Rezension

Timo Peters: Couchsailing

Inhalt:

Timo Peters hat kein Boot, so gut wie keine Segelerfahrung und kaum Geld – aber den Traum, auf einem Segelboot den Atlantik zu überqueren: Mit leichtem Gepäck macht er sich auf die Suche nach einem Kapitän, bei dem er anheuern kann. In mehreren Etappen und auf verschiedenen Schiffen geht es über den Ozean – unterwegs erwarten ihn überraschende Herausforderungen, Grenzerfahrungen und wunderliche Begegnungen. Eine unvergessliche Reise, ein unglaubliches Abenteuer! (Klappentext)

Rezension:

Spätestens seit Stephan Orth dürfte vielen der Begriff Couchsourfing geläufig sein, doch funktioniert diese Form des Reisens auch auf hoher See? Ein Platz in einer Koje gegen eine helfende Hand an Bord? Mit nur wenig Segelerfahrung, wenn man diese überhaupt so bezeichnen mag, macht sich Timo Peters auf die Suche, dies herauszufinden. Am Ende steht ein neues Leben, ein großes Abenteuer und ein Bericht über die eigentümliche Welt der Segler.

Kennzeichnend für Reiseberichte sind vor allem ausführliche Schilderungen von Begegnungen und die Beschreibung von Landschaften. Letztere beschränken sich hier zwangsläufig fast nur auf die Hafenanlagen für Segelschiffe und die Boote selbst, stellen diese doch für Wochen die ganze Welt dar. Ansonsten ist man der Natur ausgeliefert, der Willkür von Wind, Wasser und Wetter. Anfangs noch fasziniert davon, schenkt dem der Autor nach einer gewissen Zeit kaum mehr Aufmerksamkeit als er muss.

Gerade nur so viel wird zur Kenntnis genommen, wie es für den Trip über den Atlantik von Nöten ist, um so mehr fokussiert sich Peters auf die Schilderungen der Menschen um ihn herum. Schließlich stelklen diese für Wochen seine einzigen Kontakte dar. Im Notfall ist man aufeinander angewiesen. Aus dem Weg gehen kann man sich nach dem Ablegen ohnehin nicht.

Kurzweilig schreibt Timo Peters von seiner Reise, die ihm unbekannte Sichtweisen auf eine teilweise sehr eigentümliche Welt zeigt. Was macht das mit Einem, wenn man der Natur ausgeliefert ist und Menschen, denen man nie zu vor begegnet ist? Welche Schicksale kreuzen sich in den Anlagen der Marinas? Was treibt die Glücksritter, Abenteuerlustigen, Sportsegler und Sinnsuchende an, für Wochen den schwankenden Boden unter den Füßen zu suchen?

Der Autor erzählt von den kleinen Momenten des Glücks, mehr Augenblicken des Zweifels und auch jenen, in denen man nur noch funktionieren und in Bruchteilen von Sekunden die richtigen Entscheidungen treffen muss. Zu Beginn vielleicht noch etwas blauäugig, an manchen Stellen färbt zudem die rosarote Brille im Nachhinein, findet Peters dann doch immer wieder den Ausgleich, so dass auch Konflikte und Gefahren zur Sprache kommen, auf die er reagieren musste.

Für all jene, die jetzt überlegen, eine solche Reise anzutreten, es ist kein Ratgeber, aber der Autor zeigt, was ein solcher Trip mit einem macht. Wenn man daraus etwas für sich ziehen kann, ist es gut. Für alle anderen bleibt die Erkenntnis, das große Abenteuer auch heute noch möglich sind.

Autor:

Timo Peters lebt und arbeitet als freiberuflicher Journalist für diverse Zeitungen und Magazine in Norwegen. Nebenbei betreibt er den Abenteuerblog »bruderleichtfuss.com« und das Onlinemagazin „Fjordwelten„.

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Bernhard Schlink: 20. Juli – Ein Zeitstück

Inhalt:

Ihr letzter Schultag fällt auf den 20. Juli. Am Vortag hat die Deutsche Aktion mit ihrem charismatischen jungen Führer bei der Landtagswahl 37 Prozent bekommen. Im Leistungskurs Geschichte entbrennt unter den Abitureienten und ihrem Lehrer eine hitzige Diskussion. Das Attentat auf Hitler kam am 20. Juli 1944 viel zu spät. Es hätte am 20. Juli 1931 begangen werden müssen. Was ist daraus zu lernen? (Klappentext)

Rezension:

Es gibt durchaus Schreibende im deutschsprachigen Raum, die ein gewisses Gespür für literarische Stoffe haben, wenn sie vor einem liegen, um diese zu etwas Großem, kaum Fassbaren verweben können. Ferdinand von Schirach ist so jemand, der eine tagesaktuelle Frage aufgreift, daraus ein Bühnenstück entwickelt hat, welches zugleich verfilmt wurde und für hohe Aufmerksamkeit und eine um sich greifende debatte gesorgt hatte. Nun zieht der andere große Literat, der ebenso historische mit aktuellen Fragen verbinden kann, nach und stellt seine Leserschaft und später sicher auch Theaterpublikum vor eine Denkaufgabe.

Wenn man es gewusst hätte… Aber es war noch weit weg. Das Strafrecht und das Völkerrecht erlauben kein präventives Zuschlagen. Und der Mut… wenn das Furchtbare weit weg ist, wenn man es zwar schon weiß, aber noch nicht spürt… hat man den Mut zum Handeln nicht erst, wenn man das Furchtbare vor sich hat?

