Leben

Jesus Carrasco: Die Flucht

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Die Flucht Jesus Carrasco Klett-Cotta Erschienen: 2013 Seiten: 208 ISBN: 978-3-608-98001-1 Übersetzerin: Petra Strien

Inhalt:

Ein Junge flieht. Die Schreie seiner Jäger verfolgen ihn. Tagsüber kauert er in einem staubigen Versteck. Nachts kämpft er sich in der Dunkelheit vor und sucht in vertrockneten Brunnen nach Wasser. Vor ihm liegt nichts als die ausgebrannte Ebene, eine Welt unerbittlicher Hitze und Gesetzlosigkeit. Und es gibt kein Zurück. (Klappentext)

Rezension:

Unter der sengenden Sonne Spaniens, die die ebene Landschaft unter sich ausdürrt, begegnet der Leser einem Jungen auf der Flucht. Genauer gesagt, in seinem Versteck, in dessen Nähe seine Häscher ihn suchen. Das Alter des Kindes nicht näher bestimmt, der Protagonist nicht namentlich betitelt, erwacht sofort der Beschützerinstinkt, ohne zu wissen, was dem Jungen vorab widerfahren ist.

Darüber lässt der Autor die Leser lange Zeit im Unklaren, wie so vieles erst einmal im Nebel verborgen bleibt. Das ist die Ausgangslage von Carrascos Geschichte, die auf’s Wesentliche reduziert, ihre Leser vollkommen in den Bann zieht. Die Protagonisten sind unbarmherzig gegen sich selbst, alleine dem kleinen Jungen und der sich ihn annehmende Ziegenhirte gewinnen im Laufe der Geschichte an Farbe und Sympathie.

Die anderen haben sie schlichtweg auch nicht verdient, wie sich mit zunehmender Seitenzahl herausstellt. Immer mehr wird der Leser davon ergriffen, den Hintergrund des Leidens des Jungen aufzuspüren und sich auf eine Reise zu begeben, die den Knirps an seine psychischen und physischen Grenzen bringen wird.

Immer wieder der drohenden Gefahr ausgesetzt, doch noch in die Hände seiner Verfolger zu fallen.

Es ist eine unglaublich schnell zu lesende, trotz des Themas, Geschichte, die sofort faszinierrt. Der Schreibstil, auf Wesentliches reduziert, ohne Schnirkel genügt, um völlig in die Gedankenwelt des kindlichen Protagonisten einzutauchen, sich seiner anzunehmen.

Mehr braucht es hier nicht, mehr möchte man auch nicht, leidet und dürstet mit dem Jungen und fragt sich, ob man wohl selbst diesen Kampf ums Überleben bestehen würde.

Angelegt ist die Erzählung in einem nicht näher bestimmten Zeitraum, doch ist zu vermuten, aufgrund der Schilderungen einiger Begebenheiten (etwa: Massengrab), dass es sich entweder um die Zeit des Spanischen Bürgerkrieges oder der Diktatur Francos handelt, gleichwohl könnte die Geschichte praktisch überall im südlichen Europa angesiedelt sein.

Die Geschichte geht einem ans Herz, wobei sich die geschilderte Gewalt in Grenzen hält. Alleine, die Gedanken zwischen den Zeilen, wenn man ein wenig mehr der Vergangenheit des Jungen zu spüren bekommt, gehen schon genug nahe.

Beeindruckend ohne zu viel oder zu wenig zu erzählen, geht Jesus Carrasco voran und nimmkt uns mit auf einem Weg, auf dem der kleine Protagonist über sich hinauswächst. Ein Roman, der nichts anderes als die Höchstwertung verdient.

Autor:

Jesus Carrasco wurde 1972 in Badajoz geboren. „Die Flucht“ ist sein erster Roman, der in mehreren Sprachen übersetzt wurde und in zehn Ländern erschienen ist. Es wurde in Spanien als das „Beste Buch des Jahres2013“ ausgezeichnet. Der Autor lebt in Sevilla und arbeitet zudem als Werbetexter.

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Christian Frascella: Sieben kleine Verdächtige

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Sieben kleine Verdächtige Christian Frascella Frankfurter Verlagsanstalt Hardocver Seiten: 319 ISBN: 978-3-627-00198-8

Inhalt:

Sie waren alle etwa zwölf Jahre alt, als sie beschlosssen, die Bank von Roccella, ihrer kleinen Stadt auszurauben. (Klappentext)

Rezension:

Die Welt ist ein Dorf. Zumindest für Italien scheint diese Regelung zu gelten. Vor allem, wenn man Christian Frascella liest. Der schnürt sämtliche Klischees über sein Heimatland in eine Geschichte zusammen und lässt seine Protagonisten allesamt auf ihre Hosenböden fallen.

Dazu kommt dann noch eine Prise Mafia und organisiertes Verbrechen, das Gegen- und Nebeneinander zwischen Arm und reich, Pädophilie und dem Zusammenhalt oder Auseinandertriften italienischer Familienclans. Das ist der Stoff für Abenteuer rund um den Stiefel im Mittelmeer, hier konzentriert auf absurde Weise in einer kleinen italienischen Dorfgemeinschaft.

Dabei ist sie allerdings gut erzählt. Der Leser wird sofort von den sieben Hauptfiguren, die zwölfjährigen Billo, Cecconi, Corda, Gorilla, Raccani, Lonica und Fostelli eingenommen, die zunächst einmal mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben. Da gibt es den todkranken Vater, ebenso wie die verarmte Gewerkschafter-Familie oder auch schlicht das Damoklesschwert der Versetzungsgefährdung in die nächste Klassenstufe.

Aus all den Problemen heraus, kann nur ein Banküberfall und die daraus sich ergebenden Geldsummen für jeden helfen und so planen die vorwitzigen Kids einen kleinen ganz großen Überfall, wie ihn Süditalien lange nicht gesehen hat.

Doch, zunächst muss dafür „Speckbacke“ in sich verliebt gemacht werden. Die Tochter des Barbesitzers ist die Schlüsselfigur im Plan der glorreichen Sieben, deren Aktivitäten jedoch noch ganz andere Gestalten auf sich aufmerksam machen.

Sämtliche Kriminelle scheinen plötzlich aus den Erdlöchern aufzutauchen, zu allem Überfluss auch noch der „Mexikaner“, der vor Jahren die illiegalen Geschäfte des Ortes kontrollierte und dessen Ruf immer noch Angst und Schrecken verbreitet.

Jeden der Jungs wird langsam klar, welches Pulverfass sie geöffnet haben. Plötzlich scheint der Plan ungeheuerliche Dimensionen und Folgen anzunehmen. Packend und spannend, sehr fließend liest sich diese Erzählung, deren einnehmende Protagonisten man sogleich lieb gewinnt. Man fühlt mit jedem Einzelnen der Kinder mit. Am Ende jedoch ist dies alles zu dick aufgetragen.

