Meer

Sabrina Imbler: So weit das Licht reicht

Inhalt:
So weit das Licht reicht ist Naturbuch, poetisches Memoir und Coming-of-Age-Geschichte in einem – ein faszinierender Tauchgang von der Oberfläche bis zum Meeresgrund. (Klappentext)

Rezension:

Nature Writing ist ein schwieriges Genre, werden doch Naturbeziehungen oft genug romantisiert, Tiere manchmal gar vermenschlicht. Wird dieses jedoch in Kombination mit etwas völlig Gegensätzlichen gebracht, dazu noch Einsprengsel anderer Bereiche der Literatur, insbesondere des Sachbuchs, ist es schwierig ein passendes Zusammenspiel zu erzeugen, da alle Lesende mit unterschiedlicher Erwartungshaltung an die Lektüre herangehen und wahrscheinlich selten diese vollkommen getroffen finden werden.

Genau dies ist der Autorin Sabrina Imbler mit dem hier vorliegenden Werk passiert, welches zwischen Nature Writing, den Versuch eines Sachbuchs und einem Selbstfindungsprozess schwangt, der einer Nabelschau gleichkommt. Der beschworene Blick auf die Kreaturen der Tiefsee, welcher der Untertitel zunächst vorgibt, kommt jedenfalls zu kurz.

Diese Abschnitte sind interessant, wie auch die Abschnitte, das Nachdenken der Autorin über sich selbst, sich faszinierend lesen, doch hätte es hier bereits der Qualität der Lektüre gut getan, wenn man aus einem tatsächlich zwei Bücher gemacht hätte.

So kommen an der einen Stelle wirklich spannende Ausführungen zu Meereslebewesen viel zu kurz, an anderer die zum Thema Gender, durchaus gespickt mit interessanten psychologischen Ausführungen, am Beispiel Imblers selbst, welche ich einmal positiv hervorheben möchte. Zusammengestellt jedoch wirken Übergänge nicht so, wie sie es könnten, hat man zwei unterschiedliche Werke, die nichts Halbes und nichts Ganzes ergeben.

Ein anderer Kritikpunkt ist da nur noch augenrollend zur Kenntnis zu nehmen, den die Autorin als Wissenschaftsjournalistin eigentlich aus sich heraus beherzigen müsste. Man vermenschlicht keine wilden Tiere. Spätestens damit ist für mich die gesamte Lektüre gefallen.

Die kompakte Form der Ausführungen bringt es mit sich, dass dort, wo Ausführungen wünschenswert wären, diese zu kurz kommen, anderswo derer zu viele sind, so dass man ein permanentes Ungleichgewicht vor Augen hat. Auf Dauer ist dies sehr anstrengend, da man geneigt ist, zu den für sich selbst interessanteren Stellen zu springen. Das kann man häufig tun, da Abschnitte gut übersichtlich gehalten werden, was man jedoch eher der Formatierung des Verlags anrechnen dürfte. Positiv erwähnenswert bleiben noch die liebevollen Illustrationen von Simon Ban zu Beginn jedes Kapitels.

Möchte ich Nature Writing, Coming of Age, populärwissenschaftliches oder Gedanken zum Ich und zum Gender lesen, kann ich das hier alles bekommen, jedoch hätte hier eine eindeutige Entscheidung, gleich wofür, der Lektüre gut getan.

Autorin:

Sabrina Imbler ist Wissenschaftsjournalistin und Autorin. Sie lebt in Brooklyn und veröffentlicht regelmäßig Essays und Reportagen in verschiedenen Zeitungen und Magazinen. Ihr Debüt “So weit das Licht reicht” wurde zu den zehn besten Nonfiction-Büchern des Jahres 2022 gewählt.

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Empfehlung: Ozeane – Die große Bild-Enzyklopädie

Seit jeher sind wir Menschen fasziniert von den Meeren, deren Kräfte wir fürchten und im Laufe der Geschichte gelernt haben, für uns zu nutzen. Ob als Rohstoff- oder Nahrungslieferant, zur Energieerzeugung, die Ozeane als Bestandteil des Wasserkreislaufs sind die Grundlage allen Lebens. Hier entstand es, bevor es den Sprung an Land wagen konnte. Ein Blick unter die Oberfläche offenbart dabei noch immer erstaunliches. Der Großteil der Ozeane ist weitgehend unerforscht, doch lasst uns faszinierende Lebewesen am Rande brodelnder Unterwasservulkane entdecken, Räuber, die in den dunklen Weiten der Tiefsee mit Leuchten Partner sowie Beute anlocken, Haie, die des Nachts durch Riffe streifen. Unsere Ozeane sind voll mit Superlativen, hier lebt das älteste Tier der Welt, hier das größte Säugetier unseres Planeten.

Von der faszinierenden Welt der Korallenriffe bis zum Leben an den Polarmeeren. Steckbriefe erklären sowohl biologische als auch geografische Gegebenheiten.
(Quelle: Dorling Kindersley)

Für diese vorliegenden Enzyklopädie wurden nun die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse bildgewaltig aufbereitet. Niemand geringeres als Fabien Cousteau, der Enkel des berühmten Tiefseeforschers führt uns in die Welt des Wassers ein, deren Grundlagen und Zusammenhänge verständlich und anschaulich erklärt werden. Aktuelles Wissen gepaart mit historischen Fakten, zahlreichen Grafiken und über 2000 Fotografien und ein umfangreicher Kartenteil eröffnen uns Einblicke in diesen faszinierenden Naturraum, machen uns dessen Kräfte und Gegebenheiten verständig. Seite für Seite lernen wir zudem ihre faszinierenden Bewohner kennen, deren Vielfalt und Schönheit, jedoch auch wie fragil deren Welt inzwischen geworden ist, durch unseren Rohstoff- und Energiehunger, unseren Müll und der durch unserer Lebensweise beeinflussten Änderung des Klimas.

