Sachbuch

David Lambert: Memo Wissen – Dinosaurier

Inhalt:

Wozu hatten Dinosaurier Stacheln, Platten und Segel? Wie groß wurden die Giganten unter ihnen?

Gab es auch Dinosaurier mit Federn? Erfahre alles über die spannende Welt der Urzeit.

Reihe:

Die Reihe „Memo Wissen“ umfasst mittlerweile zahlreiche weitere Bände zu vielen Themen, von der Titanic bis hin zum Klimawandel, Katzen oder Fußball und ist ab 8 Jahren empfohlen.

Rezension:

Einer der wenigen Verlage, die es schaffen, etwa im gleichen Stil, doch in jedem Fall von gleichbleibender Qualität Sachbücher für alle Altersgruppen anzubieten ist mit Sicherheit Dorling Kindersley, der mit seiner Reihe Memo Wissen hochwertig grafisch aufbereitete und interaktive Werke anbietet, die dazu einladen, zu blättern, zu schmökern und interessante Fakten wie ein Schwamm in sich aufzunehmen.

Quelle: Dorling Kindersley

Allgemein empfohlen ab acht Jahren, sicherlich bei Interesse noch viel eher, lädt der folgende Band ein, die Welt der „Schreckensechsen“ zu erkunden. Die Reise ins Zeitalter der Dinosaurier folgt den Spuren von Tyrannosaurus Rex und anderen, zeigt, wie sie lebten und wie Paläntologen und Forscher auf der ganzen Welt arbeiten, um sich ein Bild von ihnen zu machen. Wie verläuft eigentlich die Ausgrabung eines Dinosaurier-Skeletts, welches Werkzeug benötigt man dazu und woher wissen wir eigentlich, wie das Leben in Trias, Jura und der Kreidezeit ausgesehen hat?

In häppchengroße Texte unterteilt, ergänzt durch zahlreiche Grafiken und Fotos sind die Informationen so aufbereitet, dass sich dieses Buch leicht selbstständig lesen lässt. Ein Kapitel umfasst dabei nicht mehr als zwei Seiten, so dass auch hier dafür gesorgt wird, nicht mit allzu vielen Fakten von Monolopho- und Brontosaurus überrannt zu werden.

Berücksichtigt werden dabei neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, so dass schon die jüngste Leserschaft ernstgenommen wird und wie bereits mit den Büchern zum Alten Ägypten oder den Planeten, sowie anderer Themen, auch in diese Welt versinken kann. In Kooperation mit der Lernplattform kahoot! gibt es sogar ein interaktives Quiz in verschiedenen Schwierigkeitsstufen, erreichbar durch QR-Codes innerhalb des Buches. Dazu wird weder eine Anmeldung benötigt, noch enthält diese Werbung. Das Buch ist zudem bei Antolin verfügbar.

Hier geht es ebenso um Wissensvermittlung, nur auf spielerische Art. Die Lernplattform bildet so eine sinnvolle und kreative Ergänzung zu dieser tollen Reihe. So bekommen auch die Jüngsten interessebezogenes Überblickswissen und ja, auch als Erwachsener blättert man hier gerne durch. Jedoch für die Zielgruppe ist dieses liebe Buch eine klare Empfehlung wert.

Autor:

David Lambert ist Kinderbuchautor.

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Werner Sonne: Israel und wir

Inhalt:

Werner Sonne war am 7. Oktober 2023 in Israel. Schon 50 Jahre zuvor hatte er als junger Reporter über den Jom-Kippur-Krieg berichtet – und nun wiederholte sich die Geschichte. In diesem Buch blickt der bekannte ARD-Journalist auf die hitzigen deutschen Debatten mit Israel. Zugleich erzählt er die Geschichte der deutsch-israelischen Beziehungen – von den schwierigen Anfängen unter Adenauer und Ben-Gurion bis zum Kauf des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow 3 und der Frage, was die Formel von der Sicherheit Israels als „Staatsräson“ Deutschlands konkret bedeutet. So bietet dieses anschaulich geschriebene Buch Hintergründe, macht Argumente verständlich und liefert „food for thought“ für eine der drängendsten und umstrittensten Debatten der Gegenwart. (Klappentext)

Rezension:

Nicht erst seit dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und den sich daran anschließenden neuen Gaza-Krieg wird in Deutschland intensiv über das Verhältnis zu Israel diskutiert. Während sich antisemitische Verfälle häufen, der Ton sich nicht nur in den sozialen Netzwerken verschärft, stellt sich die Politik dagegen mehrheitlich klar an die Seite Israels. Die Sicherheit des Landes sei Staatsräson, heißt es immer wieder, doch was bedeutet dies überhaupt? Wie weit geht Solidarität?

Sollte sie bedingungslos sein und kann sie das überhaupt, angesichts einer Regierung, der rechtsextreme Minister angehören, überdies in Anbetracht eines Konflikts der auch in Zukunft kaum aufzulösen sein wird? Der Journalist Werner Sonne, der bereits als junger Reporter aus Israel berichtete, untersucht unser Verhältnis zu Israel und stellt die Frage, was ist legitime Kritik und wo beginnt als Israelkritik verbrämter Antisemitismus.

Soweit das Grundgerüst dieses kompakt gehaltenen Sachbuchs, welches vom Ausgangspunkt der neuesten Entwicklungen einen Blick in die Geschichte wirft. Hier beginnend, nach dem Zweiten Weltkrieg, zeigt Werner Sonne, wie bereits die Gründer der Staaten, im Hintergrund an einer Zusammenarbeit werkelten, die bis in unsere heutige Zeit hinein wirkt.

Zunächst im Hintergrund geheim gehalten, ist die Kooperation beider Länder auf geheimdienstlichen und militärischen Gebiet heute sehr dicht und intensiv. Widerstände dagegen gab es anfangs auf beiden Seiten. In Israel protestierten zu Beginn nicht wenige auf politischer Seite und in der Bevölkerung gegen eine Zusammenarbeit mit den Deutschen, die unmenschliches Leid über fast alle Familien gebracht hatten. Wie konnte man da etwa verlangen, Uniformen für die im Aufbau befindliche neue deutsche Armee zu nähen, wo doch manche in den KZs einige Jahre zuvor gezwungen waren, für die SS dergleichen zu tun? Verbat es sich anderseits, im Anbetracht beider Geschichte, Rüstungsgüter wie U-Boote von den Deutschen zu beziehen?