Nicht nur, dass die Aneinanderreihung solch extremer Zufälle und persönlicher Katastrophen so scheint als hätte sich alles Unglück auf ein kleines unbedeutendes italienisches Dorf konzentriert, alleine dass manche Erzählstränge dann nicht in all ihrer Konsequenz weitergeführt werden.

Irgendwie beschleicht das Gefühl, dass man an manchen Stellen dann doch noch mehr hätte erfahren wollen, detailliertere Beschreibungen noch ausführlicher.

Bei so viel Pech haben die Kinder zum Ausgleich aber auch eine ungehörige Portion Glück, welches vielleicht für Junge Leser verhindert, dass die Geschichte allzu sehr ins Negative abdriftet, die Erzählung jedoch etwas unglaubwürdig werden lässt.

Insgesamt aber ein amüsant geschriebenes und vor allem für Kinder und Jugendliche sicher lohnendes Werk, welches sich schnell lesen lässt.

Für nordeuropäische Ohren werden die Namen anfangs etwas ungewohnt klingen und leicht durcheinander gebracht werden aber auch das legt sich mit zunehmender Seitenanzahl. Wer den Weg der sieben kleinen Verdächtigen verfolgt, braucht sich um die Zukunft Italiens keine Sorgen zu machen.

Autor:

Christian Frascella wurde 1973 geboren und ist ein italienischer Schriftsteller. Bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte, arbeitete er ain verschiendenen jobs als Militäringenieur, Fabrikarbeiter und Telefonist.

Sein Debütroman „Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe“ erschien 2012 in Deutschland und wurde für den Jugendliteraturpreis nominiert, zuvor war er 2009 in Italien für den Premio Viareggio nominiert, Italiens bedeutensten Literaturpreis. Aktuell hat er sechs Romane veröffentlicht, von denen drei ins Deutsche übersetzt wurden.

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Kristine Bilkau: Die Glücklichen

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Die Glücklichen Kristine Bilkau Verlag: Luchterhand Hardcover Seiten: 301 ISBN: 978-3-630-87453-1

Inhalt:

Isabell und Georg sind ein Paar, dessen Glück durch die Geburt ihres Sohnes vervollkommnet wird. Das Leben in der gut situierten Wohngegend könnte nicht schöner sein, doch mit der Gründung einer Familie wächst der gesellschaftliche Druck. Um so mehr, als dass die berufliche Existenz plötzlich auf der Kippe steht.

Plötzlich zittert die Bogenhand der Cellistin Isabell und der Zeitungsverlag, in dem Georg arbeitet, muss Stellen abbauen. Die gutbürgerliche existenz ist plötzlich gefährdet. Der soziale Abstieg beginnt erst schleichend, dann immer schneller. Beide versuchen nun auf unterschiedliche Art und Weise mit der neuen Situation umzugehen. (eigener Text)

Rezension:

Eigentlich könnte es nicht besser laufen. Isabell und Georg sind ein glückliches Paar. Der Sohn gerade geboren, leben sie in einem gut situierten Stadtteil einer deutschen Großstadt. Die Straßen sind gesäumt von Cafes, man kauft Bio, die Läden sind exklusiv.

Sie arbeitet als Cellistin und er bei einem Zeitungsverlag als Journalist. Doch, die Existenzen beider sind bedroht. Isabell will nach der Geburt ihres Sohnes der Wiedereinstieg ins Berufsleben nicht gelingen. Die Bogenhand zittert. Georgs Zeitungsverlag geht Pleite und entlässt seine Angestellten. Die neue Situation ist für beide ungewohnt. Die Cellistin ohne rechte Aussicht auf ein erneutes Engagement, der Journalist muss entdecken, dass die Zeitungen nur noch Nachricht von Gestern sind.

Isabell und Georg müssen sich neu orientieren, die Fassade nach außen aufrecht zu erhalten, fällt aber schwer. Als dann noch Georgs Mutter stirbt und vorher eine Mieterhöhung ins Haus flattert, scheint der soziale Abstieg nicht mehr aufhaltbar.

Die Grundidee der Gesellschaftskritik, die Bilkau hier aufführt. ist richtig und durchaus zu diskutieren. Der Druck, was wir sein und wie wir auf andere wirken wollen, wächst mit dem Gehalt, genau so wie der Willen, den einmal geschaffenen Standard auch zu halten.

Doch, wenn es einmal nicht mehr gelingt, wie nötig ist es, eine Fassade aufrecht zu erhalten, von der man weiß, dass man diesem Druck nicht standhalten wird können? Probleme, wie sie bezeichnend sind für unser Leben, hier in Form einer gutbürgerlichen Künstlerfamilie, die von den beruflichen Veränderungen vor vollendeten Tatsachen gestellt wird.

Bilkau lässt ihre Protagonisten zunächst einmal in Selbstmitleid und Ignoranz ob der Probleme versinken. Fast über die gesamte Seitenanzahl kommen dem Leser die Figuren arrogant und blind gegenüber ihrer Situation vor. Von der Negativität, dem Pessimismus, in dem man beim Lesen versinkt, einmal ganz abgesehen. So etwas möchte man nicht lesen, auch wenn Bilkau einen Erzählstil an den Tag legt, der ihrer Figuren würdig ist. Das Buch kommt genau so bürgerlich rüber, wie Isabell und Georg selbst wirken wollen.

Die Sprache schön, alleine sie erreicht den Leser nicht. Ein klassischer Fall, von: „Was nützt die schönste Formulierung, wenn sie die Leser nicht erreicht.“ Ein Mantra, welches über die gesamte Handlung wie ein Damoklesschwert hängt und leider nicht aufgelöst wird.

In der Realität würde man in der Situation der beiden wahrscheinlich darüber nachdenken, sich umzuorientieren und nach neuen Ansätzen und Ideen suchen, oder zur Überbrückung einen Job annehmen, den man sonst nicht machen würde.

Derartige Passivität und Blindheit lässt einem jedoch nur kopfschüttelnd zurück und so ist der Ansatz zwar lobend, ein tiefgreifend gesellschaftliches Problem aufzugreifen, triftet aber hier wie seine Protagonisten in trostlose Mittelmäßigkeit. Dagegen helfen dann auch die wenigen positiven Punkte nicht mehr, die sich finden lassen.

Autorin:

Kristine Bilkau wurde 1974 in Hamburg geboren und ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin. Nach der Schule studierte sie an der Universität Hamburg und arbeitete als Journalistin für Frauen- und Wirtschaftsmagazine.