Großformatig und qualitativ hochwertig ist dies ein umfangreiches Nachschlagewerk, welches Groß und Klein zum Stöbern und darin versinken einlädt. Umfassende Informationsbreite und tiefe Sachkenntnis werden anschaulich vermittelt. Hier werden alle, je nach Interesse, neues Wissen daraus ziehen und anderes vertiefen können. Nicht nur das rechtfertigt den Preis, haben die Autor:innen und beteiligten Wissenschaftler:innen verschiedenster Fachgebiete dazu beigetragen, dass von der Qualität und Wirkung mehr ist als eine bloße BBC-Dokumentation in Papierform vorliegt, sondern ein Grundlagenwerk, welches seines Gleichen sucht. In sofern möchte ich hier nicht werten, fünf Sterne sind hier zu wenig, was ja ohnehin für die meisten Werke dieser Art gilt, sondern nur empfehlen. Ein Blick hinein genügt, um zu wissen, warum.

Pflanzen und Tiere in und am Rande der Ozeane, ausführliche Erklärungen und umfangreiches Kartenmaterial zum Überblick. (Quelle: Dorling Kindersley)

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Sam Hume: Wundervolle Welt. Wasser

Inhalt:

Ein wunderschönes Bilderbuch mit über 100 faszinierenden Lebewesen im Wasser: vom prächtigen haarstern über den zarten Rotfeuerfisch bis zum drachenartigen Grottenolm. Unglaubliche Fakten und kleine Geschichten sorgen für Staunen. Fantastische Nahaufnahmen und stimmungsvolle illustrationen zeigen die bewohner von Flüssen, Seen und Meeren so eindrucksvoll wie nie zuvor. (Klappentext)

Rezension:

Wir Menschen glauben, unseren Planeten genau zu kennen, doch gibt es noch allerhand zu entdecken. So bringt noch heute fast jeder Tauchgang in die Unwirklichkeit der Tiefsee neue Erkenntnisse und Entdeckungen zu Tage. Auch ein Blick unter die Wasseroberfläche von Seen und Flüssen kann sich lohnen. Hier leben faszinierende und zuweilen sonderbare Lebewesen, vom winzigen Meeresplankton bis zum riesigen Pottwal, vom urzeitlich anumtenden Schlammspringer bis hin zum elektrisierenden Zitteraal.

Grund genug, einen Blick, nun ja, auf den Grund zu werfen. Mit diesem Werk der Reihe “Wundervolle Welt”, aus dem Verlag Kindersley gelingt genau das. Wunderschön illustriert und mit ausgesuchten Fotos ergänzt führt uns Sam Hume in so vielfältige wie erstaunliche Lebensräume ein, versammelt kuriose Fakten und vermittelt mit kleinen kompakt gehaltenen Texten wunderbar Wissen.

Und so sehen die Seiten aus. Farbfoto und Grafik unterstreichen kompakt gehaltene Inhalte. (Quelle: Dorling Kindersley)

Was der Verlag mit seinen bildreichen Lexika für Erwachsene schafft, gelingt mit dieser Reihe auch für eine jüngere Zielgruppe, wobei auch ältere Lesende dazu eingeladen werden, in dieses Werk zu versinken. Man kann es hintereinander weglesen, ebenso wie als Nachschlagewerk nutzen und so sich einer Thematik widmen, die immer drängender wird, je mehr auch diese Lebensräume der dort vorgestellten Tiere und Pflanzen durch uns Menschen bedroht werden.

Das Lexikon ist ein Coffee Table Buch für Kinder, die mit leuchtenden Augen entdecken wollen, nicht zuletzt dank der wunderbaren Gestaltung in seiner Gesamtheit. Abseits des schnelllebigen Internets oder atemraubender Dokumentationen gleicht dieses Werk einer vielteiligen BBC-Dokumentation. Nicht von ungefähr, der Autor hat an dem großartigen Werk “BBC – Unsere Erde” mitgewirkt.

Mit schönen Büchern Kinder und Erwachsene gleichermaßen zu begeistern, ist eine Kunst, die hier zur Perfektion getrieben wird, zudem nicht nur bekanntes Wissen vermittelt, sondern bewusst Akzente gesetzt werden. Hat man etwa vom Buntbarsch schon einmal gehört, schwimmt auch der Mondfisch durch die Seiten.

Im, am und um Wasser herum, leben faszinierende Lebewesen. Der Stirnlappenbasilisk kann übers Wasser laufen. (Quelle: Dorling Kindersley)

Die Beiträge sind in größerer Schrift gehalten und damit auch für jüngere, sowie geübte Erstlesende geeignet, die sich ernst für die Welt des Wassers begeistern können, zudem enthält jedes Kapitel jeweils ein größeres Foto und mindestens eine Illustration. Besondere Fakten werden durch einen angenehm gehaltenen Schriftartenwechsel hervorgehoben.

Zum gemeinsamen Abtauchen oder eigenständigen Erkunden laden Sam Hume, die mitwirkenden Illustratoren und Fotografen ein und setzen damit die Reihe auf qualitativ hohen Niveau fort. Einziger Kritikpunkt, das Buch ist irgendwann ausgelesen. Aber dann gibt’s ja noch die anderen Werke dieser Reihe. Zum Glück.

