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Yande Seck: Weiße Wolken

Inhalt:

Zwei Schwestern: Die eine arbeitet sich an sämtlichem Unrecht unserer Gegenwart ab, die andere am bürgerlichen Familienideal. Für die eine ist ihr Schwarzsein eine politische Kategorie, für die andere ihr Muttersein.

Dieo lebt mit ihrem Mann Simon und drei Söhnen in einem schönen Altbau im Frankfurter Nordend. Mit ihrem Therapeuten bespricht sie die Eskapaden ihrer exzentrischen Mutter und die ungerechte Verteilung von Mental Load in ihrer Beziehung. Derweil verzweifelt ihre jüngere Schwester zazie zunehmend an der rassistischen und sexistischen Gesellschaft. Ihre Wut trifft auch ihren Schwager Simon, der als mittelalter weißer Mann in der Techbranche für alles steht, was sie verachtet.

Als der Vater der Schwestern, ein eigensinniger Nietzsche-Fan, der vor über vierzig Jahren aus dem Senegal nach Deutschland kam, unerwartet stirbt, gerät das fragile Familiengefüge aus dem Gleichgewicht. (Inhalt lt. Verlag)

Rezension:

Im Spannungsfeld zahlreicher Themenbereiche bewegt sich der von der Autorin Yande Seck vorgelegte Debütroman „Weiße Wolken“, der beachtenswert versucht, verschiedenste Handlungsstränge miteinander zu verbinden. Doch, ist dies gelungen, zumal in einer solch kompakt gehaltenen Form?

Der Schreibstil ist zumindest schon mal eingängig und auch die Tonalität vor allem an den beiden, in der Erzählung, Raum einnehmenden Hauptfiguren eingepasst, die in ihrer ihnen eigenen Dynamik die Handlung vorantreiben und zugleich als Gegenparts zueinander dienen, die doch mehr miteinander verbindet.

In wechselnder Perspektive begleiten wir die Hauptprotagonisten, die sich in verschiedener Form an den Vorstellungen und Gedankengrenzen, zum einen der Gesellschaft, aber auch persönlicher Determinanten stoßen und dabei mehr und mehr unter Druck stehen.

Das beginnt bei der eigenen Familie, zieht sich weiter in verschiedener Ausprägung im beruflichen als auch öffentlichen Kontext, wobei auch das Geschwisterpaar selbst sehr verschieden zueinander ist. Die Nebenfiguren, von denen im Verlauf der Erzählung immer mehr auf das Tableau gebracht werden, bringen dabei eine ganz eigene Dynamik mit, die wiederum den Hauptfiguren ihre Ecken und Kanten geben.

Die Autorin scheut dabei nicht, mehrere Handlungsstränge und vielerlei gesellschaftliche Fragen im Spiegel ihrer Figuren zur Diskussion zu stellen, zudem in einer zugänglichen Tonalität, die dazu führt, dass man vielleicht nicht gleichwertig Sympathin für die Protagonistinnen entwickelt, jedoch ein gewisses Verständnis für Denken und Handeln, ohne dass dies auf Kosten des Leseflusses gehen würde.

Jedoch werden die einzelnen Stränge über die gesamte Strecke der Erzählungen nicht konsequent durchgehalten oder gar am Ende zusammengeführt. Bei Letzterem stellt sich das Gefühl ein, hierfür fehlte die Zeit, Dinge auszuformulieren. Vielleicht hätten es jedoch vorher auch ein paar hundert Seiten mehr sein können, um die Geschichte in all ihren Facetten abzurunden. Trotzdem natürlich sind die einzelnen Figuren greifbar und kann man sich die Schauplätze vorstellen, neben der Sprache eine der großen Stärken Yande Secks.

Die Schwächen der Erzählung sind dennoch sichtbar und kaum zu ignorieren. Ein paar Ausführungen mehr, auch die Ausgestaltung der einen oder anderen Nebenfigur hätte der Geschichte gut getan. Positiv daran, eine solche bietet sich an, fortgesetzt zu werden. Hier wäre ein Weiterschreiben wünschenswert, um genau dies auszugleichen. Wenn nicht, so darf man gespannt sein, wie sich das Schreiben der Autorin mit potenziell weiteren Roman entwickelt.

Der Roman ist eine Großstadterzählung, zugleich Familiengeschichte, die in der einen oder anderen Form mit all ihren Fragen zwischen den Figuren, durchaus vielen bekannt sein dürfte, zudem sehr viel Diskussionspotenzial bietet.

Yande Seck leistet damit gerade heute einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte und lässt überdies keinen Zweifel, welche Gedanken auch sie beschäftigen. In sofern darf man auf weitere Veröffentlichungen gespannt sein. Und vielleicht gelingt es dann, einerseits die Waage zwischen den Themen zu halten und auch Handlungsstränge nicht aus den Blick zu verlieren. Zu wünschen wäre es.

Autorin:

Yande Seck wurde 1986 in Heidelberg geboren und ist eine deutsche Schriftstellerin, Erziehungswissenschaftlerin und Kinderpsychotherapeutin. In Frankfurt promovierte sie zu Mutterschaft, Migration und Psychoanalyse und schoss dem 2015 eine Ausbildung zur Psychotherapeutin an, die sie 2019 abschloss. Nach ihrem Studium arbeitete sie als Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in Offenbach. Seit 2019 ist sie zudem als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sonderpädagogik der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt tätig. Ihr erster Roman erschien 2024.

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Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften

Inhalt:

Constanze zieht nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten in die Wohngemeinschaft von Jörg, Anke und Murat. Was zunächst als Übergangslösung gedacht war, entpuppt sich als zunehmend stabil. Da ist Jörg, dem die Wohnung gehört und der eine große Reise plant; Anke, die als mittelalte Schauspielerin kaum noch gebucht wird und plötzlich nicht mehr die einzige Frau in der WG ist; und Murat, der sich einfach keine Sorgen machen will und dessen Lebenslust auf die anderen mitreißend und manchmal auch enervierend wirkt.

Constanze sorgt als Neuankömmling dafür, dass sich die bisherige Tektonik gehörig verschiebt. Alle vier haben ihre eigenen Träume und Sehnsüchte und müssen sich irgendwann der Frage stellen, ob sie eine reine Zweck-WG sind oder doch die Wahlfamilie. (Klappentext)

Rezension:

Ein Kammerspiel zwischen zwei Buchdeckeln ist der neue Roman „Wohnverwandtschaften“ der Hamburger Autorin und Übersetzerin Isabel Bogdan, die nun einem Ein-Pfauen- und einem Ein-Personen-Stück der Dynamik von Vieren folgt und so eine kurzweilige Erzählung schafft, deren Figuren einem praktisch sofort ans Herz wachsen.

Sie alle haben sich zusammengefunden, grundverschieden, doch zusammen ist man weniger allein, das gilt in verschiedener Art und Weise für die Protagonisten, deren Leben wir über den Zeitraum von zwei Jahren verfolgen, aus derer Sicht abwechselnd erzählt wird. Schnell bekommen Anke, Constanze, Murat und Jörg ihre Konturen innerhalb derer ihnen zugeschriebenen Kapitel, die mal als innerer Monolog als auch Gespräch zwischen mehreren daher kommen, jede Figur dabei in ihrem ganz eigenen Duktus.

ANKE: Ehrlich gesagt: Du bist manchmal ein bisschen unempfindlich für so was. Ist dir schon mal aufgefallen, dass alle anderen die Klotür hinter sich zumachen? Und etwas anhaben, wenn sie nicht allein sind.
MURAT: Ich wohne hier!
ANKE: Aber doch nicht jetzt, um diese Zeit!
BEIDE lachen.

Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften

In diese Art Erzählstruktur muss man erst hineinfinden, doch schnell gewinnt man Übersicht, kann sich diese Wohngemeinschaft vorstellen, in der jeder seine inneren Konflikte und Gedanken einbringt, Haarrisse zeigen sich schnell, doch dunkle aufziehende Wolken fordern erst schleichend, dann immer mehr die Konfrontation.

Doch noch bleiben? Ich will gar nicht so richtig nach Hause, ich will nicht Jörgs Verwirrtheit ertragen, ich will nicht so gereizt reagieren, wenn er zum hundertsten Mal irgendein Quatsch fragt. Hoffentlich geht das wieder weg, es ist jetzt schon ganz schön lange so.

Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften

Einzelne Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, mit zunehmender Seitenzahl verschärfen sie sich, was zugleich Auswirkungen auf das Erzähltempo hat. Der Konflikt der Gruppe ist glaubwürdig dargestellt, wird zum Handlungsgegenstand, um den sich alles dreht, könnte sich so reell abspielen. Man darf aber auch feststellen, dass Bogdans Figuren ein Glücksfall für das aufgebaute Szenario sind.

Eingebettet in der quirligen Hafenmetropole braucht es nicht viel, um mit dem Roman warm zu werden. Wer ein wenig sucht, findet jedoch Anspielungen aus Musik und Literatur oder aus dem ersten Buch Isabel Bogdans „Sachen machen“. Eine gewisse Band taucht da wieder auf. Ansonsten ist natürlich der Konflikt einer, wie er in vielen Familien irgendwann auftauchen dürfte. Wie hart aber, wenn es eine Gemeinschaft trifft, die man sich selbst erwählt hat? Es trifft mitten hinein ins Herz.

