Geschichte

Fredy Gareis: 100 Gramm Wodka

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100 Gramm Wodka Fredy Gareis Rezensionsexemplar/Reisebericht Malik Seiten: 252 ISBN: 978-3-89029-457-5

Inhalt:

Was hat es mit dem geheimnisvollen Himbeersee auf sich, an dem Fredy gareis‘ Großmutter in einem Straflager war? Und wieso trägt seine Mutter den Geburtsort „Soda Kombinat“ im Pass? Als Kind von Russlanddeutschen wächst Fredy gareis mit vielen offenen Fragen auf.

Um endlich Antworten zu finden, macht er sich auf den Weg. Drei Monate fährt er quer durch Russland und versucht zu ergründen, was es mit diesem Land auf sich hat, von dem es heißt, dass man es nicht mit dem Verstand fassen kann, sondern nur mit dem Herzen. (Klappentext)

Rezension:

Blut ist dicker als Wasser und so macht sich der Journalist Fredy Gareis auf Spurensuche nach der Vergangenheit seiner Familie und fährt dabei Russland einmal quer durch. Mit nicht vertrauenswürdig aussehenden ausrangierten Militärfahrzeugen, russischen PKW oder auf Schienenspur der Transibirischen Eisenbahn.

Vorbei am Moskauer Vorort-Villenviertel, wo sich Politiker und Oligarchen die Klinke in die Hand geben oder auf die Straße des Todes. Mit Hilfe von Freunden und fernen Verwandten und Bekannten bringt er Stück für Stück Licht ins Dunkel seiner Vergangenheit, der Vergangenheit seiner Familie, die ihm seine Eltern und Großeltern nicht erklären konnten oder wollten.

Dabei entstand eine eindrückliche Momentaufnahme des vergangenen und des heutigen Russlands, in dem sich die Älterern ihrer Vergangenheit beraubt und einer unsicheren Zukunft ausgesetzt sehen und die Jungen gegen die zunehmende Einengung des putinschen Systems ankämpfen. Zumeist, in dem sie zwei Leben leben. Ein öffentliches und ein privates. Oder ins Ausland gehen.

Der Autor legt hier ein wunderschönes Länder-Portrait und eine berührende Familiengeschichte vor, wie sie vielleicht nicht wenige Russlanddeutsche haben und lässt dem Leser an seine Gefühlswelt wehrend der Reise teilhaben.

Ein ständiges Auf und Ab, Zweifel an der Reise, Entdeckungen, Seltsames und immer wieder die Geschichten der Menschen auch vor Ort. Wie sie leben, was sie denken. Und er zeigt, wie schnell der russische Staat alle „notwendigen“ Informationen zusammenhat, um über jeden der im Land lebt und durch das Land reist im Bilde zu sein.

Zwar ist dies nur ein kleiner Teil, eine Episode dieser Tour von Sankt Petersburg bis nach Magadan aber die Ereignisse reihen sich auf einer solchen Reise wie die Perlen einer Kette aneinander.

Der Schreibstil lässt einen ruhigen Lesefluss zu und nur den. Man hat den Eindruck als wolle der Autor den Leser bewusst an sein gemächliches Reisetempo anpassen, was aber eben schnell ermüdend sein kann.

Denn, nicht für jeden mag dessen Familiengeschichte interessant sein oder zumindest nicht alle Aspekte. So sind dann Längen vorhanden, die der Autor nicht verschuldet hat, da für ihn natürlich diese Reise und die Familiengeschichte eine ganz andere Bedeutung hat.

Kann man aber ganz gut und gerne mit 100 Gramm Wodka überprüfen. Denn, obwohl Alkoholismus im Riesenland ein Problem darstellt, heißt es, dass es sogar wohltuend ist, 100 ml Wodka täglich zu trinken. Wer mehr konsumiert ist ein Säufer.

Autor:

Fredy Gareis wurde 1975 in Alma-Ata geboren und ist in Rüsselsheim aufgewachsen. Nach Nebenjobs als Putzmann, Taxifahrer und Barkeeper stieg er in den Journalismus ein, nachdem er die Münchener Journalistenschule besucht hatte.

Als freier Reporter schrieb er für die Zeitung „Die Zeit“, den Tagesspiegel und war unterwegs für Deutschlandradio. Von 2010 bis 2012 berichtete er aus Israel und dem Nahen Osten.

Für seine Reportage „Ein Picasso in Palästina“ wurde er mit dem Journalistenpreis des Deutschen Kulturrats ausgezeichnet. Im Sommer 2015 machte er sich für eine Reportage auf der Suche nach Raubkunst (kunstjagd.de).

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Jona Oberski: Kinderjahre

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Kinderjahre Jona Oberski Rezensionsexemplar/Roman Diogenes Hardcover Seiten: 149 ISBN: 978-3-257-06962-4

Inhalt:

Die Kinderjahre von vier bis sieben, die am soglosesten sein sollten, erlebte Jona Oberski im Grauen von Bergen-Belsen. Mit seiner einzigartigen, ergreifenden Schilderunmg nimmt er die Perspektive des Kindes ein, das nichts begreift, doch alles Geschehen registriert und einzuordnen versucht. Ein existentielles Buch. (Klappentext).

Rezension:

Jona ist vier Jahre alt und wird eines Tages aus dem Schlaf geschreckt. Laut schreiende Männer sind in der Wohnung und befehlen den Eltern, Sachen zu packen und der Junge begreift in der Hektik nur eines, dass sie auf eine Reise ins Ungewisse gehen werden.

Für Jona eher ein Abenteuer, aber die Angst seiner Eltern, die ihn dennoch immer versuchen abzulenken, färbt auf ihn ab und so beginnt für den Jungen eine Irrfahrt, erst nach Westerbrok, später nach Bergen-Belsen. Dort ist er in aller Deutlichkeit mit der Grausamkeit des Krieges konfrontiert.

Der Hund vom deutschen Wachmann wirkt auf den Kleinen wie der Wolf von Rotkäppchen. Jona versucht dennoch den Schrecken als Alltag wahrzunehmen, hängt sich an seiner Mutter, die er bald als nur noch einzige Bezugsperson haben wird, „spielt“ mit den anderen Kindern im Lager und entkommt dennoch nicht dem Schrecken, der sich in Tod und Krankheit zeigt.