Bernhard Schlink: 20. Juli – Ein Zeitstück

Was wäre wenn? Was wäre, hätte man schon 1931 das versucht, was später mehrfach und schließlich 1944 als letztes Zeichen gesehen wurde, nämlich Hitler zu ermorden, der so viel Leid über die Welt gebracht hatte und Unzählige ermorden ließ? Was wäre, hätte man schon früh den Zeichen der Zeit Glauben geschenkt? Was wäre, wenn man die Nationalsozialisten schon damals ernst genommen und daraus Konsequenzen gezogen hätte?

Oder, anders gefragt, wie wäre eine solche Aktion, wie die der Widerständler vom 20. Juli 1944 zu bewerten, gäbe es heute eine ähnliche Situation, in der ein Mann, eine Partei, mit derart düsteren Vorzeichen kurz vor Ergreifung der Mechanismen der Macht stünde? Wäre dann sozusagen ein Präventivschlag gerechtfertigt? Moralisch und überhaupt? Auch, wenn man gar nicht genau benennen könnte, ob die Ziele dieses Mannes, dieser Partei, bis in letzter Konsequenz vollzogen werden würden?

Hättest du den Mut gehabt? Den Mut zu wissen, dass es geschehen muss? Dass es jetzt geschehen muss, damit Jahre später… Und dann den Mut, es zu tun?

Bernahrd Schlink: 20. Juli – Ein Zeitstück

Der Schriftsteller Bernhard Schlink stellt diese Fragen, seinen Protagonisten, die er in der Form eines Bühnenstücks in Diskussion treten lässt und zieht die Zuhörer, hier bei der vorliegenden Skriptform seine Leserschaft mit hinein ins Gedankenexperiment. Automatisch positioniert man sich, kann gar nicht anders, sieht die Widersprüche, in die sich die Figuren verwickeln.

Anfangs scheint die Fragestellung einfach zu beantworten sein, nach und nach schält sich die Komplexität und das moralische Dilemma heraus. Man ahnt, was in den Köpfen Stauffenbergs oder Goerdelers vorgegangen sein muss, um so shcwerer die Frage auf ein Szenario zu übertragen, was vielleicht nicht eintreten wird, vielleicht aber doch.

Der Autor überlässt es uns, das Urteil zu fällen, gibt uns keine Lösungsmöglichkeiten in die Hände, wobei man genau weiß, worauf Schlink abzielt. Er erhebt jedoch keinen moralischen Zeigefinger, zeigt nur Gedankengänge auf, denen man kaum entkommt. Immer schärfer wird die Tonalität zwischen den Protagonisten, immer schneller und abrupter werden die Wechsel.

Als ich im Krankenhaus war, hatte ich eine Freundin, wir lagen im selben Zimmer. Sie wusste, dass sie sterben würde, und wollte die Bilanz ihres Lebens ziehen. Aber sie belog sich nur immer wieder neu. Ein paar Selbstvorwürfe machen noch keine Lebensbilanz.

Sie sieht den Alten an.

Eine Bilanz wird auf einen Stichtag gezogen, und der Stichtag des Lebens ist der Tod. Nach dem Tod können nur andere die Bilanz ziehen.

Bernhard Schlink: 20. Juli – Ein Zeitstück

Wer liest, steht neben den Figuren, befürwortet und verwirft Positionen. Einfach zu lesen ist es vielleicht, einfach zu Durchdenken keinesfalls. Bernhard Schlink hat hier ein Stück geschrieben, welches unbedingt herausfordert. Welches vielleicht wichtig wird. Welches nachwirkt und länger beschäftigt, nachdem die letzte Seite zugegschlagen ist.

Autor:

Bernhard Schlink wurde 1944 geboren und ist ein deutscher Jurist, ehemaliger Hochschullehrer und Schriftsteller. Nach der Schule studierte er Jura in Heidelberg und Berlin, bevor er an verschiedenen Universitäten als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Nach einem Stipendium in Kalifornien promovierte er 1975 in Heidelberg, wurde 1981 in Freiburg im Breisgau habilitiert.

Von 1982-1991 war er Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn, darauf folgen Stationen wie Frankfurt/Main und Berlin. 1987 wurde er Richter am Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfallen, arbeitet in den Wendejahren am Verfassungsentwurf des Zentralen Runden Tisches der DDR mit. Später war er Mitglied u.a. der Vereinigung für Verfassungsgeschichte.

Sein schriftstellerischer Weg begann 1987, der ihm verschiedene Auszeichnungen einbrachte, zunächst mit Kriminalromanen. Im Jahr 1995 erschien sein erster Nicht-Kriminalroman „Der Vorleser“, der zu einem vielbeachteten Bestseller avancierte, später verfilmt wurde. Weitere Werke folgten. 2009 schenkte er seine literarischen Manunskripte und Korrespondenzen dem Literaturarchiv Marbach. Schlink ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und erhielt 1998 den Hans-Fallada-Preis. Im Jahr 2000 folgte die Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft, 2004 das Bundesverdienstkreuz, 1. Klasse. Mehrere seiner Werke wurden verfilmt.

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Shahak Shapira: Holyge Bimbel

Inhalt:

1 flyes book für den trendbewussten Yolo-Swagger, der schon alles hant.
Endlich können wirklich alle die Bibel lesen: die heilige Schrift in Internetdeutsch.