Autor:

Sam Hume ist ein Naturfilömer. Er studierte zunächst in Schottland Zoologie und betreute das aquarium der Universität St. Andrews. Heute lebt er in England. Dies ist sein erstes Kinderbuch.

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Isabel Bogdan: Mein Helgoland

Inhalt:

Mit Helgoland verbindet Isabel Bogdan eine innige Schreibbeziehung. Oft schon ist sie in Hamburg auf den Katamaran gestiegen, der sie zu “Deutschlands einziger Hochseeinsel” bringt. Denn dort, mit Rundumblick aufs Meer, schreibt es sich viel besser als am heimischen Schreibtisch (wo sie dafür problemlos übersetzen kann). Doch warum ist das so? Nähert man sich einer Geschichte auf dieselbe Weise, wie man eine Insel für sich entdeckt? Auf welcher Seite der Insel beginnt man – und wie findet man in einen Roman?

Isabel Bogdan erzählt nicht nur von den Besonderheiten kleiner Inselgemeinden, von Helgolands wechselvoller Historie, von seltenen Vögeln oder Geheimrezepten gegen Seekrankheit. Vielmehr spannt sie den Bogen vom Schaffen des berühmtesten Helgoländer Geschichtenerzählers James Krüss zu der Frage, was gutes Erzählen eigentlich ausmacht und ob man es erlernen kann.
(Inhalt lt. Verlag)

Rezension:

Wer zu Deutschlands einziger Hochseeinsel aufbricht, muss seefest sein. Die Nordsee ist rau und unerbittlich, alleine der Anblick der am Horizont auftauchenden rostroten Felsen und brachialen Brandungsmauern vermag zu entschädigen. Doch, Isabel Bogdan ist nicht hier wie so viele, um zollfrei einzukaufen, sondern die Abgeschiedenheit zu nutzen, um ungestört zu Papier zu bringen, was erzählt werden möchte.

Hier schreibt die Autorin am liebsten ihre Romane, ganz in der Tradition von Helgolands berühmtesten Geschichtenerzähler James Krüss und ist so ganz nebenbei dem Charme der Insel erlegen, der sich meist erst auf den zweiten Blick erschließt.

Isabel Bogdan hat, bis zu Veröffentlichung ihrer ersten eigenen Schreibarbeit, vor allem im Hintergrund gearbeitet. Sträflich vernachlässigt werden Übersetzende, in Besprechungen und Rezensionen kaum genannt, doch hat sie u. a. mit Jonathan Safran Foer ins Deutsche übertragen, bis sie zusätzlich begann, selbst Geschichten zu erzählen.

Ganz in der Tradition von Helgolands berühmtesten Geschichtenerzähler James Krüss ist auch für sie die Insel zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Kreativität geworden, die sich oft genug erst auf den zweiten oder dritten Blick Außenstehenden erschließt. Hier verbringt sie die Tage mit dem Schreiben und erzählt in diesem kompakten Band davon und zugleich von den Geschichten, die diese Hochseeinsel zu bieten hat.

Rau und nüchtern wirken die Sätze zu Beginn, solch eine Überfahrt muss man ja auch erst einmal überstehen, bevor man wieder scheinbar festen Boden unter den Füßen hat, der an den Rändern stetig bröckelt. In den Erzählstil hat man jedoch bald hineingefunden. Alles Offensichtliche auf Helgoland lässt sich schnell erkunden. Zu Fuß natürlich. Kaum und nur offzielle Elektroautos gibt es, Fahrräder nur für Kinder bis zum Alter von 12 Jahren. Dafür um so mehr Vogelkundler und im Sommer zahlreiche Tagestouristen.

Isabel Bogdan erzählt davon, beobachtet, lässt sich ablenken und inspirieren, um dann wieder an ihrem Laptop eigene Geschichten zu Papier zu bringen. Das funktioniert besser als am heimischen Schreibtisch, doch warum ist das eigentlich so? So entsteht Seite für Seite eine Hommage an das Leben auf Helgoland, welches nicht nur für Trottellummen oder Robben unerbittlich sein kann, auch für die Menschen selbst. Der Friedhof der Namenlosen, er zeugt davon.

“Wanst und Phallus”. Auch das habe ich im Gespräch mit klugen Kollegen gelernt: Wanst und Phallus sind die beiden Pole, die im Menschen stecken. Der lange Dünne und der kleine Dicke, der eine will hinaus in die Welt, Abenteuer erleben, Neues entdecken, das Leben auskosten, gucken, was hinter der nächsten Ecke ist. Der andere möchte gemütlich zu Hause auf dem Sofa sitzen bleiben, wasSchönes kochen und sich unter der Decke einkuscheln.

Isabel Bogdan: Mein Helgoland

Zugleich ist für die Autorin die Insel jedoch auch eine Metapher für das Schreiben an sich. Isabel Bogdan sinniert über das Schreiben von Krüss und Kollegen, über Tipps, die nur für den Tippgeber selbst Gültigkeit besitzen, leere Blätter mit Figuren und Inhalten zu füllen. Überhaupt, was macht eine Figur aus? Was eine gute Geschichte? Unaufgeregt, mit einem Hauch von Melancholie, stellt Bogdan die Insel in Bezug zu ihrer Arbeit und berichtet vom wechselhaften Inselleben vergangener Jahrzehnte, Geheimnissen im Fels und Marathonläufen zwischen Ober- und Unterland. Mit kleinem Holzhammer knackt sie Krebsvorscher und lernt kleine graue Vögel zu unterscheiden. Entstehen so nicht gute Erzählungen? “Das Leben und das Schreiben”, kompakt und ganz anders.