Nicht zuletzt für ihn unmittelbar bei seinen Eltern. Das Kind, welches äußerlich noch klein ist, wird im Innersten schnell zum Erwachsenen und begreift mehr als die selbigen für gut und ausreichend halten. Jona lernt in seiner kindlichen Art und Weise zu überleben.

Dies ist die wahre Geschichte des Autoren, der mit „Kinderjahre“ die wichtigste und egreifenste Lebenststation in Buchform vorgelegt hat. Und das bereits 1973.

Warum dies so lange gedauert hat, bis es diese wahre Geschichte, die so ergreifend und bedrückend ist, wie die von Anne Frank, nach Deutschland geschafft hat, mag man sich bei der Lektüre fragen und ist dennoch froh, dass sie überhaupt erzählt werden kann. Schluießlich hat es der Autor geschafft, zu überleben.

Umsorgt von seinen Eltern und von gutmeinenden Menschen, schafft er es der Hölle des Lagers zu überstehen, um später in der Nachkriegszeit der Niederlande seinen Weg fortzusetzen.

Die eindrückliche, fast erdrückende Schreibweise nimmt den Leser auf den Weg durch eine Kindheit mit, die eigentlich zur schönsten Zeit des Lebens zählen sollte. Tatsächlich ist diese Geschichte schön, weil man weiß, dass es diese des Autoren ist, er überlebt hat, doch das Szenario um ihn herum ist erschütternd und einfach nur schrecklich.

Eine Art „Das Leben ist schön“ auf Niederländisch und aus Kindersicht geschrieben, die doch mehr begreift als die Erwachsenen, die alle selbst kämpfen, wahrhaben wollen. Ein wichtiges, interessantes Buch, welches noch nach dem Lesen beschäftigen wird. Auf, dass kein Kind mehr solch eine Hölle erleben muss.

Autor:

Jona Oberski wurde 1938 in Amsterdam geboren und war als Physiker an einem Forschungsinstitut für Nuklear- und Teilchenphysik tätig. Sein autobiographischer Roman „Kinderjahre“ erschien in den Niederlanden erstmals 1978 und erzählt aus der Sicht seiner Kindheit über sein Erleben von Krieg, Deportation und Konzentrationslager. Das Werk wurde später verfilmt, 2016 ins Deutsche übersetzt.

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Henry Winterfeld: Timpetill – Die Stadt ohne Eltern

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Timpetill – Die Stadt ohne Eltern Roman Heyne Taschenbuch Seiten: 288 ISBN: 978-3-4535-3440-7

Inhalt:

Die beschauliche Kleinstadt Timpetill ist fest in der Hand der Piraten, einer Bande wilder Jungs und Mädchen, die alles durcheinander bringen. Eines Tages allerdings treiben sie es zu bunt.

Als Kater Peter, dem die Piraten einen Wecken an den Schwanz binden, halb Timpetill verwüstet, haben die Erwachsenen entgültig genug: Sie verlassen die Stadt – und ihre nervenaufreibenden Kinder. Die müssen nun selbst schauen, wie sie klarkommen. Es werden die aufregendsten Tage ihres Lebens.

Rezension:

Henry Winterfelds Erstlingswerk muss schon etwas ganz besonderes sein, wenn auf den antiquarischen Markt Preise von 250,00 Euro aufwärts erzielt werden, ohne das zum Verkauf angebotene Exemplar vorher mal in den Händen halten zu können.

Tatsächlich wurde der Roman in den 50er und 60er Jahren der Bundesrepublik noch verlegt, verschwand dann lange Zeit in der Versenkung und erst seit Juli 2013 ist dieses Werk wieder zu einen erschwinglichen Preis zu erwerben.

Gesorgt dafür, hat RandomHouse, genauer gesagt der Heyne-Verlag und natürlich musste ich zugreifen, zumal hier ja schon seit längeren davon geschwärmt wurde. Nun also, konnte ich mir selbst ein Bild machen.

Welches Kind gerät nicht einmal in Situationen, in denen es sich seine Eltern sonst wohin wünscht, ist aber dennoch froh, dass dieser Fall dann doch nicht eintritt, doch genau das passiert den jüngsten Bewohnern des kleinen Städtchens Timpetill.

Allerdings nicht freiwillig. Die Eltern, entnervt von den Streichen der „lieben Kleinen“, ziehen die Konsequenz und fortan sind die Sprösslinge ganz auf sich allein gestellt. Mit allen Konsequenzen. Vermeintlich Positive, wie „keine Schule“ oder „keine Aufgaben“, aber eben auch ohne Wasser, Strom und Essen.

Schuld daran sind die Piraten, berüchtigte Kinderbande, die es wieder einmal zu weit getrieben haben und ganz froh darüber sind, nun ohne Eltern leben zu können, während der mutige Thomas und sein Freund Manfred der Erfinder „Geheimrat“ das sich anbahnende Chaos kommen sehen und mit aller Kraft die Stellung halten wollen, bis die Eltern wiederkommen.

Zwei Lager, die sich spinnefeind sind und fortan um die Oberhand in Timpetill kämpfen, mal „nur“ verbal, aber auch mit harten Bandagen. So entwickelt sich eine spannende Kindergeschichte, aufgelockert durch aufwendige Zeichnungen der beschriebenen Szenen, die sich sehr gut lesen lässt, von Kleinen wie von Großen.

Man fiebert mit den Protagonisten mit, freut und ärgert sich, schüttelt den Kopf um im nächsten Moment der einen, wie auch der anderen Figur insgeheim Recht zu geben und versinkt in diese Welt als würde man selbst zu den Piraten oder den Kindern um Thomas, Manfred und Marianne gehören. Und alleine des Effektes willen, lohnt es sich schon, den Roman zu lesen.

