Freundschaft

Peter Balko: Zusammen sind wir unbesiegbar

Zusammen sind wir unbesiegbar Book Cover
Zusammen sind wir unbesiegbar Peter Balko Hanser/Zsolnay Verlag Erschienen am: 17.02.2020 Seiten: 157 ISBN: 978-3-552-05974-0 Übersetzerin: Zorka Ciklaminy

Inhalt:

Nichts kann sie auseinander-bringen, davon sind Leviathan und Kapia überzeugt. Bis eines Tages die Ereignisse rund um einen harmlosen Kuss ihre Freundschaft doch gefährden… Peter Balko erzählt unterhaltsam und sehr warmherzig die Geschichte von Tom Sawyer und Huckleberry Finn an der ungarisch-slowakischen Grenze. (Klappentext)

Rezension:

Eine Geschichte wie ein Knall und eine Erzählung, die ihre Leser fordert. So kommt Peter Balkos Kurzroman, gleichsam Novelle, “Zusammen sind wir unbesiegbar” daher, die kürzlich aus dem Slowakischen übersetzt wird.

Das Autorendebüt nimmt sich den Zusammenhalt, oder auch nicht, einer Kinderfreundschaft vor, die zumindest auf den ersten Blick ungewöhnlicher nicht sein könnte. Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an und gleichen sich zuweilen aus.

Eine Kleinstadt an der slowakischen ungarischen Grenze, lebendig durch die Beschreibung ihrer schrulligen Protagonisten, erlebt durch die zwei Hauptfiguren, die dies zu ihrem Kindheitsparadies machen. Erzähler ist der etwa achtjährige Leviathan, Anspielungen an die mysthische Figur aus antiker Zeit sind durchaus gewollt, der ungelenk und schüchtern seinen Platz in der Familie, der Klasse und seiner Umgebung sucht.

Sein Blick ist es, an dem die Leser sich heften und die Geschichte verfolgen werden, auch auf den gegensätzlichen Freund Kapia schauen, der grob, brutal, doch voller Phantasie und loyal gegenüber Leviathan ist. Beide schließen ob der Ereignisse um ihnen herum eine scheinbar unüberbrückbare Freundschaft.

Erzählt wird vom rauen und nicht einfachen Leben in einer Kleinstadt, in der jeder jeden kennt und die einzelnen Marotten ihrer Bewohner den Verlauf der Geschichte bestimmt. Schule, Kinderstreiche und -ängste bestimmen den Alltag, bei genauerer Sicht auch das Schicksal zerüttelter Familien und die Nachwirkungen der Zeit.

Die heilt, zumindest hier, nicht alle Wunden. Die erste Liebe wird ebenso thematisiert, wie der Tod, dies alles mit einem humorigen Blick, den der Autor behutsam einfließen lässt. Wie käme man sonst dazu, ein Meerschwein Ivan den Schrecklichen zu nennen?

Die Mischung wird nicht jedem liegen. Über Strecken ergeben sich Längen, die die Erzählung nicht schnell konsumieren lassen. Doch insgesamt funktioniert die Vielfalt gut, wenn Peter Balko auch gut daran getan hätte, hier und da zu kürzen, zu verdichten, an anderer Stelle widerum mehrere Seiten hinzuzufügen.

Das Ende der Geschichte geben Klappentext und die Namen der Protagonisten vor. Der Knall könnte kaum größer sein. Der Autor scheint überhaupt eine Vorliebe für scharfe Brüche zu haben. Hier passt es mal.

Wer schwierige flirrende Novellen nicht scheut, ist mit dieser Geschichte gut bedient. Für alle anderen braucht’s schon eine besondere Stimmung, sich diese Erzählung zu Gemüte zu führen, zumal der Autor sich nicht ganz einfacher Elemente seiner Biografie bedient. Als wäre alles andere nicht schon Stoff genug.

Autor:

Peter Balko wurde 1988 in Lucenec geboren und ist ein slowakischer Schriftsteller und Drehbuchautor. “Zusammen sind wir unbesiegbar”, ist sein Autorendebüt, für das er bereits zahlreiche Preise erworben hat. Sein Werk wurde 2020 erstmalig ins Deutsche übersetz

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Jasmin Schreiber: Marianengraben

Marianengraben Book Cover
Marianengraben Jasmin Schreiber eichborn Verlag Erschienen am: 28.02.2020 Seiten: 254 ISBN: 978-3-8479-0042-9

Inhalt:
Paula braucht nicht viel zum Leben: ihre Wohnung, ein bisschen Geld für Essen und ihren kleinen Bruder Tim, den sie mehr liebt als alles andere auf der Welt. Doch dann geschieht ein schrecklicher Unfall, der sie in eine tiefe Depression stürzt.

Erst die merkwürdige Begegnung mit Helmut, einem schrulligen alten Herrn, erweckt wieder einen Funken Lebenswillen in ihr. Und schließlich begibt Paula sich zusammen mit Helmut auf eine abenteuerliche Reise, die sie Beide zu sich selbst zurückbringt – auf die eine oder andere Weise. (Klappentext)

Rezension:
Es passiert eigentlich nicht viel im neuesten Roman von Jasmin Schreiber und doch eine ganze Menge, lesen so einen wunderbar schmerzhaften, bedrückenden und dennoch lebensbejahenden Roman. Wie das zusammenpasst? Zu Beginn steht die Trauer der Hauptprotagonistin, der ein Leser sofort in sein Herz schließen wird.

Die Studentin Paula hat vor ein paar Jahren ihren kleinen Bruder durch das Meer verloren und ist seit dem tief gefallen. Im übertragenen Sinne bis an den Grund des Marianengrabens, des tiefsten Punkt der Ozeane. Nur ist es hier Lethargie und Depression, unverarbeiteter Schmerz, der die Oberhand hat.

