Mensch

T.C. Boyle: Die Terranauten

Die Terranauten Book Cover
Die Terranauten T.C. Boyle Erschienen am: 09.01.2017 Hanser Verlag Seiten: 606 ISBN: 978-3-446-25386-5

Inhalt:

Zwei Jahre lang darf keiner der acht Bewohner die Glaskuppel von „Ecosphere 2“ verlassen. Egal, was passiert. Touristen drängen sich um das Megaterrarium, Fernsehsender filmen, als wäre es eine Reality-Show. Eitelkeit, Missgunst, Rivalität – auch in der schönen neuen Welt bleibt der Mensch schließlich doch, was er ist. Und es kommt, wie es kommen muss: Der smarte Ramsay verliebt sich in die hübsche Dawn – und sie wird schwanger. Kann sie das Kind in der geschlossenen Sphäre austragen oder muss das experiment abgebrochen werden? […] (Umschlagtext)

Rezension:

Die amerikanische Weltraumorganisation NASA und auch ihr europäisches Pendant ESA arbeiten bereits seit einigen Jahren an Plänen für die Zukunft der bemannten Raumfahrt. Diese sollen die Menschen nicht nur erneut zum Mond, sondern auch, im Idealfalle auf den Mars führen. Ein Szenario, was nach derzeitigen technischen Stand durchaus realistisch ist.

Nur, wie bereitet man sich auf solch eine Mission vor? Wie trainiert man ein Überleben in geschlossenen Systemen, abhängig von den vorhandenen Ressourcen und nur wenigen Menschen, wie sie einem auch in einer ebensolchen Mission zur Verfügung stehen würden? Doch wohl nur auf der Erde.

Dieses Experiment, man bringe acht Menschen in eine Art Biospäre unter und sehe zu, wie sie überleben, sich ihre Nahrung selbst erwirtschaften und mit den vorgewundenen Bedingungen zurechtkommen oder auch nicht, hat es Anfang der 1990er Jahre tatsächlich gegeben. Heute ist das Projekt, dessen Überreste noch immer für universitäre Forschungen genutzt werden, als gescheitert anzusehen. Genau so, wie Boyls darauf basierender Roman.

Angelehnt an die tatsächlichen Geschehnisse und diese, zumindest die von der ersten Crew erlebten Tage, spinnt Boyle eine Geschichte menschlicher Intrigen, Liebe, Neid, Hass und all der anderen Abgründe und schafft so die Grundlage für eine interessante Geschichte. Die Protagonisten einmal eingeführt, sind kaum bis überhaupt nicht sympathisch, rauben jedoch ihren Lesern die letzten Nerven. So viel Gesülze und Oberflächlichkeit versammelt, zieht der Autor diese Linie bis zum bitteren Ende durch und bleibt oberflächlich. Zeile für Zeile.

Kaum ein Spannungsbogen wird längerfristig gehalten, eine charakterliche Entwicklung der Figuren ist nicht auszumachen und vom Alltag hinter Glas erfährt man gerade einmal ansatzweise etwas, und erlebt ansonsten nur Geplänkel wie in einer schlechten amerikanischen Sitcom.

Der Schreibstil, schlicht und einfach, lässt zwar die Leser nicht in Stich, Boyle jedoch tut es. Triebgesteuerte Erwachsene, die sich mehr als pubertär verhalten. Möchtegernwissenschaftler, deren Charakterzüge der Autor zwielichtig und ansonsten uneinsichtig geformt hat. So, dass man geneigt ist, dieses Buch selbst in eine Ecospähre zu verwünschen, auf dass sie die dort Eingeschlossenen in den Wahnsinn treibe. Der Autor hätte gut daran getan, einen historischen Roman zu schreiben, um die tatsächlichen Geschehnisse.

Dann wäre dieses Projekt nicht annähernd so gegen die Wand gefahren, wie das wirkliche Experiment, welches allenfalls 08/15 Erkenntnisse erbracht hatte, die man auch ohne „Biosphäre 2“ über kurz oder lang gehabt hätte. Davon abgesehen, dass sich die Wirklichkeit eines geschlossenen Systems in einem nachgebauten auf der Erde befindlichen nie so darstellen lässt, wie es sich in einer Raumstation etwa abbilden lassen würde oder irgendwann tatsächlich auf den Mars.