Aber bei Jörg ist was passiert, bei Jörg ist viel zu viel passiert, nur das Falsche, Jörg hat diesen riesigen Stein im Kopf, den man nicht ausgraben kann, es gibt keinen Spaten für die Versteinerung eines Gehirns, man muss doch irgendwas tun können? Irgendwas?

[…]

Wie soll das weitergehen?

Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften

Das dröselt die Autorin feinfühlig auf, mitsamt einer Bandbreite vorstellbarer Reaktionen, wie sie in einer solch kompakt gehaltenen Erzählung möglich ist. Kein Wort ist dabei zu viel. Jeder Sprung, jede Lücke sind bewusst gesetzt, ergeben mitsamt der unterschiedlichen Figurenstile ein harmonisches stimmiges Bild.

Praktisch unmöglich, so gar keinen Zugang zu bekommen, gerade da es eine Thematik betrifft, die folgerichtig wie eindrücklich dargestellt wird, derer man bei einem selbst nahestehenden Personen (und wohl später auch bei sich selbst) zunächst nicht eingestehen möchte, dass sie problematisch ist.

Sie sind jetzt natürlich alle da, ich kenne die Gesichter, aber ich habe nicht alle Namen parat, […].

Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften

Erkennt man es, ist es beinahe zu spät. Alle Tragik und Traurigkeit hat Isabel Bogdan hier hineingesteckt und doch ist „Wohnverwandtschaften“ ein lebensbejahender Roman und ein Appell, die gemeinsame Zeit, die man mit seinen Liebsten hat, zu genießen. Nicht nur deshalb lesenswert.

Autorin:
Isabel Bogdan wurde 1968 in Köln geboren und studierte nach dem Abitur Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokyo. Mit ihrer Familie lebt sie in Hamburg und arbeitet als freiberufliche Übersetzerin (u.a. Jonathan Safran Foer, Sophie Kinshalla und Megan Abbott), liest und schreibt selbst, hauptsächlich in Blogform aber auch in der Kolumne „Was machen die da?“, die Menschen beschreibt, die ihren gewöhnlichen und manchmal außergewöhnlichen Beruf leben und lieben. Ihre Romane „Der Pfau“ (2016) und „Laufen“ (2019) wurden verfilmt.

Sie ist Vorsitzende des Vereins zur Rettung des „anderthalb“ und erhielt 2006 den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzung, 2011 den für Literatur.

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Die Frankfurter Buchmesse 2024

Meine Premiere im vergangenen Jahr bedurfte einer Wiederholung und so bin ich auch diesmal wieder auf der Frankfurter Buchmesse gewesen, habe mich aber an meinem Vorsatz gehalten, nur die Fachbesuchertage zu nutzen. Im letzten Jahr war es stellenweise viel zu voll, was ich mir nicht mehr antun möchte, zumal, wenn ich schon die Gelegenheit habe, es anders machen zu dürfen. Einen Tag vorher bin ich mit der Bahn problemlos angereist, übrigens heute ebenso problemlos zurück, auch wenn der eigentliche Zug für die Rückfahrt bereits eine Woche zuvor von der Deutschen Bahn gecancelt wurde. Manchmal muss man halt Glück haben.

Auch mit meinem Hotel, welches im berüchtigten Bahnhofsviertel lag, war das so. Von außen sehr zweifelhaft, was noch freundlich ausgedrückt ist, war es zumindest von innen zwar sehr einfach, aber sauber, auf den Gang vielleicht etwas hellhörig, aber Fenster zum Hof ohne Straßenlärm, den ich eh nicht höre, wenn ich denn einmal schlafe.

Und mehr tut man ja eh nicht in einem Hotel, wenn man eine Städtereise macht, wegen was auch immer. Nach Einchecken im Hotel ging es dann auf das Messegelände, da ich in die Pressekonferenz zur Eröffnung hineinkommen wollte. Dafür aber hätte man extra Tickets gebraucht, die ich nicht hatte, auch nicht bekam und so habe ich den ersten „Eklat“ der Buchmesse verpasst, dem einige schon vorausgegangen waren und weitere folgen sollten.

Gastland war in diesem Jahr Italien, was aufgrund seiner Regierung, nicht allen gefällt, bestimmt doch das Gastland z. B. die Auswahl von Autoren und Autorinnen, die im Rahmen der Messe offiziell das Land vertreten „dürfen“. Kritiker der postfaschistischen Regierung kamen daher nicht auf offiziellen Wege auf die Buchmesse, konnten dennoch aber daran teilnehmen, auf Einladung ihrer Verlage hin.

Auf der Eröffnungsveranstaltung gab es jemanden, so zumindest Social Media, der diese demonstrativ verließ, als der italienische Kulturminister gesprochen hatte. Meine Frage ist, warum man sich eine solche Veranstaltung antut, auf der man weiß, wer sprechen wird und vor allem, mit welcher Ausrichtung sich der oder diejenigen wahrscheinlich präsentieren werden? Spart man sich das dann nicht lieber?

Wie dem auch sei, das ist eine kleine Randnotiz, trotzdem habe ich mir auch in diesem Jahr natürlich die Halle des Gastlandes angeschaut. Da konnte man jedoch die Klaviatur moderner Propaganda sehen. Ein Saal mit stilisierten römischen Säulen, die Bücher an den Rand gedrängt. Ein höherer Rückgriff als auf die Symboliken des alten Roms und der Bauten römischer Kaiser hätte nicht sein können, während im letzten Jahr das Gastland Slowenien noch die Bücher und ihre Übersetzungen in den Vordergrund gestellt hatte.

Los ging es aber mit einem anderen Italienbezug. Tobias Roth sprach am Stand von DLF Kultur über sein Werk „Florenz in der Welt der Renaissance“, an einem anderen Tag auf der Messe ebenso über „Rom in der Welt der Renaissance“, eines von denen wurde mir später übergeben zum Rezensieren, dem anschließend in einem Pavillon im Hof der Messe ein Gespräch über „Ein Jahr nach dem 7. Oktober“ folgte, als Versuch einer Bestandsaufnahme der aktuellen Entwicklungen in Israel. Auch das nächste Gespräch über Demokratien vs. Autokratien war nicht minder spannend, wie auch der Besuch des Bloggertreffens des Wagenbach-Verlags.

Am Stand hat sich der Verlag allen Anwesenden einmal vorgestellt, bevor dort für uns eine Lesung mit dem italienischen Autoren Mario Desiati startete. Nur leider kann er nicht ganz so gut Deutsch und hatte auch kein Mikrofon, so dass man ihn an den äußeren Ecken, wo wir teilweise auf Schaumstoffwolken saßen, kaum verstanden hat. Wenn ich also einen Wunsch frei hätte: Gebt den Autoren und Autorinnen bitte ein Mikrofon in die Hand und lasst sie entweder Englisch oder in ihrer Sprache sprechen und stellt jemanden daneben, der übersetzt. Ist für alle angenehmer, wäre es auch in diesem Falle sicherlich für den armen Autoren gewesen.

Besser hat dies am nächsten Tag für Martina Berscheid geklappt. Sie hat ihren Roman „Fremder Champagner“ auf der Leseinsel der unabhängigen Verlage vorstellen und daraus lesen können. Hier gab es Mikrofone. Anschließend habe ich ein paar Worte mit ihr und der Verlegerin des Mirabilis-Verlags (welcher in diesem Jahr mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet wurde) wechseln können.

Es war toll, beide zu treffen, wie auch Dmitry Glukhovsky, der ein wenig später am Stand der RandomHouse-Verlage sein neuestes Werk vorstellen durfte, eine Zusammenstellung vieler Zeitungsartikel und Kolumnen aus seiner Feder, über die Entwicklung Russlands. Gedanklich landete dieses Buch nebst vielen anderen natürlich auf meiner Wunschliste.

Nicht auf der Wunschliste, wie so viele, landete in meinen Koffer, wie ebenso viele, ein wenig später „Mein Freund YBor“, das Kinderbuch von Rüdiger Kinting, welchen ich danach treffen durfte. Diese Gespräche und Treffen sind es, die für mich diese Messen ausmachen. Wenn jemand ganz begeistert über sein Buch spricht, die Findung der Geschichte, der Gestaltung, ist das doch ansteckend. Ich bin in jedem Fall positiv gespannt auf dieses kleine Werk und freue mich schon, es zu lesen.

Ein anderer Aspekt der Messen, eher für den Blog wichtig oder den Schrittzähler, den ich nicht besitze, sind die Rundgänge zu den Verlagen. Das ist in Frankfurt ungleich schwieriger als in Leipzig, da alle ständig Termine haben und ich jetzt niemand bin, der selbige sprengt. Nach und nach hat es dann aber doch geklappt, auch wenn mir wiederholt Verlage begegnet sind, die keine Visitenkarten annehmen dürfen (Warum?) oder andere, die meinen, Bloggende nicht zu brauchen. Finde ich schwierig, in Zeiten, wo gerade kleine Verlage darum kämpfen müssen, sichtbar für das Publikum zu sein und doch jeder Beitrag doch nur helfen kann.