Im Jahr 2008 nahm sie an einem Literaturwettbewerb teil und war im darauffolgenden Stipendiatin der Autorenwerkstatt des Literarischen Collquiums Berlin. Nach mehreren schriftstellerisch-schulischen Stationen veröffentlichte Bilkau ihren ersten Roman im Jahr 2015. Auch eine Theateradaption ihres Romans „Die Glücklichen“ gibt es inzwischen. Kristine Bilkau lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

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Gavin Extence: Das unerhörte Leben des Alex Woods

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Das unerhörte Leben des Alex Woods Gavin Extence Blanvalet Verlag Erschienen am: Seiten: 477 ISBN: 978-3-7341-0098-7

Inhalt:

Alex Woods ist zehn Jahre alt, und er weiß, dass man sich mit einer hellseherisch begabten Mutter bei den Mitschülern nicht beliebt macht. Und dass die unwahrscheinlichsten Ereignisse eintreten können – er trägt Narben, die das beweisen. Was Alex noch nicht weiß, ist, dass er in dem übellaunigen Mr. Peterson einen ungleichen Freund finden wird. Der ihm sagt, dass man nur ein einziges leben hat und immer die bestmöglichen Entscheidungen treffen sollte. Darum ist Alex, als er sieben Jahre später mit 113 Gramm Marihuana und einer Urne voller Asche in Dover gestoppt wird, einigermaßen sicher, dass er das Richtige getan hat… (Klappentext)

Rezension:

An sich ist es eine Geschichte, die ähnlich schon hundertfach erzählt sein dürfte. Eine sich langsam entwickelnde Freundschaft zwischen zwei Personen, die eigentlich nichts miteinander gemeinsam haben aber feststellen, dass sie einander brauchen und das Leben des jeweils Anderen mit Sinn erfüllen. So auch hier. Gavin Extence stützt sich auf dieses altbekannte Konstrukt, entwickelt daraus jedoch gleich auf den ersten Seiten eine Geschichte, die die Leser in ihren Bann zieht.

Zunächst liegt das an den unheimlich symphatischen Protagonisten, den wir zu Beginn des Romans am Ende der Geschichte treffen und der diese dann gedanklich aufrollt aber auch an die verqueren Gegenparts von Alex Woods, der für sein Alter immer ein wenig zu altklug und sonderbar wirkt, den aber ein Naturphänomen entgültig zur lokalen Berühmtheit, zumindest zeitweilig, und zum Sonderling unter seinen Mitschülern macht.

Und, es ist nicht der Himmel, der ihm auf den Kopf fällt.

Einfühlsam beschreibt der Autor den nicht so ganz gewöhnlichen Alltag seines Protagonisten aus der Ich-Perspektive, welche eine Nähe zum Leser herstellt, die zweifelsfrei funktioniert. Fast hat man das Gefühl, daneben zu stehen und Alex‘ Erzählungen zu lauschen. Noch realistischer dadurch, dass keine der Figuren aalglatt wirkt, viele nicht gerade gesellschaftskonform. Ecken udn Kanten, die sich jedoch im Zeitraum von sieben Jahren, in dem die Geschichte spielt, weiterentwickeln dürfen, was extence behutsam, jedoch mit immer schnelleren Erzähltempo, vorantreibt.

Dabei klingt der Plot der Geschichte in Form eines Himmelsobjektes zun#ächst einmal unglaubwürdig, doch gibt es ihn tatsächlich. Der deutsche Alex Woods heißt Gerry Blank und wurde als 14-jähriger 2009 von einem Meteoriten auf den Schulweg getroffen. Man darf also streiten, ob alles Gute wirklich von Oben kommt.

Für andere, die sich weniger Gedanken darüber machen möchten, bleibt dieser feinfühlige Roman über einen sympathischen Nerd und seine Mitmenschen, die einem schnell ans Herz wachsen werden. Fast ist man traurig darüber, wenn man die letzte Seite umgeschlagen hat, doch ein wenig glücklicher als vor dem Lesen.

Dieses Kleinod hat es nicht verdient, auf den Stapeln ungelesener Bücher dieser Welt auf seine Leser zu warten und sollte sofort hervorgeholt werden. Ein Meteoriteneinschlag kann schließlich dein Leben verändern. Für den Protagonisten Alex Woods tut er das ganz wundersam.

Und als Leser bekommen wir eine wunderschöne Geschichte über Freundschaft, Halt und Familie. Darüber, dass es oft die Quer- und Andersdenkenden sind, die in der Gesellschaft vielleicht schief angesehen werden, aber insgesamt ihren Weg ohne größere Fehlschläge gehen und oft die für sie richtigen Entscheidungen treffen. Alex Woods macht dies so wunderbar, wie Gavin Extence, dem mit seinem Debütroman ein großartiger Wurf gelungen ist.

Autor:

Gavin Extence wurde 1982 geboren und wuchs in der englischen Grafschaft Lincolnshire auf. 2013 veröffentlichte er seinen ersten Roman, der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. 2015 veröffentlichte er seinen zweiten Roman, der 2016 ins Deutsche übersetzt wurde. Der Autor lebt mit seiner Familie in Sheffield.

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Ka Sundance: Mit 6 Kindern um die Welt

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Mit 6 Kindern um die Welt Ka Sundance Riva Erschienen am: 10.04.2017 Seiten:: 238 ISBN: 978-3-7423-0105-5

Inhalt:

Sie sind zu acht und sie sind auf der ganzen Welt zu Hause. Ob Costa Rica, Thailand, Kanada, Australien, Marokko oder La Palma – die Sundance-Familie zeigt, dass man auch mit Kindern frei und unabhängig sein kann.

Ihr zwangloses und unbeschwertes Leben, von dem sie öffentlichkeitswirksam auf YouTube und Facebook berichten, übt auf viele eine große Faszination aus.

Manch einer hält sie für Glückspilze. Aber für Ka Sundance und seine Familie steht fest: Das hat nichts mit Glück zu tun, sondern beruht auf einer klaren Entscheidung.

Angefangen bei den Reiseerlebnissen aus seiner Jugend berichtet der sechsfache Vater, was ihn und seine Frau vor über 20 Jahren zu der Entscheidung bewogen hat, ihr altes Leben in Deutschland aufzugeben und sich von ihren festen Gewohnheiten und alltäglichen Verpflichtungen zu lösen.

Er erzählt, wie sie ihrem Leben durch das Reisen mehr Sinn, Fülle und Freiheit verliehen haben und wie es ihnen gelungen ist, aus ihrem Lebensentwurf ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das nicht nur satt, sondern auch zufrieden macht – getreu ihrem Motto: Tu, was du liebst! (Klappentext)

Rezension:

Ein Traum, der sicherlich von vielen gehegt wird. Einfach ein Flugticket kaufen, fliegen und nie mehr zurückkommen. Das ganze Leben eine Reise um die Welt. Ka und Katie Sundance haben dies gewagt,l alle Sicherheiten in Deutschland aufgegeben und bereisen den Globus, seit sie sich kennenlernten.

Immer am finanziellen Limit, doch auch mit dem Glauben an die glücklichen Fügungen des Schicksals. Und sie haben Glück. Wird ein Käufer für den zum Wohnmobil umgebauten Bauwagen gesucht, findet sich ein Interessant, brauchen die beiden Jobs, um über die Runden zu kommen und das nächste Flugticket zu finanzieren, eröffnet sich vor Ort eine Arbeitsmöglichkeit.