Aus ihrer Perspektive erlebt man nun einen Roadtrip und damit auch ein Auftauchen, beschwerliches Ankämpfen gegen die Schuldgefühle. Gegenpol bildet der zweite Hauptprotagonist. Helmut, ein älterer Herr, der ebenso eine Geschichte zu erzählen hat. Auf diese zwei Figuren ist die Geschichte reduziert. Völlig ausreichend ist das.

Feinfühlig beschreibt die Autorin diesen schmerzhaften Verarbeitungs-prozess. Gebannt wird man in die Geschichte eingesogen. Manch kalter Schauer wird einem bei diesen Zeilen über den Rücken laufen, nur um dann wieder grinsen, manchmal laut auflachen zu müssen.

Diese Kontraste zu schaffen, ist Jasmin Schreiber hervorragend gelungen. Dies lässt in der Geschichte die Protagonisten durchhalten, ebenso fordert dies die Leser dieses gelungen Werks.

Auf Trauer folgt Verarbeitung. Diesen Prozess begleiten die Leser, die nach und nach die Puzzleteile der Geschichten beider Protagonisten erfahren, wenn Paula und Helmut so langsam aus dem sprichwörtlichen Meer auftauchen. Interessant dazu auch die Titelüberschriften.

Jasmin Schreiber hat nicht nur ihr Biologie-Studium der Protagonistin „umgehängt“. Viel steckt von der Autorin in Paula. Jede Zeile so gemeint. Jede Zeile ehrlich.

Dies alles ist die große Stärke von „Marianengraben“. Definitiv ein Highlight für alle, die ihn lesen werden und eine Mahnung, Menschen mit Depression die Hand zu reichen, niemals allein zu lassen, im übertragenen und wörtlichen Sinne, schwimmen zu lernen.

Autorin:

Jasmin Schreiber wurde 1988 geboren und ist studierte Biologin, arbeitet als Kommunikationsexepertin und Autorin. 2018 wurde sie als Bloggerin des Jahres ausgezeichnet. Sie arbeitet ehrenamtlich als Sterbebegleiterin und Sternenkinder-Fotografin. Die Autorin lebt in Frankfurt/Main.

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Stefanie de Velasco: Kein Teil der Welt

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Titel: Kein Teil der Welt Stefanie de Velasco Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 10.10.2019 Seiten: 432 ISBN: 978-3-462-05043-1

Inhalt:
Vom Aufwachsen in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas.

Mit unwiderstehlicher Kraft führt uns Stefanie de Velascos aufrüttelnder Roman in eine Welt, die mitten in der unsrigen existiert und dennoch kein Teil von ihr ist. Klug, rasant und herzzerreißend erzählt er vom Emanzipationsprozess einer jungen Frau, der sämtliche Fundamente zum Einstürzen bringt. (Klappentext)

Rezension:
Unser Grundgesetz legt fest, dass ein Jeder glauben darf, woran er oder sie möchte, so lange man seinem Gegenüber nicht schadet. Dies ist ein Privileg, zumal es noch genug Orte auf der Welt gibt oder es in der Geschichte gab, an denen die jenigen verfolgt wurden, die von den Meinungen der Mehrheitsgesellschaft abweichen oder ganz und gar ihre eigenen Wege gehen.

Doch, was ist, wenn sich die Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft zu sehr abschotten und sich selbst schaden? Stefanie de Velasco erzählt die fiktive Geschichte zweier Mädchen innerhalb der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas.

Die Autorin, die selbst lange Zeit Mitglied der Zeugen Jehovas gewesen ist, erzählt nicht ihre oder eine andere klassische Aussteigergeschichte, sondern stellt dem Leser zwei klassische identifikationsfiguren an die Seite, deren Schicksal man von Zeile zu Zeile atemlos verfolgt.

Zum einen ist da das Mädchen, welches den Glauben mit einer Ernsthaftigkeit praktiziert, dass man als Leser nur den Kopf schütteln kann, dioe jedoch später nach ersten Zweifeln beginnt, zu hinterfragen. Die Erzählerin indes ist die andere Protagonistin, die einfach ihre Ruhe haben, keinen Wandel möchte, doch vom Zweifel ihrer Freundin mitgerissen wird.

Im Wechsel der Zeitebenen wird die Geschichte erzählt. Rückblenden und Gegenwartseindrücke gehen nahtlos ineinander über.

Das ist die Stärke des Romans und zugleich seine Schwäche. Zu Beginn weiß man nicht, wo diese Geschichte einem hinführen wird, welches Ziel die Protagonisten verfolgen. Auch das Lesetempo, welches die Autorin einfordert ist nicht gerade einladend.

Am Anfang fließt der Erzählstrom langsam, doch schon nach dem ersten Drittel wird klar, dass die Figuren sich in immer rasanteren Tempo dem Abgrund nähern. Dies widerum tut der Handlung gut, wenn auch im Mittelteil die Wendung zu abrupt kommt. Hier hätten fünfzig Seiten mehr der Geschichte gut getan.

Stefanie de Velasco erzählt eine nur in Ansätzen autobiografische Geschichte und doch eine, wie sie passieren könnte. Sie zeigt, wie wichtig es ist, auch auf die jenigen zu achten, die außerhalb unserer Gemeinschaft stehen, ohne erhobenen Zeigefinger natürlich, aber dennoch Hilfe anzubieten, wenn stille Zeichen dazu Anlass geben.

Die Autorin erzählt, dass es wichtig ist, auf diese Menschen einzugehen, gleich dem wie fremd die einstige Denkweise sein mag, aber auch wie wichtig es ist, größere Katastrophen zu verhindern, sind doch die Einschnitte ohnehin brutal genug.

Mit der Kraft des Erzählens zeigt “Kein Teil der Welt” jedoch auch, wie nah Freud und Leid beieinander liegen und das Freundschaft auch dann noch eine Wirkung hat, wenn diese längst vergangen ist. Und da sind dann die Protagonisten dann doch nicht so anders als die Welt um sie herum.