Die besten Stories aus dem freshen u old school Testyment oversetzt, icl. Bimbel Allstarz wieJesus Chrispus, Moses Def, Adolf & Eva, Jona Hill, A-Broham u numberreiche weitere Larrys! (Klappentext)

Rezension:

AM SEVENTEEN DAY checkte God die meganice Mother Earth, die er gebuildet hat, mit water u Sky, u birrds u Schrimps, u Sun u Starz u Dattelpalmen u viele Pikachus u au Adolf u Eva. U Gott sayte: „was is das für 1 nices life?“

Shahak Shapira: Holyge Bimbel

Vorweg, wer keinen Funken Humor besitzt, über die Verballhornung von Religion nicht lachen kann und Satire nicht erkennt, wenn sie vor einem einen Handstand mit doppelten Radschlag oder one nice burnenden Busch macht, der braucht diese Rezension nicht zu lesen. Alle anderen können weiter versuchen, mir zu folgen. Ist ja bei meiner normalen Schreibe manchmal schon schwer genug.

Dieser Zufallsfund war tatsächlich nicht unter Humor oder Satire in der Buchhandlung zu finden, sondern lagerte tatsächlich im Bereich bierernster religiöser Werke und alleine der Titel zog die Aufmerksamkeit auf sich. Aufgeklappt, erste Zeilen gelesen und hängen geblieben. Die bekanntesten Geschichten der Bibel in Internetsprache, Dialogform und so geschrieben, dass man es sich sofort als Theaterstück vorstellen kann. Natürlich nur, wenn man Religion alles andere als ernst nehmen und mit mehr als Augenzwinkern betrachten kann. Dann funktioniert das wunderbar.

Es ist purer Spott, der in anderen Teilen der Welt sicher Proteste ausgelöst hätte, hier aber funktioniert, nachdem sich immer mehr Teile der christlichen Kirchen selbst durch ihre Taten demontiert haben. Alles andere ist dann nur noch halb so wild. Wer damit nicht zurechtkommt, der lasse die Finger davon, für alle anderen noch eine kleine Kostprobe, wie dieser eine bekloppte Appel.

So viel rot unterstrichenes hatte ich noch nie in einem Text-Dokument.

Viele Yearz later kamen die Isralarrys in ihr Final Destination in Israland an, aber dann splilteten sie sich in 12 tribes u makten ihr eigenes Thing wie Destiny’s Child u es gab nonstop Beef mit dem Rudi-Volk der Syphilisiers.

In diesen Times of War makten immer wieder überkasse volksheroes 1 appereance: die sogecallten „großen Richtern“ wie Samulel, Debora-bora, Gidehonk oder Richterin Barbara Salesch. Aber der overste Banger vong denen war samsung. Samsung war 1 krasser strongman vong Chucknorrisness her u fickte das Leben zahlreicher Syphilister everyday aus fun an der Happiness.

Shahak Shapira: Holyge Bimbel

Autor:

Shahak Shapira wurde 1988 geboren und ist ein deutscher Künstler, Schriftsteller, Musiker, Comedian und Satiriker. Im Westjordanland aufgewachsen, emigrierte er 2002 gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Deutschland. Nach dem Abitur studierte er an der Miami Ad School in Berlin und arbeitet als Creative Director für verschiedene Auftraggeber, u.a. tritt er als DJ in verschiedenen Clubs auf und produziert selbst elektronische Musik.

Anfang 2017 begann er mit seinem Projekt Yolocaust eine Debatte um die Erinnerungskultur am Holocaust-Mahnmal, in dem er zwölf dort entstandene Selfies von Besuchern mit Material aus den NS-Vernichtungslagern kombinierte. 2017 parodierte er die Bibel und nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an. Immer wieder macht der Künstler mit Aktionen zu Themen um Rechtsradikalismuss, Hass und Religion auf sich aufmerksam, um Debatten anzustoßen.

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Ernst Peter Fischer/Detlev Ganten: Die Idee des Humanen

Inhalt:

Das moderne Verständnis von Gesundheit verdankt viel dem medizinischen Denken von Rudolf Virchow und Hermann von Helmholtz. Ihr 200ster Geburtstag im Jahre 2021 gibt die Gelegenheit, die großartige Geschichte der beiden zu erzählen. Ihre historische Leistung wird heute von der neuen Berliner Schule und von vielen Wissenschaftlern auf der ganzen Welt wie Emmanuelle Charpentier und Christian Drosten fortgeführt, damit die Idee des Humanen auch künftig Früchte trägt. (Klappentext)

Rezension:

Als man Berlin ein erstes Pesthaus errichtet, welches schon wenig später „Charite“ genannt werden wird, ahnt noch niemand, dass in diesem Gebäude, später einer Gruppe von Häusern, Medizin- und Wissenschaftsgeschichte geschrieben wird. Fortwährend. Große Namen prägen diese Institution, die bald Gelehrte von Weltruf anziehen wird. Ferdinand Sauerbruch, Emil von Behring, Paul Ehrlich und Robert Koch, viel später noch Forschende wie Christian Drosten oder Emmanuelle Charpentier.

Woran liegt das? Was macht die Charite von Beginn an zu solch etwas Besonderen? Dazu lohnt ein Blick in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als diese die Wirkungsstätte zweier Mediziner war, deren Grundverständnis von Medizin und Gesundheit diese spezielle Berliner Einrichtung bis heute prägt.

Die Autoren sind vom Fach, wissen wovon sie schreiben und erzählen ein spannendes Stück Wissenschaftsgeschichte, holen dabei weit aus und werfen einen Blick zurück. Detailliert erläutern sie die Ausgangssituation und das Innovative, welches man bis heute gerade nicht hier vermuten würde, dennoch findet.

Dabei zeigen sie auf, welche Entscheidungen der einstigen preußischen Herrscher den Weg der Charite begünstigten und wie philosophische Prägungen die dort Tätigen lenkten. Medizingeschichte lässt sich spannend erzählen. Gerade ein solches Haus, in dem viele große Persönlichkeiten wirkten, bietet dabei viel Projektionsfläche. An Biografien sich entlang hangelnd, kann man das wissenschaftliche und ärztliche Wirken bestaunen, die Faszination förmlich mit den Händen greifen.