Autorin:

Isabel Bogdan wurde 1968 in Köln geboren und studierte nach dem Abitur Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokyo. Mit ihrer Familie lebt sie in Hamburg und arbeitet als freiberufliche Übersetzerin (u.a. Jonathan Safran Foer, Sophie Kinshalla und Megan Abbott), liest und schreibt selbst, hauptsächlich in Blogform aber auch in der Kolumne “Was machen die da?”, die Menschen beschreibt, die ihren gewöhnlichen und manchmal außergewöhnlichen Beruf leben und lieben. Sie ist Vorsitzende des Vereins zur Rettung des “anderthalb” und erhielt 2006 den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzung, 2011 den für Literatur.

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Alice Piciocchi/Andrea Angeli: Kiribati

Inhalt:

Die kleine Inselwelt Kiribati – 1777 von James Cook zwischen Australien und Hawaii entdeckt – versinkt infolge des Klimawandels allmählich im weiten Blau des Pazifischen Ozeans. Mit einem reich illustrierten Reisetagebuch wollen Alice Piciocchi und Andrea Angeli diese Welt ein Stück weit bewahren.

Hier sind Familien seit Generationen zu Hause, werden alte Traditionen gelebt und sind magische Rituale genauso Teil des alltags wie Satellitenfernsehen und das Internet. Das Buch erzählt von einer Reise ans andere Ende der Welt, ist ein buntes Mosaik aus Anekdoten und Erlebnissen, aufwendig gestalteten Karten, Zeichnungen und Infografiken. Ein Buch, das unsere Sehnsucht weckt und die Hoffnung, dass dieser besondere Ort auch zukünftig bestehen bleibt. (Klappentext)

Rezension:

Mehrere Atolle entlang der Datumsgrenze, die bis zu ihrer Verschiebung den Tag in zwei Teile teilte, bilden eines der letzten Paradiese dieser Erde. Noch leben dort, auf den Inseln des Südseestaates Kiribati, Menschen. Die Frage ist nur, wie lange noch? Die Welt, die einst James Cook entdeckte, zuvor jedoch bereits tausende Jahre besiedelt war, wird untergehen. Für die Umsiedlung der Bevölkerung gibt es bereits einen Plan der dortigen Regierung.

Kiribati – Eine Inselwelt versinkt im Meer (Andrea Angeli)

Doch, wie leben die Menschen dort auf den Inseln, von denen keine eine höhere erhebung hat als fünf Meter über den Meeresspiegel? Mit welchen Problemen haben sie bereits heute zu kämpfen? Was bedeutet es, isoliert und doch verbunden zu sein? Die Autorinnen Alice Piciocchi und Andrea Angeli haben eine Reise um den halben Erdball unternommen, um dies zu ergründen. Herausgekommen dabei ist ein besonderer Bericht über eine entschwindende Welt.

Der besteht aus Elemeneten verschiedener Genre. Beinahe Graphic Novel, nicht ganz Lexikon mit Elementen einer statistischen Sammlung, natürlich Reisebericht findet alle Lesenden etwas, was sie faszinieren wird. Kapitelweise werden die unterschiedlichen Fascetten des Insellebens beleuchtet, aufgelockert durch großflächige Grafiken und liebevollen Zeichnungen. Jeder beobachtung, jedem Atoll setzen die Autorinnen damit ein Denkmal und schaffen es, ohne mahnenden Zeigefinger zu beschreiben, was wir zu verlieren drohen, wenn wir nicht aufpassen.

Dabei befinden sich Piciocchi und Angeli nicht permament im Krisenmodus. Viel Zeit haben sich die beiden genommen, wenn es um die Traditionen, Flora und Faune etwa geht. Neben den Problemen wird vor allem die Schönheit und Verletzlichkeit Kiribatis in den Vordergrund gestellt. Ein Glossar der wichtigsten begriffe ergänzt dieses Werk, zudem ein Zeitstrahl um die historische Komponente. Vielleicht ist dieses Buch so, wie der Inselstaat selbst. Vielfältig, geheimnisvoll und einzigartig.

Vom Gestalterischen hat das Werk ebenso viel Wert, wie von den Informationen her, die man diesem entnehmen kann. Fortwährend kann man das lesen, ebenso umblättern, zurück schauen, innehalten, überfliegen. Zeit wird auf den Inseln Kiribatis in gewissen sinne mit anderen Maßstäben gemessen. Gleiches gilt für dieses Buch.

Autorinnen:

Andrea Angeli wurde 1984 in Brescia geboren und ist ein italienischer architekt. Seit Studium absolvierte er in Mailand, bevor er über verschiedene Stationen schließlich im Verlagswesen landete. Im Zeichnen entdeckte er das Konstruieren von Geschichten.

Alice Piciocchi wurde 1985 in Mailand geboren und studierte zunächst Industriedesign, bevor sie zu Architektur und Design verschiedene Forschungsarbeiten verfasste. Schon früh entwickelte sie eine Begeisterung für Landkarten und studierte schließlich Geografie. Ihre Beiträge erscheinen regeömäßig in diversen italienischen Zeitungen und Magazinen

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Till Hein: Crazy Horse

Inhalt:

Anmutige Tänzer, Meister der Tarnung und romantische Liebende, doch auch schwerhörige Vielfraße, launische Griesgrame und langsame Faulpelze: All das und noch viel mehr sind Seepferdchen. Man findet die kleinen Fische nicht nur in Seegraswiesen und Mangrovenwäldern, sondern ebenso im Schachspiel und in griechischen Sagen – und wie gelangen sie eigentlich auf Kinderbadeanzüge, Geldmünzen und Toilettenschüsseln aus dem alten Rom? Was macht sie trotz ihrer Trägheit zu erstklassigen Jägern, warum ist ein Hirnareal nach ihnen benannt, wie können sie und helfen, besser zu schlafen, und sogar die Robotik inspirieren?