Doch, nicht nur deshalb. Winterfeld schreibt vielschichtig. Über seine Zeit, der aufkommenden Umwälzungen in Deutschland, die genau so mit Chaos und Straßenschlachten begannen und schließlich in die Katastrophe führten und auch die Alltagserlebnisse seines Sohnes Thomas‘ bindet er mit ein.

Für den hatte er ursprünglich diese Geschichte entwickelt und ihn hiermit zumindest in seiner Phantasie gleichsam zu einen Helden gemacht. Vielleicht gab es auch im Leben des echten Thomas eine Kinderbande, die ihm das Leben schwer machte? Wer weiß dass schon?

Vielleicht interessierte sich Thomas schon in seiner Kindheit für Technik, wie die Figur des Manfred, im Buch sein bester Freund? Möglich wäre es, Thomas wurde später Ozeanograph. Insofern ist diese Geschichte gleichsam ein mehrfaches Juwel, Eine gelungene Mischung aus Autobiographie und Phantasie, aus real Erlebten, Wünschen und Ängsten.

Nur einen Unterschied gibt es. In der Geschichte gelingt es „Thomas“ die Ordnung, die die Kinder durcheinander gebracht hatten, auf friedliche Weise binnen Tagen wieder herzustellen. In Europa tobte der Krieg noch bis Mitte 1945.

In der Neuausgabe existiert zudem noch ein Nachwort von Boris Koch. Unbedingt wirklich erst danach lesen. Es lohnt sich.

Autor:

Henry Winterfeld wurde 1901 in Hamburg geboren als Sohn des Dirigenten und Künstlers Jean Gilbert (eigentlich Max Winterfeld). Giberts Söhne studierten ebenfalls Musik, emigrierten während der Machtübernahme Hitlers in die USA. Henry Winterfeld lebte bis zu seinem Tod als Jugendschriftsteller und Filmautor in Maine, USA, wobei er seine Werke hauptsächlich in deutscher Sprache verfasste.

Im Jahre 1933 erfand Winterfeld für seinen damals zehnjährigen an Scharlach erkrankten Sohn Geschichten mit täglich einer Episode. So entstand sein erstes Buch „Timpetill – Die Stadt ohne Eltern“ welches er mit eigenen Scherenschnitten illustrierte. Verlegt wurde es erstmals 1937 unter den Pseudonym Manfred Michael.

Danach musste er aus den bedrohten Frankreich fliehen und zog zu Verwandten in die USA, deren Staatsbürgerschaft er 1946 annahm. 1953 erschien sein zweites Buch „Caius ist ein Dummkopf“. Sein Werk „Timpetill – Die Stadt ohne Eltern“ ist Pflichtlektüre an französischen Schulen und wurde 2007 verfilmt.

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Winterberg, Yury/Sonya: Kleine Hände im Großen Krieg – Kinderschicksale im Ersten Weltkrieg

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Kleine Hände im Großen Krieg Sachbuch Aufbau Verlag Hardcover Seiten: 368 ISBN: 978-3-351-03564-8

Thema:

„Was nützt es, ein Kind zu sein, wenn Krieg ist …“ Die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, der Erste Weltkrieg, hat die Menschheit in einen Ausnahmezustand versetzt. Dazu gehörte auch die Generation der Kinder, deren Schicksale in diesem Buch erstmals erzählt werden. Kindersoldaten kämpften im Ersten Weltkrieg zu Tausenden in fast allen Armeen.

Allein in England waren es etwa 250 000. Aber es gab auch die minderjährigen Kriegskrankenschwestern und viele Kinder, die die Grausamkeiten der Besatzung erleben mussten: 100 Jahre nach seinem Beginn wird die Geschichte des Ersten Weltkrieges anhand ihrer Tagebücher und Briefe völlig neu erzählt.

Dabei kommen auch Prominente zu Wort, die im Ersten Weltkrieg heranwuchsen, unter ihnen Simone de Beauvoir, Marlene Dietrich, Heinz Erhardt, Alfred Hitchcock und Anaïs Nin. (Amazon.de)

Rezension:

Als das hundertste Gedenkjahr näher rückte, machte sich ein Autorenteam daran, anhand von Tagebüchern ddie Schicksale Beteiligter am Ersten Weltkrieg nachzuspüren und stieß auch auf drei schriftliche Zeugnisse aus Kinderhänden. Diese sollten mit in die Fernsehserie „Tagebücher des ersten Weltkrieges“ eingeflochten werden, doch würde das funktionieren?

Wären solche Schriften überhaupt eine ernstzunehmende und stichhaltige Grundlage für eine ernsthafte Aufarbeitung? Die Redakteure hatten Bedenken und die beteiligten Senderanstalten auch, trotzdem stieß man nach und nach auf weitere Tagebücher von Kindern und Jugendlichen, so dass man schließlich beschloss, diesen eine eigene Serie zu widmen.

Die kam dann auch, acht Folgen auf ARTE. Doch das Material gab viel mehr her als dass man es hätte unbeachtet lassen können und so entstand unter Federführung von Sonya und Yury Winterberg dieses Buch. Treffender hätte der Titel nicht sein können. Der Erste Weltkrieg war der erste Krieg, der nicht auf einem eng begrenzten lokal wahrnehmbaren Raum stattfand sondern Länder überall in einem Strudel der Gewalt riss und mit ihnen auch eine ganze Generation von Kindern.

Für diese sollte nichts mehr so sein, wie vorher. Egal, ob sie in Serbien oder in den Gebieten Belgiens lebten, wo später Franzosen und Deutsche praktisch in Schützengräben kämpften oder in den riesigen Weiten des Russischen Reiches lebten.

Einige von ihnen kämpften sogar, obwohl minderjährig, an forderster Front mit und von diesen und jenen berichten die Winterbergs nur aufgrund von Tagebüchern eben dieser Kinder. Trotzdem bewahren sie, wo sich die Schreiber irrten, historische Richtigkeit und blicken zudem über den Tellerrand.

Keine Seite des Krieges wird ausgespart, Tagebücher von Kindern aus aller Welt zu Rate gezogen. Spannender und zugleich erdrückender kann Geschichte kaum sein. Egal, ob von dem damaligen Londoner Schuljungen Alfred Hitchkock die Sprache ist oder vom russischen Zarewitsch Alexej oder von einfachen ellsässischen Bauern- oder belgischen Dorfkindern.

