Gesellschaft

Alastair Bonnett: Die seltsamsten Orte der Welt

Die seltsamsten Orte der Welt Book Cover
Die seltsamsten Orte der Welt Alastair Bonnett C.H. Beck Erschienen am: 15.12.2015 Seiten: 296 ISBN: 978-3-406-67492-1 Übersetzer: Andreas Wirthensohn

Inhalt:

Spätestens seit Google Earth ist die Welt bis in den letzten Winkel erforscht und vermessen. Es gibt keine unbekannten Orte mehr, keine unberührten Eilande, nichts mehr zu entdecken – oder etwa doch? Alastair Bonnett stellt in diesem Buch faszinierende und außergewöhnliche Orte vor, die unsere Vorstellungen von der Welt gehörig durcheinanderbringen.

Sie tauchen auf und unter, wie die Inseln im Gangesdelta, verschwinden von Satellitenbildern, wie Sandy Island vor

der australischen Küste, oder verstecken sich unter Gebüsch und Gestrüpp, das alle Spuren überwuchert, wie auf der britischen Halbinsel Arne.

Unterhaltsam und leichtfüßig werden Orte wie Bir Tawil in Ostafrika beschrieben, die partout keine Nation haben will, oder Orte, die scheinbar zu zwei Nationalstaaten gleichzeitig gehören. Berichtet wird von versteckten Labyrinthen, unterirdischen, verlassenen oder überbauten Städten ebenso wie von ihrer historischen Entwicklung.

Lehrreich, aber nicht belehrend führt Bonnett durch geographische Kuriositäten und zeigt, dass auch für den heutigen Menschen das Entdecken nie aufhört. (Verlagstext)

Rezension:

Der Mensch hat nahezu alles vermessen und katalogisiert, eingeordnet und bestimmt, was auf der Erde existiert. Dennoch gibt es weiße Flecken, die es zu entdecken gilt und über die es sich nachzudenken lohnt. Orte, auftauchen um wieder zu verschwinden, Orte, die zu zwei Staaten gleichzeitig gehören, die kein Staat haben will, Orte, die nur vorrübergehend existierend oder gar nicht an der Oberfläche, sondern nur direkt darunter.

Alastair Bonnett widmet sich diesen geographischen Kuriositäten, ob nun von der Natur oder vom Menschen geschaffen und nähert sich diesen in philosophischer Betrachtung, was anders gar nicht machbar wäre. Er lässt uns nachdenken, über unsere gewöhnliche Definition von Orten und Grenzen, an selbigen, die alle Regeln zu kippen scheinen und schrieb mit seinem Buch nicht nur eine Hommage an eben diese sondern auch an die Menschen, die das Ungewöhnliche in ihren Alltag integrieren müssen, da sie dort leben.

Ich habe etwas anderes erwartet, keinesfalls eine derartige Herangehensweise, sondern eine mehr sachliche, die über diese Orte, eine überdies willkürliche aber interessante Aufzählung, berichtet. Dennoch gefiel mir, was ich gelesen habe. Schön, das ganze mal aus einem Blickwinkel zu betrachten, den ich so nicht angedacht habe.

Zudem schärft es auch ein Blick für Orte, über die man sich ansonsten nie Gedanken machen würde und gibt Anstoß, das nächste Mal die Landkarte genauer zu betrachten oder gar einige solcher Orte vielleicht selbst zu besuchen. Was ich mir z.B. im Falle Baarle-Naussaus und Baarle-Hertongs auf jeden Fall vornehmen werde.

Insgesamt hat mir diese Betrachtung sehr gut gefallen, wenn sie auch etwas ungewöhnlich war und ich gerne mehr über die Orte und ihre Geschichte, so sie eine haben, und über die Menschen, die dort leben, erfahren hätte. Trotzdem ist Bonnetts Denkanstoß dazu geeignet, alltägliche Definitionen neu zu justieren, dort, wo sie nicht mehr funktionieren und alleine das ist ein großer Pluspunkt, genau so wie die ungewöhnliche Aufzählung verschiedenster geografischer Kuriositäten.

Zu guter Letzt, nur weil sich das hier lohnt, auch einen Blick auf Cover und Umschlaggestaltung. Kein normaler Papierumschlag, sondern schon etwas fester, von der Struktur her wie ein dünneres Wackelbildchen. Nur ohne Wackeln.

Fasst sich ganz anders an, ist gewöhnungsbedürftig. Manche werden wohl das Gefühl bekommen, daran fest zu kleben, wenn sie den Umschlag vorher nicht abnehmen. Es ist eine Sache der Gewohnheit. Überdies wunderschön und sehr detailliert gestaltet, passend zur Thematik des Buches und zum Spezialgebiet des Autors. Ein Schmuckstück unter den Sachbüchern.

Insgesamt, eine Leseempfehlung von mir. Am besten selbst an einem ungewöhnlichen Ort.

Autor:

Alastair Bonnett ist Professor of Social Geography an der Universität Newcastle uund Autor zahlreicher wissenschaftlicher Werke und Herausgeber der psychogeographischen Zeitschrift „Transgressions: A Journal of Urban Exploration“. Er lebt in Newcastle upon Tyne in England.

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Steffen Möller: Viva Warszawa

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Viva Warszawa Steffen Möller Malik Erschienen am: 01.08.2016 Seiten: 296 ISBN: 978-3-89029-459-9

Inhalt:

Lässige Strandbars am Flussufer, phantasievolle Biomärkte, eine kochende Klubszene und über 400 Kilometer Radwege, nicht zu vergessen der schönste Wolkenkratzer diesseits des Atlantiks! Steffen Möller, der sich vor gut zwanzig Jahren in Polen verliebte, lädt uns in seine Wahlheimat ein, die heute so attraktiv ist wie nie zuvor.

Er verrät, warum die Warschauer über ihre Einmachgläser lachen und in ganz Polen als trickreiche Kombinierer gelten. Wer schon einmal über die Grenze geschaut, aber außer Zigaretten eigentlich nichts mitgebracht hat, bekommt jetzt eine zweite Chance…

Rezension:

Es gibt wohl kaum ein Land im östlichen Europa, was bei uns Deutschen mit so vielen Vorurteilen zu kämpfen hat, wie Polen. Ich selbst kenne eine Geschichte, tatsächlich passiert, wo übernacht von einer Baustelle ein ganzer Baukran verschwand und auch dem polnischen Tourismusverband wird ja der Spruch angelastet: „Reisen Sie nach Polen.