Der Autor schaut nicht nur auf die militärische wie geheimdienstliche Zusammenarbeit. Werner Sonne zeigt, was die Sicherheitskooperation Israels mit Deutschland und umgekehrt in den ersten Jahren ausmachte und worin sie heute besteht, beleuchtet ein Verhältnis, welches von Beginn an besonderer Natur gewesen ist und weshalb dies wichtig ist, zu durchdenken, wenn wir über die heutige politische Lage zwischen beiden Ländern und in der Region selbst diskutieren. Hält so der Ausspruch von der Staatsräson Deutschlands gegenüber Israel noch stand?

Mit diesem sehr sachlich gehaltenen Werk zeigt Werner Sonne die historische Entwicklung einer besonderen Beziehung auf und gibt Denkanstöße und Material für Diskussionen. Er stellt sich dabei nicht auf eine Seite oder präsentiert vermeintliche Lösungen. Beim Lesen wird man nicht umhin kommen, an der einen oder anderen Stelle vielleicht einen anderen Standpunkt einzunehmen, doch wird man vielleicht einzelne Entscheidungen der Politik besser nachvollziehen können, warum sie so gefallen sind.

Wenn das erreicht ist und gewisse Denkanstöße damit gegeben sind, ist mit diesem Werk schon viel gewonnen und das ist mehr als man von einem historischen Beziehungsabriss als Diskussionsbeitrag erwarten darf.

Autor:

Werner Sonne wurde 1947 geboren und ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Seine journalistische Ausbildung begann er beim Kölner Stadt-Anzeiger, wo er sein Volontariat abschloss, anschließend arbeitete er bei der Nachrichtenagentur UPI und wechselte dann zum Hörfunk des Westdeutschen Rundfunks. Dort berichtete er als Korrespondent aus Bonn und Washington, bevor er 1981 zum Fernsehen wechselte. Nach verschiedenen Stationen arbeitete er als Auslandskorrespondent und Studioleiter, u. a. in Bonn, Washington und Warschau. 2004 wurde er Korrespondent beim ARD-Morgenmagazin. 2012 verabschiedete sich Sonne in den Ruhestand.

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Matthias Sander: China – Auf dem Weg zur digitalen Supermacht

Inhalt:

Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping will sein Land dank Technologie zur Supermacht formen. Bei künstlicher Intelligenz, E-Autos und Computerchips zählt China schon zur Weltspitze. Doch weitere Fortschritte sind bedroht, etwa durch amerikanische Sanktionen und Xis hartes Durchregieren.

Die anschaulichen, erzählenden Texte des Auslandsjournalisten Matthias Sander erkunden Chinas technologische Ambitionen ganz konkret. Seine Reportagen führen durch den digitalen Alltag, stellen innovative Startups vor und beleuchten die staatliche Subventionspolitik. Dabei betrachtet Sander Technologie stets im größeren Kontext von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Individuum – und den Auswirkungen auf Europa. (Klappentext)

Rezension:

Wer aus Europa nach China kommt, dem fällt sofort auf, wie verbreitet Technologie hier ist. Zutrittsschranken an Flughäfen und Wohnanlagen öffnen sich per Gesichtserkennung. Auf den Bürgersteigen filmen Überwachungskameras all paar Meter die Fußgänger. Taxifahrer halten ihren Fahrgästen am Zielort kommentarlos einen ausgedruckten QR-Code hin, damit sie per Handy bezahlen. […] Der Alltag in chinesischen Metropolen ist so digitalisiert wie wohl nirgendwo sonst.

Matthias Sander: China – Auf dem Weg zur digitalen Supermacht

Nach überstandener Quarantäne in einem Hotel fragt der Journalist nach einer Zutrittskarte im Checkkartenformat für seine Wohnanlage, die sonst nur per Gesichtserkennung zu betreten ist. Sander bekommt mehrere ausgehändigt, muss jedoch schnell feststellen, wie praktisch im Alltag diese Art Zutrittsberechtigung ist, vor allem, wenn man z. B. in beiden Händen jeweils eine Einkaufstüte hat.

In der Praxis wird er die Karten höchst selten benutzen. Um so häufiger WeChat, den kleinen Alleskönner, der als App für die Mehrzahl der Chinesen das Internet komplett ersetzt. Taxifahrten und Stromrechnungen kann man u. a. darüber bezahlen, seine Reisen planen und Behördengänge erledigen, vielfach nur auf diesem Wege.

Doch was bedeutet das, wenn auf Algorithmen und Daten der Staat Zugriff hat, über Nutzungsrechte seine Bürger kontrollieren und sanktionieren kann? Was heißt das für Unternehmen, die im vorauseilenden Gehorsam einer politischen Linie folgen müssen und mit Selbstzensur sich ausbremsen, bevor es der Staat tut?

Bis zu welchem Grad kann so Fortschritt gehalten werden und Innovation nachhaltig entstehen? Matthias Sander hat sich auf Spurensuche begeben und erlebt beinahe autonom fahrende Autos, durchleuchtet die handfesten wirtschaftlichen Hintergründe des Taiwan-Konflikts und zeigt die vielen Schattenseiten des vermeintlichen Fortschritts des Landes auf.

Die „Große Firewall“ ist keine harte Mauer. Sie bedeutet, dass die chinesische Regierung den grenzüberschreitenden Datenverkehr filtert und gegebenenfalls blockiert. Das ist in China relativ einfach, weil das Netz ganz bewusst nur an wenigen Knotenpunkten mit dem globalen Internet verbunden ist.

Matthias Sander: China – Auf dem Weg zur digitalen Supermacht

Entstanden ist dieses hoch interessante Sachbuch aus einer Zusammenstellung von Zeitungsartikeln des Autoren, die unvoreingenommen kritisch, fasziniert, von verschiedenen Aspekten Chinas berichten und über Technologie immer wieder sowohl zur Bedeutung dessen im Alltag der normalen Bevölkerung kommen als auch zur großen Politik und derer Auswirkungen auf die Welt.

Geordnet nach verschiedenen Themenbereichen beleuchtet Sander das unaufhaltsame Streben nach wirtschaftlicher Autarkie und politischen Voranpreschen in einer Vielzahl technologischer Bereiche und zeigt eine Politik, die nach absoluter Kontrolle strebt, aber damit jede Innovation zunächst einmal ausbremst oder kappt, wenn sie zu mächtig, damit unbeherrschbar werden droht.