Die Kinderschicksale, die in der Serie erzählt werden, kommen im Buch nicht vor, dieses berichtet dafür ausführlicher, vielseitiger und kritischer.

Es hinterfragt die Tagebücher, sucht Verknüpfungspunkte zwischen den Kindern, die sich nicht einmal kannten und zeigt, dass ein jedes dieser Jungen und Mädchen den Ersten Weltkrieg auch ein klein wenig mit beeinflusst hat und der Krieg umgekehrt und um so mehr natürlich die Kinderseelen.

Gerade heute, wo es wieder viele Kindersoldaten (Über 250.000 Kinder waren es im Ersten Weltkrieg in der Britischen Armee. Eine Tatsache, die erst spät aufgearbeitet wurde.) überall auf der welt gibt, wo viele Kinder vor den von den Erwachsenen geführten Kriegen flüchten müssen, ist dieses Buch sehr aktuell.

Denn, durch Krieg gewinnt man nicht unbedingt etwas, zerstört aber auf jeden Fall. Und als erstes und am längsten sind immer Kinder davon betroffen.

Autoren:

Yury Winterberg wurde 1965 in Radebeul geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Drehbuchautor. Er studierte Psychologie an der TU Dresden und arbeitete dort eine Zeit lang als wissenschaftlicher Assistent. In den 1980er Jahren veröffentlichte er erstmals eigene Texte und nach der Wende arbeitete er als Zeitungsredakteur bei den späteren „Dresdner Neueste Nachrichten“.

Für kurze Zeit war er außerdem für den MDR-Hörfunk tätig sowie für die SPD als Kulturreferent im Sächsischen Landtag. 1993 machte er sich selbstständig und schrieb Drehbücher für Dokumentationen und Dokudramen der Öffentlich-Rechtlichen Sender. Sein Schwerpunkt ist das Thema „Zeitgeschichte“.

Sonya Winterberg wurde 1970 geboren und machte 1989 ihr Abitur auf dem Schwedischen Gymnasium Borga in ihrer Geburtsstadt Provoo/Finnland. Später zog sie nach Deutschland um Skandinavistik, Germanistik und Philosophie in Freiburg/Breisgau zu studieren. Nachdem sie für eine Umweltorganisation arbeitete, folgte ein mehrjähriger Aufenthalt in den USA.

In zweiter Ehe ist sie mit Yury Winterberg verheiratet. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich sozialer Arbeit für mehrere Organisationen und in der Fotografie. Sie ist eine Vertreterin des sog. Slow Jouernalism, der sich der sorgfäktig echerchierten langfristigen Auseinandersetzung mit Themen widmet.

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Eva Weaver: Jakobs Mantel

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Jakobs Mantel Roman Droemer Knaur Taschenbuch Seiten: 394 ISBN: 978-3-426-30442-6

Inhalt:

New York 2009. Eines Tages, während eines Spaziergangs mit seinem Enkel, glaubt der alte Mika auf einem Plakat den Mantel seines Großvaters Jakob zu sehen. Mit dem Mantel kehrt die Erinnerung an seine Kindheit zurück, an die lange verdrängten Schrecken des Warschauer Ghettos und an seine Rettung. (Klappentext)

Rezension:

Es ist die Geschichte zweier Menschen, die der Krieg zusammenbringt. Der eine, der Willkür des Anderen ausgeliefert, der Andere kann sich der Faszination seines Gegenübers kaum entziehen. Und es ist die Geschichtezweier Familie, deren Schicksale auf unfassbare und grausame Weise miteinander verwoben sind.

Mika, ein anfangs 15-jähriger Junge ist hier die Hauptperson, erbt einen Mantel, dessen Taschen viele Geheimnisse aber vor allem Handpuppen bergen, die er von seinem Großvater bekommen hat. Im Warschauer Ghetto erkämpft er sich damit ein Stück Freiheit, wird gleichzeitig aber gezwungen, seine Stücke vor den deutschen Soldaten zu spielen.

Er spielt um sein Leben und um das Leben anderer als er sich immer mehr den jüdischem Widerstand anschließt und führt damit die Besatzer und vor allem Max an der Nase herum.

Der widerum ist eben einer der Besatzungssoldaten, die der Krieg zu Tätern macht, der Max hin und wieder ein Stück Brot zusteckt, dann plötzlich kalt, grausam und unberechenbar agiert. Als schließlich die Tage des Ghettos gezählt sind, tauschen einige Puppen den Besitzer, doch die Geschichte beider Protagonisten ist noch lange nicht beendet.

Der erste Teil von Eva Weavers Geschichte, erzählt diese aus der Sicht des Jungen Mika, für den der Leser sofort Sympathie entwickelt. In flotten erdrückenden Schreibstil erzählt die Autorin hier zwar eine rein fiktionale Geschichte, die sich aber tatsächlich so abgespielt haben könnte.

Zumindest nimmt man es der Autorin ab, weiß man doch um die Willkür, der die Juden in den besetzten Gebieten ausgeliefert waren und insbesondere in den Ghettos und Konzentrationslagern nicht zuletzt von den Stimmungen der Nazis abhängig waren, die sie zusammentrieben, einpferchten und deportierten.

Klar und flüssig erzählt, taucht der Leser in die grausame Atmosphäre ein, Gott sei Dank mit dem Wissen, dass der Erzähler, zumindest in der Geschichte, überlebt hat, muss aber ansonsten mit der Schwere und den Wirren des Ghetto-Alltags zurechtkommen. Alleine dafür aber lohnt sich der Roman zu lesen.

Zweiter Teil ist die Geschichte von Mikas Gegenüber, des Wehrmachtssoldaten Max Meierhauser, und das hätte es nicht gebraucht, zumal es aufgrund der Überschneidungen einfach zu Doppelungen kommt, die im Lesefluss stören.