Man muss aber auch dazu sagen, dass das Ausnahmen waren. Viele freuen sich über das Interesse, erinnern sich an die eine oder andere Rezension und geben auch das Feedback, dass sie es tatsächlich an den Verkaufszahlen merken, wenn Beiträge über die Bücher erscheinen, übrigens auch in Literaturforen.

Den Abschluss des Tages bildete ein Umtrunk am Stand des Karl Rauch Verlags, dessen Bücher so unterschiedlich wie schön gestaltet sind und anschließend eine Veranstaltung des Netzwerks schöner Bücher von zehn unabhängigen Verlagen. Gott sei Dank, nachdem meine Kopfschmerzen wohl zu müde waren, um weiterzumachen. Die hatten mich von früh an leider begleitet. Aber zu den Zeitpunkt war alles wieder soweit in Ordnung, weshalb ich den Abend genießen und bei Pizza und Getränken mit Verlagen und Bloggenden ein paar wunderbare Stunden verbringen und wir Gleichgesinnte uns austauschen durften.

Natürlich ging es dabei auch um Bücher, aber schaut bitte selbst beim Netzwerk schöner Bücher vorbei. Einige davon werde ich im Laufe der Zeit vorstellen, aber hinter jedem stecken Verlegerinnen und Verleger, die tolle kreative Ideen umsetzen und sich nebenbei zum Teil gesellschaftlich engagieren, was viel mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte.

Der Abend endete spät, der nächste Tag startete früh und begann wieder mit Verlagsrundgängen und dem Bloggertreffen von Rowohlt. Dort wurde das kommende Verlagsprogramm vorgestellt und zwei Autorinnen durften zudem ihre Romane vorstellen. Jen Besser mit „Dirty Diana“ und Raphaelle Red mit „Adikou“. Von beiden Büchern lagen zu wenige Exemplare aus, als dass alle eines bekommen hätten, selbst, wenn alle sich nur für einem der beiden Romane entschieden hätten.

Ich habe keines genommen, da für mich die Programmvorstellung im Fokus stand und mich andere Sachen interessieren, aber wenn man sieht, dass so wenige Bücher ausliegen, nimmt man sich doch bitte nur eines, damit mehr Menschen die Chance bekommen, eines zu erhalten. So gehe ich zumindest bei solchen Veranstaltungen vor. Es ist ein Privileg, die Bücher kostenfrei zu erhalten, nur sollte man einschätzen können, was man daraus macht.

Ein Beispiel hierzu, ich hatte es wegen des Bloggertreffens nicht zu einer parallel stattgefundenen Signierstunde von Sasha Filipenko geschafft, der dort seinen neuesten Roman signiert hatte. Deswegen hatte ich vorher dem Verlag geschrieben, ob es vielleicht möglich wäre, für mich, eventuell eines signieren und zurücklegen zu lassen.

Nicht selbstverständlich auf einer Messe, wo alle Termine haben, auch noch solche Anfragen irgendwo zu vermerken und das auch nicht zu vergessen, was ich verstanden hätte. Aber das war ein ganz toller Moment, was mich riesig gefreut hat. Fast schon Tradition hat ein Gespräch mit einer mir bekannten Literaturagentin, bei dem wir uns über unsere Messeeindrücke unterhalten. Auch das ein Bälle einander zuspielen, weswegen ich solche Messen mag und das Bloggen liebe. Es hat schon was, zu sehen, dass auch andere diese Arbeit, die man macht, schätzen.

Danach ging es zum Bloggertreffen von Kiepenheuer & Witsch, wo die Übersetzerin und Autorin Isabel Bogdan ihren neuen Roman „Wohnverwandtschaften“ vorstellte und daraus las. Ich mag ihre Bücher sehr und freue mich darauf, auch dieses zu lesen. Meines hatte ich bereits, so dass ich mich anschließend nur mit meinen Büchern von ihr, die noch nicht signiert waren, in die Schlange einreihen konnte. Die Autorin hat sich jedenfalls sowohl beim Lesen als auch im Gespräch bei der Fragerunde sehr sympathisch gezeigt.

Bei Dorling & Kindersley (DK), Verlag toller Bildbände zu den verschiedensten Themen, wie auch Kochbücher oder Bildenzyklopädien, habe ich anschließend zusammen mit anderen den Tag ausklingen lassen, wieder mit tollen Gesprächen und (hier) mit einem Glas Kaffeecocktail. Am Samstag gab es dann nur noch ein Treffen mit meiner Ansprechpartnerin vom Verlag C. H. Beck, sowie ebenso beim Mitteldeutschen Verlag. Danach jedoch musste ich schon den Zug nach Hause nehmen. Oder wollte es, um den Besuchermassen zu entgehen. Hat geklappt, auch im ausgewählten (da nicht mehr an die Reservierung wegen Zugausfall gebundenen) Zug schnell einen Sitzplatz gefunden.

Im Zug erfuhr ich dann beim Verfolgen der Nachrichten und Social Media von der Debatte um Clemens Meyer, die hier zumindest einmal (und danach nicht wieder) erwähnt werden soll, welcher auf der Preisverleihung des Deutschen Buchpreises das Verhalten eines Kindergartenkindes gezeigt hat, was natürlich die mediale Aufmerksamkeit jetzt von der ausgezeichneten Preisträgerin Martina Hefter für ihren Roman „Hey, guten Morgen, wie geht es Dir?“ ablenkt. Kurzfristig mag das Clemens Meyer ein paar Bucheinkäufe mehr einbringen, langfristig wahrscheinlich aber jeder Verlagsmarketingkampagne schaden, zudem wird er vielleicht so schnell nicht mehr für einen Preis überhaupt nominiert werden.

Und so endete eine tolle Messezeit für mich, mit vielen interessanten Begegnungen und Gesprächen und Ideen, die ich jetzt erst einmal sortieren muss.

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Sabine Böhne-Di Leo: Die Erfindung der Bundesrepublik

Inhalt:

Im Sommer 1948 beauftragen US-Amerikaner, Briten und Franzosen die westdeutschen Politiker, eine Verfassung zu schreiben. Monate leidenschaftlicher Diskussionen beginnen. Während die Abgeordneten in Bonn um das Grundgesetz ringen, wollen die Sowjets mit der Berlin-Blockade die Gründung des westdeutschen Staates verhindern. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. (Klappentext)

Rezension:

1948. In London ringen die westlichen Siegermächte und die Benelux-Staaten darum, Grundlagen für die Beteiligung eines demokratischen Deutschlands an die Völkergemeinschaft zu schaffen, woraus nach zähen Diskussionen die sogenannten Frankfurter Dokumente hervorgehen. Eine Verfassung sollen die Deutschen schaffen, für einen zu gründenden Weststaat. Jenen, die die Grundlagen erarbeiten sollen, steckt das Nazi-Regime noch in den Knochen, zudem ziehen dunkle Wolken vom Osten her auf. Die Sowjets riegeln Westberlin ab. Die Überreste der in Trümmern liegenden Stadt können sich nur mit Hilfe der Amerikaner am Leben erhalten, die eine Luftbrücke errichten, um die Berliner Bevölkerung zu versorgen.

Politikern wie Adenauer ist klar, das Gegengewicht in Form eines westdeutschen Staates muss schnell geschaffen werden, zudem, ein zweites Weimar muss um jeden Preis vermieden werden. So ringen bald in Bonn, der Stadt am Rhein, 61 Väter und vier Mütter um eine Verfassung, die nicht so heißen soll. Noch gibt es Hoffnung. Den Weg zu einem einheitlichen Deutschland befürchten sich manche damit zu verbauen. Leidenschaftliche Diskussionen um die Zukunft Deutschlands beginnen. Die Journalistin Sabine Böhne-Di Leo erzählt von diesen Tagen.

„Die Erfindung der Bundesrepublik“ erzählt als hoch informatives Sachbuch sehr kompakt über ein Lehrstück von Demokratiegeschichte, die erstmals auf deutschen Boden einigermaßen beständig und von Dauer sein sollte. Dabei folgt die Autorin den Geschehnissen verschiedener Schauplätze, zum einem das Ringen zwischen den Großmächten, die einst im Krieg als Verbündete, sich langsam mit ihren weltanschaulichen Systemen diametral gegenüberstehen sahen, zum anderen, in Bonn, jene Landespolitiker, die nun die Grundlagen für das künftige Zusammenleben in Deutschland erarbeiten sollten.

Ereignisse, die gegenseitig Sand im Getriebe bilden und doch zu Reaktionen auffordern, zeigt die Autorin um welche Fragen gestritten wurden, schon damals ersichtlich, sich für die Zukunft herausschälende politische Konkurrenten. Aber auch die Strukturen des künftigen Deutschlands stehen zur Diskussion, von der Frage, ob die Todesstrafe beibehalten soll und ob die Gleichberechtigung der Frauen ins künftige Verfassungsdokument gehört oder doch separat geregelt werden muss. Kurzweilig schildert die Autorin die Lust am Meinungsstreit, das Zuspielen von Bällen, aber auch, wie kurz vor knapp gelang, was ein Jahr später in die Gründung der Bundesrepublik münden würde.