Sander zeigt ein Land im Zwiespalt. Startups etwa, die der KI Chat-GPT nacheifern wollen, jedoch sich bereits im Voraus selbst zensieren und so keinen umfassenden Nutzen bringen, sondern sich auf eng umgrenzte Bereiche fokussieren, wie ein Internet, welches ebenso determiniert zeigt, was die chinesische Staatsführung eben zulässt, aber eben auch ein China, welches stolz seine Erfolge präsentiert. Die größten Hersteller von E-Autos sind alles inländische Firmen, selbst Tesla präsentiert sich dort wie eine einheimische Marke.

Doch was bedeutet der technologische Fortschritt für die Menschen in Bezug auf geopolitische Konflikte, im Wettbewerb mit ausländischen Firmen, die einerseits um die Chancen auf dem chinesischen Markt wissen, anderseits dort zumeist in Joint-Ventures gezwungen, Ideen- und Patentklau befürchten müssen? Wie wappnen sich amerikanische und europäische Firmen dagegen, wo lernen sie voneinander?

Teslas Erfolg mag auf den ersten Blick überraschen. Schließlich stecken die USA und China in einem Wettstreit um die Tech-Vorherrschaft. China will bei Schlüsseltechnologien wie Elektroautos, autonomem Fahren und Batterien Selbstversorger werden. Daten, wie Tesla sie massenhaft zur Entwicklung des autonomen Fahrens benötigt, gelten für Peking als Produktionsfaktor und sollen das Land praktisch nicht mehr verlassen. Wie also erklärt sich der Erfolg für Tesla in China? Und wie lange kann er anhalten?

Matthias Sander: China – Auf dem Weg zur digitalen Supermacht

Sander beobachtet, zeigt einen Innovationsgeist, der wohl noch größer wäre, würde er nicht durch politische Vorgaben eingeengt werden, doch verfällt er nicht in reiner Lobhudelei oder alles verdammender Kritik, sondern versucht die Bedeutung dessen, was er sieht, zu beleuchten. Hintergründe und Geschichten dortiger Unternehmen im Kontext der chinesischen Politik, werden beleuchtet, als auch deren schlimmste Auswüchse aufgezeigt, etwa was geschieht, wenn Wissenschaftler zunächst einmal fernab jeder Moralvorstellung agieren können.

Über jeden dieser ursprünglichen Zeitungsartikel, die nun in Themenbereiche gegliedert sind, steht das Entstehungsdatum, was so sortiert noch einmal das unaufhaltsame Tempo aufzeigt, in welchem sich die chinesische Gesell- und Wirtschaft bewegt. Auch kann man diese häppchenweise lesen oder hintereinander weg als ganzes Bild. Dabei sind auch sehr komplexe Inhalte so aufbereitet, dass sie auch für Laien gut zugänglich sind und so zum Verständnis beitragen, ohne bestimmte Mittel und Wege diskussionslos gutheißen zu müssen.

Sander zeigt die Auswirkungen scheinbar unaufhaltsamen Voranschreitens, aber auch die vielen großen Aber, damit auch, wie wichtig es ist, solchen Technologiedystopien etwas eigenes, positives entgegenzusetzen. Gelingt das, so zeigt diese Sammlung von Reportagen, können wir vor allem den hier geschilderten negativen Auswirkungen Alternativen gegenüberstellen. In diesem spannenden Sachbuch zeigt sich, gerade in China ist nicht alles Gold was glänzt. Manches kann übernommen oder adaptiert werden. Anderes ist mit großer Vorsicht zu genießen, selbst wenn der erste Blick zum Staunen einlädt.

Autor:

Matthias Sander wurde 1996 in Mainz geboren und studierte zunächst Politik und Soziologie. Seit 2014 ist er Journalist der Neuen Zürcher Zeitung NZZ aus der Schweiz. 2020-2023 war er China-Korrespondent der Zeitung und berichtete zunächst aus Taiwan, danach aus Shenzhen, seit 2024 ist er Korrespondent der französischsprachigen Schweiz.

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Wolfgang Krüger: Serienmörder des Dritten Reiches 1933-1945

Inhalt:

Auch in der vermeintlich fast lückenlos überwachten Diktatur des Dritten Reiches konnten Serienmörder ihr Unwesen treiben. Nach umfangreichen Recherchen legt Wolfgang Krüger nun einen weiteren Band zu Mordfällen aus der Zeit des Dritten Reiches vor. Diesmal begibt er sich auf die Spur unheimlicher Serienmörder. Er beschreibt detailliert die Verbrechen des berüchtigten Münchner Triebtäters Eichhorn und des Berliner S-Bahn-Mörders Ogorzow.

Er zeichnet aber auch die Vorgehensweise der Dortmunder „Raubmord-GmbH“ nach, die Untaten eines Serienmörders am Rande des Schwarzwaldes, die erschütternden Morde eines Melkers, der 1940 innerhalb von drei Wochen die Mark Brandenburg, Magdeburg und das sudetendeutsche Eger heimsuchte, indem er vier kleine Mädchen an sich lockte, sie missbrauchte und tötete. Schließlich wird der polnische Serienmörder Wignaniec geschildert, der als Fremdarbeiter im westfälischen Osnabrück drei seiner Landsleute ermordete und beraubte. (Klappentext)

Rezension:

Selbst als der Staat sich zum größten aller Massenmörder avancierte, gab es sie, die dunklen Kapitel der klassischen Kriminalistik, die in der Form von Serienmördern die Bevölkerung in Atem hielt. Auch in der absoluten Diktatur konnten diese ihr Unwesen treiben, Behörden und Polizeiorgane narren, welches Menschenleben kostete und für ein dem Anspruch nach alles unter Kontrolle haben wollende Gebilde schlicht Gesichtsverlust bedeutete, würde man den oder die Täter nicht habhaft werden können.

So suchte man möglichst schnell und geräuschlos, teilweise mit Mitteln, wie sie nur in einer Diktatur zur Verfügung stehen konnten, auch den Serienmördern auf die Spur zu kommen, von denen im vorliegenden Werk der Autor Wolfgang Krüger erzählt, beginnend bei den ersten Taten bis hin zur Vollstreckung der gefällten Urteile.

Zunächst wird in dieser schaurigen Sammlung dieser düsteren Seite deutscher Kriminalgeschichte die Definition derer erläutert, die Hauptgegenstand der Betrachtung sind, bevor sich kapitelweise den einzelnen Tätern gewidmet wird. Der Fokus liegt hier auf männliche Serientäter, die jeder für sich eine erschütternde Mordserie zu verantworten haben.