Crazy Horse beleuchtet die schillernde Welt der Seepferdchen auf ebenso sachkundige wie unterhaltsame Weise, berichtet von kuriosen Erkenntnissen der aktuellen Forschung, geht zahlreichen Mythen auf den Grund und erklärt, was die Tiere zu liebenswerten Antihelden macht. (Inhaltsangabe lt. Verlag)

Rezension:

Unter der Oberfläche der Ozeane offenbart sich den Beobachtenden eine faszinierende Welt voller Kuriositäten. Faszinierende und bizarre Lebewesen finden sich dort, ein Großteil davon noch kaum erforscht und doch bereits stark vom Aussterben bedroht. Eine Sonderstellung nehmen dabei die Rosse der Meere ein, die eigentlich Fische sind und abgesehen von ihrer Form auch sonst zahlreiche Besonderheiten des Tierreiches in sich versammeln, nicht nur dass hier die Männchen schwanger werden.

Diese und andere kuriose Fakten vermittelt der Wissenschaftsjournalist Till Hein in seinem Buch und nimmt uns mit auf eine faszinierende Reise in die Welt der Seepferdchen.

Der Hochzeitstanz der Seepferdchen dauert bis zu neun Stunden.

Till Hein: Crazy Horse

Wer schon einmal diese wundersamen Gerschöpfe, etwa im Zoo beobachten konnte oder gar das Glück hatte, sie in der freien Wildbahn beobachten zu können, ist sofort von ihnen eingenommen. Schon seit der Antike wissen wir von ihrer Existenz und doch über sie selbst nur sehr wenig. Auch heute noch stellen Seepferdchen uns vor unzähligen Rätseln.

Till Hein versammelt den aktuellen Wissenstand rund um diese Fische, die nur auf den ersten Blick eine Fehlkonstruktion der Natur sind. Er beschreibt in kurzweiligen und kompakten Kapiteln die Besonderheiten ihrer Biologie und warum uns Seepferdchen in mancher Hinsicht gar ähnlich sind, was Ringelnatz mit den Rossen der Meere zu tun hatte und wie wir unsere Kenntnisse über diese Tierart etwa in Technik und Industrie einsetzen können.

Doch, der Autor sieht nicht nur das Schöne, auch die bedrohliche Lage wird beschrieben, derer die Tiere heute ausgesetzt sind und wie diverse Schutzprojekte versuchen, die Seepferdchen rund um den Globus zu schützen. Ein ungeschönter Bericht ist das, der zeigt, was wir verlieren, wenn wir diese faszinierenden Geschöpfe ausrotten, welche vielseitige Welt wir für immer verlieren würden.

Wie ein Kleinkind am Kuscheltier kann auch ein Seepferdchen emotional an einem Gegenstand hängen.

Till Hein: Crazy Horse

Forschende und Experten rund um den Globus hat Till Hein besucht und fragen können, Berichte gewälzt und eine Informationssammlung verfasst, nicht ganz so rührseelig, wie dies etwa Sy Montgomery mit ihrer Passion, den Oktopussen gemacht hat, aber mit der gleichen Liebe für das Besondere. Viel Wissenswertes erfährt man hier und bekommt zugleich eine Ahnung von der Komplexität der Fragen, die sich in Bezug auf die Tierart noch stellen, ohne hier in allzu trockene Ausführungen zu geraten.

Der Autor verliert sich nicht, vermittelt echtes Interesse und hat es dennoch geschafft, auf so wenigen Seiten von Biologie, über Evolutionsgeschichte, Leben und Erforschung der Welt der Seepferdchen die Faszination beim Lesenden zu wecken. Der nächste Blick unter Wasser oder durch die Scheiben eines Meerwasseraquariums mit den Rossen der Meere wird ein anderer sein.

Autor:

Till Hein wurde 1969 in Salzburg geboren und studierte zunächst Geschichte, Germanistik und Russistik in Basel und Wien, bevor er 1996 einen Redaktionslehrgang beim Österreichischen Nachrichtenmagazin “Profil” in Wien besuchte. Bis 2001 war er redaktioneller Mitarbeiter beim Magazin der Süddeutschen Zeitung in München. Seit dem arbeitet er für das Journalistenbüro textetage in Berlin. Für Magazine, Zeitungen und Zeitschriften schreibt er regelmäßig Reportagen, u. a. für Geo, Spiegel Wissen oder mare.

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Thomas Reinertsen Berg: Auf einem Blatt die ganze Welt

Auf einem Blatt die ganze Welt Book Cover
Auf einem Blatt die ganze Welt Thomas Reinertsen Berg dtv Erschienen am: 23.10.2020 Seiten: 351 ISBN: 978-3-423-28246-8 Übersetzung: Frank Zuber, Günther Frauenlob

Inhalt:

Von den geheimnisvollen Symbolen der Steinzeit bis zu Google Earth: Thomas Reinertsen Berg nimmt uns mit auf eine spannende Reise durch die Geschichte der Landkarten. Etwa nach Antwerpen, dem Zentrum der Kartografie im 16. Jahrhundert, wo Abraham Ortelius 1570 den ersten modernen Atlas schuf.

