung Politiken.

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