Detailliert beschreibt der Autor sowohl die Vorgehensweise, etwa des Schwarzwälder Serienmörders Josef Schäfer als auch die Umstände, wie dieser und andere ihre Opfer auswählten und nach dem Leben trachteten. Dabei werden Tathergang und Vorgehensweise fast nüchtern detailliert beschrieben als auch, warum selbst in einer so lückenlosen und grausamen Diktatur wie dieser solch ein Morden möglich war.

Teilweise zu plastisch wird dies durch Bilder aus den kriminalistischen Ermittlungsakten, die auch in der Qualität von damals nichts für schwache Gemüter sind. Zeit zum Durchatmen bleibt dabei kaum, denn auch die Ermittlungsarbeit selbst bis zur Aburteilung sind in ihrer historischen Betrachtung sowohl interessant als auch erschreckend.

Wie gingen klassische Behörden damals vor und wann und warum machten sie sich die Organe des NS-Regimes zu Nutze. Hier wäre eine ausführlichere und zuweilen kritischere Betrachtung wünschenswert gewesen, auch über das Verhältnis der einzelnen Kapitel zueinander kann man diskutieren.

Natürlich ist es vor allem der Quellenlage geschuldet, wenn man, in diesem Falle einer Mordserie knapp 60, einer anderen gerade mal fünf Seiten widmen kann, doch sollte man letztere dann überhaupt zur Sprache bringen? Diese kann schon alleine aufgrund des Seitenverhältnisses nicht die gleiche Wirkung auf die Lesenden entfalten, wie andere ausführlichere Schilderungen oder man hätte dieses Kapitel in der Reihenfolge anders sortieren müssen.

Auch ein Rahmen, z. B. durch ein Nachwort fehlt hier, in dem man voran gebrachte Kritikpunkte hätte erläutern können, was die aufgearbeitete Thematik, obwohl interessant, etwas unrund wirken lässt. Trotzdem, für historisch Interessierte eröffnen sich mit der Lektüre sicherlich einige eher unbekannte Aspekte. Und da ist dieses Sachbuch sicherlich eine Ergänzung.

Autor:

Wolfgang Krüger ist Psychotherapeut in eigener Praxis. Ihn beschäftigt seit Jahrzehnten, wie unsre Seele die Gesundheit stärkt. Außerdem publizierte er erfolgreiche Bücher über die Liebe, Treue, Sexualität, Freundschaften, Eifersucht, Geld, Humor , Selbstachtung und Großeltern.

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Andrea Löw: Deportiert

Inhalt:

Der Deportationsbefehl war unerbittlich – ein Koffer war erlaubt, es blieb kaum Zeit, um alles zu regeln und Abschied zu nehmen. Dann wurden sie aus ihrem bisherigen Leben gerissen. Ab Herbst 1941 wurden die im Deutschen Reich verbliebenen Jüdinnen und Juden systematisch „nach Osten“ deportiert.

Meisterhaft verwebt Andrea Löw ihre Geschichten zu einer Erzählung, deren Lektüre die ganze Ungeheuerlichkeit des Verbrechens emotional bewusst macht. Indem sie selbst zu Wort kommen, werden die Menschen sichtbar – als Mütter, Kinder, Großeltern, als Liebende, als Junge und Alte. Sie schildert ihre Ängste und Hoffnungen, die Stationen bis zur Abreise, den Transport. Die meisten erwartete am Ziel der sichere Tod, die Überlebenden berichten von Gefangenschaft, Flucht und Rettung. (Klappentext)

Rezension:

Am Anfang mussten sie entscheiden, was sie auf die Fahrt ins Ungewisse mitnehmen sollten. Nicht mehr als ein Koffer voll durfte es sein. Was würde man in der Fremde, Zielort unbekannt, benötigen? Viele liebgewonnene Dinge, Erinnerungsstücke, mussten sie zurücklassen. Den wenigen, die es schafften, bis Kriegsende die Qualen und unvorstellbare Gewalt durchzustehen, blieb zum Schluss kaum mehr das Leben und das, was sie am Leibe trugen.

Zu viele Jüdinnen und Juden war dies nicht vermocht. Einige der überlebenden Jüdinnen und Juden jedoch legten nach dem Krieg Zeugnis von dem unmenschlichen Grausamkeiten ab. Wie erlebten sie den Erhalt des Deportationsbefehls, die Deportation selbst, das Leben im Ghetto, die Razzien der SS, Konzentrationslager Todesmärsche? Wie schafften es einige zu überleben, was zu vielen zum Verhängnis wurde?

Ich weiß nicht, was vor mir liegt, vielleicht ist das gut so.

Andrea Löw: Deportiert

Die Historikerin Andrea Löw hat anhand von Berichten, Tagebüchern und transkribierten Interviews eine Chronik der schrecklichsten Ereignisse der jüngeren Zeitgeschichte aus Sicht derer geschaffen, die ihr zum Opfer fielen, was gerade jetzt immer wichtiger wird, je weniger Zeitzeugen uns davon erzählen können. Entstanden ist so aus hunderten Quellen ein Gesamtbild, welches verständlich zu machen versucht, was kaum zu begreifen ist.

Zu begreifen war, bereits zum Zeitpunkt des Geschehens, wurden zumindest die ersten Opfer des Holocaust zu Beginn noch im Unklaren über ihr weiteres Schicksal gelassen, während später nach und nach aus Gerüchten aus dem Osten ein immer klareres Bild die grausame Realität zeigte.

Wenn so etwas möglich war, was gibt es dann noch? Wozu noch Krieg? Wozu noch Hunger? Wozu noch Welt?

Andrea Löw: Deportiert

Dabei erläutert die Autorin zunächst ihre Herangehensweise anhand der Quellenlage, die sich vor allem aufgrund ihrer Anzahl auf die deutschsprachige jüdische Gemeinschaft beschränkt, sowie auf die Ghettos in Litzmannstadt und Riga konzentriert, wobei auch andere Schauplätze beleuchtet werden. Erzählt wird ab dem Zeitpunkt des Deportationsbescheids, die vorhergehende menschliche Entrechtung wird zugunsten des Blickwinkels außen vorgelassen, wobei hier auf bereits zahlreich existierende Literatur verwiesen wird.

Entlang eines Zeitstrahl hangelt sich die Autorin durch eine immer dichtere Abfolge von unmenschlichen Grausamkeiten, bei der winzige intuitiv gefällte Entscheidungen über Weiterleben oder Tod entscheiden konnten.