Oder in die Arktis, wo Fridtjof Nansen während einer Expedition bislang unbekannte Gebiete kartierte. Er berichtet vom Versuch, den Meeresboden topografisch abzubilden, vom kampf um den Weltraum zwischen Amerikanern und Sowjets und von der Halbwertszeit digitaler Aufzeichnungen. Eine eindrückliche Erzählung über die menschliche Sehnsucht, den geografischen Raum zu erfassen und darzustellen. (Klappentext)

Rezension:

Der Erfolg des Menschen liegt in der Fähigkeit begründet, miteinander zu kommunizieren und sich zusammen zu schließen, jedoch auch mit anderen das Wissen um Nahrungsquellen, Gefahren oder Wasser zu teilen. Seit jeher spielte dabei die Verbildlichung, die Kartierung der Welt eine bedeutende Rolle, die bis heute anhält. Zunächst beschränkte sich die Visualisierung auf die unmittelbare Umgebung, die man auf Felswänden darstellte.

Von diesen ersten Karten bis zur Erweiterung des Radius’ durch die Satellitentechnologie war es jedoch ein langer, manchmal abenteuerlicher Weg. Thomas Reinertsen Berg wirft mit seinem Lesepublikum einen Blick in diesen Teil unserer Geschichte.

Nach intensiver Recherche nimmt der Autor uns mit auf eine erstaunliche Reise, die faszinierender kaums ein könnte. Das Interesse des Autoren für die Thematik überträgt sich Zeile für Zeile auf die Lesenden, die gleichsam in das abgebildete und erläuterte Kartenmaterial versinken.

Anhand diesem wird im Spannungsfeld zwischen Überblicks- und Detailwissen nach intensiver Recherche ein Horizont eröffnet, so wie es sein müsste, würde man als Mensch sämtliche Epochen unserer Geschichte selbst erleben.

Karten sind Weltbilder – Bilder der Welt. Alle Karten in diesem Buch repräsentieren verschiedene Blickwinkel auf unsere Welt, von den Spekulationen der Griechen bis zum religiösen Blick des Mittelalters, von der proto-wissnschaftlichen, objektivereren Kartierung der Renaissance bis zur enormen Datensammlung im digitalen Zeitalter. Gemeinsam ist allen, dass ihr Blick auf die Welt aufzeigt, was man zu ihrer Zeit wichtig fand und was damals möglich war.

Thomas Reinertsen Berg “Auf einem Blatt die ganze Welt”

Das ist kurzweilig beschrieben, zugleich spannend, spart Reinertsen Berg nicht am reichhaltigen Erzählen, wenn es um die großen Polarexpeditionen auf der Suche nach Seewegen geht oder aber auch, viel früher, um die Konkurrenzkämpfe der Kartografen und Drucker im Antwerpen des 16. Jahrhunderts.

Er zeigt, welchen Einfluss Menschen von Beginn auf die Kartierung, damit die Wahrnehmung der Welt nahmen, spart jedoch auch die Eindrücke nicht aus, denen die Kartografen von Ortelius bis Blaeu unterlagen, sowie, was dies bis heute mit uns macht und wohin sich unsere Wahrnehmung der Karten in Zukunft entwickeln wird.

Kleinteilig ist dies zuweilen, jedoch so vielschichtig, wie die Männer und Frauen, die den Horizont der Karten durch ihre Theorien, Forschungen und Expeditionen und manchmal durch schieres Glück erweiterten, so dass hiermit ein spannendes Stück Geschichte gesammelt vorliegt, in welcher es sich lohnt, einzutauchen.

Die Herausforderungen der Kartierer vergangener Zeiten waren andere als die unsrigen, doch um Möglichkeiten und Nutzen der Kartografie für die Problemstellungen unserer Welt zu begreifen, lohnt der Blick zurück. So ist dieses kurzweilige und informativ gut recherchierte Werk nur zu empfehlen.

Leseprobe: Hier klicken. (Quelle: dtv)

Autor:

Thomas Reinertsen Berg wurde 1971 geboren und ist ein norwegischer Journalist und Autor für Sachbücher. Er studierte Literaturwissenschaften, sowie nahöstliche und nordafrikanische Kultur. Im Jahr 2003 war er Mitbegründer der zeitschrift “Babylon – nordische Zeitschrift für Nahost-Studien”, der er noch immer als Redakteur angehört. Seit 2007 schreibt er Kolumnen für die norwegische Zeitung Morgenbladet. Sein Buch “Verdensteater” veröffentlichte er in seinem Heimatland 2017. Dafür erhielt er den Brage-Preis der Kategorie Sachbuch.

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Hans Fricke: Unterwegs im blauen Universum

Unterwegs im blauen Universum Book Cover
Unterwegs im blauen Universum Hans Fricke Galiani Berlin Erschienen am: 05.03.2020 Seiten: 347 ISBN: 978-3-86971-202-4

Inhalt:

Abenteuer Wissenschaft: Hans Fricke ist eine Mischung aus Jacques Cousteau, Konrad Lorenz und Indiana Jones, ein besessener Meeresforscher und Taucher.