Und nebenbei wächst die Familie. Die Kinderschar wird größer. Dabei krempeln die Sundances ihr Leben um, ernähren sich vegan und verhindern so die Asthma-Erkrankung des Zweitgeborenen, betreiben World-Schooling und werden immer öfter gefragt, wie sie es schaffen, dieses Lebensmodell umzusetzen.

Einige Zeit von Sozialhilfe abhängig, kommen diese Anfragen gerade recht. Als das Internet erste schritte macht und zum Massenmedium wird, wagt das Ehepaar den Schritt, eine Online-Firma zu gründen, die genau über diese Lebensweise aufschluss geben soll.

Mit Hilfe von E-Books, später Online-Kursen und Tutorials wird das Spektrum nach und nach erweitert. Die Familie, die ungewöhnliche Art zu leben als Geschäftsmodell. Dabei immer auf den Teppich bleibend, sympathisch ihren Träumen folgend.

Das hat Erfolg. Mittlerweile müssen die Sundances nicht mehr jeden Cent dreimal umdrehen und leben in Costa Rica und unternehmen von dort aus Reisen rund um den Globus.

https://www.youtube.com/watch?v=EanjYd8LsCI
Familie auf Weltreise. Die Sundances.

Die Kinder haben Freunde in vielen verschiedenen Ländern, haben praktisch von selbst mehrere Sprachen gelernt zu sprechen und kommen mit unterschiedlichsten Menschen und Kulturen in berührung. Und heute bauen die Sundances eine Stiftungen für Hilffsprojekte auf.

Zuerst skeptisch wird der Leser sehr schnell von der ruhigen und unaufgeregten Art, sowie den unerschütterlichen Optimismus Ka Sundances eingenommen, der es schafft, in kurzweiligen Kapiteln sein Lebensmodell nahezubringen. „Tu, was du liebst!“, ist das Motto, welches sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch durchzieht.

Träume sollten verfolgt und nicht aufgegeben werden, Widerstände überwunden und manchmal einfach Schritte gewagt werden, auch wenn der Rest der Welt einen für verrückt erklärt.

Das kann mal schwer werden, ist sicher jedoch befriedigender, als der graue Alltag der Durchschnittsbevölkerung und jeder kann dies 8im Rahmen seiner Möglichkeiten) umsetzen. Man sollte es auf einen Versuch ankommen lassen.

Ka Sundance missioniert nicht aber er zeigt, dass es auch anders geht. Man muss sich keinen Zwängen unterwerfen, kann selbstbestimmt leben und das Glück finden. er berichtet von einem Leben mit Nackenschlägen, dem kleinen und dem großen Glück, einer lebenslangen Weltreise und neugierigen Kinderaugen, für die ein Leben als Globetrotter zur Selbstverständlichkeit geworden ist.

Teil, einer lebenslangen Reise. Quer durch die Wüste.

Seine Erfahrungen mit Veganismus und einem minimalistischen Lebensstil kommen ebenfalls zur Sprache, wie auch das neueste Projekt einer Stiftung zum Aufbau für Hilfsprojekte, bei denen sie selbst mit anpackt. Denn die Reise und Ideen der Sundances sind noch lange nicht am Ende angelangt.

Homepage:

https://www.m-vg.de/riva/shop/article/12397-mit-sechs-kindern-um-die-welt/


Facebook: https://www.facebook.com/DieSundanceFamily/
Instagram: https://www.instagram.com/sundancefamily/

Wer sich inbesondere für die Reisen interessiert:

https://www.youtube.com/user/DieRohkostFamilie

Autor:
Ka und Katie Sundance lernten sich 1997 kennen und heirateten ein Jahr später. Ihren Traum, um die Welt zu reisen, setzten sie um und sind seit dem unterwegs.

Nirgendwo sesshaft, gründeten sie ihre Familie mit inzwischen sechs Kindern und bauten in einer Notlage mit Hilfe der Anfänge des Internets ein Online-Business auf und beraten durch Online-Kurse und E-Books zu Themen wie Online-Marketing und Überzeugungsmanagement, verganer Ernährung und alternativer Lebensweise.

Nebenbei bereisen sie mit ihren Kindern die Welt und nutzen ihre Reichweite zum Aufbau einer Stiftung, die Hilfsprojekte unterstützt.

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Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben

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Ein wenig Leben Hanya Yanagihara Roman Hanser Verlag Hardcover Seiten: 960 ISBN: 978-3-446-25471-8

Inhalt:
„Ein wenig Leben“ handelt von der lebenslangen Freundschaft zwischen vier Männern in New York, die sich am College kennengelernt haben. Jude St. Francis, brillant und enigmatisch, ist die charismatische Figur im Zentrum der Gruppe – ein aufopfernd liebender und zugleich innerlich zerbrochener Mensch.

Immer tiefer werden die Freunde in Judes dunkle, schmerzhafte Welt hineingesogen, deren Ungeheuer nach und nach hervortreten. „Ein wenig Leben“ ist ein rauschhaftes, mit kaum fasslicher Dringlichkeit erzähltes Epos über Trauma, menschliche Güte und Freundschaft als wahre Liebe. Es begibt sich an die dunkelsten Orte, an die Literatur sich wagen kann, und bricht dabei immer wieder zum hellen Licht durch. (Verlagstext)

Rezension:
Kein anderer Roman schafft es, das Leben seiner Leser so durcheinander zu wirbeln, so in Frage zu stellen, wie „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara. Der Werbesatz des Hanser-Verlages: „Sie werden darüber reden wollen.“, ist kein Gerede, sondern Programm.

Nach Beenden der Lektüre wird man sein Leben, seine Freundschaften, seine Beziehungen hinterfragen wollen und nicht nur die der Protagonisten. Dabei beginnt alles recht harmlos.

Wir begleiten vier Freunde, die sich auf den College kennengelernt haben über Jahrzehnte durch ihren Alltag. Erleben ihr privates Glück und ihre Fehlschläge, ihren beruflichen Werdegang und die kleinen Gemeinheiten des Alltags. so weit, so normal. Der Knall natürlich, erfolgt schnell und erwischt den Leser kalt.
Jude, ein charismatischer junger Anwalt, ist die Hauptfigur des Romans, Fixpunkt des Vierergespanns. Alle anderen umkreisen ihn. Niemand kommt nah an ihn heran. Denn, Jude ist es auch, der eine tragische Vergangenheit vor seinen Mitmenschen verbirgt.

Seite für Seite erfährt der Leser darüber mehr, viel mehr als er wissen möchte, und sieht sich einer Abwärtsspirale ausgesetzt aus der es kein Entkommen gibt.
Dicht ist die Abfolge der beschriebenen Ereignisse, erzählt aus den wechselnden Perspektiven der einzelnen Protagonisten. Feinfühlig geht Yanagihara mit ihren Figuren um, allesamt mit Ecken udn Kanten und einer tiefe, die man so manch anderen Roman wünschen würde.