Was anfangs zu viel des Guten ist, wird erst gegen Mitte des zweiten Handlungsstranges interessant als es um das Wiedereingliedern in die Nackriegsgesellschaft geht und auf die letzte Konfrontation mit der Geschichte, durch Max‘ Enkelin, die auf den zuletzt todkranken Mika trifft. Das wiegt aber die anfängliche Überfrachtung durch die zweite Geschichte kaum auf, schmälert jedoch nicht die erste, die für sich genommen genial ist.

Insgesamt ein anfangs großartiger Roman, der mit zunehmenden Zeilen und Handlungsverlauf jedoch leider viel verliert. Was schade ist. Wäre die Geschichte auf zwei Bücher, dann eben jeweils dünner, aufgeteilt worden, wäre die Wirkung eine ganz andere gewesen.

So aber liest man hintereinander weg und untergräbt damit die Faszination und Genialität des ersten Teils, der einem noch in einem Strudel aus Verzweiflung, Überlebenswillen und Kampf mitreißen mag.Schade eigentlich, denn beide Storys für sich genommen sind ansonsten sehr gut les- und nachvollziehbar. So aneinandergeklatscht wirkt der Roman auf Vielleser über Geschichten dieser Zeit leider einfach nur mittelmäßig.

Autorin:

Eva Weaver, in Deutschland geboren, lebt seit vielen Jahren in England. Sie arbeitet als Trauma- und Kunsttherapeutin und hat sich als Performance-Künstlerin einen Namen gemacht. „Jakobs Mantel“ ist ihr erster Roman.

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Peter van Gestel: Wintereis

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Wintereis Roman Gulliver/Beltz & Gelberg Taschenbuch Seiten: 335 ISBN: 978-3-40774163-9

Handlung:

Kurz nach Kriegsende streift der 12-jährige Thomas durch die Straßen Amsterdams. Ein harter Winter hat die Stadt fest im Griff. Die Mutter gestorben, der Vater arm und arbeitslos, wächst Thomas dennoch liebevoll umsorgt auf. In seiner Klasse lernt er den neuen Jungen Piet kennen, mit dem er sich schnell anfreundet. Dessen Familie ist so ganz anders als seine und trägt ein Gehemnis mit sich. Als sich ihm Piet, inzwischen Zwaan genannt, offenbart, festigt das die Freundschaft der beiden noch mehr. Doch, eines Tages trennen sich die Wege der Jungen, die doch nicht ohne den Anderen können.

Rezension:

Es ist ein kleiner unscheinbarer Roman, der da herausgegeben wurde, zumindest wenn man von der deutschen Ausgabe spricht. Das Cover in Rot- und Brauntönen gehalten, darauf ein spazierender Junge und die typisch niederländische Grachten-Ansicht vom Wasser aus. Und so unscheinbar, auch der Klappentext der Übersetzung verrät nicht viel, beginnt auch der Roman. Zwei Jungen, der eine Neuling in der Klasse, freunden sich erst zögerlich, dann immer mehr miteinander an, gleichwohl sie aus unterschiedlichen Verhältnissen stammen.

Und der eine wie der andere ist vom Gegenüber fasziniert. Thomas, hier der witzige, lausbübische Hauptprotagonist mehr von Zwaan als umgekehrt. Letzterer gibt sich geheimnisvoll und vorsichtig, intelligent und zurückhaltend. Als der Junge aber hinter das Geheimnis, nach und nach, seines neuen Klassenkamerades kommt, schweißt das die zwei noch enger zusammen.

Ein wunderbarer Roman über eine recht sonderbare Zeit als die Niederlande, direkt nach der Stunde Null im folgenden Winter im Kältechaos versanken, Hunger, Not und armut allgegenwärtig waren. Ein kleines Zeitportrait und ein Werk über Freundschaft, Vertrauen und Zusammenhalt.

Der Schreib- und Erzählstil, für Kinder und Jugendliche klar und gut lesbar gehalten, ist poetisch gehalten und der zwölfjährige Protagonist als pointierter frecher Erzähler. Ein toller kleiner Roman, der auch von Erwachsenen gelesen werden kann und gelesen werden sollte.

Autor:

Peter van Gestel wurde 1937 in Amsterdam geboren und besuchte zunächst die Schauspielschule, bevor er als Dramaturg und Autor für den niederländischen Rundfunk und das Fernsehen arbeitete.

Ende der 70er Jahre schrieb er Kurzgeschichten, später Romane für Kinder und Jugendliche, von denen einige ins Deutsche übersetzt wurden. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet. Für „Wintereis“ erhielt er den Theo-Tijssen-Preis, den Woutertje-Oreis und den Nienke van Hitchum-Preis.

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Wolfgang Hohlbein: Mörderhotel

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Mörderhotel Wolfgang Holbein Bastei Lübbe Erschienen am: 26.05.2017 Seiten: 847 ISBN: 978-3-7857-2548-1

Inhalt:

Chicago, 1893. Die neunzehnte Weltausstellung öffnet ihre Tore. Millionen Besucher strömen in die Stadt und suchen ein Hotel. Herman Webster Mudgett besitzt ein solches. es ist eines der erstaunlichsten Häuser am Platz: Es hat Falltüren, verborgene Räume, Geheimgänge, einen Foltertisch, ein Säurebad und eine Gaskammer.

Viele Menschen gingen in dieses Hotel. Nur wenige verließen es wieder. Zumindest lebend … Wolfgang Hohlbeins neuer Roman erzählt die unglaubliche, aber wahre Geschichte um einen der ersten Serienkiller Amerikas! (Klappentext)

Rezension:

Die Menschen erstaunen ob der Wunder der Technik, die das Ende des alten und den Beginn des neuen Jahrhunderts kennzeichnen. Sie strömen zur Weltausstellung in Chicago um elektrisches Licht, damals noch eine Besonderheit und andere Vorboten der Moderne zu bestaunen. Und natürlich benötigen all die Besucher eine Unterkunft.

Eine solche gibt es in einem Vorort, der wachsenden Stadt, doch ist sie mehr als außergewöhnlich. Nicht nur, dass sie beinahe leer steht, sondern mit ihrer neuartigen wuchtigen Bauweise einen zweifelhaften Ruf in der Umgebung hat, zumal dort ständig Menschen zu verschwinden schein.