Was in heutiger Zeit wieder bedroht ist, gelang damals unter Vorlage verschiedener schon in der Welt vorhandenen Verfassungen mit ganz eigenen Komponenten. Immer wieder wird bei der Lektüre deutlich, wo damals, noch unwissend ob der künftigen Geschehnisse, Stellschrauben geschaffen wurden, um derer wir in vielen Ländern beneidet werden. Sabine Böhne-Di Leo macht deutlich, die Geschichte unseres Landes hätte auch anderes beginnen und damit auch verlaufen können, wenn die Vorzeichen nur ein wenig anders gesetzt worden wären. Ein Glücksfall, dass es so gekommen ist. Die Lektüre zeigt, die Geschichte seiner Entstehung ist so spannend, wie das Grundgesetz selbst.

Autorin:

Sabine Böhne-Die Leo wurde 1959 in Bochum geboren und ist eine deutsche Journalistin und Hochschulprofessorin. Sie studierte zunächst Politikwissenschaften, Soziologie und Geschichte an den Universitäten Münster und Perugia und schloss das Studium 1985 ab. Nebenher arbeitete sie als staatlich geprüfte Italienisch-Übersetzerin für Polizei und Justiz. Nach journalistischen Anfängen bei der Münsterschen Zeitung, arbeitete sie im Journalistenbüro Kontur, sowie in Hamburg als freie Autorin für Zeitschriften und Magazine. 2009 wurde sie mit dem Deutschen Preis für Naturjournalismus ausgezeichnet, zudem wurde sie Professorin für den Studiengang Ressortjournalismus in Ansbach. Daneben baute sie eine Lehrredaktion auf und leitete diese zwölf Jahre lang.

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Max Richard Leßmann: Sylter Welle

Inhalt:
Ein allerletztes Mal wollen Oma Lore und Opa Ludwig ihren Lieblingsferienort Sylt besuchen, gemeinsam mit ihrem Enkel Max. Drei Tage. Zwei Generationen. Eine Insel. Und die Frage: Würden wir unsere Familienangehörigen auch lieben, wären sie nicht mit uns verwandt?
(Klappentext)


Rezension:

Wie wird es sein, der voraussichtlich letzte Urlaub, zusammen mit den Großeltern, zudem nach längerer Zeit des Nichtsehens? Verändert haben sollen sie sich, sagt sein Bruder zu ihm. Zum Guten oder zum Schlechten, haben sie abgebaut? Fordert das Alter von ihnen, die die Familie einst dominierten nun ihren Tribut?

Fragen, die zunächst unbeantwortet bleiben müssen, der Autor aber freut sich zunächst einmal auf das Zusammentreffen und die gemeinsamen Tage auf Sylt, mit Opa Ludwig und Oma Lore. Eine Reise, mit der er auf liebevolle, wie skurrile Momente zurückblicken wird.

Was macht es mit uns, wenn die die wir lieben, ihre Dominanz und Kraft verlieren, die, die wir einst von ihnen abhängig gewesen sind, nun die Rolle der Helfenden annehmen müssen? Max Richard Lehmann beschreibt mit „Sylter Welle“ den Moment, an dem dieser Punkt längst schon Faktum, die Schwere, diesen anzunehmen, aber immer noch vorhanden ist. Rückblicke helfen dabei, das Denken an liebevolle Gesten, aber auch Äußerungen, die man einmal als Kind hinnehmen musste, erst später einordnen konnte.

Es ist kein Roman, kein Sachbuch, auch keine Familienbiografie, die hier vorliegt, kein Buch, welches mit Melancholie und Schwere vollgesogen ist, wie die Apfelringe, die längst ihre Weichheit verloren haben und zusammen mit Zucker eine kompakte Masse ergeben, immer noch essbar.

Jede Zeile ist getränkt voller Liebe, eine Aneinanderreihung von Anekdoten, ruhig, besonnen, ohne Groll und nicht zu hart gegenüber der älteren Generation oder sich selbst. Max Richard Leßmann ist dabei ein genauer Beobachter, hält die im Strandkorb sitzende Oma Lore ebenso fest, wie die Marotten des Großvaters.

Der Urlaub als Punkt, gemeinsame Momente in den Erinnerungen abzuspeichern, bevor sie aus dem familiären Gedächtnis verschwinden. Bevor der Strandkorb sprichwörtlich abbrennt oder jemand der Angestellten merkt, dass sich statt der angemeldeten zwei noch ein dritter Gast im Hotelzimmer einquartiert hat. Unbezahlt natürlich.

Eine Hommage an die Großeltern, wie sie wohl viele von uns erbringen können, Kindheitserinnerungen kulminiert in Form von einer klebrigen Süßigkeit. Auch dazu gibt es wohl für uns lesend äquivalente Punkte. Eine Frage vielleicht bleibt am Ende. Für wen nun ist dieses Buch? Wahrscheinlich am allermeisten für den Autoren selbst. Und für andere, die ebenso eine Oma Lore und einen Opa Ludwig haben oder hatten.

Wer sind wir also ohne oder mit unseren Großeltern? Was macht das mit uns? Und mit ihnen? Manchmal ist ein Urlaub der perfekte Zeitpunkt, darüber zu reflektieren. Verpassen wir ihn nicht.

Autor:

Max Richard Leßmann wurde 1991 in Paderborn geboren und ist ein deutscher Sänger und Autor. Als Schüler gründete Leßmann zusammen mit Freunden eine Indie-Rock-Band, solo trat er erstmals 2017 in Erscheinung mit „Liebe in Zeiten der Follower“. Sein gleichnamiger Gedichtband erschien 2022 bei Kiepenheuer & Witsch. Leßmann lebt in Berlin, betreibt zusammen mit seiner Frau einen Podcast und schreibt zudem Songtexte für u. a. Ina Müller und der Band Madsen.

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Fatih Cevikkollu: Kartonwand

Inhalt:

Sie steht symbolisch für den Traum vom baldigen Glück in der Heimat: eine ganze Wand aus Kartons, in denen alles verstaut wird, was schön und wertvoll ist – für das spätere Leben in der Türkei. Was macht es mit Menschen, wenn sie irgendwann merken: der Traum zurückzukehren hat sich nicht erfüllt? Und das neue Zuhause möchte einen lieber heute als morgen loswerden, egal, wie lange man schon hier lebt und wie sehr man sich auch anstrengt?

Fatih Cevikkollu erzählt von den generationsübergreifenden Wunden, die die Arbeitsmigration gerissen hat, und gibt so einer bisher übersehenen Gruppe eine Stimme: die der sogenannten „Gastarbeiter“ und ihrer Familien. (Klappentext)

Rezension:

In einer Mischung aus Familiengeschichte, Biografie, Bericht und Zustandsbeschreibung sucht der Theater- und Fernsehschauspieler Fatih Cevikkollu Antworten auf drängende Fragen, die sich für ihn spätestens seit dem Tod seiner Mutter, hintergründig jedoch schon viel eher gestellt hatten. Wo liegen Ursachen und auslösende Momente der Psychose, die sie ins Unglück stürzten und an denen die Familie augenscheinlich zerbrach und wie weit reichen die Geschehnisse, so sie es tun, in das Tun und Wirken seiner, d. h. der nachfolgenden Generation hinein?

Die Eltern gehören zur ersten Generation der sogenannten Arbeitsmigranten, die in den 1960er Jahren im Rahmen des Abwerbeabkommens mit der Türkei nach Deutschland kamen und so einen bedeuteten Anteil zum Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit beitrugen. Gedankt wurde es ihnen nicht. Der deutsche Staat nicht gewillt, herkommende Menschen zu integrieren, macht es ihnen bis heute nicht leicht, die Gesellschaft ebenso wenig, auch in der ursprünglichen Heimat war später kaum ein Anknüpfen möglich. Und so blieb diese Generation entwurzelt ohne neue Wurzeln schlagen zu können. Dies hatte, ebenso auf sie wie auf die Kinder ihren Einfluss.

Fatih Cevikkollu begibt sich auf die siche, spürt der eigenen Familiengeschichte nach und analysiert zunächst die geschichtlichen Grundlagen und Ausgangsvoraussetzungen, auf die der neue deutsche Staat nach Kriegsende fußte und welche Überlegungen seitens Politik und Gesellschaft den Anwerbeabkommen vorausgingen. Darauf aufbauend nimmt er die eigene Familiengeschichte in Bezug. Lassen sich so seine drängensten Fragen klären? Wie weit gelten sie?

Für die Familie, für die Mutter, die eigentlich psychologischer Hilfe bedurft hätte, aber nie Zugang dazu bekam. Zugleich sachlich und einfühlsam analysiert er in kompakter Form diese Punkte und setzt sie zueinander in Bezug. Anhand von persönlich Erlebten, ob von Familienmitgliedern erzählt oder aus der eigenen Erinnerung heraus, wird das Erzählte verdeutlicht und gibt so einen Einblick in eine Thematik, die bisher kaum registriert wurden ist. Dabei kennt man die Grundproblematik durchaus, in Bezug auf die nachfolgenden Generationen der Überlebenden des Holocausts und der Frage, warum habe ich überlebt? Abgesehen von der Fragestellung ist die Frage, in wie weit Traumata in nachfolgende Generationen hineinreichen, die gleiche.