Ihr Auto ist schon dort.“ Und so hat das Land an der Weichsel einen einigermaßen schweren Stand, zumal der Hauptgrund nach Polen zu fahren, jahrelang der günstige Handel an der Grenze war und nicht etwa die malerischen Strände und Buchten an der Ostsee oder die ursprünglichen Dörfer und Wälder im Landesinneren.

Auch die Städte Polens waren nicht unbedingt Reiseziel Nr. 1, doch dieses Land hat all das und vieles mehr zu bieten. Allen voran Warschau. Die quirlige Metropole erstaunt Touristen, verärgert nicht-hauptstädtische Polen, provoziert und begeistert, zeigt seine Facetten nicht gleich, sondern erst auf dem zweiten Blick.

Steffen Möller nimmt uns mit auf eine phantastische Führung in einer der verkanntesten Städte Europas. Der Autor gibt Ausflugs- und Geheimdienst, läd ein, sich mit der Geschichte der stadt zu beschäftigen und erläuert Kuriositäten.

Warum ist die Altstadt alles, nur nicht alt? Wo gibt es die besten Pfannkuchen in ganz Polen? Die Liebe zu Chopin und die Lieblingsfeindschaft Krakau-Warschau.

Der Unterschied zwischen Deutschen und Polen und warum man sich eigentlich ganz ähnlich ist und welche unbekannten Episoden der Geschichte jedes polnische Schulkind zu nennen weiß, von denen ein Deutscher keine Ahnung hat?

Warum ist der Koloss von Warschau so beliebt und weshalb wächst inmitten der stadt eine Palme? Bei diesem Klima.

Der Autor reiht Episode an Episode, nie langweilig, immer authentisch, manchmal spannend, oft witzig aneinander und hat mit „Viva Warszawa“ ein Buch für beide geschrieben. Polen und Deutsche, die sich näher sind als sie denken.

Früher führte man Kriege, heute pflegt man Kontakte und wirtschaftliche Beziehungen, lernt voneinander und kennt doch den Nachbarn nur wenig. Möller nimmt mit seinem Buch, welches man zur Unterhaltung, als Einstimmung auf den nächsten Städtetrip, Tippgeber, gar als Reiseführer lesen kann in diese pulsierende Stadt, die zu faszinieren vermag.

Dem Leser wird danach das Reisefieber packen und die Lust, all das selbst anzusehen und zu erleben.

Autor:

Steffen Möller wurde 1969 in Wolfhagen geboren und wuchs in Wuppertal auf. Er zog 1994 nach Warschau. Als Schauspieler und Entertainer ist er der bekannteste Deutsche in Polen, war vorher als Deutschlehrer tätig.

Für sein Wirken um die deutsch-polnische Verständigung wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er ist Autor mehrerer Bücher und lebt seit 2010 teils in der deutschen, teils in der polnischen Hauptstadt.

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Bo Lidegaard: Die Ausnahme

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Die Ausnahme Bo Lidegaard Blessing Verlag Seiten: 592 Hardcover ISBN: 978-3-89667-510-1 Übersetzerin: Yvonne Badal

Inhalt:

„Die Geschichte der Rettung der dänischen Juden ist nur ein winziger Teil der gewaltigen Geschichte der Shoah. Aber sie erteilt uns eine Lektion. Denn sie erzählt vom Selbsterhaltungstrieb, vom zivilen Ungehorsam und von der Hilfe, die fast ein ganzes Volk leistete, weil es sich empört und zornig gegn die Deportation seiner Landsleute auflehnte.

Somit ist es auch die Geschichte von einer Gesellschaft, die kein Jota von ihrem Rechts- und Unrechtsempfinden wich, und das, während sie der überlegenen Macht deutscher Besatzer unterstand.“ (Klappentext)

Rezension:

Eine der tragenden Säulen des NS-Regimes war die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas und um so deutlicher sich abzeichnete, dass der Krieg nicht zu gewinnen war, um so grausamer und energischer wurde dieses Ziel verfolgt.

Und kostete schließlich über 6 Milionen Menschen das Leben. Doch nicht überall gelang dies den Häschern der Nazis, immer wieder gab es auch Menschen, die sich der kalten Ideologie entzogen und ihre ausgestoßenen Mitbürger schützten.

Unter Gefahr für ihr eigenes Leben. Bulgarien und Dänemark gelang es sogar fast die komplette jüdische Bevölkerung ihres Landes zu schützen, Ausnahme in Zeiten des Terrors.

Vom Sonderweg Dänemarks, dass winzig klein unter einem übermächtigen Gegner litt und ihn trotzdem Grenzen aufzeigte, berichtet Bo Lidegaard kenntnis- und detailreich anhand von Tagebuchaufzeichnungen und Archivfunden.

Er stellt dar, wie es einem ganzen Land im Konsens gelang, und unter dem Auge der deutschen Besatzer, über 6000 Menschen in Sicherheit zu bringen. Praktisch über Nacht. Und wie das Rechtsbewusstsein und die Menschlichkeit einer Nation über Unmenschlichkeit und Grausamkeit triumphierte.

Der Sonderweg Dänemarks ist nur ein kleines aber bedeutendes Kapitel in der europäischen, vor allem aber in der dänischen Geschichte, welcher erst seit einigen Jahren beachtet und erforscht wird. Noch liegt vieles im Dunkeln.

Was waren die tatsächlichen Beweggründe der deutschen Besatzer wegzusehen als ein ganzes Land vor ihren Augen die jüdische Bevölkerung schützte? Warum funktionierte hier der NS-Terror nicht, der nur ein paar Landesgrenzen weiter etwa die Niederlande oder noch schlimer Polen in Griff hielt?

Weshalb hielten König, Politiker, Staatssekretäre, Beamte und nicht zuletzt ein Volk zusammen und rangen den Deutschen imer wieder Konzensionen gegenüber „ihren“ Juden ab?

Wieso lenkten selbst Männer wie Himmler und Eichmmann ein, der nach seiner Festnahme durch den israelischen Geheimdienst in Argentinien aussagte, dass Dänemark ihm die größten Probleme bereitet habe?

Diese Fragen stellt sich Bo Lidegaard und analysiert scharfsinnig die Gründe anzhand von Augenzeugenberichten und Tagebuchaufzeichnungen Betroffener.