Ein Roman, der auf ganzer Linie, von der ersten bis zur letzten Seite enttäuscht und nur nicht vollständig von der Werteskala runterfällt, da die Idee an sich nicht schlecht, man zumindest eine Ahnung (leider nicht mehr) vom tatsächlich gemachten Experiment bekommt, außerdem die Frage der Skrupelosigkeit gestellt wird, die zwangsläufig entsteht, wenn Wissenschaft einhergehen muss mit wirtschaftlichen und öffentlichen Interesse.

Das hätte Boyle, zuzüglich eben der wissenschaftlichen Seite mehr ausbauen müssen. So aber bleibt leider nur ein gescheiterter und oberflächlicher Beziehungsroman. Rundablage P.

Autor:

T.C. Boyle wurde 1948 geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Boyle, der in schwierigen Verhältnissen aufwuchs studierte nach der Schule Englisch und Geschichte und nahm an Kursen für Kreatives Schreiben teil.

Danach arbeitete er als Lehrer an einer High School und schrieb erste Erzählungen.

Eine Veröffentlichung davon brachte ihn die Aufnahme in einem Schreibworkshop ein. 1977 erwarb er einen Doktortitel in englischer Literatur. Seit 1986 ist er ordentlicher Professor an der University of Southern California. 1982 veröffentlichte er seinen ersten Roman. Boyles Werke wurden mehrfach ausgezeichnet.

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Sergej Lukianenko: Quazi

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Quazi Sergej Lukianenko Heyne Erschienen am: 13.11.2017 Seiten: 397 ISBN: 978-3-453-31852-6

Inhalt:

Russland in naher Zukunft. Nach einer mysteriösen Katastrophe hat sich die Welt auf dramatische Weise verändert: Auferstandene, sogenannte Quazis, leben nun Seite an Seite mit den Menschen.

Eine Tatsache, mit der sich der Moskauer Polizeibeamte Denis Simonow nicht abfinden kann, denn er hegt einen ganz privaten Hass auf die Quazis. Doch dann wird ihm einer der Auferstandenen als Partner zugeteilt – in einem Fall, der tief in das Geheimnis um die Quazis führt… (Klappentext)

Rezension:

Das Spiel um die Zukunft der Menschen beginnt harmlos. Der russische Polizeibeamte Denis Simonow bekommt einen Quazi zugeteilt, um in einem Kriminalfall zu ermitteln. Es gibt nur ein Problem, Quazis sind anders als normale Menschen und Simonow zutiefst verhasst.

Bald stoßen die beiden ungleichen Ermittler in Geheimnisse vor, die zutiefst beunruhigen. Steht den Menschen nach der nicht näher definierten großen Katastrophe ein weiteres Unglück bevor, welches sie entgültig zu vernichten und die Quatzi zum Herrscher über den Planeten zu werden droht? Oder ist friedliche Koexistenz möglich?

Dazu müssen Denis und der Quazi Michael ihre Vorurteile über Bord werfen und zusammenarbeiten. Doch, können sie einander trauen?

Sergej Lukianenko schickt seine Leser mit dem Roman „Quazi“ wieder einmal auf eine phantastische Reise durch ein düsteres Zukunftsszenario für Russland, welches auch hierzulande zum Bestseller asvancieren dürfen.

Klar und spannend geschrieben, legt die Geschichte ein rasantes Tempo vor und behandelt die großen Themen: Sind die Menschen wirklich die Krone der Schöpfung? Gibt es Leben nach dem Tod und wenn ja, zu welchen Preis könnte dies möglich sein?

Ist dies überhauopt erstrebenswert und wie weit würde man gehen, um praktisch Unsterblichkeit zu erlangen? Selbst, wenn das Zwischenstadium eine Art Höllendasein (Nein, kein Schreibfehler.) wäre.