Der Autor hat sich in „Kartonwand“ ein wichtiges Stück der jüngeren Zeitgeschichte vorgenommen, deren Riss sich durch viele Familien in Deutschland und der Türkei zieht und ihre Spuren hinterlassen hat. Von der Ausgangssituation folgen wir seinen Ausführungen über die erste Generation der Migranten bis ins heute zu einem Zeitpunkt, in der deren Kinder längst erwachsen sind und als Folge ihren Platz in der Gesellschaft suchen müssen, was ihnen immernoch erschwert wird.

Wie viel können Menschen aushalten, denen übergreifend immer wieder verdeutlicht wird, dass kein Platz für sie vorgesehen ist. Cevikkollu möchte verstehen, jedoch auch die Aufmerksamkeit schaffen, am Beispiel seiner Familie, welche seelichen Wunden da geschaffen wurden und dass unsere Gesellschaft dies verstehen und danach handeln muss. Zwischen den Zeilen ist berechtigt zu lesen, hier kommt ein Land schlicht und einfach einer Fürsorgepflicht gegenüber denen nach, die alles Recht dazu hätten, dies einzufordern, auch rückwirkend, zumal wenn man sieht, dass es eben doch bei zahlreichen Beispielen funktioniert, wie man z. B. an den ukrainischen Flüchtlingen sieht. Da wurde viel richtig gemacht. Warum nicht so, von Anfang an.

Dies wird nur kurz angesprochen, dem Autoren liegt es fern, Menschen gegeneinander auszuspielen, aber er möchte verdeutlichen und zieht Vergleiche, um zu veranschaulichen. Positiv hervorzuheben ist zudem, dass er nicht auf Allgemeingültigkeit besteht, sich vor allem auf das Schicksal seiner Mutter und Familie beschränkt und stetig versucht, diesen Fokus aufrechtzuerhalten, um sich so auch viele Gegebenheiten aus seiner Kindheit im Nachhinein zu erklären.

Die detailreiche familienbiografische Analyse, die sich nicht so trocken liest, wie das klingen mag, lässt einem fassungslos zurück, zudem wenn man weiß, wie ein Land und seine Gesellschaft den gleichen Fehler mehrfach begehtm, bis heute. Ausnahmen, siehe oben. „Kartonwand“ regt zum Nachdenken an und schafft Grundlage, nicht nur anhand dieser Familiengeschichte etwas aufzuarbeiten, worüber bisher überwiegend geschwiegen wurde. Von beiden Seiten.

In sofern ist dies ein wichtiger, dennoch kurzweilig formulierter, Text, sowohl für Betroffene, vielleicht als Anlass ebenfalls die eigene Familiengeschichte zu verstehen, andererseits die Stimme zu erheben und für die Gesellschaft sollte es ein wichtiger Denkanstoß sein. Vielleicht lassen sich so auch Handlungs- und Denkweisen bestimmter Gruppen nachvollziehen, um künftig Ursachen, die sich so auswirken, gleich aus den Weg räumen. Wenn der Autor mit der Geschichte seiner Familie dazu einen Anstoß gegeben hat, hat er mit „Kartonwand“ etwas erreicht.

Autor:

Fatih Cevikkollu wurde 1972 in Köln geboren und ist ein deutscher Theater-, Film- und Fernsehschauspieler und Kabarettist. Er arbeitete zunächst als Theaterschauspieler, bevor er an der Hochschule Ernst Busch in Berlin studierte und ans Düsseldorfer Schauspielhaus ging.

Später übernahm er eine Rolle in der Fernsehserie „Alles Atze“, spielte auch verschiedene Film- und Fernsehrollen. Seit Mitte der 1990er Jahre war er zudem Mitglied der Hip-Hop-Gruppe Shakkah. 2006 bekam er den Jurypreis Prix Pantheon und 2008 folgte die Veröffentlichung seines ersten Buches, dem weitere folgten. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet.

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Die Frankfurter Buchmesse 2023

Der Innenhof, die Aurora, der Frankfurter Messe. Blick auf die Hallen 3.0 und 3.1. (Quelle: Privatarchiv)

Im vergangenen Jahr stand die Buchmesse in Leipzig einige Wochen lang auf der Kippe und so hatte ich mich ziemlich schnell entschlossen, für beide Termine Urlaub zu nehmen, damit ich im schlechtesten Falle zumindest eine Buchmesse gehabt hätte. Sicher war ich mir nur, dass zumindest Frankfurt als Messe für den großen Lizenz- und Rechtehandel nicht gecancelt werden würde, Leipzig als Lesemesse für das Gefühl schon eher. Dass es anders kam und wieder zwei große Buchmessen stattfinden konnten, die eine mit einer vorausschauenden Verlegung in den April hinein, ist großartig. So habe ich beide Messen mitnehmen können. Die vergangene in Frankfurt war zudem für mich eine Premiere.

Angereist bin ich den Tag vor Messebeginn, was sich schon für Leipzig bewärt hat und hier ebenso gut funktionierte. Die Bahn war sogar pünktlich, was ja auch nicht immer selbstverständlich ist. So ging es entspannt zur Pension und ebenso gemütlich am nächsten Tage zum Messegelände, welches in den ersten zweieinhalb Tagen bereits für das Fachpublikum seine Tore geöffnet hatte. Erkenntnis zu Beginn, wer bisher nur die Leipziger Buchmesse gewohnt ist, ist mit dem Pendant in Frankfurt zunächst einmal heillos überfordert. Lange Gänge, sehr viele Hallen mit mehreren Etagen. So verteilten sich die deutschen Verlage beispielsweise auf die Hallen 3.0 und 3.1. Gut, dass ich einen Messeplan hatte und mir aufgeschrieben hatte, wo welche Veranstaltungen, die mich interessieren, stattfinden würden. Die Möglichkeit einer App gab es auch, welche ich sehr gut strukturiert finde, aber da ich meinem alten Smartphone, der Leistunsgfähigkeit des WLAN auf dem Messegelände nicht über den Weg traue, hatte ich mir vorab Notizen gemacht. Trotzdem habe ich natürlich anfangs immer wieder auf den Plan schauen müssen. Wo bin ich und wo muss ich hin?

Sich zu verirren hat man aber in den ersten Tagen noch gekonnt. An jenen für Fachbesucher ist einfach noch nicht so viel los und so konnte man gut zwischend en Gängen und Hallen wandeln, was am Besucher-Wochenende so einfach nicht mehr möglich war. Bahne dir einmal einen Weg an den Schlangen von Strobel und anderer Autoren vorbei, zumal wenn alle großen Publikumsverlage auf einer Ebene platziert wurden, was wohl intern auch ein wenig für Unmut gesorgt hat.

Noch war aber nicht Wochenende, so dass ich nach und nach ganz entspannt an den Ständen schauen und mit Verlagsmitarbeitenden sprechen konnten, sofern diese einmal greifbar waren, was bei denen naturgemäß auch nicht oft der Fall ist, zumal wenn die Terminkalender, dies ist einfach in Frankfurt so, eng getaktet ist. Trotzdem kamen im Laufe der Tage wunderbare Gespräche zustande, vor allem an den Ständen kleiner unabhängiger und mittelgroßer Verlage, während es bei den größeren manchmal beiderseits nur für die Übergabe der Visitenkarte reichen musste. Das ist aber in Ordnung so und auch eingeplant, wenn auch sich einige nicht ganz so zugänglich zeigten, aus verschiedenen Gründen heraus. Vielleicht muss man sich auch einfach in solch eine Messe eingrooven. So ging es mir anfangs zumindest.

Auch während der Fachbesucher-Tage fanden bereits Lesungen statt, deren Aufzeichnung jetzt sicher in den Mediatheklen diverser Fernseh- und Rundfunksender, auf Youtube und bei diversen Zeitungen zu finden sein dürften. Davon habe ich einige mitnehmen können, so hat Tobias Lehmkuhl etwa sein Sachbuch „Der doppelte Erich – Kästner und das Dritte Reich“ vorstellen können oder Nilufar Karkhiran Khozani ihren Roman „Terafik“. Im Verlauf der Tage gab es noch mehr Lesungen und Gesprächsrunden, denen ich lauschen konnte, etwa Deborah Feldman mit ihrem Buch „Judenfetisch“ oder „Meine Mutter hätte es Krieg genannt“. So heißt das Sachbuch von Tochter Vera über ihre Mutter Anna Politkowskaja.

Dazwischen Autoren und Autorinnen wie Ewald Frie, der vor kurzem den Deutschen Sachbuchpreis erhalten hatte oder Tonio Schachinger mit seinem Roman „Echtzeithalter“, welcher mit dem Deutschen Buchpreis 2023 ausgezeichnet wurde, aber auch Autoren wie Andrej Karkow, Joachim B. Schmidt oder Isabel Schayani waren zugegen, mit Themen und Werken, die in der einen oder anderen Form hier noch auftauchen werden. Überhaupt dominierten für mich einzelne Länderschwerpunkte, wie man sich halt Lesungen und Gesprächsrunden vorher heraussucht, wenn man nicht nur ohne Plan durch die Hallen schlendern möchte. Eine dieser war dem Gastland vorbehalten, welches sich mit der dichtesten Dichte an Dichtern rühmt. Slowenien. Zumindest kurz hatte ich Zeit, mir deren schön gestaltete Räumlichkeiten auch anzusehen.

