Limor Regev: Der Junge von Block 66

Inhalt:
1944 wird der 13-jĂ€hrige Moshe Kessler mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert. An der Rampe in Birkenau von seiner Familie getrennt, ist er von nun an auf sich allein gestellt. Er entgeht den Tod in den Gaskammern, ĂŒberlebt monatelange Zwangsarbeit und die TodesmĂ€rsche im eisigen Winter, bevor er im Konzentrationslager Buchenwald ankommt. Doch auch dort kann er nur dank der KĂŒhnheit und Entschlossenheit der Untergrundorganisation, der es es gelang, vor Eintreffen der US-Truppen mit gestohlenen Waffen die Wachmannschaft des Lagers zu ĂŒberwĂ€ltigen und gefangenzunehmen, im Kinderblock 66 den sicheren Tod zu entkommen.
Dr. Limor Regev hat den anschaulichen Bericht Moshe Kesslers festgehalten und so der Nachwelt ein Zeugnis ĂŒber den Triumph eines ungebrochenen Lebenswillens vermittelt. (Klappentext)
Rezension:
Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt. Fast 14 Jahre alt ist Moshe Kessler als er in Zeiten der Unmenschlichkeit und des Terrors zusammen mit anderen unter Aufsicht von Antonin Kalina kommt, der zusammen mit anderen KZ-HĂ€ftlingen mit den Mut zur Verzweiflung unzĂ€hligen Kindern und Jugendlichen das Leben rettete, ausgerechnet im Konzentrationslager Buchenwald, einer der letzten Stationen des Leidenwegs. Zuvor hatte der Junge bereits Todesmarsch und Auschwitz ĂŒberlebt.
Dies ist die Geschichte eines ungarischen Jungen, dessen Erinnerungen im hohen Alter aufflackern, bei der Bar Mizwa seines jĂŒngsten Enkels, der umgeben ist von seiner ihn lebenden Familie. Moshe Kesslers Bar Mizwa fand dagegen zu einem Zeitpunkt statt, als das Donnergrollen kaum noch zu ĂŒberhören war und lĂ€ngst einige Familienleben gefordert hatte. Nach Jahrzehnten erinnert und beschreibt Kessler die Geschichte seiner Kindheit und Jugend, die man ihn und unzĂ€hligen anderen raubte. Dieses StĂŒck biografischer Erinnerung liegt hier mit „Der Junge von Block 66“ ĂŒbersetzt vor.
Solche StĂŒcke Erinnerung bilden einen wichtigen Zweig innerhalb der BĂŒcher gegen das Vergessen, als Mahnmal vor allem, wenn sie ohne erhobenen Zeigefinger, sondern nur durch ihre Schilderungen wirken. Diese sind eindrĂŒcklich. In klarer, eindeutigiger Sprache schildert die Autorin die Erlebnisse des Kindes, welcher ihr diese Geschichte sehr viel spĂ€ter anvertrauen wird. Dabei wird deutlich, wie sehr Sekunden der Entscheidung ĂŒber Leben und Tod bestimmen konnten und dass es selbst in unmenschlichen Orten gerade so viel Menschlichkeit gegeben hat, die einigen wenigen geholfen hat, Schreckliches zu ĂŒberstehen.
In kompakten Kapiteln fĂŒgen sich die einzelnen Stationen des Leidensweges zu einem Band zusammen, welches bis ins Mark erschĂŒttert, ergĂ€nzt durch ein anschauliches Personenregister, ein Begriffsglossar, welches vor allem dann hilfreich ist, wenn man lesend nicht mit Begrifflich- und Gegebenheiten des jĂŒdischen Glaubens im Einzelnen vertraut ist, sowie einen Fototeil. So eignet sich die LektĂŒre fĂŒr Geschichtsinteressierte, aber auch fĂŒr Jugendliche, zumindest wenn man einige FuĂnoten ĂŒberliest.
Diese wurden zum besseren VerstĂ€ndnis durch die Herausgeberin angefĂŒgt, wirken an manchen Stellen wertend und relativierend. Hannah Arendt wird da z. B. als „allgemein etwas ĂŒberschĂ€tzt“ bezeichnet. Solche und andere Meinungen kann man ja durchaus haben, doch gehören sie nicht in den biografischen Bericht eines anderen hinein. Ob der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ĂŒber 90-jĂ€hrige Moshe Kessler um diese Kommentare weiĂ, sie teilt, die von der Herausgeberin und Ăbersetzerin stammen, bleibt zwangsweise offen.
Wenn gleich andere Informationen, die in den FuĂnoten erscheinen, akribisch recherchiert und behutsam ergĂ€nzt worden sind, und es erst einmal ĂŒberhaupt bemerkenswert ist, einen solchen Bericht fĂŒr die Nachwelt erhalten zu dĂŒrfen, können einen solche Schnitzer eines eigentlich lesenswerten Berichts verhageln. Es bleibt hier also die Empfehlung, den Bericht zu lesen und die FuĂnoten einer ĂberprĂŒfung zu unterziehen. Alles was Augenzeuge und Autorin jedoch zusammengetragen haben, ist es aber wert, gesehen zu werden.
Autorin:
Limor Regev wirkt an der Hebrew University of Jerusalem im Institut fĂŒr Internationale Beziehungen und hat zuvor ĂŒber die Auswirkungen des territorialen RĂŒckzugs in Israel geforscht. Ihre weiteren Forschungsarbeiten befassen sich mit territorialen Austritten, Konfliktlösung, internationaler Mediation und israelischer Bedrohungswahrnehmung.
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