Auf der Seite liegend, Oberkörper und Füße von verschiedenen Nachbarn eng gepresst, erzeugte dieses Liegen das Gefühl sich bereits in einem Massengrab zu befinden […]

Andrea Löw: Deportiert

Ungeschönt erzählt das Sachbuch von einer Vernichtungsmaschinerie aus der Sicht ihrer Opfer, die sich einer immer brutaleren Unausweichlichkeit entgegen sahen, jedoch auch, was menschlicher Überlebenswille und Erfindungsreichtum zu überstehen vermag. Dicht verweben sich die einzelnen Biografien zu einem Gesamtbild, welches nicht unberührt lassen kann.

Andrea Löw setzt damit jene, über die sie schreibt und allzu vielen, deren Gedanken nicht dokumentiert wurden, ein Denkmal und hat mit „Deportiert“ einen wichtigen Bestandteil innerhalb der Bücher gegen das Vergessen geschaffen. Ergänzt wird die Lektüre mit einem ausführlichen Personenregister und Quellenverzeichnis zur Unterfütterung des Gelesenen.

Autorin:

Andrea Löw wurde 1973 in Hagen geboren und ist eine deutsche Historikerin. Sie studierte Geschichte, Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Bochum, wo sie promovierte. Von 2004 bis 2007 war sie an der Arbeitsstelle Holocaustliteratur der Justus-Liebig-Universität Gießen tätig.

Seit 2007 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Zeitgeschichte beschäftigt, zunächst in Berlin, danach in München. Dort ist sie seit 2013 stellvertretende Leiterin des Zentrums für Holocaust-Studien. Des Weiteren lehrt sie an der Universität Mannheim . wirkt als Redakteurin des Online-Journals Sehepunkte mit. Sie forscht und betreut Projekte zur NS-Judenverfolgung, insb. zum Themenkomplex Ghettos im deutsch besetzten Polen. Löw ist Autorin mehrerer Bücher.

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Dirk Wulff: Hannah Arendt – Erforscherin des Bösen

Reihe:

Das Werk gehört zur verlagsinternen Reihe „Philosophie für unterwegs“, in Zusammenarbeit mit verschiedenen Autoren und Autorinnen. Da jedes Buch aus der Reihe aus einer anderen Feder stammt und unabhängig voneinander gelesen werden kann, haben wir hier keine Band-Reihenfolge aufgelistet, da sonst das Rezensionsverzeichnis durcheinander käme.

Inhalt:

Hannah Arendt (geb. 1906 in Hannover, gest. 1975 in New York), durchlebte einen großen Zeitraum des „weltverändernden“ 20. Jahrhunderts. Bildung, Denkfähigkeit, Freiheitswille sowie persönliche Erlebnisse befähigten sie – die 1933 vor der Judenverfolgung aus Deutschland emigrierte -, scharfe Beobachterin und Analystin dieser Epoche zu werden.

Das „tätige Leben“ der Menschen, die Entwicklung totalitärer Regime, Freiheitsentzug, Flucht und die Vernichtung Andersdenkender sind „politische Themen“, mit denen sie sich beschäftigte und die sie „weltloser, akademischer“ Philosophie vorzog. Ihre Forschungsergebnisse zur Entstehung totalitärer Herrschaft sowie die Reportage zu „Eichmann in Jerusalem“ mit der intensiv geführten Debatte über die „Banalität des Bösen“ sind von bleibender Aktualität. (Klappentext)

Rezension:

Der immer höhere Grad an Automatisierung bringt es mit sich, dass die Auswirkungen unserer Taten wir immer indirekter zu spüren bekommen, ja damit gar nicht mehr in Berührung kommen. Der wissenschaftliche und technische Fortschritt hat den Schreibtischtäter möglich gemacht, ohne den keine Mechanik in Gang gesetzt werden kann, der jedoch nicht wahrzunehmen braucht, welche Folgen sein Handeln, sein Entscheiden hat. Adolf Eichmann konnte so den Massenmord des NS-Regimes organisieren, mit der gleichen Leidenschaftslosigkeit, mit der er auch hätte Aktenordner sortieren können.

Das was er tat war in Zahlen messbar, Tot und Massenmord als Zahlenfolge, die emotionalen Folgen erreichten den Bürokraten aufgrund der physischen Entfernung zu den zentralen Handlungsorten nicht. Das Böse ist banal, schlussfolgerte die Publizistin und politische Theoretikerin Hannah Arendt, deren eigene Themen des Lebens zugleich die eines Großteils des 20. Jahrhunderts waren. Der Wissenschaftler Dirk Wulff nimmt sich ihrer an und gibt mit seinem Exzerpt einen kompakten Überblick über das Leben dieser beeindruckenden Frau, sowie über derer wichtigsten Werke.

In wie weit aber lässt sich die Arbeit eines Menschen so dermaßen kompakt herunterbrechen, wie es innerhalb dieser Buchreihe geschieht, in derer sich verschiedene Autoren und Autorinnen den großen Denkenden der Geschichte annehmen? Dirk Wulff zumindest gelingt es, hauptsächliche Punkte herauszuarbeiten und damit auch ihrer Urheberin Gestalt zu geben. Es ist anzunehmen, dass dies im Rahmen der Reihe mit einer gewissen Kontinuität geschieht, so dass es sich wohl lohnt, die „Philosophie für unterwegs“ im Blick zu behalten. Der Verlag hat diese ausgebaut und so finden sich von Camus über Sokratis, von Karl Marx bis hin zu Simone Weil schon sehr viele, mit deren Gedankengängen es sich zu beschäftigen lohnt.

Zumindest für einen Anknüpfungspunkt, um einen Zugang zu finden. Dafür ist die Reihe in jedem Fall geeignet und das gelingt Dirk Wulff mit „Hannah Arendt – Erforscherin des Bösen“ sehr gut. Ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis gibt im Anschluss weitere Anregungen für eine ausführlichere Beschäftigung, doch für das Grundsätzliche genügen diese wenigen Seiten, auf denen beschrieben werden, wie die Publizistin Flüchtlinge sah, zu denen sie selbst gezwungenermaßen gehören musste und aus welchen Elementen und Ursprüngen heraus totalitäre Gesellschaften ihres Erachtens folgen können.

Abgerundet wird die Denkschrift zusätzlich mit Überlegungen, was sich Hannah Arendts Betrachtungen im Heute schlussfolgern lässt. Sprachlich ohne Schnörkel stellt Dirk Wulff dies dar, jedoch ohne trocken oder gar überheblich daherzukommen. Vielleicht liegt dies am Format, welches keine größeren Abstrahierungen erlaubt, ist damit jedoch um so zugänglicher für Laien, so dass man Werk wie Reihe unbedingt weiter verfolgen sollte.