Egal ob jetzt Frankfurt oder, wie sonst immer Leipzig, solche Buchmessen nutze ich gerne zur Ideensammlung. Dabei hilft sicherlich auch die eine oder andere Veranstaltung, sei es am Stand des Karl Rauch Verlags, der dieses Jahr sein hundertjähriges Bestehen feiert, bei Mirabilis oder auch bei den ganz großen, die zu Blogger-Empfängen geladen hatten, wie etwa S. Fischer, Kiepenheuer & Witsch zusammen mit Diogenes oder auch der Sachbuchverlag Dorling Kindersley. Der weiß nicht nur wunderschöne und informative Lexika herauszugeben, sondern auch giftblaue Cocktails zu servieren.

Ab Freitagnachmittag wurde es dann voll. Voller. Am Vollsten. Und das blieb dann auch so die restliche Zeit, als auch endlich das Lesepublikum in die Hallen gelassen wurde. An großen Publikumsverlagen war dann schlicht und einfach sehr schnell ein Vorbeikommen nicht mehr möglich, zumal wenn noch Signierstunden an den Ständen durchgeführt wurden. Da darf mann dann schon fragen, warum zumindest für die deutschsprachigen Verlage nicht noch eine zusätzliche Halle geplant wurde. Das hätte vielleicht schon ausgereicht. Für einige Autor:innen gab es ja zudem einen extra platzierten Signierbereich, für den man sich ein Zeitslot buchen konnte.

Kein Durchkommen mehr an den Besuchertagen. (Quelle: Privatarchiv)

Das setzt zwar einerseits voraus, dass die Verlage das auch kommunizieren, dass es einen solchen braucht, andererseits jene, die ein Zeitfenster ergattern konnten, mussten so auch nicht ewig und drei Tage Schlange stehen. Zu diesem Zeitpunkt selbst war natürlich kein Zeitslot mehr zu bekommen. Ein kleiner Junge hatte dennoch Glück und erwischte die Autorin seines Buchs, direkt nach der Signierstunde am Ausgang des Bereichs. Ich konnte mein Buch einer netten Dame übergeben, die ein Ticket zuvor ergattert hatte und so dies für mich signieren lassen konnte. So habe ich jetzt ein Autogramm von MinaLima. Und wenn die Messe dann so endet, mit der Erkenntnis, dass es immernoch, in all dem Trubel der so um einen herum passiert, gute Menschen gibt, ist das doch eine schöne Erkenntnis abseits dort durchaus ernst diskutierter Themen.

Für mich ziehe ich ein insgesamt doch positives Fazit von der Messe, nicht nur wegen der interessant zu verfolgenden Lesungen und Gespräche, trotz ein paar irritierender Gesprächswechsel. Die meisten waren großartig. Viele Menschen durfte ich kennenlernen, wieder treffen und mich austauschen, ebenso zahlreiche Ideen für kleine und größere Projekte sammeln, so dass ich nicht ausschließen möchte, künftig neben Leipzig regulär auch Frankfurt erneut zu besuchen. Wenn es die Unterkunftspreise zulassen. Dann aber vielleicht nur an den Fachbesuchertagen. Die Besuchertage kollidieren, meinem Gefühl nach, mit dem Konzept und der daraus folgenden Planung der Messe. Und das wird dann sehr schnell einfach nur noch viel zu viel.

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Lena Gilhaus: Verschickungskinder

Inhalt:

Über 15 Millionen Mal wurden Kinder in der BRD und der DDR seit 1945 zur Kur geschickt. Für viele von ihnen waren diese Wochen prägend – und danach haben sie kaum darüber geredet. Wie haben sie diese Zeit erlebt? Wer hat sie dort betreut? Was haben sie davon mitgenommen? Und welche Tiefenwirkungen hatte das für die Gesellschaft der Nachkriegszeit? (Klappentext)

Rezension:

Ein Gefühl der Unsicherheit und Beklemmung beschleichen dem Vater von Lena Gilhaus, der sich zusammen mit seiner Schwester und Tochter aufmacht, um die Spuren weniger Wochen auszumachen, die sein Leben im Unterbewusstsein für immer verändert haben. Auf Sylt waren die Geschwister in ihrer Kindheit auf Kur, von den Eltern getrennt. Danach sollte nichts mehr so sein, wie zuvor. Über die Reise und Recherche veröffentlichte die Autorin kurz darauf einen Artikel und brachte damit eine Lawine ins Rollen. Lena Gilhaus stieß auf immer mehr Geschichten von Menschen, die sich bei ihr meldeten oder in Foren sich selbst auf Spurensuche begeben hatten und auf Mauern des Schweigens stießen. Das nun vorliegende Werk erzählt die Geschichte einiger von ihnen.

Unter den Deckmantel von Gesundheitsprävention und Erholungskuren wurden Schätzungen zufolge bis zu 15 Millionen Kinder wochenlang ihren Familien entnommen, in die Berge oder ans Meer geschickt, doch war der systemische Eingriff behördlicher Institutionen nichts anderes als die Kontrolle über Kinder aus milieugefährdeten Familien oder solcher, die man dafür hielt. Bis hinein in die 1980er Jahre sahen sich schon Kleinstkinder mit einem in der Gesellschaft verwurzelten System schwarzer Pädagogik konfrontiert, welches sich seit Weimarer Zeit etabliert hatte, sich jedweder Kontrolle entzog und sich nur langsam wandelte.

Wenige haben diese Wochen positiv in Erinnerung. Zu sehr bestimmten fernab der eltern physisische und psychische Gewalt den Alltag in oftmals maroden, unterfinanzierten Einrichtungen, in denen Personalmangel und veraltete Ansichten nicht nur zu Zwangsernährung oder Isolation führen konnten. Auch zu Missbrauchs- und Todesfällen kam es, über die Verbände und Behörden nur allzu oft einen Mantel des Schweigens legten.

Wie konnte sich ein solches System so viele Jahre in beiden deutschen Staaten halten? Woraus ist es entstanden? Welche Leitlinien folgten Heimleitungen, Behörden und Vereine, denen die Einrichtungen unterstanden? Warum begann der Prozess der Aufarbeitung erst so viel später und steht immernoch am Beginn? Diese und andere Fragen zu beantworten, Geschichten aufzuspüren und für Klarheit zu sorgen, begibt sich seit einigen Jahren die Journalistin Lena Gilhaus auf Spurensuche, nicht zuletzt, um auch für ihren Vater ein Stück Klarheit zu erwirken.

Entlang von Berichten Betroffener, im persönlichen Interview und noch viel zu seltener Akteneinsichten spürt sie der Geschichte der Kinderverschickung auf, die noch vor dem Ersten Weltkrieg beginnt, unter Kontrolle und anderen Vorzeichen im Nationalsozialismus ihren Höhepunkt erreicht und dann, teils mit den gleichen Akteuren unter anderen Namen von Beginn der Nachkriegszeit an fortgeführt wird? Welchen Nutzen hatte dies für Behörden und eingebundenen Vereinen? Welche Folgen trugen Betroffene davon?

Die Journalistin berichtet im vorliegenden Sachbuch von Institutionen, die heute nichts mehr von ihrer dunklen Vergangenheit wissen möchten, verweigerten Zugang zu Archiven und die tiefenpsychologische Wirkung von Verarbeitungsprozessen, die so keinen Abschluss finden werden, stellt das System der Verschickung jedoch auch im Kontext der jeweiligen Zeit dar, in dem sie geschah. Lena Gilhaus erzählt von einfühlsamen Gesprächen und einer Spurensuche auf schwierigen Pfaden.

Was macht es mit den Menschen, teilweise ohne die Gründe dafür zu kennen, schon im Kleinkindalter von Eltern und Verwandten für Wochen getrennt zu werden, um dann einen vollkommenen Bruch zu erleben, der an Gewalt oder Empathielosigkeit kaum zu überbieten ist? Weshalb griffen nach Bekanntwerden einiger Missstände weder Behörden noch, viel wichtiger, zahlreiche Eltern nicht ein? Wie steht es um das System der Kinderkuren heute? Welchen Wandel hat es durchlaufen?

In kleinteiliger und mühevoller Recherche voller Hindernisse stellt Gilhaus ein dunkles, kaum bekanntes Kapitel deutscher Geschichte detailliert dar und verdeutlicht dies anhand des Parallstranges der Erlebnisse ihres Vaters, sowie immer wieder eingewoben, den Berichten anderer Betroffener aus West und Ost. Welche Unterschiede gab es, welche Gemeinsamkeiten? Wer waren die Akteure?

Die Autorin verleiht den ehemaligen Verschickungskindern ihre Stimme, bleibt trotz der Emotionalität der Thematik sehr sachlich, ohne dass die Darstellung zu trocken wäre. Dazu ist diese zu erschreckend, zu wichtig. Klar ist jedoch auch, dass dieses Sachbuch nur der Anfang einer gesellschaftlichen Diskussion, sofern heute noch aktive oder die Nachfolgeinstitutionen der Verschickung sich bedeckt und ihre Archive geschlossen halten. Eine Auseinandersetzung ist längst überfällig. Dies ist ihr sehr wichtiger Beginn.