Der Leser wird in die Geschichte hinein geworfen, direkt ins kalte Wasser. So, wie der Beginn, sind auch die Protagonisten. Scharfkantig und nicht immer sympathisch, werden am Rande moralische Fragen in die Handlung eingewoben.

Zudem merkt man auch diesem Monumentalwerk der Fantasy wieder an, dass der Autor ein Psychologiestudium hinter sich hat. So schnell gelingt es kaum einen anderen seine Leser in den Bann zu ziehen und in den Strudel dicht aufeinander folgender Ereignisse hinen zu ziehen.

Die Geschichte selbst, sie wirkt. Als Einzelband, wie auch als Reihenauftakt, was bei Lukianenko durchaus möglich wäre. Allein, sicher ist dies nicht.

Stetiger Spannungsaufbau und ein rasantes Erzähltempo sorgen für gute Unterhaltung, welche man bei dem Autor auch erwarten darf. Nicht mehr und nicht weniger. Hohe Literatur ist dies nicht, jedoch gibt es im Fantasy nur weniges was auf vergleichbarer Höhe agieren kann.

Der Leser erlebt die Berg- und Talfahrt aus der Sicht des Hauptprotagonisten und betet darum, dass es nie so sein wird, wie in diesen Zeilen beschrieben. Die Story jedoch weiterzuverfolgen, wäre wünschenswert.

Auch um der Anspielungen auf den Alltag und große politische Fragen unserer Zeit willens. Dies macht Lukianenko hier wieder sehr geschickt, dass es förmlich zur Suche danach einlädt. Für alle anderen, die nicht danach fahnden, ergibt sich dennoch ein spannendes Abenteuer, gespickt mit den großen Fragen der Menschen.

Was wäre wenn..? Die Antwort (z.B. nach einem Leben nach dem Tod, zum Preis des Verlusts bestimmter Eigenschaften aus dem vorherigen Leben) muss der Leser selbst finden. Ein großer Fantasy-Roman aus der Feder des russischen Meister-Autoren über Toleranz, Freundschaft, Mut, Zusammenhalt, Leben, Tod und eine Gesellschaft der Zukunft, die es zu entdecken gilt.

Unbedingte Leseempfehlung.

Autor:

Sergej Lukianenko wurde 1968 in Karatau/heutiges Kasachstan geboren und ist ein erfolgreicher Science-Fiction- und Fantasy-Schriftsteller. Er studierte nach der Schule zunächst Medizin in Alma-Ata und arbeitete als Psychiater.

Anfang der 1980er Jahre begann er Kurzgeschichten zu bveröffentlichen und etablierte sich sehr bald als erfolgreicher Autor. Heute lebt er in Moskau. International bekannt wurde er durch seine Science-Fiction-Reihe „Die Wächter“, deren erste Bücher verfilmt wurden.

2005 lief der Film, der in Russland mehr als 15 Million Dollar einspielte, in Deutschland an. Lukianenko erhielt zahlreiche russische und internationale Preise, darunter den Deutschen Phantastik-Preis 2010. Zahlreiche Werke von ihm sind noch nicht übersetzt.

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Alastair Bonnett: Die seltsamsten Orte der Welt

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Die seltsamsten Orte der Welt Alastair Bonnett C.H. Beck Erschienen am: 15.12.2015 Seiten: 296 ISBN: 978-3-406-67492-1 Übersetzer: Andreas Wirthensohn

Inhalt:

Spätestens seit Google Earth ist die Welt bis in den letzten Winkel erforscht und vermessen. Es gibt keine unbekannten Orte mehr, keine unberührten Eilande, nichts mehr zu entdecken – oder etwa doch? Alastair Bonnett stellt in diesem Buch faszinierende und außergewöhnliche Orte vor, die unsere Vorstellungen von der Welt gehörig durcheinanderbringen.

Sie tauchen auf und unter, wie die Inseln im Gangesdelta, verschwinden von Satellitenbildern, wie Sandy Island vor

der australischen Küste, oder verstecken sich unter Gebüsch und Gestrüpp, das alle Spuren überwuchert, wie auf der britischen Halbinsel Arne.