Einige Längen und ein allzu abrupter Wechsel im handlungsverlauf zum Trotz, zieht einem der Roman in seinem Bann, lässt einige Fragen offen und im Leser arbeiten. Das halboffene Ende passt dazu, insgesamt hätten der Erzählung ein paar Seiten mehr Ausführungen gut getan. Im Großen und Ganzen jedoch, lesenswert.

Autorin:
Stefanie de Velasco wurde 1978 geboren und ist eine deutsche Schriftstellerin. Aufgewachsen bei den Zeugen jehovas verließ sie die Religionsgemeinschaft im Alter von 15 Jahren. Nach der Schule studierte sie Europäische Ethnologie und Politikwissenschaft in Bonn, Berlin und Warschau.

Für das Berliner Stadtmagazin Zitty, die FAS und Zeit Online schreibt sie regelmäßig Beiträge. Im Jahr 2013 erschien ihr Debütroman “Tigermilch”, der verfilmt und zahlreich übersetzt wurde. Ein Jahr später wurde sie dafür für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. “Kein Teil der Welt”, ist ihr zweiter Roman.

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Dirk Kummer: Alles nur aus Zuckersand

Alles nur aus Zuckersand Book Cover
Alles nur aus Zuckersand Dirk Kummer Carlsen Erschienen am: 30.08.2019 Seiten: 139 ISBN: 978-3-551-55390-4

Inhalt:
Für Fred und seinen besten Freund Jonas ist jeder Tag ein Abenteuer. Am liebsten spielen sie in der verlassenen Fabrik, ganz in der Nähe der Grenze zu West-Berlin. Doch als bekannt wird, dass Jonas’ Mutter einen Ausreiseantrag gestellt hat, werden die beiden aus ihrem unbeschwerten Alltag gerissen.

Ab sofort dürfen sie sich nicht mehr treffen. Aber die Freunde haben einen Plan: Heimlich fangen sie an, einen Tunnel in den Brandenburger Sand zu graben. Auch wenn Jonas die DDR verlässt, werden sie sich wiedersehen. Ganz sicher. (Klappentext)

Rezension:
Das Leben könnte so einfach sein, wenn die Erwachsenen nicht immer so kompliziert wären. Und wenn dann noch die blöde Politik dazu kommt, ist alles aus. Was also tun? Auf diese Formel könnte man diesens Kleinod der jüngeren Kinderliteratur aus dem Carlsen-Verlag herunterbrechen, die von zwei Jungen erzählt, die um ihre Freundschaft kämpfen. Identifikationsfiguren sind Jonas und Ernst, beste Freunde, die alles zusammen unternehmen.

Man stromert durch die Gegend, auf den Schulhof und durchlebt einen wunderschönen Sommer, bis zu dem Tag, an den für Ernst die Welt zusammenbricht. Jonas’ Mutter hat doch tatsächlich einen Ausreiseantrag gestellt. Was das heißt, begreift Jonas sofort.

Nie wieder werden sie zusammen spielen können, denn Ende der 1970er Jahre ist die Welt noch in zwei Teile getrennt, durch Zäune, Mauern, Stacheldraht. Doch die beiden Freunde entwickeln einen Plan, man müsste nur einen Tunnel graben, dann könnte man sich treffen. In der zwischenzeit könnte man es ja per Telepathie versuchen, wie die Ureinwohner in Australien. Daran würden Ernst auch nicht seine systemtreuen Eltern oder die Sportschule hindern. Gesagt, getan.

Man beginnt zu graben. Unweit der Grenze, in einem verlassenen Fabrikgebäude. Doch, nicht nur der brandenburgische Sand bereit den beiden Jungen Probleme.

So viel zum Inhalt, der allen bekannt sein dürfte, die den Film “Zuckersand” 2017 im Fernsehen geschaut haben. Der Film war gut, die Schauspieler noch besser und so stellt man sich die Jungen gleich einmal bildlich vor, wie sie da fassungslos vor der Entscheidungsgewalt der Erwachsenen stehen und einer Politik, die sie noch niht verstehen.

Warum sollte man ausgerechnet ihnen die Freundschaft zueinander verbieten? Warum fallen nachts manchmal Schüsse an der Grenze und wie erhält man eine Freundschaft, die auseinander gerissen wird? Fragende Kinderaugen inklusive.

Dirk Kummer hat als Regisseur des Filmes gezeigt was er kann und dies in einer für gerade jüngere Kinder freundlicheren Variante abgewandelt nun zwischen zwei Buchdeckeln verpackt. Trotzdem oder gerade deswegen funktioniert dieser kleine Roman gerade für die Zielgruppe sehr gut, da hier Werte wie Freundschaft, Mut und Zusammenhalt dem gegenüber gestellt werden, was man durchaus als Erwachsenenverhalten bezeichnen kann, sich unbedingt zu einer Seite bekennen zu müssen. Erwachsene machen die Welt kompliziert. So einfach ist das.

Einfühlsam baut Dirk Kummer mit wenigen Sätzen, das Werk ist nicht sehr umfangreich, die Charaktere auf, die man sofort mag. Für Kinder bieten beide Jungen Identifikationsfiguren und so ganz nebenbei erklärt man ein aus Kinderaugen sicherlich unverständliches Stück Geschichte. Dicht ist der Schreibstil, temporeich die Erzählweise, auch wenn Ernsts Gedanken mal wieder zu den Aborigines nach Australien reisen.

Dort kann Jonas ja bald sein, er selbst müsste entweder Reisekader des Olympiateams werden oder später Rentner. Interessenten sei empfohlen, jedoch nicht so lange zu warten. Ihr solltet das Buch gleich lesen. Vielleicht nachdem ihr den Film gesehen habt. Aufgrund der Erarbeitung des Stoffes funktioniert das auch.

Autor:
Dirk Kummer wurde 1966 geboren und ist ein deutscher Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler. Nach Kindheit und Jugend in Falkensee und Ost-Berlin, spielte Kummer als 13-jähriger in seiner ersten Fernsehrolle und leistete nach seinem Abitur drei Jahre Wehrdienst bei den Grenztruppen. Danach studierte er Darstellende Kunst.