Autorin:

Lena Gilhaus, geboren 1985, studierte Politikwissenschaften in Greifswald und Bonn. Sie lebt seit 2009 in Köln als freie Radio- und Fernsehautorin für Wellen der ARD, meist den WDR und Deutschlandradio. Ihre DLF-Radioreportage „Albtraum Kinderkur“ wurde 2017 vom Grimme Institut unter die drei besten Reportagen für den Deutschen Radiopreis 2017 gewählt. 2022 gehörte ihr Folgebeitrag „Trauma Kinderverschickung – Das lange Schweigen der Politik“ zu den Nominierten für den Alternativen Medienpreis 2022 in der Kategorie „Geschichte“.

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Leipziger Buchmesse 2023: Leipzig liest wieder

Vor den pandemiebedingten Ausfällen hat mich der Messe-Blues immer im Nachgang erwischt. Dieses Mal komme ich regelrecht euphorisch zurück, nachdem ich viele sehr besondere und erfrischende Eindrücke gesammelt, viele Gesichter zum ersten Mal nach drei Jahre bedingtem Ausfall, zudem im etwas kürzeren Ausfall, viele Mitglieder eines bestimmten Literaturforums (buechertreff.de) wieder treffen und zahlreiche Blog- und auch sonstigen Ideen sammeln konnte.  So ging es vielen.

Die rot verkleidete Treppe mit dem obligatorischen Buchmesse-Logo dürfte ein beliebtes Fotomotiv diesmal gewesen sein. (Foto: Privat-Archiv)

Einmal vorausgeschickt, die Verantwortlichen zählten 274.000 Besucher, was nur 12.000 Menschen weniger gewesen sind als im Jahr vor der Pandemie, dies bei nur etwas weniger Ausstellern und Lesungen, die sich nicht nur auf dem Gelände der Leipziger Messe, sondern auch wieder in der Innenstadt und auf der neu hinzugekommenen Klimabuchmesse verteilten, die im Studentenviertel Connewitz stattfand. Die Leipziger und alle anderen natürlich auch haben sich ihre Messe zurückerobert. Das konnte man schon am Donnerstag sehen.

Angereist bin ich einen Tag vorher. Gut vorbereitet, der Zug war pünktlich, meine ersten Online-Termine, ich hatte diesmal viel Blogger-Zeug geplant, fielen aus, so dass ich die Zeit nutzen und mich mit den ersten ebenfalls an diesem Tag eingetroffenen Buechertrefflern, nun ja, treffen konnte. Es war wirklich schön, auch wenn das für mich natürlich an den Grundfesten meiner Planungen gerüttelt hatte. Aber man soll ja seine Chancen durchaus nutzen. 

In jedem Fall war es das Richtige, um sich gemeinsam auf die kommenden Tage einzustimmen, von denen wir uns natürlich vorab gefragt haben, wie werden sie sein? Werden wirklich viele Menschen kommen? Werden wir durch leere Halle schlendern oder wird doch etwas Betrieb die Messe beleben? 

Ja, der tat es. Gleich am ersten Messetag kam ich, der sich wieder ziemlich nah dran einquartiert hatte, nicht in die erste Tram, aber in die zweite, um ins Pressezentrum zu gehen und dort die Garderobe abzulegen, einen Kaffee zu trinken. So beginnt für mich immer die Leipziger Messe. Das Pressezentrum füllte sich schnell, eine mir bekannte Literaturagentin habe ich auch getroffen und ich kam mit einem ZDF-Menschen ins Gespräch. Das ist das, was für mich Messe ausmacht, dass man eben auch von anderen Seiten Einblicke bekommt.

Draußen hat sich derweil der Vorplatz gefüllt, die Glashalle ebenso und dann endlich wurden auch schon die Messehallen geöffnet, die sich schnell belebten. Was war neu? Gänge von der Glashalle zu den eigentlichen Messehallen waren klarer aufgeteilt, die Hallen ebenso durch ein neues Konzept, welches man erst einmal verinnerlichen musste, genau so, wie zu realisieren, dass dies nun wieder eine reguläre Messe ist. Nur, wie macht man die? 

Volle Hallen nach drei Jahren Pause. (Foto: Privat-Archiv)

Die ersten drei Stunden haben sich etwas merkwürdig angefühlt. Wie wir abends festgestellt haben, ging es uns allen so. Eine Weile hat es also doch gebraucht, um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. Das ging aber dann wieder und für mich hieß das einen ersten Messerundgang zu verschiedenen Verlagsständen. Diese hatte ich mir vorher nptiert, aber natürlich noch zahlreiche andere mehr im Laufe der Tage entdeckt. Dafür ist eben Messe gut. Es gibt Verlage, von denen erfährt man eben nur so.

Die Gespräche an den Ständen empfand ich alle als freundlich, interessiert, was sich über die Tage fortsetzen sollte. Die Trennung zwischen althergebrachten Feuilleton und Blogs/Social Media/Booktube gibt es so wie vor ein paar Jahren noch in diesem Sinne nicht mehr, zumal manch kleiner Verlag nur durch die Aufmerksamkeit letzterer in den vergangenen Jahren überleben konnte. Das empfinde ich als angenehmen Wandel, mal so aus Bloggersicht heraus geschrieben. Am Ende können ja beide Seiten im Prinzip nur dabei gewinnen.

Mein Autoren-Interview mit Frank Vorpahl („Aufbruch im Licht der Sterne„) fand als einer meiner ersten Termine gleich am Donnerstag statt. Ein sehr sympathischer und uinteressierter Mensch, der bei der Beantwortung meiner Fragen andere gleich vorweg genommen hat. Das hat es mir in der Interview-Situation durchaus leicht gemacht, aber ich fürchte mich schon vor der Aufbereitung. Ihr und andere sollen ja nicht nur Blocktext zu lesen bekommen. 

Weiter ging es dann zu einer Lesung mit Uwe Neumahr, der mir sein Buch „Nürnberg 46 – Das Schloss der Schriftsteller“ im Anschluss signierte, sowie zu einer Bloggerveransdtaltung mit Sebastian Hotz (El Hotzo), der über sein Buch „Mindset„, viel mehr darum herum gesprochen hat. Ein sehr witziger Mensch ist das schon, nur weiß ich eigentlich immer noch nicht so richtig, worum es in diesem Roman eigentlich geht. Nun ja, man kann nicht alles haben.

Der Tag endete auf dem Messegelände mit einer Programm-Vorstellung bei Rowohlt, aus der ich sicher das eine oder andere euch künftig vorstellen werde. Nur ein Rezensionsexemplar habe ich mir gleich mitgenommen. Peter Urbans „On Air„, ich bin in jedem Fall gespannt. Im Anschluss habe ich noch ein paar Fotos allgemein in den Hallen geschossen, wie am frühen Morgen auch, z. B. von der Messetreppe, die dieses Jahr ein beliebtes Motiv gewesen sein dürfte. Ohne konnte man es ja zumindest am ersten Tag kaum glauben, dass wirklich wieder Messe ist. Den Abend habe ich dann zusammen mit Freunden im Pinguin (hießige Eisdiele, wo man aber auch wunderbar warm essen kann) und im Irish-Pub ausklingen lassen. Mein Kopf wusste davon jedenfalls im Anschluss zu erzählen. 

Am Freitag ging es weiter mit der Vorstellung des Gastlandes Slowenien der nächsten Frankfurter Messe, wofür ich mich bisher sehr ungünstig einquartiert habe, wie ein Frankfurt-Kennner am Vorabend klar gemacht hatte. Das muss ich in jedem Fall nochmal überdenken. Slowenien wird es auf der Frankfurter Buchmesse 2024 sein, wozu einige Reden gehalten wurden. In ähnlich vollen Hallen.

Da war im Prinzip schon klar, dass sich die Leipziger Veranstalter ziemlich verschätzt hatten. Man ist ja ursprünglich von einer Anzahl von Besuchern ausgegangen, die 60 Prozent der Besucherzahl von 2019 entsprochen hätte. Aus den Gesprächen mit Verlagsmitarbeitern, durch die Bank weg, von groß bis klein, ergab sich ein derart positiver Vibe, auch der Buchverkauf an den Ständen verlief offenbar sehr gut in diesen Tagen.

Danach traf ich eine Literaturagentin, die mich zu verschiedenen kleineren Verlagsständen führte. Dort hielt man sich eben darum mit Rezensionsexemplaren sehr zurück. Natürlich, man wollte ja verkaufen, wenn es schon mal so gut läuft. Das ist verständlich gewesen. Im Nachhinein bin ich auch froh darüber. Es wurden mit Rezensionsexemplaren und dazu gekauften Büchern am Ende übrigens 21 Bücher, die nun bei mir aufgestapelt liegen und dazu diverse Vorschauen und Messedevotionalien. Gelobt sei der zweite kleine Handkoffer.

Darum ging es mir nicht hauptsächlich, wobei es natürlich die Blog-Planung vorwegnimmt, eher um solche Sachen wie um eine Signatur von Sasha Filipenko. Dessen Verlag Diogenes war nicht selbst mit einem eigenen Stand vertreten (Ob die sich jetzt ärgern?), sondern nur im Rahmen des Schweizer Gemeinschaftsstandes.

Er selbst war aber da und hat natürlich die Bücher signiert und sich ehrlich über all die Interessierten gefreut, die sich um ihn herum getummelt haben. Danach ein Treffen mit dem Mitteldeutschen Verlag, die sich ebenso wie andere über viel Andrang an ihrem Stand freuen konnte, zuletzt dann eine Lesung über „Grenzschicksale – Als das grüne Band noch grau war“. Auch das war durchaus interessant.