Hans Peter Fischer und Detlev Ganten indes haben diese Chance verstreichen lassen. Im Gegensatz zu etwa Christian Hardinghaus, der anhand von Personen Geschichte spannend zu erzählen weiß, konzentrieren sich die beiden hier auf die Entwicklung eines philosophischen Grundgerüsts, was nur ergiebig ist, wenn man sich auf diesen Fokus von Beginn an einstellt. Der Klappentext suggeriert Medizingeschichte und keinen Aufsatz philosophischer Fragen.

Zumindest nicht hauptsächlich. Dazu kommt eine Aneinanderreihung spröder Formulierungen, die den Text streckenweise nur schwer lesbar erscheinen lassen. Nur gegen Ende wird es dem ähnlich, was man wohl unter einem populärwissenschaftlichen Sachbuch versteht. Bis zu diesem Punkt dürften die meisten LeserInnen jedoch kaum finden.

Immer dort stark ist die Lektüre, wo sich die Autoren auf die Tätigkeit der beiden im Titel genannten Personen konzentrieren und die medizinische Ethik außen vor lassen. Unterschiedlicher, so merkt man schnell, hätten die Ansätze von Virchow und von von Helmholtz kaum sein können und doch waren sie folgerichtig. Die daraus entstandene Dynamik prägt bis heute die Arbeit an der, heute auf mehrere Standorte verteilte Institution und nicht zuletzt das Bild der Charite nach Außen.

Die Begeisterung und Faszination dafür, die Ernst Peter Fischer und Detlev Ganten vermitteln wollten, kommt dabei nur spärlich rüber. Im Gegenteil, was davon vorhanden ist, wird durch philosophische Erläuterungen förmlich übertüncht. In der Medizin würde man wohl von einem Kunstfehler sprechen. Nichts anderem.

Autoren:

Ernst Peter Fischer wurde 1947 in Wuppertal geboren und ist ein deutscher Wissenschaftshistoriker und Publizist. Zunächst studierte er in Köln Mathematik, Physik und Biologie und promovierte 1977 am California Institute of Technology. 1987 habilitierte er in Knstanz und unterreichtete dort Wissenschaftsgeschichte, sowie später an der Universität Heidelberg.

Er schreibt für verschiedene zeitungen und Zeitschriften und ist Mitglied im PEN-Club Liechtenstein. Fischer arbietet u. a. für die Stiftung -Forum für Verantwortung und als Mitherausgeber von „Mensch und Kosmos“ (2004) und „Die Zukunft Erde“ (2006).

Detlev Ganten wurde 1941 in Lüneburg geboren und ist ein deutscher Pharmakologe. Von 1973 bis 1991 war er Professor am Pharmakologischen Institut der Universität Heidelberg und von 1997 bis 2001 Vorsitzender der Helmholtz Gemeinschaft Deutscher Forschungszentrum. 2004 war er Gründungsdirektor des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin und von 2004 bis 2008 Vorsitzender des Stiftungsrates der Charite, seit 2016 dessen Ehrenvorsitzender.

Seine Forschungsgebiete liegen vor allem im Bereich der Blutdruckregulation und der Ursachen des Bluthochdrucks. Er beteiligte sich an der Entwicklung von Konzepten zur Evolutionären Medizin, in Verbindung von Gesundheit und Krankheit und forschte zu der Evolution der Gene zur Herzkreislaufregulation.

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Michael Göring: Dresden – Roman einer Familie

Inhalt:

Fabian reist 1975 zum ersten Mal über die deutsch-deutsche Grenze zur Familie Gersberger nach Dresden. Danach kommt er fast jedes Jahr. Er verliebt sich in Anne, freundet sich an mit ihrem Bruder Kai und wird Zeuge, wie die Unzufriedenheit mit dem Staat von Jahr zu Jahr wächst. Gleichzeitig erlebt Fabian eine zwischenmenschliche Wärme in der Familie, die ihn, den Westbesucher, herausfordert und verändert.

Michael Göring schreibt eine bewegende Familiengeschichte und erzählt einfühlsam und präzise von den entscheidenden Jahren 1975-1989. (Klappentext)

Rezension:

Wie umfassend kann ein zeithistorisches Portrait sein? Wie komplex die Betrachtungen der Sichtweisen und wie vielschichtig die Protagonisten? Daran scheitern die Schreibenden großer historischer Romane immer wieder, zumal wenn zwischen vergleichsweise wenigen Seiten viel erzählt werden soll.

Besser ist es, sich auf einen genau umrissenen Ausschnitt zu konzentrieren. Das versucht der Schriftsteller Michael Göring mit seiner Erzählung „Dresden – Roman einer Familie“.

Die in Zeitsprüngen erzählte Handlung umfasst die letzten Jahre der DDR, deren Wandel er aus der Sicht des zunächst wohlwollenden Westbesuchers erzählt, der jugendlich optimistisch zunächst die Schwächen des Systems großzügig übersieht, wozu auch die ihm umgebenden Protagonisten beitragen.

Der Besucher von „Drüben“ soll einen guten Eindruck bekommen, schon die menschliche Wärme der Gastgeber nimmt Fabian in sich auf, nichts ahnend, dass sein Schicksal vom ersten Treffen an mit denen der Gersbergers eng verknüpft sein wird. So erlebt auch er immer mehr das Leben hinter der zunehmend bröckelnden Fassade, aber auch die verschiedenen Innenansichten, die die Jahre 1975-1989 prägten.