Er zeigt dabei auf, dass ein Land keineswegs machtlos war gegenüber den übermächtigen Gegner NS-Deutschland und dass es durchaus gelingen konnte, unter der Besatzung zu leben ohne sich selbst zu verraten.

Gelungen ist dies aus einer Vielzahl von Gründen die freilich nur auf Dänemark zutrafen und auf keines der anderen besetzten Länder hätten Anwendung finden können. Gerade deshalb ist es jedoch wichtig daran zu erinnern. An den Funken Menschlichkeit, Glück und Hilfsbereitschaft einer ganzen Nation in einer dunklen Zeit.

Autor:

Bo Lidegaard wurde 1953 in Nuuk, Grönland geboren und studierte nach dem Abitur Geschichte. Nach seinem Abschluss des Studiums trat er in den Auswärtigen Dienst Dänemarks ein und übernahm zunächst die Leitung einer sektion des Außenministeriums.

Von 1987 bis 1990 arbeitete er bei der Ständigen Vertretung der Vereinten Nationen in Genf als Sekretär und wurde nach seiner Rückkehr nach Dänemark Forschungswissenschaftler der Dänischen Königlichen Bibliothek in Kopenhagen.

Danach arbeitete er im außenpolitischen Ausschuss des Folketing und als Botschaftsrat in der Dänischen Botschaft in Paris. Nach verschiedenen weiteren außenpolitischen Stationen übernahm er 2011 die Chefredaktion der dänischen Zeitung Politiken.

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Selma Lagerlöf: Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden

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Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden Selma Lagerlöf Verlag: Die andere Bibliothek Hardcover Seiten: 704 ISBN: 978-3-8477-1359-3 Übersetzer: Thomas Steinfeld

Handlung:

Endlich kann Nils Holgersson reisen, wie es sich Selma Lagerlöf gewünscht hat: der Welterfolg der Literaturnobelpreisträgerin liegt nun neu und erstmals vollständig in einer Übertragung von Thomas Steinfeld vor, die das wunderbare Schwedisch einer vergangenen Epoche bewahrt.

Bereichert ist diese Ausgabe mit den Zeichnungen von Bertil Lybeck aus dem Jahr 1962. (Klappentext)

Rezension:

Die Handlung dieses Werkes dürfte bekannt sein. Ein Junge, cholerisch, Streiche spielend, nur Unsinn im Kopf, ein Tierquäler und Faulpelz wird zur Strafe für seine Untaten auf Wichtelgröße geschrumpft und reist fortan mit der zahmen Hausgans Marten und einer Schar Wildgänse durch das weite Schweden.

Und lernt in Konfrontation mit neuen Feinden wie dem bösartigen Fuchs Smirre, einer Schar Krähen oder einer Horde Ratten, wie es ist, sich richtig zu verhalten, überlegt zu handeln und sich gut und achtsam anderen gegenüber zu verhandeln.

Eine Charakterwandlung die am Ende als Belohnung mit dem Wiedererlangen der normalen Körpergröße und der freudigen Zusammenkunft mit seinen Eltern belohnt wird.

Doch, wer bisher Übersetzungen aus dem Schwedischen in den Händen gehalten hat, hat nicht die gesamte Reise Nils Holgerssons mitbekommen, denn den meisten Übersetzungen lagen selbst gekürzte Ausgaben des Originals zu Grudne, von denen Selma Lagerlöf auch einige verfasste.

Ursprünglich war ihr Auftrag, ein Schulbuch zu schreiben, was umfassend über die geographischen Gegebenheiten des Landes informieren sollte. Zudem sollte es unterhaltsam sein und eine Sagensammlung aller Landesteile und wurde dabei schlicht zu umfangreich.

Also kürzte die Autorin selbst, schrieb eine neue Fassung für den Unterricht und auch heute noch wird an den schwedischen Vorlagen herumgeschraubt. Da werden Sätze, ganze Seiten zusammengestrichen, Handlungen und Landschaftsbeschreibungen gekürzt, teilweise gar etwas dazu geschrieben, was so niemals im Original drinnen stand.

So ist es auch nicht verwudnerlich, dass es zumindest eine deutsche Fassung früheren Datums gibt, die von sich behauptet, vollständig zu sein. Selbst da fehlt einiges. Nämlich an die 15 % des ursprünglichen Textes, wie im Nachwort zu lesen ist.

Und so liegt nun, mit der Übersetzung von Thomas Steinfeld, erstmals eine wirklich vollständige Ausgabe im deutschen Sprachraum vor, die dafür für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 nominiert war.

Der Übersetzer gibt vor, sich so nah wie nur irgend möglich am schwedischen Original von 1906 gehalten zu haben. Illustiriert ist das Werk mit den Zeichnungen von Bertil Lybeck, die dem schwedischen Druck von 1962 entnommen und dort inzwischen ebenfalls Allgemeingut geworden sind.

Im Nachwort meldet sich der Übersetzer selbst zu Wort, berichtet von der Entstehung des Originals und der Geschichte aller bisherigen Übersetzungen, die sich fast genau so spannend liest wie Nils Holgerssons Reise selbst.

Wer eine wunderschöne und vollständige, illustrierte und informative, unterhaltende und literarisch wertvolle Ausgabe dieser schwedischen Geschichte im Regal stehen haben oder, noch besser, lesen möchte, sollte sich diese Ausgabe unbedingt zulegen.

Autorin:

Selma Lagerlöf wurde 1858 auf Gut Marbacka, im heutigen Sunne, Värmland in Schweden geboren und starb 1940 am selben Ort. Die schwedische Schriftstellerin war zunächst Lehrerin an einer Mädchenschule und schlug damit einen für Frauen damalig ungewöhnliche fast akademischen Weg ein.

1909 erhielt sie als erste Frau den Nobelpreis für Literatur und wurde 1914 in die Schwedische Akademie aufgenommen. 1906 schrieb sie „Nils Hogerssons wunderbare Reise durch Schweden“, ihr Debut gab sie mit „Gösta Berling“, welches in Schweden 1891 erschien.