1992 ging er in die Schweiz, arbeitete ab 1993 nur noch sporadisch als Schauspieler, hauptsächlich als Regie-Assistent und erhielt 2002 ein Autorenstipendium der Drehbuchwerkstatt Nürnberg und des Bayerischen Rundfunks. Ein Jahr später arbeitete er fast ausschließlich asl Drehbuchautor und Regisseur. Sein Film “Zuckersand” erhielt 2017 u.a. den 3sat-Zuschauerpreis und 2018 den Grimme-Preis.

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Fabio Genovesi: Wo man im Meer nicht mehr stehen kann

Wo man im Meer nicht mehr stehen kann Book Cover
Wo man im Meer nicht mehr stehen kann Autor: Fabio Genovesi C. Bertelsmann Verlag Erschienen am: 13.05.2019 ISBN: 978-3-570-10349-4 Übersetzerin: Mirjam Bitter

Inhalt:
Der sechsjährige Fabio ist der Mittelpunkt einer exzentrischen Großfamilie in der Toskana. Als Liebling seiner “zehn Großväter” – der schrulligen unverheirateten Brüdern seines Opas – wird er zu den kuriosesten Unternehmungen mitgenommen, die selten kindgerecht, aber dafür unvergesslich sind.

Dies wappnet den Jungen für die Abenteuer und Gefahren, mit denen er beim Heranwachsen zu kämpfen hat. Denn eine Lebensweisheit hat Fabio früh erkannt: Schwimmen lernt man nur dort, wo man im Meer nicht mehr stehen kann. (Klappentext)

Rezension:
Familie und andere Katastrophen. Ungefähr so könnte der Untertitel dieses großen Romans lauten, in dem Fabio Genovesi sein jüngeres Ich die Welt entdecken lässt. Aufgewachsen ist der Autor inmitten einer schrulligen Großfamilie, genauer gesagt, den Brüdern seines bereits früh verstorbenen Großvaters.

Getrieben von der Angst, dass ihm mit dem vierzigsten Lebensjahr der berüchtigte Familienfluch befällt, entdeckt er die Welt um sich herum, die sich anfangs nur auf den Straßenzug, den ausschließlich seine Familie bewohnt, später auf das Dorf und die Umgebung erstreckt. Alleine, zusammen mit seinen Eltern und noch viel mehr mit den zehn Großvätern, die Fabio unter sich per Wochenplan herumreichen. Ausgang, einer mehr als turbulenten Kindheit.

Der Leser begleitet den zu Beginn im Vorschulalter befindlichen Ich-Erzähler bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr durch die Höhen und Tiefen des Heranwachsens. Genovesis Stärke ist es hier, die genaue Beobachtungsgabe des Kindes herauszustellen und diese den gesamten Roman tragen zu lassen.

Die anderen Protagonisten sind mehr oder weniger unwichtig, bleiben an manchen Stellen zu schwach gezeichnet, was eine Wohltat in dem Sinne ist, da besonders die antreibenden Großväter ein gewisses Nervpotenzial haben. Macht nichts, vieles macht der Sprachwitz wieder wett.

Formulierungen wie phantastische Titelüberschriften, wie “Die Regenwürmer des heiligen Fabio”, machen diesen Roman zu einem kleinen Juwel und so mag man sich an seine eigene Kindheit erinnern oder an Familiengeschichten, die als Anekdoten immer wieder erzählt werden und längst ein Eigenleben entwickelt haben.

Zwar kann auch Genovesi mit dem großen Knall einer Familientragödie aufwarten, doch tut er dies behutsam und lässt sein Vergangenheits-Ich daran wachsen. Erzählt werden die Bande unserer engsten Vertrauten, aber auch die Entdeckung zur Liebe der Literatur und das ist vielleicht auch einer der schönen Aspekte dieses Romans. Wobei Fabio Genovesi mit vielen ganz wunderbaren Momenten aufwarten kann.

Dieser Roman erzählt von Liebe und Hoffnung, Ängsten und Mut, Zuversicht und Scheitern, Freundschaft und Familie. Einfach eine liebevolle Geschichte.

Autor:
Fabio Genovesi wurde 1974 in Italien geboren und hat schon als Bademeister, Radsporttrainer und Kellner gearbeitet, bevor er als Übersetzer tätig wurde. Heute schreibt er Drehbücher und Romane und wurde mit dem “Premio Viareggio” ausgezeichnet. Er lebt in Forte dei Marmi.

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Sy Montgomery: Einfach Mensch sein

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Einfach Mensch sein Sy Montgomery Erschienen am: 20.03.2019 Diogenes Seiten: 207 ISBN: 978-3-257-07064-4 Übersetzerin: Heide Sommer

Inhalt:

Machen uns Tiere zu besseren Menschen? Vertrauen, Instinkt und Gespür: Im Einssein mit der Natur finden wir unsere Lebendigkeit wieder. Im Beisein der Tiere wachsen wir manchmal über uns selbst hinaus. Ein Weisheitsbuch für unsere Zeit mit vielen Illustrationen und einem Nachwort von Donna Leon. (Klappentext)

Rezension:

In wie weit verändern uns zufällige Begegnungen mit Tieren? Welchen Einfluss nehmen Haus- und Nutztiere auf unser Leben? Viel ist schon darüber geschrieben worden. Ganze Aufsätze gibt es etwa über die Domestikation des Wolfes, woraus die verschiedenen Haushunde entstanden, die Unabhängigkeit der Katze, die den Mensch als “Dosenöffner” duldet oder etwa in der Landwirtschaft der Nutzen von Schweinen und Kühen, der sich für viele in die Anzahl von Litern Milch bzw. Kilogramm Schwein fassen lässt.

Doch, was machen Tier mit unserer Psyche? Welchen Einfluss nehmen sie auf unser Wohlbefinden und was können wir von ihnen lernen? Die Autorin und Naturforscherin Sy Montgomery nimmt uns mit, auf eine erstaunliche Reise.

