Robert Jones Jr.: Die Propheten

Inhalt:

Als sie sich auf der Baumwollplantage zum ersten Mal begegnen, ist Isaiah fünf Jahre alt, halb verdurstet, und Samuel reicht ihm eine Kelle Wasser. Isaiah hat man den Eltern entrissen, Samuel kennt seine nicht. Die jungen Sklaven leben im Stall bei den Tieren, um die sich fortan kümmern. Trotz allen Elends finden die beiden zueinander, doch bald wird ihre Liebe von allen Seiten argwöhnisch beobachtet und als weiteres Mittel der Unterdrückung gegen sie verwendet.

Meisterlich erzählt Robert Jones, Jr. von Entwurzelung und dem Kampf um Würde – und von Menschlichkeit, die dem Terror trotzt und ire subversive Kraft entfaltet. (Klappentext)

Rezension:

Das Debüt aus der feder Robert Jones Jr., welches nun in der deutschen Übersetzung von Simone Jakob vorliegt, hätte ein wichtiges werden können, da gerade die Kombination der Themen so hierzulande noch kaum zu lesen ist. In seinem Roman entführt uns der Autor in die noch nicht allzuferne Vergangenheit seiner Heimat, als vor allem in den Südstaaten der USA auf endlosen Baumwollfeldern arbeitende Sklaven das Bild bestimmten. Doch während weiße Schreiberlinge pure Western- oder Landhausromantik aufleben lassen, legt der Son of Baldwin die Finger in die Wunde und zeigt die ganze Brutalität eines Klassensystems, welches in Teilen immer noch nicht überwunden ist.

Dreh- und Angelpunkt sind die beiden im Klappentext erwähnten Hauptprotagonisten, die ihren Ahnen entrissen aneinandergekettet auf einer Farm aufwachsen, um sich dort um die dort lebenden Tiere zu kümmern. Aufeinander angewiesen durchlebt und leiden die beiden die Qualen der Willkür der weißen Familie, die über das zu bewirtschaftende Land herrscht, entwickeln im Laufe der Jahre Zuneigungen einander, die anderen nicht lange verborgen bleibt. Isaiah und Samuel wissen, um wirklich frei zu sein, zu leben, was im halb Verborgenen stattfindet, müssen sie verschwinden. Der Weg von der Farm weg ist jedoch gefährlich und zumeist tödlich.

Alleine der historische Kontext und die Konzentration auf die Beziehung der beiden Figuren zueinander, die durchaus widersprüchlich agieren, birgt Sprengstoff mit Potenzial, nur nutzt Robert Jones Jr. dieses kaum, sondern hat sich zunächst über Gebühr auf den Aufbau seiner Erzählung konzentriert. In Teilen ist das gelungen, doch plätschert die Geschichte seitenweise nur so dahin, die Handlung dagegen kommt erst im letzten Viertel ins Rollen. Das dauert einfach zu lange, zumal der Autor mehr als einmal den Hauptfaden der Handlung verliert und wieder aufnehmen muss, was unheimlich beim Lesefluss stört.

Eingewoben sind durch Absätze gekennzeichnete Zeitsprünge in die Vergangenheit, aber auch Gegensätze zwischen den Figuren, wenn z. B. der Sohn des weißen Patriarchen durchaus Kenntnis davon hat, dass im Norden etwa alle Menschen frei sind, dann jedoch doch nicht wirklich aus seinem Denken herausfinden kann, um sich gegen ein ihn anerzogenen System wirklich aufzulehnen. Auch dieser Ansatz wird nicht zur Gänze verfolgt, der Autor hat überhaupt viele Ideen, die kaum formuliert schon wieder durch Neues abgelöst werden. Das ist anstrengend und ermüdend.

Die damalige Brutalität wird in der Geschichte Zeile für Zeile deutlich, doch Robert Jones Jr., der gut daran getan hätte, sich mehr auf die beiden Hauptfiguren zu konzentrieren, verschenkt mit einem ständigen Perspektivwechsel hier Potenzial. Es gelingt nicht einmal durchgängig, mit Samuel und Isaiah mitzufühlen, wobei ich nicht ausschließen möchte, dass sich die Erzählung für amerikanische People of Colour durchaus anders liest. In der Übersetzung stechen zudem auch nur einige wenige Sätze wirklich hervor und bleiben im Gedächtnis.

Man kann sich diese Welt bildlich vorstellen, auch wenn sie nicht wirklich nahbar wird. In Amerika wird man die Geschichte denn wahrscheinlich auch anders lesen, aber auch dort wird Robert Jones Jr. so nicht die breite Leserschaft auch emotional erreichen und hat damit das Problem vieler dort lebender Schreibenden. Außerhalb der mehr als offensichtlichen Zielgruppe gerät man mehr als einmal ins Stolpern, was dem Werk nicht gut tut. Das geht sicher besser.

Autor:

Robert Jones Jr ist ein in New York lebender Schriftsteller. Seit 2008 engagiert er sich für Anti-Diskriminierung und soziale Gerechtigkeit. 2021 veröffentlichte er mit „Die Propheten“ seinen ersten Roman, der ein Jahr später in Übersetzung erschien. Sein Werk stand auf der Shortlist für den National Book Award 2021.

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