Unterhaltsam und leichtfüßig werden Orte wie Bir Tawil in Ostafrika beschrieben, die partout keine Nation haben will, oder Orte, die scheinbar zu zwei Nationalstaaten gleichzeitig gehören. Berichtet wird von versteckten Labyrinthen, unterirdischen, verlassenen oder überbauten Städten ebenso wie von ihrer historischen Entwicklung.

Lehrreich, aber nicht belehrend führt Bonnett durch geographische Kuriositäten und zeigt, dass auch für den heutigen Menschen das Entdecken nie aufhört. (Verlagstext)

Rezension:

Der Mensch hat nahezu alles vermessen und katalogisiert, eingeordnet und bestimmt, was auf der Erde existiert. Dennoch gibt es weiße Flecken, die es zu entdecken gilt und über die es sich nachzudenken lohnt. Orte, auftauchen um wieder zu verschwinden, Orte, die zu zwei Staaten gleichzeitig gehören, die kein Staat haben will, Orte, die nur vorrübergehend existierend oder gar nicht an der Oberfläche, sondern nur direkt darunter.

Alastair Bonnett widmet sich diesen geographischen Kuriositäten, ob nun von der Natur oder vom Menschen geschaffen und nähert sich diesen in philosophischer Betrachtung, was anders gar nicht machbar wäre. Er lässt uns nachdenken, über unsere gewöhnliche Definition von Orten und Grenzen, an selbigen, die alle Regeln zu kippen scheinen und schrieb mit seinem Buch nicht nur eine Hommage an eben diese sondern auch an die Menschen, die das Ungewöhnliche in ihren Alltag integrieren müssen, da sie dort leben.

Ich habe etwas anderes erwartet, keinesfalls eine derartige Herangehensweise, sondern eine mehr sachliche, die über diese Orte, eine überdies willkürliche aber interessante Aufzählung, berichtet. Dennoch gefiel mir, was ich gelesen habe. Schön, das ganze mal aus einem Blickwinkel zu betrachten, den ich so nicht angedacht habe.

Zudem schärft es auch ein Blick für Orte, über die man sich ansonsten nie Gedanken machen würde und gibt Anstoß, das nächste Mal die Landkarte genauer zu betrachten oder gar einige solcher Orte vielleicht selbst zu besuchen. Was ich mir z.B. im Falle Baarle-Naussaus und Baarle-Hertongs auf jeden Fall vornehmen werde.

Insgesamt hat mir diese Betrachtung sehr gut gefallen, wenn sie auch etwas ungewöhnlich war und ich gerne mehr über die Orte und ihre Geschichte, so sie eine haben, und über die Menschen, die dort leben, erfahren hätte. Trotzdem ist Bonnetts Denkanstoß dazu geeignet, alltägliche Definitionen neu zu justieren, dort, wo sie nicht mehr funktionieren und alleine das ist ein großer Pluspunkt, genau so wie die ungewöhnliche Aufzählung verschiedenster geografischer Kuriositäten.

Zu guter Letzt, nur weil sich das hier lohnt, auch einen Blick auf Cover und Umschlaggestaltung. Kein normaler Papierumschlag, sondern schon etwas fester, von der Struktur her wie ein dünneres Wackelbildchen. Nur ohne Wackeln.

Fasst sich ganz anders an, ist gewöhnungsbedürftig. Manche werden wohl das Gefühl bekommen, daran fest zu kleben, wenn sie den Umschlag vorher nicht abnehmen. Es ist eine Sache der Gewohnheit. Überdies wunderschön und sehr detailliert gestaltet, passend zur Thematik des Buches und zum Spezialgebiet des Autors. Ein Schmuckstück unter den Sachbüchern.

Insgesamt, eine Leseempfehlung von mir. Am besten selbst an einem ungewöhnlichen Ort.

Autor:

Alastair Bonnett ist Professor of Social Geography an der Universität Newcastle uund Autor zahlreicher wissenschaftlicher Werke und Herausgeber der psychogeographischen Zeitschrift „Transgressions: A Journal of Urban Exploration“. Er lebt in Newcastle upon Tyne in England.

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