Doch, es ist schwere Kost, welche die Autorin hier vorsetzt. Sensible Gemüter, die keine psychologischen Querelen aushalten können, sei die Geschichte nicht empfohlen. Wer sich aber auf sie einlässt, erlebt vielleicht mit eines der besten Werke der vergangenen Jahre.
„Ein wenig Leben“ erzählt so viel, dass man alles das bekommt, was man erwartet und noch eine ganze Portion mehr. Natürlich ist man ab und an genervt von den Protagonisten.

Natürlich ist es unmöglich, dieses Buch in einem Rutsch zu lesen, ist man nicht gerade so gefühllos wie ein Teelöffel und natürlich wird dieser Roman nicht so schnell verdrängt werden können, zumal die erzählten fiktiven Ereignisse zu nahe gehen dürften aber diese Erfahrungen sind es schon wert, sich darauf einzulassen.
Das gesammelte Elend trifft hier einen einzigen Menschen, der sich sein Leben lang nicht freimachen kann und doch ist es ein Text für eben dieses. Alleine, wer lebt wird triumphieren. Manchmal aber, will man diesen Sieg nicht haben. Aus guten Gründen.

Hanya Yanagiharas Roman lässt uns unser Leben hinterfragen und sollte daher nur mit Beipackzettel verkauft werden. Entweder die Nebenwirkungen sind positiv und negativ. Persönlich gesehen finde ich, abgesehen von einigen Längen in den Kapiteln, ist der Autorin ein großartiges Meisterwerk gelungen.

Wieder andere werden den Roman aufgrund seiner Dichte, Abfolge der Ereignisse, geschilderten Grausamkeiten womöglich hassen. Eben wie in unser aller wenig Leben.

Autorin:
Hanya Yanagihara wurde 1974 in Los Angeles/Kalifornien geboren und ist eine US-amerikanische Journalistin und Autorin. Sie arbeitete als Redakteurin eines amerikanischen Reisemagazins, bevor sie stellvertretende Herausgeberin der Wochenbeilage T: The New York Times Stile Magazine wurde.

Davor lebte sie in Maryland und Texas. Yanigaharas erster Roman erschien 2013. Ihr Roman „A little life“ erschien 2015. Das 2017 im Deutschen erschienene Werk stand auf der Shortlist verschiedener Literaturpreise und wochenlang auf den Bestsellerlisten.

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Erika Fatland: Sowjetistan

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Sowjetistan Erika Fatland Suhrkamp Erschienen am: 06.03.2017 Seiten: 511 ISBN: 978-3-518-46752-6 Übersetzer: Ulrich Sonneberg

Inhalt:

Erika Fatland über Sowjetistan – Eine Reise durch Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan.

Mit ihrer fulminanten Reisereportage über die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens öffnet Erika Fatland uns die Tür zu einem fernab gelegenen Teil der Welt voller beeindruckender geschichten, skurriler Begebenheiten und überraschender Einblicke.

Sie erzählt von Samarkand und Dschingis Khan, von Brautraub und der Kunst der Adlerjagd, von korrupten Despoten, marmornen Städten und riesigen Goldstatuen, die sich mit der Sonne drehen. (Klappentext).

Rezension:

Es sind Länder zwischen den Stühlen. Genau so wie das Heimatland der Autorin, eher noch weniger, wird auch über die Länder Zentralasiens kaum berichtet. Abgeschottet zwischen Russland, Pakistan, Afghanistan und China liegend, die jede Aufmerksamkeit auf sich ziehen, bilden die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken einen weißen Fleck auf vielen Landkarten.

Früher abgeschottet, viele Städte aufgrund geheimer Militärprogramme der Sowjets auf den Karten nicht verzeichnet, regieren heute quasi Diktatoren die Länder, deren Landstrich auch heute allenfalls für das Verschwinden des Aralsees bekannt ist.

Der größten menschengemachten Naturkatastrophe in dieser Region, abgesehen von den Atomtests im Kalten Krieg.

Erika Fatland hat sich aufgemacht und versucht hinter die Fassade despotischer Diktaturen zu blicken und die Menschen kennenzulernen, deren Geschichte vom blühenden Handel auf der Seidenstraße erzählen kann aber auch von mongolischen Heerführern a la Dschingis Khan.

Wie lebt es sich heute in einer Region, die immer noch mit dem Erbe ihrer jüngeren Geschichte zu kämpfen hat, deren Berwohner am Rande des wirtschaftlichen Existenzminimums ums Überleben kämpfen, unterdrückt von Machthabern, deren Karrieren noch in den letzten Tagen der Sowjetunion begann?

Gibt es sie noch, die sagenumwobene Gastfreundschaft der Steppen- und Bergvölker, die längst großteils sesshaft geworden sind?

Wie sieht sie aus, die Gegenwart zwischen Orient und Okzident und welche Zukunft hält das Leben für das bunte Völkergemisch bereit, die sich heute an ihren Grenzen das Leben schwer machen, früher mit der eisernen Hand Moskaus unter Kontrolle gehalten worden?

Erika Fatland lässt sich darauf ein und nimmt ihre Leser mit auf eine reise ins Unbekannte. Sie blickt hinter schroffen und falschen Fassaden, stellt fest, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, auch wenn die Diktatoren als ebenso vergoldete Statuen auf sie herabblicken und der Wettkampf um den höchsten Fahnenmast mit Eifer betrieben wird und der einzige Gewinner dabei eine westliche Herstellerfirma ist.

Zwischen staatlichen Aufpassern und Wettkämpfen, resignierenden Archäolgen und vom Pferd fallenden Despoten versucht sie das Geheimnis von Samarkand und Taschkent zu ergründen, den Schein Astanas aufzudecken, reist zwischen Aschgabat und Duschanbe.

Der Blick der Autorin gilt dabei immer den Menschen der Region. Ungeschönt berichtet sie über das harte Leben der Menschen, deren Zukunft ungewiss ist und abhängig von den großen Nachbarstaaten, die sie umgeben. In ihren Heimatländern ist diese jedenfalls nicht zu finden.

Die Jungen wandern aus, richten ihren Blick nach Moskau oder in den Westen Europas, die Alten arrangieren sich mit den Verhältnissen und träumen von vergangenen Zeiten als man noch zu einer Großmacht gehörte.

Erika Fatland versucht die Hintergründe unverstellt darzulegen, die dazu führen, dass es immer noch Brautraub gibt und die Länder isoliert vom Weltgeschehen beinahe vor sich hin vegetieren. Herausgekommen dabei ist ein Blick auf das Besondere, auf den Alltag einer Region, die es noch zu entdecken gilt.