Autor:

Dirk Wulff wurde 1941 in Wittenberg geboren und arbeitete bis 2004 als promovierter Chemiker an Forschungsprojekten in der chemischen Industrie. Er war an unzähligen Patenten, wissenschaftlichen Publikationen sowie am Wissensspeicher CHEMICA beteiligt. Seit 2004 widmet er sich philosophischen und soziologischen Themen. Wulff ist Mitglied der Nietzsche-Gesellschaft e. V. und veröffentlichte im Jahr 2009 „Kapitalismus und weiter?“.

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Anthony Bale: Reisen im Mittelalter

Inhalt:

Ob Pilgerinnen oder Kaufleute, Ritter, Mönche oder Spione – die Leidenschaft für das Reisen packte die Menschen bereits im Mittelalter. Getrieben von Fernweh und Abenteuerlust die einen, auf der Suche nach religiöser Erleuchtung oder Ruhm auf dem Kreuzzug die anderen. Für alle war der Weg lang und gefährlich, gute Vorbereitung und Reiseführer mit Tipps für Rast und Übernachtung und Hinweisen auf Gefahren waren unerlässlich.

Anthony Bale nimmt uns mit auf eine Reise nach Nürnberg und Aachen, nach Paris und Rom, in das von Touristen bevölkerte Venedig und nach Rhodos. Wir erkunden Konstantinopel und Jerusalem und gelangen bis in die sagenhaften Länder der Amazonen, Riesen und Fabelwesen, nach China, Äthiopien und Indien. Ein farbiges Panorama der mittelalterlichen Welt, gesehen durch die Augen derer, die sie bereisten. (Klappentext)

Rezension:

Als Martin Behaim, Kaufmann und Seefahrer, einen der ersten europäischen Versuche präsentierte, die ganze Welt auf einem physischen Globus darzustellen, war dieser bereits überholt, doch konnte sich damit Nürnberg als prosperierender Handelsplatz präsentieren. Heute noch erhalten und im Germanischen Nationalmuseum von Nürnberg zu besichtigen, zeigt der Globus uns die mittelalterliche Welt als Produkt dieser besonderen Konstellation von Zeit und Ort. Ein Blick darauf offenbart die Sicht auf die Welt, in der die Menschen schon damals im regen Austausch zueinander standen. Der Historiker Anthony Bale folgt ihren Spuren und nimmt uns mit auf eine ebenso spannende, wie abenteuerliche Zeitreise.

Entlang historischer Reiseberichte entfaltet der Autor eine Welt, in der Reisen noch mit Abenteuer verbunden, dennoch nicht weniger durchorganisiert war, als heute. Auf unterschiedlichen Pfaden und Handelsrouten begegnen wir dabei Menschen, die Handel trieben und zu einer der ersten Vernetzungen der Welt beitrugen, Pilger, Missionare, Ritter und Kämpfer für ihren Glauben und entdecken die ersten Touristen, die nur für sich selbst unterwegs waren und dabei auf allerhand Erstaunliches stießen.

Damals, so erfahren wir, in den nach Routen und Zielen unterteilten Kapiteln, war Reisen mit zahlreichen Schwierig- und Unwägbarkeiten verbunden. So konnte eine Flaute auf See die Menschen zum Innehalten zwingen, Brief und Siegel eines Königs jedoch dabei helfen, Grenzen zu überwinden. Der Historiker zeigt anhand zahlreicher Beispiele die sich verändernden Sichtweisen Fremder auf Gegenden und Orte, die sie bereisten, aber auch, dass Reiseberichte von damals immer eine Mischung aus Wahrheit und Fiktion, sowie politischer und religiöser Standpunkte waren.

Anhand gleichsam philosophischer Überlegungen erläutert Bale Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Reiseetappen damals und heute. Warum reisen wir? Was macht dies mit uns? Welche Ziele haben wir? Was bleibt nach der Reise selbst? Die Gedanken dazu bilden das tragende Konstrukt nebst zahlreicher historischer Überlieferungen für dieses spannende Sachbuch, welches zudem nicht nur die Sichtweise damaliger Reisenden erläutert, sondern auch jener, die sie besuchten. Dabei bleibt Bale nicht eurozentrisch verhaftet, erläutert auch das Unterwegssein aus anderen Teilen der Welt heraus.

Spannend vermischen sich historische Reiseberichte, philosophische Überlegungen, die ergänzt werden mit einer ausführlichen Quellenangabe und Personenregister zu einem bunten Portrait des Unterwegssein in damaliger Zeit. Auf den Spuren von venezianischen Kaufleuten wie Marco Polo, ehrwürdigen Mönchen und doch zahlreichen Frauen wie Margery Kempe, für die das Reisen noch ganz andere Herausforderungen bereithielt, bewegt sich dieses kurzweilige Sachbuch, welches sprachlich schön, sowohl von an der Historie als auch am philosophischen Aspekt des Reisens Interessierten gelesen werden kann.

Autor:

Anthony Bale wurde 1975 geboren und ist ein britischer Historiker. Er lehrt Mittelalterstudien am Birkbeck College der University of London und erhielt 2011 den Philip Leverhulme Prize für herausragende junge Wissenschaftler. 2019 war er Fellow der Harvard University. Für sein Buch ist er den Routen mittelalterlicher Globetrotter gefolgt.

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Helmut Schmidt, Sanna Stroth: Autismus

Inhalt:

Autismus – das Sichabsondern von der Außenwelt und Verschlossenbleiben in der Welt der eigenen Gedanken und Phantasien – zählt zu den besonders rätselhaften seelischen Störungen. In diesem Buch werden die verschiedenen autistischen Störungen und ihre Diagnostik beschrieben, die wichtigsten Behandlungsformen erläutert sowie die neuesten Ergebnisse der Autismusforschung vorgestellt. (Klappentext)

Rezension:
Immer noch ist Autismus eine schwer zu verstehende und zu untersuchende Störung, da Betroffene sich innerhalb eines großen Spektrums unterschiedlicher Ausprägungen bewegen, man den einzelnen Menschen betrachten muss und dabei Überschneidungen mit anderen Störungen oder Determinanten beachten, diese mitunter gesondert betrachten oder zunächst ausschließen muss, bevor man sich mit dem eigentlichen Autismus beschäftigen kann.

Dies stellt nicht nur das Fachpersonal, Psychologen und Psychotherapeuten im Rahmen des sog. frühkindlichen Autismus vor Herausforderungen, immer öfter müssen diese auch bei Erwachsenen beachtet werden. Der Psychiater Helmut Remschmidt und die Psychologische Psychotherapeutin Sanna Stroth haben einerseits die Geschichte, andererseits den aktuellen Wissenstand in Erkennung, Diagnostik und Behandlungsformen zusammengefasst. Dabei ist dieses kompakte Werk entstanden.