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Doris Kuegler: Dschungeljahre

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Dschungeljahre Doris Kuegler Erschienen am: 01.01.2011 Gerth Medien Seiten: 237 ISBN. 978-3-86591-585-6

Inhalt:

Doris und Klaus Kuegler brechen mit ihren drei Kindern auf, um bei dem neu entdeckten Stamm der Fayu in West-Papua zu leben. Sie wollen die noch unerforschte Sprache studieren und den Stammesmitgliedern von dem Gott erzählen, der alle Menschen liebt.

Eindrücklich beschreibt Doris Kuegler, was eine Mutter empfindet, die ihre Kinder inmitten eines ehemals kannibalischen Volksstammes im Dschungel großzieht. Und was es bedeutet, unter Steinzeit-Bedingungen zu leben. Fesselnd schildert sie auch, wie es den Kueglers gelang, den kriegerischen Fayu Begriffe wie Vergebung, Gnade und Liebe zu vermitteln.

Als Mutter von Sabine Kuegler, die mit ihrer Biografie „Dschungelkind“ einen Weltbestseller schrieb, gewährt Doris Kuegler einen ungeschminkten Einblick in die Dschungeljahre der Familie. Ein beeindruckender Bericht über ein Leben zwischen den Kulturen. (Klappentext)

Rezension:

Wenn jemand vom Glauben, Gott und Missionsarbeit spricht, streuben sich bei mir die Nackenhaare und alle Alarmglocken läuten, was das zeug hält, denn ich halte davon absolut gar nichts.

Anderen Menschen Wertevorstellungen überzustülpen, halte ich eher für ein Verbrechen und Religion ist für mich nur ein Druckmittel, um Macht auszuüben, so schön bestimmte Traditionen, dies auch kaschieren. In sofern war ich gespannt und sehr kritisch, die Seite der bekannten Geschichte des Dschungelkindes zu erfahren.

Mehr über die Arbeit der Eltern von Sabine Kuegler, die natürlich mit bestimmten Zielen nach West-Papua/Indonesien ausgewandert waren. Ziele, mit denen ich nicht besonders konform gehe.

Doch, schon auf den ersten Seiten wird klar, wie die Kueglers Missionsarbeit verstehen. Vorleben, was man glaubt, kein Zwang, kein Druck und keine Macht ausüben, sondern Alternativen anbieten, im Einklang mit den Traditionen, wie sie vor Ort existieren.

Darüber schreibt Doris Kuegler, die Mutter des Dschungelkindes genau so überzeugt wie eindrücklich als auch vom Aufwachsen ihrer Kindheit und wie der Stamm der Fayu die schreckliche Sitte der Blutrache überwandt, die diesen und andere Stämme der Umgebung beinahe an den Rand des Aussterbens gebracht hatte.

Es ist eine ernste und doch von Hoffnung und Liebe gespeiste Ergänzung zu den bereits vorliegenden Büchern von Sabine Kuegler, die deren Mutter hier vorgelegt hat und die es sich zu lesen lohnt.

Rein von der Tatsache, mehr aus dem Leben der Familie zu erfahren, eine andere Sichtweise als die der Kinder zu bekommen und sich natürlich den fragen zu stellen, wie man es zunächst seiner Familie überhaupt zumuten kann, fernab der Zivilisation zu leben und dazu noch mitten in eine Art Bürgerkriegsgebiet, welches ja unter den verschiedenen Stämmen herrschte.

Doris Kuegler berichtet von einer neuen Generation Fayu, die an den alten Traditionen festhält, die schlechten Seiten überwindet, über einen langen und steinigen Prozess, der den Fayu jedoch das Überleben gesichert hat.

Sie brichtet aber auch vom Zweifel an ihrer Arbeit, den Rück- und Schicksalsschlägen und wie aus dem Stamm als Gastgeber Freunde für’s Leben wurden.

Glaube, so wie von den Kueglers gelebt, ist etwas anderes als das, was die meisten Menschen unter Missionsarbeit verstehen und das Leben im Dschungel hat nicht nur romantische Seiten, wie Sabine Kuegler nach ihrem ersten Buch oftmals vorgeworfen wurde, völlig vergessen, dass auch da die schrecklichen Dinge wie Blutrache und Krieg zur Sprache kamen.

Ihre Mutter Doris hat daher völlig zurecht daran getan, eine Ergänzung vorzulegen, die man, wenn man sich mit dem Leben der Ureinwohner West-Papuas und mit der Geschichte der Kueglers auseinandersetzen möchte, unbedingt auch lesen sollte.

Denn sie lohnt sich wirklich. Es ist interessant, in diese, den meisten Menschen für immer verschlossene Welt einzutauchen, Trauer und Schmerz aber auch Liebe und Vergebung mitzuerleben aber auch die Bilanz einer Mutter zu erfahren, die diese aus dem Aufwachsen ihrer Kinder unter den Fayu zieht und für diesen Stamm sowie so, mit denen sie auf ewig verbunden bleiben werden.

Autorin:

Doris Kuegler wurde 1941 geboren und ging nach einer Ausbildung zur Krankenschwester früh in die Missionsarbeit. Sie wanderte 1971 mit ihrem Mann und ihrer Tochter Judith nach Nepal, wo sie als Sprachforscher und Missionare in einem kleinen Bergdrof lebten. Dort kamen ihre Kinder Sabine und Christian zur Welt.

1978 wanderte die Familie nach West-Papua in Indonesien aus, um bei einem bisher unentdeckten Stamm der Fayu zu leben und ebenfalls die Sprache zu erforsachen.

Seit 2006 lebt Doris Kuegler wieder in Deutschland. Die Geschichte der Familie wurde bekannt, als ihre Tochter Sabine Kuegler von ihrer Kindheit im Dschungel berichtete. Diese wurde unter dem gleichnamigen Titel „Dschungelkind“ verfilmt.

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Marie Ruth Krizkova: Ist meine Heimat der Ghettowall?

Ist meine Heimat der Ghettowall? Book Cover
Ist meine Heimat der Ghettowall? Marie Ruth Krizkova (u.a.) Aventium (dt. Dausien Werner) Seiten: 208 Seiten: 208 Hardcover Übersetzerin: Lenka Reinerova

Inhalt:

Gedichte, Prosa und Zeichnungen der Kinder von Theresienstadt. (Klappentext)

Rezension:

Terezin ist heute eine ganz normale Stadt, in dessen historischen Gebäuden wieder ein paar hundert Menschen leben. Es gibt eine Schule, mehrere kulturelle Einrichtungen, Läden und ein paar Gaststätten, ansonsten jedoch trieft jeder Quadratmeter Boden förmlich vor Geschichte, die grausamer nicht sein könnte.