Nach dem durchschlagenden Erfolg ihres Bestsellers “Rendezvouz mit einem Oktopus” erweitert die Schriftstellerin das Spektrum und wirft einen Blick auf verschiedene Tierarten. zwar ist ein achtarmiges Exemplar auch wieder dabei, doch geht es diesmal auch um schräge Vögel, einem Schwein und eigensinnigen Hunden. Montgomery schaut zurück auf diese Begegnungen und erklärt an der Wirkung auf sie selbst den Einfluss unserer tierischen Begleiter.

Kapitelweise widmet sie sich einer Bekanntschaft nmit einem Tier, nicht selten auch ein Wegbegleiter und zeigt nebenbei, wie man auch Lebensabschnitte in solche Portionen einteilen. Nach dem Haustier in der Kindheit etwa oder der schönsten Spinne Clarabelle.

Kurzweilig und melancholisch schildert sie ihr Leben mit und neben Tieren, zeigt, dass wir an ihnen wachsen, ebenso unserem eigenen Leben einen Sinn geben können. Ein jeder Haustierbesitzer kann das bestätigen. Fast literarisch mutet ihr Sachbuch an, schöne Umschreibungen, wie man sie selten in solchen Werken findet. Hier ist die Autorin unglaublich stark.

Genau da jedoch beginnt auch ihre große Schwäche, die sich schon in “Rendezvouz mit einem Oktopus” allzu deutlich gezeigt hat. Natürlich sind manche Begegnungen mit Tieren sehr emotional, können uns aus der Bahn werfen und ausbremsen, doch Verklärungen, wie es einer Naturkennerin wie Montgomery nicht passieren darf; gut, lassen wir mal haustiere außen vor, aber selbst dann; hier jedoch zu oft geschehen, sind fehl am Platz. Ein Tier ist schließlich immer noch ein Tier.

Das ist Kritik auf hohem Niveau, zumal sich die Autorin immer wieder fängt und nochmals die Kurve bekommt. Dieses Werk, am ehesten ein literarisches Sachbuch, macht neugierig sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung. Wie würde wohl ein Roman der Schriftstellerin Montgomery über ihre Tierbegegnungen sich lesen oder ein reines Sachbuch der Wissenschaftlerin?

Der Perspektivwechsel würde sich interessant machen. Bis dahin bleibt nur, entweder das Buch zu lesen oder das eigene Haustier (und andere Tiere) mit anderen Augen zu betrachten. Und vielleicht lernen wir dabei noch etwas anderes? Zum Beispiel, einfach Mensch zu sein.

Autorin:

Sy Montgomery wurde 1958 in Frankfurt/Main geboren und ist eine Naturforscherin, Schriftstellerin und Drehbuchautorin. 1979 schloss sie ihr Studium an der Syracuse University in den Fächern Journalismus, Französisch und Literatur ab, sowie in Psychologie. Ihr wurden zwei Ehrendoktortitel verlieren.

Ihre Bücher, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, wurden für verschiedene Preise nominiert, u,.a. den National Book Award im Bereich Sachbuch. Sie schreibt Drehbücher u.a. für National Geographic TV und beteiligt sich an wissenschaftlichen Studien und Expeditionen im Bereich der Naturforschung.

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Nicoletta Giampietro: Niemand weiß, dass du hier bist

Niemand weiß, dass du hier bist Book Cover
Niemand weiß, dass du hier bist Nicoletta Giampietro Piper Erschienen am: 01.03.2019 Seiten: 416 ISBN: 978-3-492-05918-3

Inhalt:

Der zwölfjährige Lorenzo soll bei seiner Tante in Siena unterkommen, bis der Krieg vorüber ist. Die Toskana gilt als sicher. Mit seinem neuen Freund Franco träumt Lorenzo vom glorreichen Triumph des faschistischen Italiens. Doch die Begegnung mit Daniele bringt seine Überzeugungen ins Wanken. Daniele ist Jude. Als die Stadt schließlich von den Deutschen besetzt wird, schweben er und seine Eltern in großer Gefahr. Und Lorenzo trifft eine folgenreiche Entscheidung. (Klappentext)

Rezension:

Es gibt Romane, deren Geschichten verschwinden, sobald man den Buchdeckel zugeklappt hat und andere, die bleiben und nachwirken. Zur letzteren Sorte gehört “Niemand weiß, dass du hier bist” von Nicoletta Giampietro. Das Debüt der italienischen Autorin erzählt die Geschichte des kleinen Lorenzo, der vor den Kriegswirren des Zweiten Weltkrieges in Afrika ins vermeintlich sichere Italien zu Verwandten gebracht wird und dort mit seinem neuen Freund Franco vom Siegeszug des Faschismus träumt.

Zunächst ist alles noch aufregend, auch wenn erste Anzeichen von der Grausamkeit und Bedingungslosigkeit auch den Kinderaugen des Zwölfjährigen nicht entgehen. Jüdische Mitschüler verschwinden aus dem Unterricht, immer schwieriger wird es, an Lebensmittel zu kommen, die Tante eckt mit allzu freier Meinungsäußerung an.

Im Szenario einer Kleinstadt, Siena, in der Toskana konzentrieren sich die Auswirkungen des Krieges. Viel packt die Autorin hinein. An historischen Gegebenheiten orierentierent, an realen Personen nur leicht angelehnt, hat sie einen Aufarbeitungsversuch eines Stückes italienischer Geschichte geschaffen, der fasst zu vergessen werden drohte.

Zunächst die Protagonisten, in deren Zentrum der anfangs zwölfjährige Lorenzo steht. Aufgewachsen in Tripolis, ist er der wache Charakter, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Zugleich außenstehender Beobachter und Beteiligter trägt der Protagonist die Geschichte.