Mit besonderen Interesse habe ich dieses Buch aus der informativen Reihe aus dem Hause C. H. Beck gelesen, da als Betroffener ich verstehen und mit meinen eigenen Kenntnisstand dieses Wissen abgleichen möchte. Dies gelingt mit diesen Werk wunderbar, komprimiert es die aktuellen Kenntnisse so, dass keine wichtigen Informationen verloren gehen, zudem das Zusammengetragene verständlich dargebracht wird, was ein ohnehin großes Plus dieser Reihe ist.

In zugänglicher Sprache geht es zunächst um den Begriff an sich und dessen Geschichte, sowie um die Einordnung als Störung mit einem gewissen Spektrum, bevor dann eine Aufgliederung notwendig wird, der beide Fachleute Rechnung tragen. Ausführlich wird zunächst auf die Autismus-Spektrum-Störung selbst eingegangen, wobei Merkmale besprochen, die Diagnostik erläutert wird, bevor dann die Wichtigkeit der Abgrenzung von anderen Störungen aufgezeigt wird. Immer wieder werden dabei leicht verständliche Grafiken eingeführt, die zugleich Zusammenfassung sind als auch das Gelesene verständlich machen. Ursachen und Konsequenzen für die Therapie, deren Verlauf und Prognose kommen zuletzt zur Sprache, bevor beide Wissenschaftler dann auf den sog. atypischen Autismus eingehen.

Genau so kompakt gehalten, die einzelnen Kapitel sind so kurz wie möglich, geht es anschließend um Behandlungsmethoden und ihre Wirkungsweisen. Hierbei wird deutlich, dass gerade dort noch große Lücken im Wissen um Wirksamkeit und Erfolge bestehen, wobei auch dort durchaus Fortschritte auszumachen sind. Dem minimalen Raum, den der Autismus im Erwachsenenalter in diesem Werk einnimmt, kann man schon beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnis entnehmen, dass dies eine relativ neuer Abschnitt innerhalb der Medizin ist, dem zuvor relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Folglich ist der Kenntnisstand darüber einfach noch nicht groß.

Trotzdem zeigen Remschmidt und Stroth hier, was Autismus für Betroffene und derer Umgebung, insbesondere elterliche Bezugspersonen und Betreuer bedeutet und schaffen damit ein neues Verständnis, dem man dann noch Berichten von Betroffenen anfügen möchte, auch dafür gibt es inzwischen einige gute Beispiele. Allein, hier ist aktuelles Überblickswissen versammelt, welches in den nächsten Jahren noch vervollständigt und ergänzt werden dürfte. Empfehlenswerte Lektüre für alle Interessierten.

Autoren:

Helmut Remschmidt wurde 1938 im damaligen Rumänien geboren und ist ein deutscher Kinder- und Jugendpsychiater und Psychologe. Nach dem Krieg flüchtete die Familie nach Oberfranken, wo er nach dem Abitur Medizin, Psychologie und Philosophie studierte. 1964 promovierte er mit seiner Dissertation und wurde nach verschiedenen Stationen, etwa als Wissenschaftlicher Assistent habilitiert. Danach wirkte er an der Freien Universität Berlin, wechselte anschließend nach Marburg und Mannheim. Er war 14 Jahre lang Vorsitzender des Vereins „Hilfe für das autistische Kind“ und ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Er wurde 1999 mit dem renommierten Max-Planck-Forschungspreis ausgezeichnet.

Sanna Stroth ist Psychologische Psychotherapeutin und Projektleiterin am Marburger Institut für Autismusforschung und Therapie an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Philipps-Universität Marburg. Sie forscht zu den biologischen und sozialen Grundlagen der Autismus-Spektrum-Störung.

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Ewald Frie: Ein Hof und elf Geschwister

Inhalt:

Die stolze bäuerliche Landwirtschaft mit Viehmärkten, Selbstversorgung und harter Knochenarbeit ist im Laufe der Sechzigerjahre im rasanten Tempo und doch ganz leise verschwunden. Der Historiker Ewald Frie erzählt am Beispiel seiner Familie von diesem stillen Abschied. Sein glänzend geschriebenes Buch verwebt meisterhaft die eigenen Erfahrungen mit zeitgeschichtlichen Zusammenhängen und lässt so den großen Umbruch auf dem Land lebendig werden. (Klappentext)

Rezension:

Die Geschichte der Bundesrepublik wird zumeist von den Städten heraus beschrieben mit dem allseits bekannten Zeitstrahl, anhand dessen man sich orientieren kann, wogegen die Erzählung vom Höfesterben ein Narrativ bedient, welches lohnt, auseinandergenommen und neu erzählt, damit neu eingeordnet zu werden.

Ewald Frie und seine Geschwister haben den stillen Wandel einer Gesellschaftsform, die zunächst noch prägend den ländlichen Raum gestaltet hat und schließlich mit all den traditionellen Elementen verschwand, erlebt, gelebt und mitgestaltet. Am Beispiel seiner Familie zeigt der Historiker mit seinem Sachbuch Umbrüche als nahtlose Übergänge, in dem Verschwinden auch das sich Eröffnen von Chancen bedeutet hat, vor allem für die jüngeren unter den Geschwistern.

In „Ein Hof mit elf Geschwistern“ verbindet er Archivarbeit mit Interviews, die er in seiner Familie geführt hat, oral history, und zeigt dabei die Verschiebung von Wahrnehmung innerhalb einer Generation. Am Anfang wurde da die traditionelle Landwirtschaft noch als wirkliche Zukunftsperspektive wahrgenommen, schon alleine aufgrund der großen Anzahl von Geschwistern wegen, nur wenige Jahre später strebten die Kinder von Bernhard Frie anderen Lebenszielen nach. Der Hof von mittlerer Größe konnte perspektivisch nicht mehr zum Lebensunterhalt aller beitragen.

Ungeschönt, ohne Nostalgie, doch voller Empathie ist innerhalb der gewählten Erzählform ein bemerkenswerter Text entstanden, der nicht nur Wolke II zu Ehren gereicht, sondern eine wichtige Ergänzung zu all den Geschichten der Bundesrepublik darstellt. Auch eben das ist passiert.