Dort, wo heute wieder Tschechen, wie einst zu Gründungszeiten der Garnisonsstadt lebten, befand sich in der Zeit der Besetzung durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg das Altersghetto und Durchgangslager Theresienstadt, welches für die meisten tschechischen Juden nur Zwischenstation auf dem Weg in den Tod war.

Doch konnte sich dort, wenn auch zumeist im Verborgenen, kulturelles Leben entfalten. In der Hoffnung, weiterzuleben, aus Angst und Verzweiflung und gegen die Widerstaände ihrer Unterdrücker.

Besonders den Kleinsten und Schwächsten, den Kindern und Jugendlichen, wollten die Erwachsenen so viel Normalität wie möglich geben und vor allem Möglichkeiten und Fähigkeiten für eine Zeit nach dem Krieg.

Eine Gruppe von zwölf- bis vierzehnjährigen Jungen schrieb in dieser Zeit, in der ihre Zukunft im Ungewissen lag, eine beeindruckende Sammlung von Texten und Gedichten, schrieb und zeichnete förmlich um ihr Leben, welches für die meisten all zu schnell gewaltsam beendet werden sollte.

Übrig blieben manche ihrer Werke, die die Jungen handschriftlich festhielten, in der Untergrundzeitung „Vedem“ („Wir führen“) bündelten und unter der Hand weiterreichten, bis sie jeder gelesen hatte und die nächste Ausgabe erschien.

In jeder ihrer Zeilen sind die Ängste und Hoffnungen, die Verzweiflung aber auch kleine und große Ereignisse im Ghetto-„Alltag“ spürbar. Man möchte weinen, ob der Zukunft, um die jungen wie Petr Ginz oder Hanus Hachenburg etc. betrogen wurden.

Berührt von den Zeichnungen und den Gedichten dieser im Übermaß begabten Jungen, die nichts anderes verbrochen hatten als in der falschen Zeit zu leben und einen anderen Glauben zu haben, hält man inne und denkt über die Schicksale und die kurzen Leben nach.

Und auch über die Leben, die die Kinder hätten führen können, hätte man sie gelassen. Es ist den wenigen Überlebenden des Terrors zu verdanken, dass die Texte ihrer Kinderfreunde und Kameraden der Nachwelt erhalten geblieben und veröffentlicht wurden sind.

Jeder einzelne ist dabei erstaunlich qualitativ hochwertig, besonders wenn man das Alter der Verfasser berücksichtigt.

Zu schade, um in Vergessenheit zu geraten, zu schade, um nur in den Souvenirshops Prags und Terezins, wo man heute verschiedene Museen zur Kriegs- und zur Geschichte des Ghettos besichtigen kann, erhältlich zu sein, gibt es diese Sammlung von Lyrik und Prosa-Texten auch in deutscher Sprache.

Nicht nur im Gedenken an die Opfer Theresienstadts, auch sonst lohnt sich das Lesen dieses Werkes.

Autorin:

Marie Ruth Krizkova wurde 1936 in Milicin geboren und lebt seit 1972 in Prag. 1968 schloss sie ihr Pädagogik-Studium ab und spezialisierte sich auf Literaturgeschichte. Sie promovierte 1991.

In den sechziger Jahren arbeitete sie u.a. als Lehrerin und Postsortiererin und war Mitunterzeichnerin der Charta 77 gegen Menschenrechtsverletzungen des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei.

Ihr Augenmerk gilt der redaktionellen Aufarbeitung der schriftlichen Werke, die aus dem Ghetto Theresienstadt heraus entstanden sind, welche sie bis 1989 nicht publizieren durfte. Sie leidet einen tschechischen Literatur-Wettbewerb für junge Dichter und arbeitet eng mit Theatern und Kulturbühnen Tschechiens zusammen.

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Jon Krakauer: In eisige Höhen

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In eisigen Höhen Jon Krakauer Piper Erschienen am: 01.04.2000 Seiten: 386 ISBN: 978-3-492-22970-8 Übersetzer: Stephan Steeger

Inhalt:

Im Mai 1996 nahm der amerikanische Journalist Jon Krakauer an einer Mount-Everest-Expedition teil, die in einer Katastrophe endete. Mehrere Gruppen drängten auf den Gipfel. Darunter die um den erfahrenen neuseeländischen Bergsteiger Rob Hall sowie die „Mountain Madness expedition“ des US-Amerikaners Scott Fischer.

Krakauer, Mitglied in Rob Halls Team, stand selbst auf dem Gipfel und erlebte danach hautnah Halls Todeskampf und den seiner Gefährten mit. Am Ende hatten zwölf Menschen ihr Leben verloren. Krakauers schonungslose Schilderung der dramatischen Expedition wurde zu einem Meilenstein der Bergliteratur. (Klappentext)

Rezension:

Jon Krakauer hat selbst einige Bergerfahrungen gesammelt als er von der Redaktion einer Zeitschrift, für die er arbeitet, gefragt wird, ob er über kommerzielle Expeditionen auf dem Mount Everest berichten wolle. Er sagt zu, unter der Bedingung, das Kapital zu bekommen, den Berg auch selbst besteigen zu können und nicht nur vom Basislager aus zu berichten.

Die Verleger von „Outside“ sagen zu und so macht sich Krakauer auf zu einem der besten Teams von geführten Expeditionen, die ihre Dienste inzwischen für mehrere zehntausende Dollar anbieten. Jedem, der einigermaßen klettern und es sich leisten kann, beinahe mit Gipfelgarantie.

Doch der berg ist tückisch. Der Sauerstoff dünn, in der Höhe ist jedes klare Denken unmöglich. Als dann auch noch ein Sturm aufkommt, führen die Schwächen der einzelnen Teilnehmer und eine verhängnisvolle Verketrtung von Fehlern zum Chaos, in dessen Folgen neun teils sehr erfahrene Bergsteiger umkommen.

Drei weitere finden unmittelbar danach den Tod.

Krakauer berichtet anhand Interviews aller Beteiligter, Recherchen und den eigenen Erfahrungen vom Ablauf der Katastrophe und geht mit der Kommerzialisierung der Bergsteigerei ins Gericht, ebenso mit seiner Arbeit als Journalist und Kletterer, der selbst einige Fehler im Verlauf der Katastrophe zu verantworten hat.