Mit dem Fahrrad fuhr er bis ans Rote Meer, um dort zu tauchen, baute ohne eigene finanzielle Mittel ein Unterwasserhaus und suchte nach einem einzigen Aalei in den Weiten des Pazifiks. Der Meeresbiologe erzählt von seinen Forschungsstationen, in denen er nach Quastenflossern, Wasserflöhen und alten historischen Rätseln suchte. Immer unterwegs im blauen Universum. (abgewandelter Inhaltstext)

Rezension:

Mit Feuerlöscher und Gasmaske baute sich der elfjährige Junge, der später einer der profiliertesten deutschen Meeresbiologen werden sollte, eine eigene Tauchausrüstung und begann damit ein beispielloses Stück Wissenschaftsgeschichte zu schreiben.

Später, aus der DDR geflohen, wurde Hans Fricke zum Bewunderer und Schüler von Konrad Lorenz, schlüpfte in die Schuppenhaut der Fische und begann das blaue Universum zu erforschen. Nun liegt im Verlag Galiani Berlin seine erstaunliche Biografie vor, voller spannender Episoden aus seinem Forscherleben.

Wissenschaft ist keinesfalls dröge, sondern derart facettenreich, dass man sich schon auf einzelne Personen konzentrieren muss, um den interessanten Anekdoten hinter einzelnen Forschungsprojekten auf der Spur zu kommen.

Hans Fricke erzählt von seinen Projekten und damit auch ein Stück Wissenschaftsgeschichte, die er selbst mit viel Improvisationstalent zu bewältigen musste. Meeresbiologie so zeigt der Autor, ist eben nicht nur das Beobachten von Korallen oder bestimmten Fischarten, sondern führt an erstaunliche Orte, deren faszinierende Welt sich erst unter der Wasseroberfläche erschließt.

Dabei kann man dann auch schon mal in tiefe Brunnen absteigen oder zum Bergungshelfer der örtlichen Polizei werden.

Diese Aneinanderreihung der Ereignisse ist es, die Hans Frickes Mischung aus Biografie, Geschichte und Sachbuch so lesenswert macht. Nachvollziehbar und keineswegs abgehoben erzählt er von Herausforderungen, die ihm zu technischen Meisterleistungen angetrieben haben, aber auch von den Grenzen der Wissenschaft, die nicht selten durch behördliche Zwänge entstehen.

Dabei wird deutlich, dass Forschungssprojekte zunächst wahre Geduldsproben sind und des Rätsels Lösung mitunter erst nach Jahren zufällig auftaucht, was einzelne Objekte betrifft. In kurzweiligen Kapiteln berichtet der Meeresbiologe aus seinem Leben.

Man lese und staune, was alles zu Forschungsprojekten eines solchen werden kann und dass es oft das kleine Unscheinbare ist, welches die erhofften oder ganz und gar überraschende Erkenntnisse erbringt.

In der deutschen Forscherriege hat sich Hans Fricke nicht zuletzt durch seine mit selbst konstruierten U-Boote einen Namen gemacht, aber auch sonst ist dieses Stück Wissenschaftsgeschichte unterhaltsam zu lesen, wenn auch einige Episoden gerne etwas ausführlicher beschrieben werden können.

Hans Fricke zeigt aber auch ein Stück Naturgeschichte und erklärt, wie unsere Riffe sich im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert haben, worauf künftige Generationen achten müssen, um es nicht zu verlieren. Der Autor ist zugleich jedoch Inspiration für große und kleine Forscher, zeigt, was möglich ist, wenn man nur Ausdauer entwickelt, Ideen nachgeht und Träume verfolgt. Zur Not auch unter Wasser.

Autor:

Hans Fricke wurde 1941 in Schönbeck(Elbe) geboren und ist ein deutscher Biologe und Tierfilmer. Er studierte zunächst Biologie in Berlin, promiverte 1968 und habilitierte 1978 in München im Fach Zoologie.

Als Gastwissenschaftler war er am Max-Planck-Institut für Verhaltenspsychologie in Seewiesen tätig, wo er mit Konrad Lorenz zusammenarbeitete, später nahm er eine Gastprofessur der hebräischen Universität Jerusalem an.

Seit 1988 ist er in München tätig. Forschungsgebiete sind die Ökologie und das Sozialverhalten mariner Organismen.

Für Zeitschriften und Magazine schrieb er zahlreiche Artikel. Für Dokumentationen wurde er mehrfach ausgezeichnet. Bekannt wurde er durch den Einsatz mit- und selbstkonstruierter U-Boote Geo und Jago, mit denen er u.a. das Verhalten der Quastenflosser erforschte.

Der Meeresbiologie hat 10.000 Stunden unter Wasser verbracht und isst kein Fisch.

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Khaled Hosseini: Am Abend vor dem Meer

Am Abend vor dem Meer Book Cover
Am Abend vor dem Meer Khaled Hosseini/Dan Williams S. Fischer Verlag Erschienen am: 29.08.2018 Seiten: 48 ISBN: 978-3-10-397409-6

Inhalt:

Am 02. September 2015 ertrank Alan Kurdi bei dem Versuch, sich über das Mittelmeer nach Europa in Sicherheit zu bringen. Er war drei Jahre alt und stammte aus Syrien. Khaled Hosseini war selbst ein Flüchtlingsjunge, der fern von seinem Heimatland Afghanistan aufwuchs.

Diese Erfahrung von Trennung und Heimweh prägt die einzigartie emotionale Kraft seiner Bücher und wurde schriftstellerischer Antrieb wie gesellschaftlicher Auftrag: Seit vielen Jahren unterhält er eine eigene Stiftung und ist Sonderbotschafter des UNHCR.