Detailliert zeigt die Autorin den Zwiespalt auf, in dem Lorenzo sich befindet, vor allem in den gegensätzlichen Freundschaften, einerseits zum gleichaltrigen Franco, dessen Familie vom Faschismus profitiert, er selbst ist ganz der Ideologie verfallen, andererseits im späteren Verlauf zu Daniele, der nur knapp dem Unheil der Deportation entgeht. Beide Freundschaften bringen Lorenzo, auf die eine oder andere Art und Weise, in Gefahr.

Immer wieder fallen dabei bezeichnende Sätze, wie dieser:

Ich war an einem sicheren Ort gebracht und zurückgelassen worden. Aber Kriege sind unberechenbar. Und sichere Orte auch.

Nicoletta Giampietro: Niemand weiß, dass du hier bist

Die Geschichte entfaltet eine Sogwirkung, zunächst nur leicht, mit zunehmender Seitenzahl immer stärker, der man sich nicht entziehen kann. Dazu trägt ein kontinuierlicher Spannungsbogen bei und die Tatsache, dass die Autorin möglichst viele Themen gezielt untergebracht hat.

Zwar nur haarscharf an der Überfrachtung vorbei, sind auch die Nebenfiguren so detailliert gezeichnet, dass sie fassbar werden, allen voran Figuren wie Matteo oder Zia Chiara, die durchaus zur Identifikation taugen. Lorenzo steht irgendwo dazwischen. Auch thematisch macht es Giampietro ihren Lesern nicht leicht. Geschont wird niemand.

Es werden die Auswirkungen des Krieges auf den Alltag, das Denken und Handeln der Partisanen, der Mitläufer und der Täter behandelt, aber auch dort immer wieder gezeigt, dass jede Geschichte zwei seiten hat, eine großer Stärke des Romans, unterstützt durch sprachlich wunderbare Bilder.

… fast verschmolzen mit der Wand, zitternd wie ein Pappelblatt im Wind, schmutzig und mit riesigen, angsterfüllten Augen, …

Nicoletta Giampietro: Niemand weiß, dass du hier bist

Geschichtliche Aufarbeitung kennen wir von deutscher, niederländischer oder von polnischer Seite, dieser Roman zeigt einen Versuch etwas Unfassbares fassbar zu machen aus italienischer Sicht. So gelungen, habe ich selten etwas gelesen und kann diesen Roman nur jeden Interessierten ans Herz legen.

In klarer verständlicher Sprache und nicht allzu langen Kapiteln verfolgt die Autorin das Handeln ihres Protgonisten über mehrere Jahre, in denen Lorenzo einen Prozess des zu schnellen Erwachsenwerdens durchmachen muss. Leben, damit der andere überlebt, dabei einen klareren Blick bekommen. Vielleicht kann man es so zusammenfassen?

Emotional, nicht kitschig, beschreibt die Autorin Lorenzos Weg und zeigt im Nachwort auf, welchen realen Gegebenheiten einzelne Elemente der Handlung und Beschreibungen entlehnt sind. Gerade dies macht “Niemand weiß, dass du da bist” zu einem unglaublich starken Roman, dessen Geschichte sich so oder ähnlich tatsächlich hätte abspielen können. Manche Szenen sind der Realität entlehnt.

Wer diesen Roman liest, wird dies mit zunehmend offenen Mund tun und viel Stoff zum Nachdenken bekommen. Eine Geschichte mit Nachhall, die ihres Gleichen sucht, gegen das Vergessen und für das Erinnern. Eine unbedingte Empfehlung.

Autorin:

Nicoletta Giampietro wurde 1960 in Mailand geboren und wuchs in einer italienisch-französischen Familie auf. Sie studierte nach der Schule Politikwissenschaften und geschichte in Mailand und Tübingen, zog 1986 nach Deutschland. Seit 1995 lebt sie in mainz, nach Stationen in Köln und Rotterdam. Sie spricht mehrere Sprachen. “Niemand weiß, dass du hier bist” ist ihr erster Roman.

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Stephan Lohse: Ein fauler Gott

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Ein fauler Gott Stephan Lohse Suhrkamp Erschienen am: 06.03.2017 Seiten: 330 ISBN: 978-3-518-42587-0

Inhalt:

Sommer 1972. Benjamin ist vor einigen Wochen elf geworden. Im nächsten Schuljahr wird er ein Herrenrad bekommen, eine Freundin und vielleicht eine tiefe Stimme. Doch dann stirbt sein kleiner Bruder Jonas. Nachts sitzt Bens Mutter auf einer Heizdecke und weint.

Ben kommt nun extra pünktlich nach Hause, er spielt ihr auf der C-Flöte vor und unterhält sich mit ihr über den Archaeopteryx. An Jonas denkt er immer seltener. Ben hat mit dem Leben zu tun, er muss für das Fußballtor wachsen, sein bester Freund erklärt ihm die Eierstöcke, und sein erster Kuss schmeckt nach Regenwurm. Mit seiner neuen Armbanduhr berechnet er die Zeit. (Umschlagtext)

Rezension:

Ben ist ein ganz normaler Junge mit den üblichen vorpubertären Problemen. Nicht der beliebteste Junge der Klasse, aber eben auch nicht der unbeliebteste, freundet er sich mit den neuen Mitschüler, den Sohn der neuen Französischlehrerin an, und wandelt mit seinen Klassenkameraden durch die Tage.

Mit einem alten Herren in der Nachbarschaft freunden er und sein kleiner Bruder sich an, und auch sonst ist das Leben in Ordnung, er, sein Bruder und seine alleinerziehende Mutter. Doch, nach einem Schwimmbadunfall, verstirbt Jonas und die heile Welt gerät aus den Fugen. Nichts ist so, wie es mal war. Dennoch geht das Leben weiter. Ben ist plötzlich Einzelkind.

Er und seine Mutter müssen das Trauern lernen.

Es ist ein an vielen Stellen nachdenklicher Roman, den uns Stephan Lohse hier vorsetzt, der gespickt mit der tragischen Komik des Beginns der Pubertät, trotzdem zum einen oder anderen Lacher führt.