Einfühlsam ohne Verklärung berichtet Erika Fatland von einer Region, in der die Zukunft alles andere als sicher ist und doch, je nach Staat unterschiedlich verlaufen kann.

Dort kann alles passieren, ist sie sich sicher und beschreibt episodenhaft die Geschichte dieser Landstriche, durchsetzt von gesellschaftlichen Exkursen und immer wieder auch der Beschreibung von kuriosen Ereignissen, vor allem aber von Menschen.

Unverstellt wünscht man sich mehr solcher unaufgeregter und neugieriger Reisereportagen, wie die von Fatland, der dies mit „Sowjetistan“ mehr als gelungen ist. Diese Momentaufnahme, aufgelockert durch mehrere Karten und Fotoaufnahmen, hilft uns zu verstehen.

Doch, wer wirklich begreifen möchte, muss sich mit Sack und Pack selbst aufmachen, die Region zu erkunden. Wer keine Gelegenheit dazu hat, hat mit „Sowjetistan“ einen wunderbaren Einblick in das Leben in einer faszinierenden Landstrich gewonnen.

Autorin:

Erika fatland wurde 1983 in Hausgesund/Norwegen geboren und ist eine norwegische Schriftstellerin und Ethnologin. Nach der Schule studierte sie in Kopenhagen und Oslo Anthropologie und schrieb ihre Abschlussarbeit über die Nachwirkungen des Geiseldranas von Beslan in Nordossetien.

Danach arbeitete sie 2008-2009 am Norwegischen Institut für Internationale Angelegenheiten. 2009 schrieb sie ein Kinderbuch und kehrte im Jahr darauf nach Beslan zurück um ihre Arbeit über Beslan fortzusetzen. Ihr Buch darüber erschien in Norwegen 2011.

Im Herbst 2012 veröffentlichte sie ein Buch über die Terroranschläge in Norwegen und machte sich zwei Jahre später auf, die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens zu besuchen. Für die Reisereportage wurde Erika Fatland mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt in Oslo.

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Tim Krohn: Menschliche Regungen 1 – Herr Brechbühl sucht eine Katze

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Herr Brechbühl sucht eine Katze Reihe: Menschliche Regungen – 1 Rezensionsexemplar/Roman
Galiani Berlin
Erschienen am: 16.02.2017 Seiten: 473 ISBN: 978-3-68971-147-8

Inhalt:

Das Jahrtausend beginnt für den pensionierten Tramfahrer Hubert Brechbühl mit großen Plänen und ohne Katze. Für das junge Paar Pit und Petzi mit viel Sex. Für Julia Sommer ohne Sex. Für Selina May ohne Arbeit. Für Efgenia Costa mit Drogen.

Für Erich und Gerda Wyss mit Überlegungen, wer von beiden zuerst sterben sollte. Vieles davon wird sich ändern, anderes nicht. Elf Bewohnerinnen und Bewohner eines Züricher Mietshauses geraten im Jahr 2001 in einen Strudel der Gefühle. (Klappentext)

Reihenfolge der Bücher:

Tim Krohn: Menschliche Regungen 1 – Herr Brechbühl sucht eine Katze

Tim Krohn: Menschliche Regungen 2 – Erich Wyss übt den freien Fall

Tim Krohn: Menschliche Regungen 3 – Julia Sommer sät aus

[Einklappen]

Rezension:
Einen Roman zu schreiben, ist nicht zuletzt heutzutage eine Frage der Finanzierung. Warum dann nicht gleich seine Leser daran beteiligen und mit Rahmenvorgabe eine Geschichte erzählen, die die Leser sich wünschen.

Etwa in der Art hat Tim Krohn sein neuestes Werk auf den Weg gebracht. „Herr Brechbühl sucht eine Katze“, ist zunächst einmal eine episodenhafte Aneinanderreihung verschiedenster Gefühlszustände, die die künftigen Leser vorher „kaufen“ konnten.

Nach „Erwerb“ des Gefühls, gegen einen gewissen Geldbetrag, hat Tim Kron dann eine Geschichte im Rahmen eben dieses Gefühls geschrieben und mehrere dieser Kurzgeschichten zusammen einen Roman werden lassen. Crowdfunding im literarischen Betrieb.

Doch, wie wirkt nun das fertige Ergebnis? Der Herstellungsprozess, wie oben beschrieben, klingt zunächst wie die Zubereitung eines Gerichts durch Zusammenrühren von Instantpulvern, doch kann man sich hier relativ wenig beschweren.

Zwar ist hier Tim Krohn nicht gerade ein großer literarischer Wurf gewonnen, soll es vielleicht auch nicht, aber immerhin unterhalten tut er dann doch. Schließlich kennt ein jeder die diversen Alltagsprobleme in einem Mehrfamilien- und Mietshaus.

Kennt Jobangst, Vorfreude, Alltagsfrustration, Liebe oder Beziehungsstress und irgendwie vegrisst man, dass man die Geschichten praktisch einzeln für sich lesen könnte (nicht zu raten).

Am Anfang ist es gar so, dass man vielleicht soagr von Geschichte zu Geschichte seines Lieblingsprotagonisten springen möchte, auch das erledigt sich schnell. Die Behaglichkeit des beschriebenen Mietshauses mit seinen schrulligen Bewohnen, die man irgendwie alle in irgendeiner Form kennt oder kennenlernen möchte (oder auch nicht), tut ihr Übriges.

Der Roman selbst wird ncht ewig im Gedächtnis bleiben. Es schadet aber auch nicht, zu lesen, sich fallen zu lassen und sich ein paar Stunden lang zu unterhalten. Ein Wohlfühlroman ohne Schrecken aber mit akzeptablen Ende.

Kurze, flüssig erzählte, Kapitel betitelt mit den einzelnen Gemüszuständen, jedes Gefühl wird nur einmal vergeben, tun das Ihrige dazu. Alleine, das Projekt ist noch nicht zu Ende.

Wer möchte, kann weiter spenden und an der Entstehung weiterer Bände mitwirken (zwei Weitere sind schon in der Produktion). Noch viele Gefühle sind frei. So dürfen wir nicht nur Herrn Brechbühl und die Katze noch eine ganze Weile weiter verfolgen.

Autor:
Tim Krohn wurde 1965 in Wiedenbrück geboren und lebt in der Schweiz. In Glarus aufgewachsen, studierte er Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft, arbeitet er heute als freier Schriftsteller und Verfasser von Prosatexten, Dramen und Hörspielen.

Er ist Mitglied des Verbands der Autorinnen und Autoren der Schweiz und war von 1998 bis 2001 Präsident der Vorgängerorganisation des Schweizerischen Schriftstellerverbandes.

1993 erhielt er den UNDA-Radiopreis, den Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis 1994. 2007 erhielt er den Preis für das beste Schweizer Buch. Weitere Preise folgten. Krohn schrieb die Bühnenvorlage für das Einsiedler Welttheater, 2013.