Der Autor zeichnet die Protagonisten klar, die jenigen, die sich im System eingerichtet haben und ihr kleines Glück gefunden haben, eben so, wie diese, die an den Schwächen zweifeln oder gar ihr Heil in der Flucht suchen. Das gelingt an vielen Stellen, anderes muss man mit eigenen Erfahrungen abgleichen oder mit den Geschichten, die einem selbst erzählt worden.

Klar ist, der Autor bringt in den Hauptprotagonisten teilweise seine Perspektive ein, die wohlwollend wirkt, aber nichts übersieht. Gleichsam machen auch die anderen Figuren eine langsame Wandlung durch, verstärkt durch den Kontrast der Zeitsprünge, die kapitelweise erfolgen.

Beim Lesen muss bewusst sein, dass es neben dieser auch unzählige andere Sichtweisen gibt, ja, geben muss, der Fokus liegt hier aber vor allem auf die familiäre Dynamik zwischen den Jahren, derer man sich nicht entziehen möchte.

Es ist kein Roman mit Knalleffekt oder mit Zeigefinger, zumal an nicht wenigen Stellen einfach zu knapp gehalten, gar ein sprachlicher Geniestreich. Eine nette Familiengeschichte bekommt man. Nicht mehr und nicht weniger. Manchmal reicht das aber.

Autor:

Michael Göring wurde 1956 in Lippstadt geboren und ist ein deutscher Schriftsteller. Zuinächst studierte er Anglistik, Geografie, Amerikanistik und Philosophie, bevor er sich mit englischen Literaturwissenschaften beschäftigte.

1986 war er als Hochschulassistent an der Universität München tätig und wechselte darauf zur Studienstiftung des deutschen Volkes nach Bonn. 2011 erschien sein erster Roman, darauf folgten weitere. Er ist Mitglied und Vorsitzender der ZEIT-Stiftung und lehrt an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Göring wurde mehrfach ausgezeichnet und gehört zu den Initiatoren der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union.

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Michael Tsokos: Kaltes Land – Ein Fall für Sabine Yao

Inhalt:

Ein Anruf reißt Rechtsmedizinerin Sabine Yao jäh aus ihrem Berliner Arbeitsalltag im Sektionssaal. Eine Wasserleiche wurde im Umland von Kiel geborgen. Es handelt sich um ihre verschollene Tante. Alles deutet auf Mord hin. Yao fängt an, auf eigene Faust zu ermitteln. Und während sie erkennt, wie wenig sie von ihrer Tante wusste, schließt sich um sie ein Kreis gnadenloser Gewalt… (Klappentext)

Einordnung:

Die Geschichte ist Teil der Short Reads Thriller verschiedener Autoren von Droemer Knaur und kann unabhängig von anderen Geschichten des Autoren gelesen werden, sowie auch von den Büchern der Reihe.

Rezension:

Für spannungs- und wendungsreiche Thriller, die sich im Blick auf Protagonisten und Handlung überkreuzen und dennoch unabhängig von einander gelesen werden können, zudem immer wieder in Verknüpfung zu Werken anderer Autoren, gibt es zurzeit eine adresse und die liegt im Droemer Knaur Verlag mit dessen Autoren von Sebastian Fitzek bis Michael Tsokos.

Man kennt sich untereinander, tauscht sich aus und schafft zumeist sehr lesenswerte Trilogien. Für die Leserschaft ergeben sich damit folgende Fragen. Ist dies etwas für mich? Womit beginnen? Zumindest den Erzähl- und Schreibstil von Michael Tsokos kann man nun antesten. Mit „Kaltes Land“ hat der Autor eine lesenswerte Kurzgeschichte geschaffen.

Beginnen umfangreichere Thriller aus seiner Feder zunächst eher gemächlich, steigt man hier direkt in eine Handlung ein, die schon nach wenigen Zeilen Fahrt aufnimmt. Aus wechselnden Perspektiven wird schnell eine Handlung aufgebaut, die in sich schlüssig ist und natürlich die Rechtsmedizin, Fachgebiet des Autoren, als Hintergrund hat. Allzu blutig wird es dabei nicht, dennoch lassen genug Details Schauer aufkommen, wenn auch der Fokus auf die ermittelnde Hauptprotagonistin außerhalb ihres Spezialgebiets gelegt wird.

Das funktioniert wunderbar. Stakkatohaft reihen sich die Kapitel aneinander und erzählen nicht ganz so wendungsreich, wie gewohnt, die Geschichte. Schnell überliest man da Details, manches wünscht man sich im Nachhinein ausführlicher dargestellt. Einen Langroman mit der Handlung ist gut vorstellbar. Manche Wechsel wirken zu abrupt. Das fällt dies bei dieser Kurzgeschichte nicht ganz so stark ins Gewicht, gibt aber ein Gefühl für Tsokos‘ Art, seine Erzählungen wirken zu lassen.

Wer dann noch mehr lesen möchte, kann Rechtsmedizinerin Sabine Yao als eine der zahlreichen Figuren in den anderen Thrillern verfolgen.

Autor:

Michael Tsokos wurde 1967 in Kiel geboren und ist ein deutscher Rechtsmediziner und Professor an der Charite in Berlin. Er leitet seit 2007 das dortige Institut für Rechtsmedzin, gleichzeitig das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berrlin-Moabit. Zudem ist er Leiter der Gewaltschutzambulanz der Charite.

1998-99 nahm er an der Exhuminierung und Identifizierung von Leichen aus Massengräbern des Bosnienkrieges und im Kosovo teil, 2004-05 war er im Auftrag des Bundeskriminalamtes zur Identifizierung der Tsunami-Opfer in Thailand täig. Er ist Autor mehrerer Fachzeitschriften, populärer Sachbücher und Mitautor mehrerer Thriller. Seit 2014 ist er Botschafter des Deutschen Kindervereins. Tsokos lebt mit seiner Familie in Berlin.