Dabei analysiert er selbst kleinste Details, zeigt ausführlich die Beweggründe der einzelnen Teilnehmer seines und der anderen Teams auf und erklärt, wie es zu der Häufung von Fehleinschätzungen kam, die diesen schlimmsten Tag verursachten, den der höchste Berg der Erde bis dahin gesehen hatte.

Dabei bleibt er keineswegs einseitig, zeigt sowohl die Vorteile als auch die Nachteile geführter Expeditionan auf, schreibt von der Faszination, die der Mount Everest seit jeher mit sich bringt und was dies mit den Menschen macht.

Warum will man unbedingt diesen, unter Bergsteigern nicht einmal schönen Berg überhaupt besteigen? Darf jeder auf den Gipfel? Sollte man mit oder ohne Sauerstoff dieses Wagnis auf sich nehmen und welche grundlegenden regeln wurden 1996 von den Bergführern, von den Teilnehmern der Expeditionen missachtet?

Ein schockierend ehrlicher Bericht über die schonungslose raue Natur und einem Berg, den die Menschen bis dahin geglaubt hatten besiegt, die Gefahren beseitigt zu haben. Doch, der Mount Everest lässt sich nicht besiegen.

Autor:

Jon Krakauer wurde 1954 geboren und begeisterte sich schon in seiner frühen Jugend für das Bergsteigen. Er arbeitet als Wissenschaftsjournalist für amerikanische Zeitschriften, u.a. für die Zeitschrift „Outside“, für die er u.a. vom kommerziellen Bergsteigen auf dem Mount Everest berichten sollte.

Er, der selbst einige Erfahrungen im Bergsteigen gesammelt hatte, schloss sich einer solch geführten Gruppe an, schaffte es bis zum Gipfel und überlebte eine Katastrophe. Sein Buch „In eisige Höhen“ machte ihn schlagartig bekannt. Er lebt in Seattle und Boulder.

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Rudyard Kipling: Das Dschungelbuch 1 & 2

Das Dschungelbuch 1 & 2 Book Cover
Das Dschungelbuch 1 & 2 Rrudyard Kipling Steidl Erschienen am: 22.12.2015 Seiten: 523 ISBN: 978-3-95829-049-5 Übersetzer: Andreas Nohl

Inhalt:

Da die Mogli-Geschichte am weitesten verbreitet sein dürfte, hier ein kurzer Umriss.

Ein Kind wächst unter Dschungeltieren, großgezogen von Wölfen auf. Sie nennen es Mogli, was so viel heißt, wie „Frosch“. Doch, die Anwesenheit des Menschenwelpen bedroht die Sicherheit des Wolfsrudels, denn Shir Khan, der Tiger ist in der Gegend und dieser sieht in Mogli den großen Menschen, zu dem er heranwachsen wird.

Eine Gefahr, die es zu verhindern gilt. So verstoßen die Wölfe den Jungen aus ihren Reihen, der sich fortan allein durchschlagen muss und dabei, unterstützt von freunden wie Balu den Lippenbären und Baghira, dem Schwarzen Panther, allerhand Abenteuer erlebt, bis der Tag kommt, an dem Mogli Shir Khan gegenüber steht.

Enthaltene Geschichten (dieser Ausgabe):

Das Dschungelbuch 1 – Die Mogli-Geschichte, komplett

Das Dschungelbuch 2:

– Rikki-Tikki-Tavi

– Die weisse Robbe

– Toomai, der Elefantenjunge

– Quiquern

– Die Leichenbestatter

– Das Wunder des Purun Bhagat

– Die Diener Ihrer Majestät

Das Buch enthält ebenso ein Vorwort von Kipling, ein Nachwort des Übersetzers. In den Anmerkungen sind die, in den Dschungelbüchern vorkommenden Gedichte nochmals in der Originalsprache (Englisch) abgedruckt, wogegen sie innerhalb der Geschichten selbst ins deutsche übersetzt wurden.

Es werden ebenfalls indische Begriffe erklärt und Namensangleichungen verdeutlicht. Die einzelnen Geschichten sind, auch kapitelweise, durch moderne scherenschnittartige Illustrationen von einander getrennt.

Rezension:

Mit der hier vorliegenden Ausgabe des Klassikers „Dschungelbuch“ zum 150. Geburtstag von Rudyard Kipling hat sich der Steidl-Verlag selbst übertroffenen und der Übersetzer Andreas Nohl ein Denkmal gesetzt.

Die Geschichten, neu übersetzt und wie Nohl im Nachwort erklärt, dabei dem Stil des Originals treu bleibend, liegen hier in einer umfassenden Ausgabe vor, die sowohl die bekannte Mogli-Geschichte enthält aber auch das Dschungelbuch 2, mit kürzeren, weniger bekannten aber ebenso lesenswerten Kurzgeschichten.

Allesamt sind die Hauptprotagonisten zumeist Tiere in ihrer Interaktion mit den Menschen, wobei Mogli, der Menschenwelpe zwar als anders wahrgenommen aber doch irgendwie als einer der ihren gesehen wird. Bis auf „Die weisse Robbe“ spielen sie auf dem indischen Subkontinent, der damals noch Bestandteil des British Empire und noch nicht zersplittert in die dort heute befindlichen Nationalstaaten war.

Dabei ging Nohl auf die heute übliche Sprechweise im Deutschen ein und glich dem entsprechend Namen an. Aus dem Original Mowgli wird hier Mogli, um jüngeren Lesern entgegen zu kommen und bei einigen Namen Rätselraten über die Aussprache zu ersparen. Indische Bezeichnungen werden dagegen belassen und in den Anmerkungen erklärt.

Die erste Geschichte zumindest, dürfte den meisten Lesern und auch Nichtlesern bekannt sein. Der Junge, der von Tieren gefunden und aufgenommen wird, unter ihnen aufwächst und mit ihnen große Abenteuer besteht, schließlich zu seinem Rudel zurückkehrt und als Wildhüter mit dem Dschungel in Verbindung bleibt.

Eine indische Romulus-und-Remus-Geschichte, die auch das Verhältlnis von Mensch und Tier, freilich aus Sicht letzterer, beleuchtet und diese eher in schlechtem Licht darstellt.