Nach nur wenigen Stunden Schlaf, der Abend vorher im Pinguin, später Pub, endete, nun ja, spät, ging es am nächsten Tag nach einem ausgiebigen Bloggerfrühstück mit dem S. Fischer Verlag (Das klingt so, als würde ich die ganze Zeit nur essen und trinken, aber dem ist nicht so. Wirklich nicht.) mit integrierter Programmvorstellung und einer Spontanidee für Frankfurt ging es zum C. H. Beck Verlag, wo ich ebenfalls zum ersten Mal das Gesicht hinter der E-Mail-Adresse sehen durfte.

Im Anschluss zu kleineren Verlagen und schließlich ins ARD-Forum zu einem Gespräch von Sebastian Fitzek. Für sein neues Buch „Elternabend“ hatte ich am Sonntag versucht, die Signierstunde zu besuchen, bei dem dortigen Andrang aber keine Chance gehabt.

Sebastian Fitzek im Interview im ARD-Forum (Foto: Privat-Archiv)

Danach habe ich meinen Messetag beendet, um auf dem Gespräch zwischen Giovanni di Lorenzo und Angela Merkel beizuwohnen. Dafür hatte ich eines von zwei letzten Tickets damals noch im Online-Verkauf bekommen. Die Veranstaltung selbst muss innerhalb von zwei Tagen ausverkauft gewesen sein. Vor dem Schauspielhaus, wo das stattfand, stand dann auch schon eine lange Schlange Wartender, ebenso wie Leute mit Pappschild, die noch ein Ticket kaufen wollten. Wie auf einem Konzert war das. Ging natürlich nicht.

Nach kurzer Sicherheitskontrolle und dem Einlass in den Saal ging es los. Man kann von Merkels Politik und Entscheidungen halten, was man will, aber sie kann ironisch, witzig sein und di Lorenzo ist jetzt aber auch kein Journalist, der bei Ausweichversuchen locker lässt.

Angela Merkel beim Signieren. (Foto: Privat-Archiv)

In sofern habe ich eine interessante, wenn auch natürlich nicht alles beantwortende Diskussion erlebt. Die könnt ihr übrigens auf der Seite der Zeit und sicher auch in den ÖR-Mediatheken nachverfolgen, wenn ihr mögt. Signiert hat sie ihr Buch „Was also ist mein Land?„, in dem drei exemplarische Reden von ihr versammelt sind, danach auch.

Der letzte Messetag begann wieder mit Rundgängen. So viel Schritte laufe ich sonst nicht, der Veranstaltung „Druckfrisch“ mit Denis Scheck und im Anschluss mit einem vereinbarten Treffen mit dtv. Auch hier gab es einen Einblick ins künftige Programm. So viel sei schon mal verraten, es werden wieder ganz tolle Bücher erscheinen. Nach einem letzten Rundgang, habe ich meine erste reguläre Messe nach drei Jahren dann ausklingen lassen. Mit schweren Gepäck. Mitgekommen sind:

– unzählige Bücher

– diverse Vorschauen

– interessante Gespräche und Kontakte

– die Erkenntnis, wie viel eigentlich in einem Koffer passt (und was danach nicht)

Es hat mich gefreut, vor allem euch wieder einmal zu sehen und gemeinsam Messeluft aufzunehmen, dazu diverse Aperol (nicht nur, glaube ich). Ein paar tolle Tage waren es. Natürlich gab es auch im Nachgang wieder die Artikel von wegen der Relevanz zweier Messen oder aber die, die das Nebeneinander von Cosplay und Buchmesse kritisierten, aber auch das gehört ja irgendwie zum Messe-Feeling mit dazu. Ich freue mich aufs nächste Jahr.

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J. M. G. Le Clezio: Bretonisches Lied

Inhalt:

Der französische Nobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clezio erinnert sich in zwei autobiografischen Erzählungen an seine Kinder- und Jugendzeit. An die urlaube mit der Familie in der Bretagne der 1950er-Jahre und an seine frühe Kindheit im besetzten Süden Frankreichs. (Klappentext)

Rezension:

Der französische Schriftsteller nähert sich den Orten seiner Kindheit, vermeidet dabei in Erinnerungen zu stöbern. Ihnen misstraut er, vermischen sie sich doch allzu oft mit Erzählten und dadurch als wahr Empfundenen, ohne wahrhaftig zu sein.

So stellt er zwei Episoden seines Lebens einander gegenüber, die nicht nur geografisch entgegengesetzt zu einander liegen. Le Clezios „Bretonisches Lied“ ist dann auch keine Kindheitsbiografie. Den Lesenden liegt mit diesem Werk eine Art romanhafte Geschichtsstunde vor, deren Sog man sich kaum zu entziehen weiß.

In umgekehrter Reihenfolge beschreibt der Autor zunächst sehr sachlich den Wandel einer Region, ohne nostalgisch daherzukommen. Der Blick für das Vergangene ist geschärft durch das, was die Jahre über hinzukam oder verschwandt. Bilder ungezähmter Natur, archarisch wirkender Landwirtschaft und einer Gegend werden heraufbeschworen, die den Anschluss an die Moderne erst noch finden wird, mit all den Vor- und Nachteilen. Der beschriebene Landstrich spielte erst in Le Clezios späteren Kinderjahren eine Rolle. Die heraufbeschworenen Bilder sind absoluter, haben festere Konturen als die nachgestellten des Krieges.

Damit gemeint ist die zweite Erzählung, die biografisch gesehen, der zunächst ausgeführten vorangestellt hätte sein müssen. Diese Umkehr bricht das gewohnte Schema, wie auch der Ort nicht gegensätzlicher sein könnte. Vom Norden folgt der Lesende dem Erzählenden, der vermeidet, sich zu erinnern, an etwas, was er nur unbewusst erlebt haben kann.

Die Betonung liegt auf die Stimmung der Erwachsenen, die sich auf die Empfindungen der Kinder wiederspiegelt. Diese kennen nichts anderes als den Zustand des Jetzt, wissen nicht, wie es anders hätte sein können, ein Leben ohne Krieg. Gefühle lässt Le Clezio hier nicht an sich heran, wirkt auch nicht kalt, nur nüchtern. Die Auswirkungen des Krieges zeigten sich erst später. Der Gegensatz der zwei Erzählungen, die von einander getrennt sind, aber doch nicht losgelöst betrachtet werden können, wirkt hier um so stärker.

Wörtliche Rede findet sich in beiden Texten kaum. Die gleichen eher einer Zustandsbeschreibung, einem betrachtenden Monolog. Der Autor betrachtet sein früheres Ich oder eher das um das frühere Ich herum Geschehene. Aus Kindersicht passiert nicht viel, die Wucht der Ereignisse wird dem Erzählenden erst später bewusst.

Das Nüchterne wirkt poetisch, stark in der Übersetzung. Wie viel präsenter muss erst der Originaltext drängen? Die Kompaktheit tut ihr übriges. Kein Wort ist zu viel, zu wenig. Es ist ja auch nur ein überschaubarer Zeitraum, der beschrieben wird. Für das Kind, was später den Nobelpreis erlangen wird, gibt es an diesem Punkt nur das Hier und Jetzt.

Der Erzählende ist Dreh- und Angelpunkt der eigenen Geschichte. Andere Figuren spielen kaum eine Rolle, sind zu vernachlässigen und doch immer präsent. Immer wieder gibt es Sprünge zwischen den Hier und Jetzt. Der Wechsel stört nicht. Lesend steht man neben den Protagonisten, ist dieser selbst. Landschaften, Häuser, beschriebene Orte sind beinahe greifbar. Es ist so, als wäre man dort, zu dieser Zeit.

In diesen Texten können sich viele verlieren. Die Sprache ist karg, wie zuweilen die Region und die beschriebenen Jahre. Das muss man jedoch mögen. Wer gerne gewöhnliche Erinnerungen, Biografien liest, für den ist das nichts. Auf die Form muss man sich einlassen, sie auf sich wirken lassen.

Ein französischer Film ohne Handlung, jedoch mit Aussage und ganz viel Inhalt. Nur eben zwischen Buchdeckeln. Das funktioniert hier wunderbar. Die Melancholie wird kleingehalten. Aus anderen Regionen hat man über diese Zeit schon viel lesen können. Nach meinem Empfinden ist unser Nachbarland hier unterrepräsentiert. Es ist zu hoffen, dass es künftig noch mehr solche Erzählungen geben wird. Le Clezio hat hier ein interessantes Puzzleteil gesetzt.

Autor:

Jean-Marie Gustave Le Clezio wurde 1940 in Nizza geboren und ist ein französisch-mauritischer Schriftsteller. Er hat beide Staatsbürgerschaften und studierte nach der Schule zunächst in Bristol und London, während er gleichzeitig Französisch unterrichtete. In Nizza begann er ein Studium der Philosophie und Literatur, beendete dies 1964 und arbeitete im Rahmen seines Militärdienstes als Entwicklungshelfer. 1963 veröffentlichte er eine erste Erzählung, der weitere folgten. Im Jahr 2008 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

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