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Neil Smith: Das Leben nach Boo

Das Leben nach Boo Book Cover
Das Leben nach Boo Neil Smith Verlag: Schöffling & Co. Erschienen am: 08.02.2017 Seiten: 414 ISBN: 978-3-89561-496-5 Übersetzerin: Brigitte Walitzek

Inhalt:

Oliver »Boo« Dalrymple ist dreizehn Jahre alt, hochbegabt, wenig beliebt und vor allem tot. Gerade noch hat er an seinem Schulspind gestanden, in das Periodensystem vertieft, da findet er sich im Wiedergeburtsraum eines seltsamen Jenseits wieder.

Dort begrüßt ihn Thelma, ein schwarzes Mädchen, das in den sechziger Jahren gelyncht wurde, und erklärt ihm, was es damit auf sich hat: In einer von Mauern umgebenen Stadt leben ausschließlich verstorbene amerikanische Jugendliche seines Alters.

Quicklebendig verbringen sie ihre Zeit wie auf einem großen Schulhof, sausen auf Fahrrädern umher und werden von einem hippiehaften Gott namens Zig mit allem versorgt, was Dreizehnjährige zum Leben brauchen.

Boo hat gerade begonnen, sich an das Nachleben zu gewöhnen, als sein ehemaliger Klassenkamerad Johnny in der Stadt auftaucht und ein überraschendes neues Licht auf seine Vergangenheit wirft.

Auf der Suchenach der brutalen Wahrheit wird ihre gerade erst geschlossene Freundschaft ernsthaft auf die Probe gestellt. (Verlagstext)

Einordnung und Gestaltung:

Den Roman könnte man auch als Jugendbuch durchgehen lassen. In diesem Falle ist er ab 13-14 Jahren geeignet. Der Verlag differenziert hier nicht und vermarktet ihn auch als Roman.

Der Roman in der gebundenen Ausgabe, 1. Auflage, ist in elf unterschiedlichen Cover-Varianten erhältllich. Bei Online-Bestellungen ist es Zufall, welches man erhält, während man in größeren Buchhandlungen oft mehrere der Cover zur Auswahl hat.

Rezension:

Die Frage nach einem Leben nach dem Tod hat die Menschen seit jeher fasziniert. Was kommt nach unserem Sterben? Boo weiß die Antwort.

Eigentlich heißt er Oliver, doch seine Mitschüler nannten ihn, den Außenseiter so, der plötzlich im Wiederbelebungsraum einer Stadt aufwacht, die nur von 13-jährigen bewohnt wird.

Allen gemein ist, dass sie auf die eine oder andere Art ums Leben gekommen sind und nun 50 Jahre in ihrem dreizehnjährigen Ich verharren müssen, bevor sie entgültig ableben. Doch, Oliver weiß zwar, dass er tot ist, doch nicht, wie er gestorben ist.

Das letzte, an das er sich erinnern kann, ist, dass er an seinem Schulspind stand und die Elemente des Periodensystems aufgesagt hat. Doch, das zählt nicht mehr. Mit Hilfe neuer Freunde erkundet er seine „neue“ Welt, bis einer seiner Mitschüler das Reich der toten Jugendlichen betritt.

Johnny, der zuvor noch im Koma gelegen hatte, erklärt ihm, dass Boo und er bei einer Schulschießerei ums Leben gekommen sind. Der Attentäter auch. Der „Gunboy“ ist dabei ebenfalls gestorben. Und läuft wahrscheinlich nun in dieser neuen Welt frei herum.

Neil Smith schafft mit „Das Leben nach Boo“ ein wundervoll nachdenklich stimmendes Szenario, welches sich zu diskutieren lohnt. Es geht um wahrhaft existenzielle Fragen außerhalb unseres iridischen Lebens. Wo kommen wir hin, wenn wir nicht mehr sind?

Wie geht es weiter mit unserer Seele, zumal wenn sie früher gehen muss als üblich? Doch, nicht nur dafür verdient der Roman Aufmerksamkeit, lenkt er doch die Aufmerksamkeit auf ein vor allem US-amerikanisches Problem, ist es dort doch die USA selbst, die sich jedes Jahr auf’s Neue mehrfach der Frage stellen muss, wie mit Schulattentaten, -tätern und opfern umgehen, wenn auch die Probleme aus europäischer und kanadischer Sicht hausgemacht sein dürften.

Doch, Smith bleibt nicht bei diesen, sondern wirft weitere Fragen auf. Wie gehen wir mit Schuld und Schuldigen um? Was ist richtig und falsch?

Ja, sogar Fragen von gesellschaftlichen Grenzen werden aufgeworfen, wenn man das Szenario betrachtet, dass es einen Himmel getrennt nach Altersklassen und Nationalitäten gibt.

Genau, wie Oliver und Johnny so manches Mal an diesen Problemen zu zerbrechen drohen, der eine früher, der andere später, merkt auch der Leser schnell die Begrenztheit des Gedankenspiels des Autoren.

Smith möchte zu viel, fabriziert Längen, wo keine sein müssten, was bei den kurzen Kapiteln, die allesamt nach den Elementen des Periodensystems nummeriert sind, an sich schon eine Kunst ist und droht allenthalebn, seine Leser zu verlieren.

Nur gerade so, schaffen es dann folgende spannendere Kapitel, die mit zunehmender Seitenzahl an Tempo gewinnen, den Leser wieder mitzunehmen. Letztendlich das Ausschlaggebende dafür, den Roman bis zum Ende durchzulesen.

Die Protagonisten bleiben zudem, bis auf wenige der Hauptfiguren (da, auch nicht alle) farblos und entwickeln sich kaum weiter, wenn der Autor auch beschreibt, dass selbst in der Welt der Dauer-13-jährigen Entwicklung, wenn auch nur charakterlich, existiert.

Auch logische Fehler hat diese Welt, regiert von einer Übergestalt namens Zig, der eher wie ein verplanter Lebenskünstler agiert statt wie eine Gottheit.

Zum einen die Beschränktheit des himmlichen Daseins auf 50 Jahre, zum anderen in Zigs Gabe den Kindern z.B. nur Comics und vegetarisches Essen, nicht aber Lexika und Fleisch zukommen zu lassen.

Leider ist zu wenig bekannt als dass man Smith missionarischen Eifer unterstellen könnte aber es fühlt sich an manchen Stellen ebendoch wie ein erhobener Zeigefinger an, der inkonsequent mal in die eine, dann in die andere Richtung zeigt.

Schade, da sich der Autor damit viel Potential von seiner Geschichte einfach vergibt. Das Grundthema „Das Leben nach Boo“ ist trotzdem überlegens- und lesenswert. Und, wem das ganze dennoch abgeht, kann ja immer noch alle elf Cover der deutschen Ausgabe sammeln.

Autor:

Neil Smith lebt als Autor und Übersetzer in Montreal, Kanada. Sein Debüt „Bang Crunch“ wurde von der Washingtron Post zum Buch des Jahres gewählt. Mit diesem Erzählband gewann Smith zahlreiche Preise.