Alleine schon dies eine Ansicht, die nicht viele Autoren zur Lebzeit Kiplings gehabt haben dürften, da damals Umwelt- und Naturbewusstsein noch keine große Rolle gespielt haben und sich vor allem die Mutterländer der Kolonien über jeden Zweifel an ihrer Großartigkeit erhaben sahen.

Beeindruckender jedoch fand ich mehr noch das Zweite Dschungelbuch, in dem Kipling mit einigen Perspektiv- und Stilwechseln experimentiert hat.

Menschen, die sich im Gegensatz zum Dschungeljungen auch als Menschen sehen, treten teilweise als Hauptakteuere auf und völlig verquer spielt eine Geschichte „Die weisse Robbe“ in arktischen Gefilden, wohingegen Kipling in allen anderen Erzählungen Indien treu bleibt.

Die meisten davon lassen sich ebenso flüssig und amüsant wie faszinierend zugleich lesen, wenn ich auch die bereits erwähnte Robbengeschichte und Quiguern als am schwächsten empfand. Am angehmsten war die Erzählung über den Mungo Rikki-Tikki-Tavi zu lesen.

Ansonsten ist der Schreibstil und hier meine ich die behutsame und wie es mir scheint, sehr gut überlegte Übersetzung Nohls, sehr flüssig zu lesen, was es einfach macht, in die Geschichten hineinzufinden.

Die in den Büchern und einzelnen Kapiteln eine Rolle spielenden Gedichte und Liedtexte sind im original (in den Amerkungen) und übersetzt in den Geschichten selbst abgedruckt und ergänzen die Bücher. Insgesamt liegt damit eine, dem Ruf und der Bedeutung Kiplings gerechtwerdende Ausgabe vor, die es wert ist, sie im Bücherregal stehen zu haben und natürlich gelesen zu werden.

Autor:

Rudyard Kipling (eigentl. Joseph Rudyard Kipling) wurde am 30. Dezember 1865 in Bombay geboren und war ein britischer Schriftsteller und Dichter. Sein bekanntestes Werk „Dschungelbuch“ machte ihn 1894 auch international bekannt, nachdem er zuvor bereits einige kleinere Geschichten und Romane veröffentlicht hatte.

Zudem schrieb er Gedichte und eine Vielzahl von Kurzgeschichten. 1907 erhielt er als erster englischsprachiger Schriftsteller überhaupt, den Literaturnobelpreis. Den Rekord als jüngster Nobelpreisträger dieser Sparte hält er bis heute.

Seine Werke „Kim“ und „Das Dschungelbuch“ gehören zu den Klassikern der Genre. Verschiedene Ehrungen, wie etwa die Erhebung in den Adelsstand, lehnte er ab. Kipling starb 1936 in London.

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Fabio Geda: Im Meer schwimmen Krokodile

Im Meer schwimmen Krokodile Book Cover
Im Meer schwimmen Krokodile Fabio Geda btb Verlag Seiten: 190 Taschenbuch ISBN: 978-3-570-40201-6

Inhalt:

Nachdem Enaiat von seiner Mutter aus Afghanistan geschmuggelt wurde, wacht er eines Morgens auf und ist allein. Er hat nichts als seine Erinnerungen und die drei Versprechen, die er ihr gegeben hat. Mit dem Ziel, ein besseres Leben zu finden, begibt Enaiat sich auf eine lange Reise Richtung Westen.

Er durchwandert die Länder des Ostens bis nach Europa, reist auf Lastwagen, arbeitet, schlägt sich durch, lernt das Leben von seiner grausamen Seite kennen.

Und trotzdem entdeckt er, was Glück ist… Fabio Geda erzählt die wahre Geschichte von Enaiatollah Akbari in einem zu Herzen gehenden Buch: Eine Geschichte, die uns den Glauben an das Gute zurückgibt. (Klappentext)

Rezension:

In Zeiten, wo die Flüchtlingsproblematik die Emotionen zum Kochen bringt, in der Diskussionen nicht mehr mit rationalen Argumenten geführt werden und Rechtspopulisten immer mehr Aufwind bekommen, sollten wir uns einmal die Geschichten hinter den Fernsehbildern in Erinnerung rufen.

Flüchtlinge, die wochen-, manchmal monatelang, nicht selten Jahre unterwegs sind, um Krieg, Verfolgung und Terror zu entfliehen. Nicht wenige davon im Kindes- und Jugendalter. Eine dieser Geschichten erzählt Fabio Geda, der den Bericht von Enaiatollah Akbari angenommen hat.

Dieser wurde von seiner Mutter aus dem von Krieg und Terror geplagten Afghanistan kurz vor den Terroranschlägen des 11. September außer Landes geschmuggelt. Von da an, auf sich selbst gestellt, beginnt er die gefährliche Reise nach Europa, trifft Menschen, die ihm aus unterschiedlichsten Gründen helfen und muss immer wieder Rückschläge verkraften.

Doch selbst in Europa ist nicht sicher, ob er bleiben darf oder wieder in seine Heimat, die gar keine ist, zurückkehren muss. Doch, Enaiatollah kämpft, wie er es schon von Kindesbeinen an kennt, für ein besseres Leben und eine sichere Zukunft. Es ist eines dieser Bücher, die es aus der Nische der Kinder- und Jugendliteratur hinein in den Bereich der Erwachsenen-Romane und damit zu größere Beachtung schaffen sollten.

Denn Fabio Gedas Roman liegt tatsächlich eher in der Kinder- und Jugendbuchecke aus, was einerseits gut ist, um Kinder an dieses sehr sensible Thema heranzuführen, andererseits schlecht, da man mehrheitlich das Gefühl haben kann, gerade die Erwachsenen sind es, die Aufklärung bedürfen.

Geda erzählt eindringlich die Geschichte eines der Flüchtlinge, die exemplarisch für alle stehen kann, die dieses Schicksal haben, ohne zu werten. Er lässt Akbari erzählen und so entstand eine wunderbare Geschichte über Hoffnung, Verzweiflung, Mut, Entschlossenheit und Durchhaltewillen gegen alle Widerstände.

Ohne Längen und in flüssigen Schreibstil, hier genügen wenige Seiten um ein eindrucksvolles Stück Geschichte zu beschreiben, ist mit „Im Meer schwimmen Krokodile“ ein kleines Juwel entstanden, was es in sich hat und zum Nachdenken anregt.