Auch Arlis weiß darum und quartiert sich, auf der Suche nach ihrer Schwester zusammen mit dem Versicherungsdetektiv Geyer ein. Beide wissen nur, dass die Schwester zuletzt mit dem Besitzer des Hotels liiert war und dann spurlos verschwand.

Von den Dingen, die sich grausam hinter den Wänden des Hotels verbergen, haben sie jedoch keine Ahnung, was sich jedoch bald ändern wird.

Der Horror-Roman, neuester Streich von Wolfgang Hohlbein, hat es in sich und enthält gleich zwei Geschichten, die sich nach und nach zusammenfügen zu einer gemeinsamen handlung. Zunächst das Werden des Massenmörders Herman Webster Mudgett, den es tatsächlich gegeben hat und dessen grausame Taten hier als Vorlage dienten, zum anderen die Geschichte der Aufdeckung seiner Taten.

Wobei sich kaumk sagen lässt, welcher Handlungsstrang grausamer oder abstoßender ist. Die Figuren tragen jedenfalls nicht dazu bei, dass man diese Geschichte zu mögen beginnt, soll man vielleicht auch nicht aber ein Roman selbst dieses Genres ohne Identifikationsfigur ist schon außergewöhnlich.

Und gewöhnungsbedürftig. tatsächlich geht dies sogar so weit, dass man, wenn auch nur für wenig mehr als einen Augenblick Sympathien für den Massenmörder hegt, dem Privatdetektiv Geyer aber alles Schlechte wünscht. Auch eine Variante aber eine, die es schwer macht, dieses Geschehen durchzuhalten.

Wolfgang Hohlbeins „Mörderhotel“ hat dabei keine Längen aber liest sich auch nicht gerade flüssig. Vielleicht hätte der ansonsten im fiktionalen Bereich sehr erfolgreiche Autor gut daran getan, die reale Geschichte zu recherchieren und als Sachbuch aufzuarbeiten.

Als Horror-Roman funktioniert es nur mittelmäßig, handwerklich im Stil klassischer Vorbilder, ansonsten springt der Funke (oder spritzt das Blut) hier nicht über. Dass die wenigen Morde (im Vergleich zum Versprechen des Klappentextes, an den man sich hier nicht halten sollte) sehr detailliert beschrieben werden, ist auch nicht dazu angetan, dieses Buch in einem Rutsch durchzulesen.

Nein, hier wird der Leser, der das sonst frei entscheiden kann, praktisch gezwungen ab und zu inne zu halten und an etwas anderes zu denken. Mag sein, dass dies der Stil eben ist in diesem Genre aber „Mörderhotel“ ist ein Roman, der wahrscheinlich als Film sogar besser funktioniert als in schriftlicher Form. Und ob dies für ein Buch eine Auszeichnung ist, wage ich zu bezweifeln.

Es wird mein vorerst letzter Roman, vielleicht tue ich Wolfgang Hohlbein ja auch Unrecht, in diesem Genre bleiben. Vielleicht ist es einfach nichts für mich. Wobei mich die reale Geschichte, die als Vorbild diente, mehr interessiert.

Im Vergleich z.B. mit Tom Rob Smiths „Kind 44“, der dort ebenfalls eine reale Mordserie verarbeitete, fällt „Mörderhotel“ leider deutlich ab. Und das bricht diesem Roman bei den Lesern, die zuerst den Krimi des englischen Schriftstellers gelesen haben, das Genick bzw. den Buchrücken. Für Wolfgang Hohlbeins Fans natürlich, wird auch „Mörderhotel“ wieder eine Sternstunde des Autoren werden.

Autor:

Wolfgang Hohlbein wurde 1953 in Weimar geboren und ist ein deutscher Schriftsteller im Genre Horror, Fantasy und Science-Fiction. er gehört zu den auflagenstärksten Autoren Deutschlands. Über 43 Millionen seiner Bücher wurden bisher verkauft.

Dem in Neuss lebenden Schriftsteller gelang mit seinem Roman „Märchenmord“ 1982 der Durchbruch. Schon als Jugendlicher begann er zu schreiben, lernte zunächst aber Industriekaufmann und arbeitete als Nachtwächter.

Die ersten Geschichten schrieb er unter Pseudonym. 2013/2014 wurde eine Fenrsehserie über seine Familie ausgestrahlt, die aber nach wenigen Folgen eingestellt wurde. Nach ihm wurde der Wolfgang-Hohlbein-Preis benannt.

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Susan Hastings: Schusterjunge Karl

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Schusterjunge Karl Susan Hastings Roman Erschienen am: 08.10.2012 Seiten: 375 ISBN: 978-3-95537-000-8

Handlung:

Im Oktober 2013 jährt sich zum zweihundertsten Mal die große Völkerschlacht bei Leipzig. Napoleon mit seiner großen Armee wurde von den verbündeten Streitkräften der Russen, Österreicher, Preußen und Westfalen vernichtend geschlagen. Mittendrin wurde die sächsische Armee zwischen den Fronten aufgerieben.

Der sächsische König hielt bis zur Katastrophe zu Napoleon. Erst während der dreitägigen Schlacht wechselten die Sachsen die Fronten, was dem König nachträglich die Gefangenschaft einbrachte. Viel wurde und wird über die Feldherren dieser Schlacht geschrieben, ihre Heldentaten gepriesen, ihnen Denkmäler erbaut.

Kaum jemand aber weiß um die Schicksale der unzähligen Namenlosen, die unter dem Großmachtstreben wahnwitziger Tyrannen leiden mussten, die sowohl von Siegern wie Besiegten geplündert, geschändet, verletzt oder getötet wurden.

