Inhalt:
Bartholomäus ist ein Waisenjunge aus Bombay, er ist mindestens zwölf Jahre alt und spricht fast ebenso viele Sprachen.
Als Übersetzer für die deutschen Brüder Schlagintweit, die 1854 mit Unterstützung Alexander von Humboldts zur größten Forschungsexpedition ihrer Zeit aufbrechen, durchquert er Indien und den Himalaya.
Bartholomäus verfolgt jedoch einen ganz eigenen Plan: Er selbst möchte das erste Museum seines großen und widersprüchlichen Landes gründen. Dafür riskiert er alles, was ihm etwas bedeutet, sogar sein Leben. (Klappentext)
Rezension:
Als das British Empire an seinen Rändern erste Auflösungserscheinungen zeigt, die Kolonien in Neuengland strebten Mitte des 19. Jahrhunderts nach Unabhängigkeit, begann man anderswo gerade erst, seine Vorherrschaft zu festigen.
Mit Hilfe von Pionieren, Glücksrittern und Entdeckern, dem Handel und starken Militär sicherte sich England den riesigen indischen Subkontinent im Spiel der Großmächte. Expeditionen wurden gefördert, um weiße Flecken von der Landkarte zu tilgen und Besitzanspruch zu markieren. Mittendrin drei Deutsche, deren Weg heute fast vergessen ist.
Unter Fürsprache des preußischen Königs und Empfehlung Alexander von Humboldts machten sich 1854 die Gebrüder Schlagintweit auf, Indien für das englische Königshaus und die britische East India Company zu ergründen. Die Bergsteiger und Wissenschaftler unternahmen eine bis dato beispiellose Expedition, erforschten mal gemeinsam, mal getrennt, von Bombay ausgehend, atemberaubende Landschaften, drangen bis nach Nepal und Tibet vor, um ihren in Europa gegebenen Auftrag zu erfüllen.
Unter all den Dingen, zu denen ich mitgewirkt, ist Ihre Expedition bzb eube der wichtigsten geblieben. Es wird mich dieselbe noch im Sterben erfreuen.
Alexander v. Humboldt, Brief an die Brüder Schlagintweit, im Roman abgedrucktes Zitat.
Der Schriftsteller Christopher Kloeble hat sich nun diesem historischen Stoff angenommen und daraus einen Abenteuer- und Expeditionsroman gewoben, der seines Gleichen sucht. Hauptfigur hier, der Waisenjunge Bartholomäus, der zunächst unwillig die drei Brüder begleitet, beobachtet und nicht nur die Ingrez, Indien und schließlich sich selbst kennenlernt.
Aus der Sicht des Hauptprotagonisten wird die Geschichte erzählt. Detailreich lässt der Autor das Indien der Kolonialzeit wieder aufleben, zeigt, wie erste zarte Sprosse einer Unabhängigkeitsbewegung wuchsen, die erst etwa hundert Jahre später zum Erfolg führen sollten.
Zugleich ist dem Autor ein wunderbarere Coming of Age Roman gelungen, der feinfühlig vom Aufwachsen in unklaren Verhältnissen, Ängsten berichtet, parallel Bartholomäus mit zunehmender Seitenzahl Erfahrung und Selbstsicherheit angedeihen lässt. Umgeben von Lüge und Verrat.
Werde ich den Verräter auch bald als Freund bezeichnen?
Der Hauptprotagonist Batholomäus in “Das Museum der Welt” von Christopher Kloeble.
Die Spannung eines solchen starken Stoffes fehlt nicht. Tatsächlich hat Kloeble hier keine Längen entstehen lassen, sondern das richtige Maß gefunden, etwa zwischen ausführlicher Beschreibung von Handlungen und Landschaften, ohne in irgendeinem Bereich zu übertreiben oder seine Leser zu unterfordern. Auch kitschig wirkt das alles nicht.
Die Kapitelgliederung folgt der Expedition, deren Beschreibung nahe an der Wahrheit liegt, zumindest im Verlauf, und den Beobachtungen des jungen Bartholomäus’. So werden nicht nur Orte und Gegenstände zu bemerkenswerten Objekten, auch die Protagonisten unter dem sensiblen Augenmerk des Hauptprotagonisten.
Dies hält den Spannungsbogen, der von der klaren und dichten Sprache des Autoren bestimmt ist. Dieser Roman ist eine gelungene Mischung aus Expeditionsgeschichte, Abenteuer und Coming of Age, Gesellschaftskritik und Landesgeschichte, wie sie nur selten zu finden ist. Somit ist das Werk Teil des Museums der Welt, des ersten Museum Indiens, welches Bartholomäus zusammentragen möchte.
Ich kann nur jedem Leser empfehlen, es zu ergründen.
Autor:
Christopher Kloeble wurde 1982 in München geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Drehbuchautor. Er war Mitglied im Tölzer Knabenchor und besuchte bereits als Schüler den Manuskriptum-Kurs der Ludwig-Maximillians-Universität München.
Er studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und veröffentlichte in diversen Zeitschriften. Parallel dazu schrieb er diverse Drehbücher für Film und Fernsehproduktionen. Für seine Werke erhielt er zahlreiche Stipendien und Preise. Kloeble lebt in Neu-Dehli und Berlin.
Zusatzinformationen:
Die Nachfahren der realen Gebrüder Schlagintweit haben hier Informationen und Hintergründe zur Geschichte ihrer Vorfahren zusammengestellt. Die abgebildete Karte findet sich auch im Roman wieder.
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