Inhalt:
Der elfjährige Michael Murray lebt mit seiner Familie auf einer kleinen schottischen Insel. Jeder kennt hier jeden, und alle glauben, alles über die anderen zu wissen. Doch gibt es auch Geheimnisse – und Michael muss bald herausfinden, wie gefährlich sie sein können. Vor allem, wenn es dabei um die eigene Mutter geht. (Klappentext)
Rezension:
Wer nicht gerade in einer anonymen Großsstadt sondern etwas kleinstädtisch ländlicher lebt, kennt das Gefühl alle zu kennen und selbst von jedem erkannt zu werden. Wie intensiv muss diese Art zu leben auf einer kleinen Insel sein?
Die Murrays, eine durch Arbeitslosigkeit, Tristesse und den jeweiligen Problemen der einzelnen Personen gebeutelte Familie müssen bald die Negativ-Erfahrung eines solchen Daseins machen. Rosemary, Michaels Mutter wird auf dem Weg durch das nahe Wäldchen überfallen und vergewaltigt.
Fortan beschließt die Familie, niemanden etwas zu verraten um Klatsch und Dorf-Tratsch zu entgehen. Und der elfjährige Michael wird plötzlich zum Träger dieses Geheimnisses, welches um so schwerer auf seinen Schultern lastet als es eine weitere Frau beinahe Opfer wird.
Eigentlich wächst Michael behütet auf, trotz aller Probleme, die seine Familie so schon hat aber in den turbulenten Zeiten der Thatcher-Jahre geht es niemanden richtig gut. Jeder ist betroffen. Doch mitder Entdeckung des Geheimnisses seiner Mutter bricht für ihn das ohnehin labile Konstrukt heiler Welt zusammen, welches die Erwachsenen um ihn herum aufgebaut haben.
Der Elfjährige sieht zum ersten Mal, das Erwachsene auch an überdimensionierten Problemen zerbrechen können und es aus manchen Situationen so schnell einen Ausweg nicht gibt. Dazu kommen seine eigenen Freunde, vor denen er plötzlich ein Geheimnis bewahren muss, welches zu groß für ihn ist und jedem, der darum weiß. Und er droht daran, wie seine Mutter zu zerbrechen.
Es ist ein starker Roman, den Lisa O’Donnell hier vorlegt mit nicht unbedingt leichter Kost. Ein Plädoyer dafür, offen zu sein, die Wahrheit zu sagen auch wenn sie schmerzlich ist und für die Liebe und Kraft, die eine Familie schenken kann.
Es ist ein Aufruf, in schwierigen Situationen zusammen zu halten und zu helfen, bei Problemen aufeinander zu zugehen und sich, ja, auch helfen zu lassen.
Ein Roman mit einer traurigen erschreckenden Thematik, die man keinem Menschen wünscht, sie jemals am eigenen Leib zu erfahren aber auch eine Geschichte, in der immer wieder Witz und Humor zum Vorschein kommt. Oder zumindest im Form vom Schmunzeln über bestimmte Eigenheiten der Charaktere der Dorfgemeinschaft.
Nichts ist so stark wie der Zusammenhalt einer Familie und besonders in schweren Zeiten kann es gelingen dadurch Halt zu finden und sich gegen Erdrückendes zu wehren. Lisa O’Donnell kommt dabei nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, offenbart aber Konflikte, denen die Opfer von Vergewaltigungen durch unserer Gesellschaft ausgesetzt sind.
In Form der Protagonisten, besonders Rosemary und Michael, die einem sofort sympathisch sind, zeigt sie, wie schwer es ist mit dem gesellschaftlichen Ansichten umzugehen und das, egal wie man handelt, es keinen richtigen aber viele falsche Wege gibt. Am Ende ist jedoch nur wichtig, dass man zusammenhält und füreinander da ist.
Ein schöner, trauriger, lebensbejahender toller Roman.
Autorin:
Lisa O’Donnell ist Drehbuchautorin und Schriftstellerin und wurde für Ihr Drehbuch “The Wedding Gift” mit dem Orange Screenwriting Prize ausgezeichnet. Ihr Debutroman “Bienensterben” erschien 2013 im DuMont-Verlag. Auch dieses wurde ausgezeichnet. Mit ihrer Familie lebt sie in Schottland. “Die Geheimnisse der Welt” ist ihr zweiter Roman.