Natürlich ist der Tod Dreh- und Angelpunkt, die Botschaft Lohses ist jedoch eine andere. Das Leben geht weiter, auch mit positiven Momenten, die nicht aufhören und trotzdem ist es erlaubt, ja wichtig, zu trauern.

Der Autor beschreibt wunderbare Alltagsmomente, die zwar hier in der Zeit der 1970er Jahre angelegt sind, ansonsten in jedem Jahrzehnt hätten statfinden können, und so nachvollziehbar für auch jüngere Leser werden können.

So liegt das Buch zumeist bei den Erwachsenenbüchern in den Buchhandlungen aus, hat aber durchaus auch eine Berechtigung im Jugendbuchbereich. Schließlich sind Tod und Krankheit etwa, aber eben auch das Leben, wichtige Themen, mit denen man sich schon sehr früh ernsthaft auseinandersetzt.

Stephan Lohse tut dies in kurzweiligen Kapiteln, in denen sich die Erzählperspektive zwischen den zwei Hauptprotagonisten Mutter und Sohn ständig abwechselt, in klarer und einfacher Sprache, die zu vielen witzigen Momenten führt. So ist es von der dänischen Königin bis zur Kommunistin oft nur eine Seitenlänge, herrlich die Beschreibungen von kuriosen Situationen, in denen wortwörtlich alles in Butter ist, oder eben auch nicht.

Die Stärke des Romans liegt in den stillen Momenten, wenn die Figuren um sich selbst kreisen und versuchen, mit der Trauer um den Verlust umzugehen. Nach und nach finden die Protagonisten, zumindest die beiden hauptfiguren sehr tief ausgestaltet, wieder ins normale Leben zurück.

So ist dieses Werk ein positiver, trauriger, aber vor allem schöner Roman über den Tod und das Leben, welcher sich zu lesen lohnt. Eine klare Empfehlung.

Autor:

Stephan Lohse wurde 1964 in Hamburg geboren und studierte am Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Er war am Thalia Theater Hamburg tätig, an der Schaubühne Berlin und im Schauspielhaus Wien. 2017 erschien mit “Ein fauler Gott” sein Debütroman. Der Autor lebt in Berlin.

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Stephen Davies: Titanic – 24 Stunden bis zum Untergang

Titanic - 24 Stunden bis zum Untergang Book Cover
Titanic – 24 Stunden bis zum Untergang Stephen Davies Aladin Verlag Erschienen am: 28.02.2018 Seiten: 128 ISBN: 978-3-8489-2103-4

Inhalt:

Die Titanic sticht in See – und Jimmy und Omar sind mit an Bord. Die beiden erkunden den Ozeanriesen bis in den letzten Winkel, schleichen sich zu Mitternachtspartys, entdecken Drachenblut im Frachtraum und dringen sogar bis in den Gymnastikraum der 1. Klasse vor. Für sie ist das Schiff wie ein großer Freizeitpark. Doch als es einen Eisberg rammt, wird der Traum zum Albtraum: Es gibt nur 20 Rettungsboote – nicht annähernd genug für 2228 Passagiere. (Klappentext)

Rezension:

Anfang des 20. Jahrhunderts ist der Glaube an den Fortschritt, an die Technik und der Bezwingbarkeit der Natur noch ungebrochen, als das damals größte Passagierschiff der Welt in See sticht. Ziel Amerika, Sehnsuchtsort für unzählige Menschen, die ihr Glück in der Neuen Welt versuchen und die Trostlosigkeit, vor allem Armut, ihrer alten Heimat hinter sich lassen wollen.

Nicht ahnend, dass der Traum für nicht wenige nach ein paar Tagen zur tödlichen Falle werden würde.

Stephen Davies erzählt, grafisch schon aufbereitet durch Torben Kuhlmann, die Geschichte zweier Jungen, die es so tatsächlich an Bord der Titanic gegeben haben könnte. Zunächst erscheint für die beiden Protagonisten alles wie ein einzig großes Abenteuer.

Zusammen schleichen sich Omar und Jimmy, die sich zu Beginn finden und schnell anfreunden, wie es Kinder in dem Alter eben tun, des Nachts aus ihren Kabinen und erkunden dieses technische Wunderwerk. Sie schleichen sich durch Mannschafts- und Frachträume, einmal bis zum großen imposanten Treppenaufgang der Ersten Klasse und kommen aus den Staunen nicht mehr heraus.

Immer auf der Hut, von den Erwachsenen, insbesondere den Mannschaftspersonal, nicht erwischt zu werden. Dabei machen sie interessante Entdeckungen, wie sie nur 10- bis 12-jährige Jungen berauschend finden, die von solch einem Luxus, beide sind Passagiere der Dritten Klasse, nur träumen dürfen.

Sie begegnen imposanten John Jacob Astor, damals einer der reichsten Männer der Welt und Kapitän Edward Smith. Plötzlich jedoch, befinden sich Jimmy und Omar inmitten einer Katastrophe. Jetzt zählt nur noch, einen der raren Plätze in den Rettungsbooten zu bekommen. Doch, die Familien beider schlafen nichts ahnend in ihren Kabinen.

Kinderbücher können spannend sein und dabei Interessen wecken, wahre Begebenheiten verständlich und fassbar rüberbringen. Genau da tut Stephen Davies, der Jimmy, seinen Hauptprotagonisten aus der Ich-Perspektive erzählen lässt, dabei die Grausamkeit, Absurdität der Ereignisse und die menschlichen Qualen nicht verschweigt, aber für das Zielpublikum altersgerecht verpackt.

Aufgelockert mit Zeichnungen erschließt sich so ein historisches Ereignis, welches für Friedenszeiten eine der größten menschlichen Katastrophen werden sollte, deren Blickwinkel auf Technik und menschliches Beherrschungsvermögen über die Naturgewalten für immer verändert werden sollten.