Zu versuchen, die Vorurteile einmal fallen zu lassen und sich wirklich den einzelnen Schicksalen anzunehmen, die Gründe nachzuvollziehen, warum jemand flüchtet und was das mit einem macht, sowie all jenen Respekt zu zollen, die wirklich helfen. Schließlich muss man nur den Umkehrschluss zumindest gedanklich zulassen, was wäre in einer umgekehrten Situation, wenn unsereins flüchten müsste. Wäre man da nicht auch dankbar für jede Hilfe?

Natürlich ist das Geschäft mit Schlepperbanden, auch von diesen Erfahrungen erzählen Akbari und Geda, zu verurteilen, aber auch dieses hat Ursachen und nicht ohne Grund greifen Menschen auch zu diesem Strohhalm, wenn es andere Hilfe nicht gibt.

Fabio Geda erzählt eine Geschichte voller Hoffnungen und Glück, Bangen und Warten, Mut und Verzweiflung, die man gelesen haben sollte. Wer dies tut, tut es sicherlich mit Gewinn. Hoffen wir, dass der echte Enaiatollah Akbari seinen Weg gehen wird. Der Leser wird darüber zumindest keine Zweifel haben.

Autor:

Fabio Geda wurde 1972 in Turin geboren und studierte nach der Schule Kommunikationswissenschaften. Danach arbeitete er als Lehrer und im sozialen Bereich, schrieb seinen ersten Roman, der 2014 ins Deutsche übersetzt wurde.

Sein zweiter Roman „Im Meer schwimmen Krokodile“ verhalf ihm zum internationalen Durchbruch. Die wahre Geschichte des Flüchtlings Enaiatollah Akbari wurde in 18 Ländern publiziert.

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Fredy Gareis: 100 Gramm Wodka

100 Gramm Wodka Book Cover
100 Gramm Wodka Fredy Gareis Rezensionsexemplar/Reisebericht Malik Seiten: 252 ISBN: 978-3-89029-457-5

Inhalt:

Was hat es mit dem geheimnisvollen Himbeersee auf sich, an dem Fredy gareis‘ Großmutter in einem Straflager war? Und wieso trägt seine Mutter den Geburtsort „Soda Kombinat“ im Pass? Als Kind von Russlanddeutschen wächst Fredy gareis mit vielen offenen Fragen auf.

Um endlich Antworten zu finden, macht er sich auf den Weg. Drei Monate fährt er quer durch Russland und versucht zu ergründen, was es mit diesem Land auf sich hat, von dem es heißt, dass man es nicht mit dem Verstand fassen kann, sondern nur mit dem Herzen. (Klappentext)

Rezension:

Blut ist dicker als Wasser und so macht sich der Journalist Fredy Gareis auf Spurensuche nach der Vergangenheit seiner Familie und fährt dabei Russland einmal quer durch. Mit nicht vertrauenswürdig aussehenden ausrangierten Militärfahrzeugen, russischen PKW oder auf Schienenspur der Transibirischen Eisenbahn.

Vorbei am Moskauer Vorort-Villenviertel, wo sich Politiker und Oligarchen die Klinke in die Hand geben oder auf die Straße des Todes. Mit Hilfe von Freunden und fernen Verwandten und Bekannten bringt er Stück für Stück Licht ins Dunkel seiner Vergangenheit, der Vergangenheit seiner Familie, die ihm seine Eltern und Großeltern nicht erklären konnten oder wollten.

Dabei entstand eine eindrückliche Momentaufnahme des vergangenen und des heutigen Russlands, in dem sich die Älterern ihrer Vergangenheit beraubt und einer unsicheren Zukunft ausgesetzt sehen und die Jungen gegen die zunehmende Einengung des putinschen Systems ankämpfen. Zumeist, in dem sie zwei Leben leben. Ein öffentliches und ein privates. Oder ins Ausland gehen.

Der Autor legt hier ein wunderschönes Länder-Portrait und eine berührende Familiengeschichte vor, wie sie vielleicht nicht wenige Russlanddeutsche haben und lässt dem Leser an seine Gefühlswelt wehrend der Reise teilhaben.

Ein ständiges Auf und Ab, Zweifel an der Reise, Entdeckungen, Seltsames und immer wieder die Geschichten der Menschen auch vor Ort. Wie sie leben, was sie denken. Und er zeigt, wie schnell der russische Staat alle „notwendigen“ Informationen zusammenhat, um über jeden der im Land lebt und durch das Land reist im Bilde zu sein.

Zwar ist dies nur ein kleiner Teil, eine Episode dieser Tour von Sankt Petersburg bis nach Magadan aber die Ereignisse reihen sich auf einer solchen Reise wie die Perlen einer Kette aneinander.

Der Schreibstil lässt einen ruhigen Lesefluss zu und nur den. Man hat den Eindruck als wolle der Autor den Leser bewusst an sein gemächliches Reisetempo anpassen, was aber eben schnell ermüdend sein kann.

Denn, nicht für jeden mag dessen Familiengeschichte interessant sein oder zumindest nicht alle Aspekte. So sind dann Längen vorhanden, die der Autor nicht verschuldet hat, da für ihn natürlich diese Reise und die Familiengeschichte eine ganz andere Bedeutung hat.

Kann man aber ganz gut und gerne mit 100 Gramm Wodka überprüfen. Denn, obwohl Alkoholismus im Riesenland ein Problem darstellt, heißt es, dass es sogar wohltuend ist, 100 ml Wodka täglich zu trinken. Wer mehr konsumiert ist ein Säufer.

Autor:

Fredy Gareis wurde 1975 in Alma-Ata geboren und ist in Rüsselsheim aufgewachsen. Nach Nebenjobs als Putzmann, Taxifahrer und Barkeeper stieg er in den Journalismus ein, nachdem er die Münchener Journalistenschule besucht hatte.

Als freier Reporter schrieb er für die Zeitung „Die Zeit“, den Tagesspiegel und war unterwegs für Deutschlandradio. Von 2010 bis 2012 berichtete er aus Israel und dem Nahen Osten.

Für seine Reportage „Ein Picasso in Palästina“ wurde er mit dem Journalistenpreis des Deutschen Kulturrats ausgezeichnet. Im Sommer 2015 machte er sich für eine Reportage auf der Suche nach Raubkunst (kunstjagd.de).

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