Der Historiker beschreibt die Veränderungen der Sichtweisen von außen, jedoch vor allem von innen und damit noch viel mehr, geht es auch um die Rolle des Katholizismus im ländlichen Raum, Bildungschancen und Eroberungen von Spielräumen für sich selbst, immer auch unterstützt von den eigenen Eltern, die zunehmend die neuen Welten nicht mehr zur Gänze verstehen konnten, aber so weit wie möglich ihre Kinder bestärkten den ihren eigenen Platz darin zu finden.

Zumindest für die Frie-Geschwister, so geht es aus der Lektüre hervor, die zunächst die Perspektive des Vaters, dann der Mutter, eingerahmt von der Vor- und Nachgeschichte, beschreibt, kann der Wandel nicht nur als Abgesang, sondern auch als durchaus Erfolgsgeschichte gelten. Wie einst die Kuh des Vaters, die eine DLG-Ausstellung gewann.

Zurecht mit dem deutschen Sachbuchpreis 2023 ausgezeichnet, hat da Ewald Frie, diese Perspektive eingenommen, ein Unentschieden für sich herausgeholt.#

Ewald Fries Dankesrede zur Verleihung des Deutschen Sachbuchpreises 2023:

(Quelle: Deutscher Sachbuchpreis)

Autor:

Ewald Frie wurde 1962 in Nottuln geboren und ist ein deutscher Historiker. Als Sohn einer katholischen Bauernfamilie im Münsterland aufgewachsen, studierte er zunächst Katholische Theologie und Geschichte an der Universität Münster, bevor er von 1985 bis 1987 als Museumsführer arbeitete. Danach legte er 1988 seinen Magister ab und war 1989 bis 1991 Volontär am Institut für westfälische Regionalgeschichte Münster.

Er promovierte 1992 und habilitierte schließlich nach verschiedenen Stationen im Jahr 2001. In Tübingen ist er Professor für Neuere Geschichte und ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Frie ist Verfasser und Herausgeber verschiedener Werke. 2023 gewann er den Deutschen Sachbuchpreis.

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Bill McGuire: Treibhaus Erde

Inhalt:

Die Erde schwebt in akuter Gefahr. Unser einst lebensfreundlicher Planet ist auf dem besten Weg, zu einem sich selbst erhitzenden Treibhaus zu werden. Dieses Buch bietet eine fundierte Perspektive auf den Klimanotstand und zeigt, dass es praktisch unmöglich ist, die kritische 1,5°C-Marke noch zu halten.

Das Resultat: Der Kollaps unserer Ökosysteme lässt sich nicht mehr abwenden. Er wird unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten komplett auf den Kopf stellen. Bill McGuire, Professor für Geophysik und Klimafolgen, erklärt die wissenschaftlichen Hintergründe der Klimakrise und zeichnet ein unverblümtes, aber realistisches Bild der Welt, in der unsere Kinder alt werden.

Überschwemmungen, Dürren, Konflikte – so düster das Szenario auch sein mag, wir müssen uns damit auseinandersetzen. Damit aus einer besorgniserregenden Zukunft keine katastrophale wird. (Klappentext)

Rezension:

Verdrängung und falscher Optimismus sind es, die den wissenschaftlichen Konsens seit Jahrzehnten nicht an die Oberfläche drängen lassen und die Luft zum Atmen nehmen. Dabei begegnen wir überall auf unserem Planeten immer sichtbareren Folgen der Klimakrise, welche sich in häufiger und ausufernden Extrem-Wetterereignissen äußert, die längst in verschiedenen Teilen der Welt dazu führt, dass unser Planet in einen Zustand gerät, in dem der Mensch keinen Platz finden wird.

Doch wie sehen sie aus, die Klimaänderung, mit denen wir in Zukunft zu rechnen haben und wie müssen wir ihr begegnen. Der britische Klimato- und Vulkanologie Bill McGuire beschreibt in seinem Werk ein ungeschöntes wissenschaftlich abgesichertes Szenario, welches zeigt, dass es längst nicht mehr darum gehen muss, dessen Folgen abzuwenden, sondern ihnen zu begegnen.

Gletscher verschwinden und Eisschilde sind instabil, der steigende Meeresspiegel bedroht schon jetzt verschiedene Inselstaaten, Permafrostböden tauen auf und geben Methan frei, während Dürren und Überschwemmungen zu Ernteausfällen, damit zu politischen Unruhen führen. Dies ist erst der Anfang, einer sich immer schneller drehenden Abwärtsspirale, in der wir uns gerade befinden. In diesem sehr kompakt gehaltenen Sachbuch werden wissenschaftliche Fakten für Laien verständlich aufgeschlüsselt, was vor allem heißt, genau erklärt, wie sich Veränderungen etwa das Überschreiten bestimmter Klima-Kipppunkte konkret auswirken.

Zunächst beschreibt der Autor den Istzustand, bevor er auf die Geschichte klimatischer Veränderungen zu sprechen kommt und zeigt, wie schon jetzt und auch in Zukunft wir zum Spielball derer Geister werden, die wir einst gerufen haben. Eindrücklich warnt McGuire dabei vor Schwachstellen unserer menschlichen Zivilisation und schildert wie Klimakriege unser Zusammenleben, Gesundheit und Lebensqualität auf einem überhitzten Planeten sein werden, den wir unseren Kindern und Kindeskindern überlassen, aber auch selbst in naher Zukunft gegenüber stehen.

Einen Blick fürs Zuversicht verbietet sich da. Man möchte diese Denkschrift allen Klimaleugnern um die Ohren hauen, die politischen Eliten als verdammten Arbeitsauftrag zur klimagerechten Politik verpflichten, wie sie große Teile der Gesellschaft inzwischen fordern. Dieser Warnschuss ist nicht mehr der vor dem Bug. Längst sind zu viele Baustellen entstanden, die nicht mehr behoben werden können, doch zeigt McGuire, wie wir damit umgehen müssen. Die Zeit für Alternativen sind längst vorbei.

Dieses kompakt gehaltene, gut erklärende Sachbuch, mehr braucht man nicht, um zu verstehen, in welcher Welt wir uns befinden und schon bald befinden werden.

Autor:
Bill (William J.) McGuire wurde 1954 geboren und ist ein britischer Vulkanologe und emeritierter Professor für Geophysik und Klimagefahren am University College London. Er studierte zunächst Geologie, welche er später lehrte und beschäftigte sich in verschiedenen Forschungsgruppen mit Naturgewalten und Extremwetterereignissen. Zu seinen Forschungsgebieten gehört die Instabilität von Vulkanen, sowie die Art und Auswirkung geophysikalischer Ereignisse, sowie der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf geologische Gefahren.

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