Im “Am Abend vor dem Meer” kommt beides zusammen. Die atmosphärisch dichte Erzählung, eindringlich farbig illustriert von Dan Williams, erzählt in einem Brief eines Vaters an seinem Sohn vom Abschied von zu Hause und der Gefahr der Überfahrt auf der Flucht. (Verlagstext)

Rezension:
Das Thema “Flüchtlinge” dominiert seit Jahren die Schlagzeilen in Europa, lässt die Gemüter kochen und spaltet das politische Leben. Viele Politiker sind längst nach rechts gerückt, demokratische Werte zählen nicht mehr viel, Grundwerte wie Menschlichkeit ohnehin nicht. Viel wird diskutiert, über die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen, wer integriert werden darf, wer nicht, und wie das alles aussehen soll.

Die Fluchtursachen geraten immer mehr in den Hintergrund, sind vielerorts schon fast vergessen. Immer noch machen sich daher Männer, Frauen und Kinder auf den gefährlichen Weg nach Europa, da ihre Heimat keine Zukunft und kein Leben bieten kann. Nicht wenige sterben bei den Versuch, zu Land oder zu Wasser Hilfe zu erreichen.

So auch der kleine Alan Kurdi, der im Jahr 2015 im Mittelmeer ertrank. Das Bild des kleinen Jungen, dessen lebloser Körper am Strand lag, ging um die Welt, wurde instrumentalisiert. Ihm und den anderen zahlreichen Opfern der Flucht ist dieses Buch gewidmet.

Es ist viel weniger ein Buch als eine kleine Briefnovelle, die es auf so wenigen Seiten gehörig in sich hat. Ein Vater, offenbar schon am Ziel, schreibt einen Brief an seinen kleinen Sohn, der den gefährlichen Weg über’s Mittelmeer noch vor sich hat.

Er schreibt von der Stadt Homs, wie einst der Vater sie kannte und in welchen Gegensatz sie der Sohn sieht, schreibt von den Gefahren der Überfahrt über das Meer und hofft inständig, dass der Sohn nicht Opfer von den Gewalten der Mutter Natur werden wird. Das Ende indes bleibt offen.

Dieser eine Brief durchzieht das gesamte Buch, pro Seite immer nur einpaar Zeilen, die wirkungsvoll durch die Zeichnungen Dan Williams’ unterstrichen werden. Die Aquarelle wirken zuerst fröhlich, weichen nach und nach immer düster wirkenden Bildern, die alleine schon Eindruck genug machen und dem Leser sehr nahe gehen werden.

Es passiert mir nicht oft, dass ich mich dermaßen emotional beeindrucken lasse, doch hat es bei mir im Inneren etwas ausgelöst und einen Schalter umgelegt. Einige Tränen sind tatsächlich geflossen.

Was die täglichen Nachrichten betrifft, versuche ich das Geschehen in diesem Teil der Welt und die Auswirkungen hier, die einen Teil der Bevölkerungen gefährlich nahe an den Rand rutschen lässt, der 1933 das NS-Regime an die Macht gebracht hatte, nicht an mich heran zu lassen. Es gelingt mir jedoch immer weniger.

Khaled Hosseini und Dan Williams führen uns mit wenigen Worten und eindrucksvollen Bildern die Situation vor Augen, der jeder Flüchtling gegenüber steht. Es wird klar, dass sich niemand grundlos auf diese gefährliche Reise begibt, dass die, die in unseren gesellschaftlichen Fokus geraten sind, lieber in ihren Ländern leben würden, wenn die Situation es zuließe.

Auch klar wird, dass grundlos nichts passiert und das wir in der Pflicht sind, uns zu kümmern. Wir dürfen uns nicht mit Vereinfachungen und Stammtischparolen zufrieden geben, auch nicht mit minutenlangen Berichten in den Nachrichten.

Es muss sich endlich um die Fluchtursachen gekümmert werden, die Länder und Staaten, die so viel Elend und Leid bringen, dass zu viele ihr Leben dort als nicht lebenswert betrachten können, lieber die Gefahren der Flucht auf sich nehmen, müssen wieder ins Blickfeld geraten. Damit nicht noch mehr Erwachsene und vor allem Kinder wie Alan Kurdi sterben.

Mit den Kauf des Buches ist zumindest ein kleiner Schritt getan. Die Leser unterstützen damit die Khaled Hosseini Foundation und den UNCHR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, die lebensrettende Nothilfemaßnahmen finanziert, um Flüchtlingen überall auf der Welt eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Autor:
Khaled Hosseini wurde 1965 in Kabul, Afghanistan, geboren und ist ein amerikanischer Schriftsteller und Arzt. Sein Vater arbeitete für das afghanische Außenministerium von 1970 bis 73 in Teheran, 1976 zog die Familie nach Paris, wo dieser in der afghanischen Botschaft arbeitete.

1976, nach der sowjetischen Invasion, beantragte die Familie politisches Asyl in den USA, welches 1980 gewährt wurde. 1984 erlangte Khaled Hosseini seinen High-School-Abschluss, studierte anschließend Biologie und Medizin, worin er 1993 promovierte. Seit 1996 arbeitet er als Internist. Im Jahr 2003 veröffentlichte er seinen ersten Roman, der verfilmt wurde, 2007 und 2013 folgten weitere Erzählungen.

Illustrator:
Dan Williams ist Künstler und Illustrator. Seine Arbeiten erscheinen in zahlreichen Zeitungen, wie etwa “Guardian” oder Magazinen wie “National Geographic” und “Wall Street Jounal”. Für mehrere Verlage illustrierte er bereits Publikationen. Williams’ Werke wurden mehrfach ausgestellt.

Khaled Hosseini: Am Abend vor dem Meer Read More »