Es gibt viele Augenzeugenberichte aus der damaligen Zeit, die von dem unsäglichen Leid der Zivilbevölkerung erzählen, Briefe der Soldaten, die als Kanonenfutter ins Feld geschickt wurden. Dieses Buch ist all denen gewidmet, die in den Wirren der Besatzung und der Kriege ihr Hab und Gut, ihre Gesundheit und Unversehrtheit, ihre Würde und das Leben verloren haben. (Klappentext)

Rezension:

Die Völkerschlacht bei Leipzig ist ein großes geschichtliches Thema, besonders in der Messestadt an der Pleiße selbst und so wurde vor zwei Jahren die Zweihundert-Jahr-Feier mit entsprechenden Aufwand begangen. Ausstellungen in der ganzen Stadt, Vorträge, sogar die Schlacht selbst wurde in Teilen von Laien-Schauspielern dargestellt. In nie dagewesener Größenordnung.

Ein Jahr zuvor als die Vorbereitungen dafür schon in Gange waren und die Stadtoberen die Werbetrommel rührten´veröffentlichte Susan Hastings diesen Roman, der dass Schlachtengetümmel aus einer ganz besonderen und beeindruckenden Perspektive zeigt.

Aus Sicht der einfachen Bevölkerung, der Leipziger und der umliegenden Dörfer, die erst viel später zur Stadt selbst gehören sollten. Hauptprotagonist ist hier Karl, der sich in der Stadt als Lehrling eines Flickschusters verdienen muss und zunächst vom aufkommenden Kriege begeistert ist.

Obwohl die Stadt unter den auferlegten Befehlen Napoleons ächzt, sind doch die Ideen des Kaisers der Grande Nation zu verlockend. Doch Karl und seine Freunde, seine Verwandten und Bekannten erkennen schnell, was es heißt, mitten in einem Krieg zu sein, in dem es nur Verlierer gibt.

Ein beeindruckender Historienroman, der anfangs nur langsam ins Rollen kommt, dann aber mit geballter Wucht einschlägt. Wie eine Kanonenkugel oder das Bajonett der französischen Soldaten. Die Autorin zeichnet gewollt ein blutiges aber realistisches Bild vom Leiden der Leipziger und Geschehen in der Stadt, die unter den Kämpfen und der wechselnden Besatzung (erst Franzosen, dann Russen) zu leiden hatte und verschönigt nichts.

Dabei erkennt man als Einheimischer die beschriebenen Örtlichkeiten sehr gut wieder und fühlt sich sehr gut in die Lage der einfachen Bürger zurückversetzt, die dies ertragen mussten. Zwar hat Susan Hastings das alles in mehreren Liebesgeschichten eingebettet, man möge es ihr aber verzeihen.

Zu groß war die Begeisterung bei der Jubiläumsfeier für eine Schlacht, in der zu viele Menschen für nichts starben. Da tut es gut, gerade das Kriegsgeschehen, die Schlachten nicht verschönigt zu sehen.

Der Schreibstil ist flüssig, die Protagonisten und ihre charakterlichen Wandlungen nachvollziehbar, eingebettet in einem gut recherchierten und detailliert geschilderten Historienszenario. Dennoch bin ich froh, dass meine Heimat das Leipzig ein paar Jahrhunderte später ist.

Autorin:

Susan Hastings ist das Pseudonym einer deutschen Schriftstellerin. Sie wurde 1954 in Leipzig geboren und nach Ausbildung und Studium zur Diplom-Geologin war sie im Bergbau tätig. Als Sachverständige arbeitete sie dort in den Bereichen Geologie und Ökologie.

Um ihren Traum wahr werden zu lassen, eines Tages Bücher schreiben zu können, nahm sie ein Fernstudium auf und veröffentlichte zunächst Kurzgeschichten. Unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlichte sie Liebes-, Historien- und Heftromane.Sie ist Mitgründerin des Vereins deutscher Liebesroman-Autorinnen.

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Gudrun Pausewang: Auf einem langen Weg

Auf einem langen Weg Book Cover
Auf einem langen Weg Gudrun Pausewang Ravensburger Erschienen am: 01.08.1996 Seiten: 191 ISBN: 978-3-473-52041-1

Handlung:

„Jetzt ist es so weit“, rief die Mutter nervös. „Wir müssen weg. Heute Abend müssen wir auf dem Bahnhof sein. Wir werden in den Westen gebracht.“ Achim verstand nicht, worum es ging. Er war ja auch erst sechs Jahre alt.

Werner aber wusste, was das bedeutete: Die Stadt würde bald beschossen werden. Deshalb sollten vorher alle Frauen und Kinder und alle Alten und Kranken forgebracht werden. Der Zug kommt jedoch nicht weit. Bei einem Bombenangriff werden Werner und Achim von der Mutter getrennt. Sie haben nichts als ihre Wintermäntel. Und eine Adresse: Glauchau. (Klappentext)

Rezension:

Es ist das Schicksal hunderter Kinder, was Gudrun Pausewang hier beschreibt, denn nach Kriegsende gab es wohl unzählige kleine Werner und Achims, deren Familien Richtung Westen flüchteten um den „Horden“ der Roten Armee zu entkommen.

Viele Kinder verloren auf dem langen und beschwerlichen, gefährlichen Weg ihre Eltern ganz oder teilweise aus den Augen und mussten sich alleine durchschlagen. In der Hoffnung, die Eltern wieder zu finden und einfach nur zu überleben.

Dies gelingt Pausewang einfühlsam zu beschreiben, verständlich selbst für junge Leser, die sich wohl mit dieser Thematik, die nur die Groß- oder Urgroßelter-Generation betrifft, beschreibt und so einen Zugang ebnet für die Geschichten vieler Familien.

Der Schreibstil ermöglicht dabei ein leichtes flüssiges Lesen. Die Figuren sind überwiegend sympathisch, vor allem die Brüder Werner udn Achim eignen sich als Identifikationsfiguren.

Ihr Weg, ihre Abenteuer, ihre Gefühle und ihr Kampf ums Überleben werden gerade für Kinder einfühlsam beschrieben, wenn auch gerade Pausewangs Ausdruck auf jüngste Leser geradezu geeicht und für ältere Leser entweder etwas altmodisch aber zumindest manchmal angestrengt rüberkommt.