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Matthias Glaubrecht: Eskapaden der Evolution

Inhalt:

Rasant verändert der Mensch die Bedingungen der Evolution, und während viele Arten noch gar nicht entdeckt sind, nimmt das Artensterben immer dramatischere Ausmaße an. Dem drohenden „Ende der Evolution“, von dem der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht in seinem gleichnamigen Bestseller schreibt, stellt er in diesem Buch die Schönheit, Vielfalt und auch die Launen der Natur gegenüber.

In 36 kurzen Kapiteln präsentiert der Zoologe Tierisches, Allzutierisches aus dem Kuriositätenkabinett der Evolution, leicht verständlich und mit einer gehörigen Prise Humor – von Sauriern mit vier Flügeln über die jährlich neuen Minnelied-Schlager der Buckelwale bis hin zu Frauenkommunen bei den Bonobos, die mit Sex das soziale Miteinander fördern. (Klappentext)

Rezension:

Noch immer stellt unsere Welt Wissenschaft und Forschung vor diversen Rätseln. Ein Großteil der Tiefsee ist noch nicht erforscht, die Menschwerdung nicht restlos aufgeklärt und auch in der Entwicklungsgeschichte, bis hin zum Aussterben der Dinosaurier existieren noch zahlreiche Fragen. Auch sind Naturwissenschaftler sich heute sicher, ein Großteil der existierenden Arten auf unserem Planeten ist noch gar nicht entdeckt.

Das ist ein Problem. Ausgerechnet das erfolgreichste Lebewesen auf der Erde entzieht immer mehr von ihnen die Existenzgrundlagen und damit bald auch sich selbst. Welche Wunder gibt es also zu bewahren? Welche Fragen zu klären? Warum ist es notwendig, das Leben, die Flora und Fauna der Erde, zu schützen und welche Sonderbarkeiten gilt es zu entdecken? Der Wissenschaftler Matthias Glaubrecht nimmt uns mit auf eine wundersame Reise.

In übersichtlich, nur lose zusammenhängenden Kapiteln präsentiert der Autor uns Wunder und Kuriositäten der Evolutionsgeschichte, klärt, warum einige heute lebende Vögel den ehemals über den Planeten herrschenden „Schreckensechsen“ ähnlich sind und das Klonen von Mammuts (vorerst) ein Wunschdenken bleiben wird, was dies für die bedrohten Tierarten von heute und damit auch für die Biodiversität der Erde bedeutet. Er zeigt auf, warum eine Mähne Löwenmännchen in eine Zwickmühle bringt, warum Frauen länger leben als sie Kinder bekommen können und was es mit dem Krieg der Schnecken auf sich hat.

Diese und viele andere Anekdoten lassen sich über das Leben auf der Erde erzählen. Matthias Glaubrecht tut dies zuweilen mit einer Prise Humor, jedoch immer mit dem Zeigefinger, dass ausgerechnet der Mensch dabei ist, dies zu beenden und dabei evolutionäre Prozesse in einer Geschwindigkeit zu überholen, die die Natur nicht vorgesehen hat. Angesichts der Wunder, die wir zerstören, geht man aus der Lektüre einigermaßen benommen heraus.

Der Autor indes konnte sich nicht entscheiden, in welchem Grundton dieses für das Laienpublikum gehaltene Werk gehalten werden sollte. So wirkt dies, wenn hochkomplex zu lesende Passagen sich mit humorvollen Kapiteln abwechseln, nur um dann wieder Kapitel mit erhobenen Zeigefinger zu lesen. Hier hätte eine gewisse Einheitlichkeit in der Vermittlung der Thematik eine bessere Wirkung erzielt, zumal bestimmte Inhalte ruhig etwas ausführlicher behandelt hätten werden können.

Vielleicht ergibt sich ein anderer Eindruck, legt man den zuvor erschienen Band „Das Ende der Evolution“ daneben, so aber bleibt ein Gefühl der Unvollständigkeit. Daher, ohne dieses zu kennen, die Empfehlung, es zuerst zu lesen. Andernfalls fehlt ein Puzzleteil. Und dies ist ja in der Evolutionsforschung oft genug der Fall. Die Erkenntnis kommt jedoch rüber.

Autor:

Joachim Matthias Glaubrecht wurde 1962 geboren und ist ein deutscher Zoologe, Wissenschaftsjournalist und Autor. Zunächst studierte er in Hamburg Biologie, wo er 1990 sein Diplom erlangte und vier Jahre später promovierte. 1996 war er Gast am Australian Museum in Sidney, später dann Mitarbeiter und Kurator beim Naturkundemuseum Berlin.

2011 habilitierte er an der Humboldt-Universität Berlin. Im Jahr 2014 wurde er zum Direktor des Centrums für Naturkunde ernannt. Er forscht über evolutionäre Systematik, historische Biogeografie und Morphologie, sowie Wissenschaftsgeschichte der Biologie. Zudem ist er für Zeitungen und Zeitschriften als Wissenschaftsjournalist tätig und Autor mehrerer populärwissenschaftlicher Werke.

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Götz Aly: Das Prachtboot

Inhalt:

Neben Denkmälern und Straßennamen zeugen zauberhafte Museumsobjekte von den einstigen Kolonien – doch wie sind sie zu uns gekommen und woher stammen sie? Götz Aly deckt auf, dass es sich in den allermeisten Fällen um koloniale Raubkunst handelt, und erzählt, wie brutal deutsche Händler, Abenteurer und Ethnologen in der Südsee auf Raubzug gingen. So auch auf der Insel Luf: Dort zerstörten sie Hütten und Boote und rotteten die Bewohner fast vollständig aus. 1902 rissen Hamburger Kaufleute das letzte, von den Überlebenden kunstvoll geschaffene, hochseetüchtige Auslegerboot an sich. Heute ist das weltweit einmalige Prachtstück für das Entree des Berliner Humboldt Forums vorgesehen.