Für technikinteressierte Kinder und denen, die kleine kompakt aber kurzweilige Geschichten mögen, ist dieser kleine Roman ideal. Davies orientiert sich sehr an verbürgte Ereignisse des Untergangs, die wege der Jungen waren so möglich und auch das im Klappentext erwähnte Drachenblut gab es tatsächlich. was es allerdings damit auf sich hat, muss man schon selbst nachlesen.

Davies verschönt nichts, gibt der Geschichte aber bereits zu Beginn eine sinnvolle Richtung, die nicht verschreckt und zudem Eigenschaften wie Mut, Freundschaft und Zusammenhalt als Grundstock nimmt. Natürlich, für Erwachsene ist vorhersehbar, wie es für speziell Omar und Jimmy ausgeht, dennoch für diese Altersgruppe eine spannende Geschichte, die Lust darauf macht, mehr erfahren zu wollen und einlädt, zu recherchieren. Bitte mehr von dieser Sorte ganz wunderbarer Kinderbücher.

Autor:

Stephen Davies wurde 1976 geboren und ist ein britischer Kinderbuchautor. Er lebte von 2001 bis 2014 in Burkina Faso. Davies arbeitete schon als Erntehelfer, Missionär, Englisch-Lehrer, schrieb Reiseberichte für verschiedene Zeitungen, bevor er 2006 sein erstes Kinderbuch veröffentlichte. Seine Reiseberichte und Kinderbücher wurden mehrfach ausgezeichnet. Der Autor lebt mit seiner Familie in London.

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Paul Auster: Das rote Notizbuch

Das rote Notizbuch Book Cover
Das rote Notizbuch Paul Auster Rezensionsexemplar/Essays Rowohlt Hardcover Seiten: 108 ISBN: 978-3-498-07402-9

Inhalt:
Wie wirkt der Zufall auf unser Leben und was steckt hinter dieser seltsamen Macht? Diese Fragen durchziehen Austers gesamte Werke. In dieser Ausgabe versammelt der Autor all die Zufälle, die sein Leben prägten und in die entscheidende Richtung lenkten.

In einem roten Notizbuch hat Auster all die seltsamen und unergründlichen Ereignisse festgehalten, die man der schriftstellerischen Phantasie zuschreiben möchte, die sich jedoch tatsächlich zugetragen haben. Kntstanden ist eine Sammlung feinsinniger und kurzer Erzählung, erstmals vollständig versammelt. (Klappentext)

Rezension:
Es ist bezeichnend, wenn Autoren auf mehreren hundert Seiten großartige Geschichten lebendig werden lassen können, aber ebenso bewundernswert, wenn dies mit wenigen Zeilen gelingt. Paul Auster, einer der großen amerikanischen Gegenwartsliteraten, gelingt beides.

Sein Werk “4 3 2 1” schlug dies- und jenseits des großen Teiches ein wie eine Bombe, ein vom Umfang her überschaubareres Werk wird es ebenso tun. Paul Auster veröffentlichte bereits in den 1990er Jahren Teile seines Notizbuches in der er all die Alltäglichkeiten, die Besonderheiten des Erlebten, die Zufälle schriftstellerisch festhielt, um diese zu ergründen. Nun liegt dieses kleine, dennoch nicht geringe Werk erstmals vollständig vor.

Feinsinnig erzählt Auster, wie sich seine Wege, die seiner Familie, mit anderen Menschen kreuzten, wie der Zufall bestimmte, wen der Autor zu seinen Freunden zählen würde, wen Auster aus den Augen verlieren und später wieder begegnen sollte.

Fasziniert vom Zufall und der Kunst vom Schicksal, welches das Leben bestimmt und dennoch immer wieder zu den Schriftsteller führt, der Auster ist. Bestseller-Autor, Romancier, Lyriker. Schreibkünstler, wie kaum ein Zweiter. Kurz und prägnant sind die Texte, niemals überladen, und keinesfalls überflüssig.

Sie öffnen den Zugang zum Schriftsteller. Der Leser wird eingesogen und ist versucht, selbst nach den Zufällen seines Lebens zu suchen, die Eckpunkte und Meilensteine zu bestimmen, die man aufgenommen oder beiseite gelassen hat, die das Leben in gute und weniger gute Abschnitte bisher geteilt haben.
Die Kraft des Zufalls ist faszinierend, gut und böse zugleich, doch immer Dreh- und Angelpunkt.

Der verbrannte Zwiebelkuchen, dessen Geschmack alles andere übertüncht, das Haus, in dem die Familie zeitweilig in der Nachbarschaft zu einem anderen weltberühmten Autoren gelebt hat, der reflexhafte Griff, der Leben rettet, dem Retter auf ewig im Bewusstsein eingebrannt, der Geretteten nur eine weitere sekundenlange Episode in ihrem Leben. Sie alle und noch viele mehr sind hier versammelt.

Kurzweilige unterhaltende Literatur, die zum Nachdenken anregt, wenn man das möchte. Ansonsten zählt nur Ersteres, was genügt, um die Texte Austers zu würdigen.

In flüssiger, niemals komplizierter Schreibweise, vom Ausdruck gar nicht zu reden, ist dieses nun vollständige Notizbuch zwar nicht mehr vom Cover her rot, jedoch ein Must-have für Liebhaber moderner amerikanischer Literatur, und auch sonst ein herausragendes Stück Textarbeit. Sehr lesenswert.

Autor:
Paul Auster wurde 1949 in Newark, New Jersey, geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Nach der Schule studierte er Anglistik und vergleichende Literaturwissenschaften an der Columbia University, arbeitete zunächst in Frankreich, später dann u.a. als Telefonist für die New York Times.

Weltbekannt wurde er durch seine New York-Trilogie, eine Reihe experimenteller Kriminalromane. Auster verfasste jedoch auch zahlreiche Essays und Gedichte, fertigte zudem Übersetzungen an. Im Jahr 2017 erschien sein Bestseller “4 3 2 1”.
Der Autor ist Verfasser mehrerer Drehbücher und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, wie die Ehrendoktorwürde der Universität Kopenhagen und den NEA Fellowship für Poesie.

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