Sein zweiter Roman „Das Leben nach Boo“ wurde bishlang in sieben Sprachen übersetzt. Auch dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet.

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Marie Fredriksson: Listen to my heart – Meine Liebe zum Leben

Listen to my heart - Meine Liebe zum Leben Book Cover
Listen to my heart – Meine Liebe zum Leben Marie Fredriksson/H. v. Zweigbergk Verlag: edel Erschienen am: 21.11.2016 Seiten: 239 ISBN: 978-3-8419-0488-1

Inhalt:

Mit Roxette hat Marie Fredriksson die Bühnen der ganzen Welt erobert, ein wahres Märchen, das ihr nach einer entbehrungsreichen Kindheit zuteil wurde. Doch dann stellt ein tödlicher Gehirntumor allen Erfolg in den Schatten und reduziert das Leben wieder auf das Wesentliche.

Seit nunmehr 15 Jahren kämpft Marie gegen den Krebs und vor allem gegen die Spätfolgen der Krankheit, die sie zuletzt zwangen sich für immer von der Bühne zu verabschieden.

„Listen to my heart“, ist eine Geschichte von großer Liebe, von Trauer, großen Erfolgen und Rache am Schicksal – der Liebe zum Leben sei Dank. (Klappentext)

Rezension:

Erfolgsstorys außerhalb der schwedischen Eurovisionsgeschichte kann man an einer Hand abzählen. Im musischen Bereich sind sie rar gesät, die Ausnahmetalente, die den Sprung nach Europa und den Rest der Welt schaffen.

Die schwedische Band Abba gehörte dazu und in jüngerer Zeit, inzwischen auch wieder mehrere Jahrzehnte her, schaffte Roxette den Sprung auf die internationale Bühne. Ein Leben zweier Musiker, ihrer Freunde und Familien für die Musik.

Immer skandalfrei, immer in Bewegung und immer mit neuen krativen Ideen für in Erinnerung bleibende Auftritte. Eine Band, auf die sich mehrere Generationen einigen können. Dreh- und Angelpunkt des Erfolgs war Marie Fredriksson, die sich von schwierigen finanziellen Familienverhältnissen ihren Traum erkämpfte, für die Musik und die Bühnen dieser Welt zu Leben.

Mit Hilfe der schwedischen Journalistin Helena von Zweigbringk veröffentlichte Fredriksson ihre Geschichte, deren schwerster Schicksalsschlag, ein Tumor im Jahr 2002 fast ihr Ende bedeutet hätte. Doch Marie Fredriksson nahm den Kampf auf und siegte. Aus Liebe zum Leben.

Künstlerbiografien, zumal von heutigen selbst ernannten Stars, haben oft genug keine tiefere Ebene und bleiben oberflächlich. Die meisten dieser Bücher bringen ein paar Anekdoten und kuriose Fakten hervor, zumehr lassen sich die Schreiber, ob nun der künstler selbst oder ein Ghostwriter nicht herab.

Das Buch von Marie Fredrikkson ist anders. Die Journalistin Helena von Zweigbergk hat die Sängerin mehrere Monate begleitet und Interviews geführt. Mit Marie, ihren Freunden und Bekannten, mit der Familie und Wegbegleitern einer schwedischen Erfolgsstory.

Herausgekommen ist ein beeindruckendes Portrait eines angeschlagenen aber nicht unbesiegten Menschen, welche nicht aufgegeben hat, in einer Situation, in der es jeder verstanden hätte. Nein, dass Bühnentalent kämpft für sich und ihre Freunde um ihr Leben als sie die schlimmste aller Diagnosen trifft. Ein Hirntumor, der fast das Ende bedeutet.

Natürlich ist dieses Büchlein vor allem für die Fans von Roxette, von Marie und Per, interessant, zumal wegen der Fakten und der Hintergrundgeschichte der Entstehung der Band. Aber es gibt auch Mut, für sich zu kämpfen, wenn alles aussichtslos erscheint und kaum Hoffnung mehr besteht.

Kurze Kapitel, in denen man den Eindruck hat, in denen die Sängerin aus ihrem Leben und vom Kampf gegen den Krebs erzählt wechseln sich ab mit den Eindrücken von Zweibringks, die ihr beim Niederschreiben und bei der Entstehung des Buches geholfen hat.

Für die Fans, die Marie Fredrikssons nur alles Gute und Glück wünschen können, dürfte so der Abschied von der Band leichter fallen. Alleine ihre Songs werden im Gedächtnis bleiben. Eine kleine großartige Biografie über ein beeindruckendes Leben.

Roxette „Listen to your heart“.

Autorinnen:
Helena von Zweigbergk wurde 1959 in Stockholm geboren und ist eine schwedische Autorin, Journalistin und Filmrezensentin. Nach der Schule studierte von Zweigbergk an der Universität Stockholm und erlangte erstmals in den 1990er Jahren Bekanntheit durch das schwedische Radioprogramm Spanama.

Ihr erstes Buch veröffentlichte sie 2001, welches vier Jahre später auch ins Deutsche übersetzt wurde. 1994 arbeitete sie zusammen mit der Journalistin Cecilia Bodström an einem Reportage-Buch über Prostitution. Zudem schrieb sie mehrere Filmrezensionen für eine schwedische Tageszeitung, sowie Kinderbücher.

Schwerpunkt ihrer schriftstellerischen Arbeit sind heite Menschen, die um ihre eigenen Standpunkte kämpfen. Als Journalistin arbeitete sie vor allem für die Zeitung Expressen und war von 2006-2007 als Programmleiterin einer schwedischen Fernsehshow. Sie lebt mit ihrer Familie in Stockholm.

Marie Fredriksson wurde 1958 in Össjö geboren und ist eine schwedische Musikerin. International bekannt wurde sie als Bandmitglied von Roxette. Nach dem Studium an der Musikhochschule Svalöv erhielt Fredriksson mit ihrer Band MaMas Barn einen Plattenvertrag, erzielte damit jedoch nur mäßige Erfolge.

1984 begann sie ihre Solokarriere und gründete zwei Jahre später mit Per Gessle die Band Roxette. Zunächst nur in Schweden erfolgreich, gelang 1989 der weltweite Durchbruch mit dem Hit „The Look“.

Mehrfach erhielt sie die goldene Schallplatte und wurde als beste Sängerin Schwedens ausgezeichnet. Mehrere Tourneen rund um den Globus folgten. Im September 2002 wurde bei Fredriksson ein Hirntumor diagnostiziert

Nach überstandener Krankheit feierte sie 2009 ihr Comeback. 2016 gab die Band entgültig ihren Abschied bekannt, mit der Begründung Fredriksson habe aufgrund der Spätfolgen nicht mehr die Kraft für die Auftritte. Sie starb am 9. Dezember 2019.

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