Götz Aly dokumentiert die Gewalt, Zerstörungswut und Gier, mit der deutsche »Strafexpeditionen« über die kulturellen Schätze herfielen. Das Publikum sollte und soll sie bestaunen – aber bis heute möglichst wenig vom Leid der ausgeraubten Völker erfahren. Ein wichtiger Beitrag zur Debatte über Raubkunst, Kolonialismus und Rassismus und zugleich ein erschütterndes Stück deutscher Geschichte. (Inhaltsangabe lt. Verlag)

Rezension:

Wer die Museen der Hauptstadt Papua Neuguinea besucht, dem wird leicht auffallen, wie oft sich diese mit Repliken von Kunst- und Alltagsgegenständen der dort einst lebenden Bevölkerung behelfen müssen. Die Originale lagern anderswo, zumeist in den großen Museen europäischer Städte, ein nicht unerheblicher Teil in Berlin. Dies liegt in der Geschichte begründet, dem Streben der europäischen Mächte, zu Zeiten des Imperialismus, nach Kolonien. Auch die Deutschen waren daran ausgiebig beteiligt.

Die Führungsschicht strebte nach „einem Platz an der Sonne“. Leidtragende waren die Urvölker Afrikas und der Südsee. Erstere kämpfen mittlerweile um die Rückgabe dessen, was ihnen gehört. Verhandlungen laufen um die Rückführung verschiedener Kunstschätze etwa nach Ägypten oder Benim. Doch, die europäischen Museen tun sich schwer mit ihrer Verantwortung vor der Geschichte. Der Historiker und Journalist Götz Aly zeigt dies am beeindruckenden Beispiel eines Auslegerboots, welches ursprünglich auf der Insel Luf gebaut und genutzt wurde und heute im neuen Humboldt-Forum in Berlin zu bestaunen ist.

Minutiös erzählt der Autor ein vergessenes, ja verdrängtes grausames Stück Kolonialgeschichte und zeigt, wie skrupelos die Deutschen mit der Urbevölkerung der ihnen zugeteilten Gebiete des heutigen Papua-Neuguineas umgingen, sie betrogen und mit ihrer Gier nach Kunstschätzen für ihre Privatsammlungen und Museen den dort beheimateten Menschen ihre Lebensgrundlage raubten. Er erläutert das verdrängte Kapitel deutscher Strafexpeditionen, die die Einwohnerschaften ganzer Inseln dezimierten und zeigt die grausamen Folgen des Kolonialismus in all ihren Ausprägungen.

Götz Aly geht dabei auf die Widersprüche ein, die die Kolonialisten selbst sahen, aber mit ihrem Weltbild und Gewissen vereinbaren konnten, berichtet über Gegner dieser Praktiken, die es damals schon gab und die Scheinheiligkeit, mit der deutsche Museumsdirektionen heute noch die Ansprüche der Nachfolgestaaten wegdiskutieren. Im Anhang des mit einer ausführlichen Quellenangabe versehenen Sachbuchs befindet sich zudem eine Sammlung von Kurzbiografien der damals verantwortlichen Akteure.

Verständlich werden die Hintergründe erläutert, die Umstände und das Wirken der Deutschen in ihren in der Südsee gelagerten Kolonialgebieten, welche anhand des erwähnten Exponats für den Laien verdeutlicht werden. Als Einstieg in die Thematik ist das Werk eben so geeignet, wie als Ergänzungsliteratur für jene, die sich bereits mit der Thematik beschäftigt haben. Danach zumindest wird man die Ausstellungsobjekte ethmologischer und völkerkundlicher Museen mit anderen Augen betrachten.

Autor:

Götz Aly wurde 1947 in Heidelberg geboren und ist ein deutscher Politikwissenschaftler, Historiker und Journalist. Seine Themenschwerpunkte sind nationalsozialistische Rassenhygiene, Holocaust und Wirtschaft der NS-Diktatur, sowie Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts.

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Nick Reimer/Toralf Staud: Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird

Inhalt:

Aprikosen aus Hamburg, öffentliche Kühlräume für Berlin. Steppenlandschaft in Brandenburg, Tigermückenplagen im Rheinland. Starkregen und Sturzfluten, Waldsterben, ausgetrocknete Seen. Der Klimawandel wird Deutschland schon bis 2050 tiefgreifend verändern. Was genau uns erwartet, beschreibt dieses Buch auf der Basis neuester Forschungserkenntnisse. (Klappentext)

Rezension:

In den letzten Jahren haben sich extreme Wetterwechsel die Klinke in die Hand gegeben. Örtlich begrenzt versinken Orte in einem Jahr für kurze Zeit im Schneechaos, während anderswo die Bewohner mit heftigen Regenfällen und Überschwemmungen zu kämpfen haben. Wieder andernorts fehlt Wasser in der Landwirtschaft und müssen die Menschen mit Hitzewellen zurecht kommen. Der Klimawandel ist keine abstrakte Bedrohung mehr. Er findet längst statt.

Nur, was bedeutet dies konkret für unser Leben. Die Journalisten und Autoren Toralf Straud und Nick Reimer haben recherchiert, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengetragen und mit Experten verschiedener Fachgebiete gesprochen. Herausgekommen dabei ist ein Blick in eine nicht all zu ferne Zukunft.