Inzwischen gibt es viele veröffentlichte Berichte, teilweise von den Zeitzeugen selbst, über die sog. „Wolfskinder“, die ihre Eltern in den letzten Kriegswirren verloren hatten und sich nun alleine durchschlagen mussten. Oft noch über das Kriegsende hinaus, jahrelang. „

Auf einem langen Weg“ ist eine würdige Verarbeitung dieser Thematik und eröffnet für die Kleinsten einen Zugang, so verständlich und einfühlsam, dass diese Geschichte bereits 1984 verfilmt wurde. Das Cover zeigt die beiden Jungschauspieler.

Autorin:

Gudrun Pausewang wurde 1928 in Wichstadtl in Böhmen geboren und floh mit ihrer Familie nach Kriegsende nach Westdeutschland. In Wiesbaden machte sie ihr Abitur und studierte Pädagogik. Danach unterrichtete sie als Grund- und Hauptschullehrerin.

Ab 1965 unterrichtete sie fünf Jahre an der Deutschen Schule in Chile und bereiste wärend dieser Zeit Südamerika. Ende 1963 ging sie nach Deutschland zurück, studierte Germanistik und war wieder als Grundschullehrerin tätig.

Nach einem kurzen Wechsel an einer Deutschen Schule in Kolumbien, kehrte sie entgültig nach Deutschland zurück und schrieb neben ihrer Berufstätigkeit Romane wie „Die Wolke“, wofür sie 1988 den Deutschen Jugendliteraturpreis bekam. 1998 promovierte sie an der Universität in Frankfurt/Main.

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Luca di Fulvio: Das Kind, das nachts die Sonne fand

Das Kind, das nachts die Sonne fand Book Cover
Das Kind, das nachts die Sonne fand Luca Di Fulvio bastei Lübbe Erschienen am: 12.03.2015 Seiten: 830 ISBN: 978-3404-17180-4

Handlung:

Raühnval, ein opulentes Herrschaftsgebiet in den Ostalpen. Dort führt der junge Marcus ein priviligiertes Leben als Sohn des Landesfürsten. Bis zu dem Tag, als bei einem Massaker seine Familie und alle übrigen Burgbewohner ermordet werden. Marcus überlebt dank der Hilfe Eloisas, der Tochter der Hebamme, und findet Aufnahme bei den Dorfbewohnern. Doch die Herrschaft eines grausamen neuen Fürsten lässt bald einen kühnen Plan in ihm reifen: Marcus will für ein Leben in Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen, für sich und für die übrigen Leibeigenen des Reichs.

Ein Vorhaben, das ihn erneut mit den dunkelsten Seiten des menschlichen Seins konfrontiert. Und ihm abermals das Kostbarste zu entreißen droht… (Klappentext)

Rezension:

Wenn ich Geschichte lesen möchte, greife ich meistens zu Sachbüchern, da ich nicht möchte, dass historische Fakten allzu sehr verdreht werden. Dann nämlich besteht die Gefahr, nicht mehr zwischen geschehenes und erfundenem unterscheiden zu können. Doch, habe ich mich dieses Mal an das neueste Werk von Luca di Fulvio gewagt, dessen andere Bestseller ich bisher unbeachtet gelassen hatte. Der italienische Autor nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise ins tiefste Mittelalter, genauer 1407, wo der 9-jährige Marcus als Sohn des Landesfürsten von Raühnval ein umsorgtes Leben führt.

Er schläft in einem echten Bett, ist nie hungrig und wird von seinen Eltern nach allen Regeln erzogen, die ihn später zum Nachfolger seines Vaters werden lassen sollen. Marcus ahnt nichts von der Welt da draußen, wo die Bewohner der Dörfer in Armut leben und mit den einfachsten Mitteln zurechtkommen und von dem leben müssen, was Feld, Wald und Tiere hergeben.

Doch, der Fürst ist gerecht und das Leben einigermaßen erträglich. Doch, auf einmal ändert sich alles. Die Herrscherfamilie fällt einem Massaker zum Opfer und nur Markus wird gerettet durch die mutige Tat von Eloisa, einem kleinen Mädchen seines Alters.

Doch nun, aller Privilegien beraubt, muss er ums Überleben kämpfen. Für ihn heißt das, lernen, wie ein einfacher Mensch zu leben und zu arbeiten. Die Vergangenheit lässt ihn jedoch keine Ruhe. Der grausame neue Fürst hat, ohne von der wahren Identität des Jungen zu ahnen, im ständig in Blick, wie alle anderen Leibeigenen auch. Marcus lernt sich zu behaupten und in seinem Inneren entwickelt er einen kühnen Plan.

Ein atemraubendes Historienstück, Abenteuer und Krimi zugleich und eine beeindruckende Zeitreise. Auch, wenn es Raühnval nicht wirklich gegeben hat. Doch, so oder ähnlich hätte es sich durchaus abspeielen können als in Mitteleuropa noch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation existierte und unzählige Fürsten um die Vormachtstellung im Reich kämpften und Komplotte mit- und gegeneinander schmiedeten. Der Unterschied zwischen Landbevölkerung und herrschenden Adel wird hier sehr schön und detailliert dargestellt, die Charaktere sind vielschichtig und nicht statisch. Tatsächlich ist die Wandlung, die Luca di Fulvio vor allem Marcus/Mikhail zuschreibt, beeindruckend beschrieben, was auch für die übrigen Protagonisten gilt. Tatsächlich versinkt man in diese Welt, leidet mit, hofft und bangt, so dass die über 800 Seiten schnell verfliegen. Ein sehr guter Historienroman, über einen Jungen, der nachts die Sonne fand.

Autor:

Luca di Fulvio wurde 1957 geboren und studierte nach der Schule Dramaturgie. Anschließend war er Mitglied des Livingf Theatre in London, bevor er 1996 seinen ersten Roman in Italien veröffentlichte. Der in Rom lebende Schriftsteller, dessen Werk „Der Junge, der Träume schenkte“ 2011 ins Deutsche übersetzt wurde, beschäftigt sich dabei immer wieder mit Problematiken wie Gewalt gegen Frauen oder das Leben der Emigranten im Noew York der 20er Jahre. „Das Kind, das nachts die Sonne fand“ ist sein dritter Roman, der im deutschsprachigen Raum erscheint.

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