Zunächst, in diesem Sachbuch geht es nicht darum, wie Klimaschutz betrieben werden kann, also wie sich z.B. der Ausstoß von Treibhausgasen verringern lässt und hebt sich damit wohltuend von anderen vergleichbaren Werken ab. Auch wird sich nicht primär auf Ursachenforschung begeben. Hier liegt die Konzentration ganz konkret auf die Frage, wie unser Leben unter sich wandelnden Bedingungen gestaltet, wenn wir heute mit ein wenig oder viel mehr Klimaschutz beginnen würden, so dass sich die Erwärmung der Erde auf ein paar Grad begrenzen lassen würde und was dies für uns in Deutschland bedeutet.

Es wird ein Blick in die Zukunft gewährt, der als gesichert gelten darf. Da klimatische Veränderungen mit Verzögerungen ob der Ursachen auftreten, ist der Wandel, der auf uns zukommt, schon längst menschengemacht.

Hier beginnen die Autoren mit eiem Szenario, welches unser Leben im Jahr 2050 zeigt. Feingliedrig schildern Staud und Reimer, wie sich unser Leben in den Städten wandeln wird, mit welchen Problemen wir auf dem Land zu kämpfen haben werden, was die Änderungen für den Wald vor unserer Haustür etwa bedeuten, für Transportwege oder für die Landwirtschaft. Unaufgeregt übersetzen sie Studien verschiedenster Seiten, auch von Unternehmen, denen man jetzt kaum Öko-Affinität nachsagen dürfte, in ein verständliches Gesamtbild und zeigen die ersten Anzeichen auf, die uns schon heute begegnen.

Dass viele Tier- und Pflanzenarten im Regenwald oder in den Korallenriffen Fischarten durch menschliche Eingriffe und dem Klimawandel dezimiert und teilweise ausgerottet werden, bevor überhaupt die Chance bestand, sie zu entdecken, ist landläufig bekannt. Wie sieht es mit dem Überleben aber von einheimischen Insekten, den Bienen und Hummeln etwa, aus oder Vogelarten, wie den Kuckuck?

Kann ruhig aufgeklickt werden. Spoiler nur, wegen der Lesbarkeit des Haupttextes. Das Beispiel Kuckuck näher ausgeführt:

Spoiler

Der Kuckuck legt seine Eier in fremde Nester und lässt diese von den Wirtsvögeln ausbrüten. Das Küken wirft die Eier der Wirtseltern aus dem Nest und bleibt als einziges übrig. Nun ist der Kuckuck ein Zugvogel, der sich jedoch bislang nicht an die verändernden Vegetationsperioden hierzulande anpassen konnte. Hier bleiben immer häufiger Forstperioden aus, das Nahrungsangebot ändert sich. Viele Vogelarten brüten früher.

Wenn der Kuckuck aus Afrika zurückkommt, sind die meisten seiner Wirtstiere schon mit der Aufzucht ihrer Jungen beschäftigt. Dem Kuckuck fehlt die Möglichkeit, seine Eier dazu zu legen. Eine beliebige Auswahl hat dieser aber nicht, da er seine Eier nur zu der Vogelart legt, bei der er selbst aufgezogen wurde (und somit sichergestellt wird, dass die Eifarbe ungefähr gleich ist). In Folge geht die Anzahl der Kuckucks stetig zurück.

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Welche Probleme bringen immer häufigere Wetterwechsel der Extreme in den Städten mit sich? Wird es auch in Deutschland Probleme mit dem Grundwasserhaushalt geben? Wie wird unser Wald in ein paar Jahren aussehen? Was bedeutet es für unsere Wirtschaft, Handelswege und Energieversorgung, wenn selbst große Flüsse immer weniger Wasser führen und sich die Fließgeschwindigkeit verringert? Die Autoren reihen diese und andere Fragen gleichsam einer Perlenkette aneinander und zeigen, wie bereits heute in verschiedenen Bereichen versucht wird, zu reagieren.

Nick Reimer und Toralf Staud werten dabei nicht, die Sprache wirkt zwar eindringlich, meist jedoch sehr nüchtern. Sie zeigen, warum es uns Menschen schwerfällt, in längerfristigen Zeiträumen Konsequenzen zu überdenken und warum für viele der Klimawandel zumindest noch für Deutschland kein großes Problem zu sein scheint, es jedoch dringend auf die Agenda gehört. Denn, so viel wird klar, einige der Konsequenzen werden unvermeidlich auf uns zukommen, die anderen können wir nur versuchen, abzumildern.

Es braucht solch eine nüchterne Beschreibung, wenn es darum gehen soll, Grundlage für Diskussionen und Verständnis zu schaffen, vor allem aber auch, da nicht alle Zeit, Muße und wissenschaftliche Kompetenz besitzen, um wissenschaftliche Studien in konkret formuliertes zu übersetzen. Die Autoren haben sich die Zeit genommen. Der Anhang ist eine öffentlich zugängliche und beeindruckende, unterstützende Auflistung von Quellen.

Wer sich dieses Buch zur Hand nimmt, wird danach mit anderen Augen durch den heimischen Wald gehen, durch angelegte Parks und Gärten, vielleicht auch die Dach- oder Kellerwohnung seines Wohnhauses anders betrachten. Ein nicht mit dem erhobenen Zeigefinger geschriebener Antrieb, dass wir uns ändern, ist das. Nicht mehr, nicht weniger.

Autoren:

Nick Reimer wurde 1966 geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor. Während der Wende 1989/90 gründete er in Freiberg die erste überregionale Umweltzeitschrift der DDR und war Mitbegründer des Neuen Forums Mittelsachsens. Nach Abschluss seines Studiums begann er 1993 ein Volontariat bei der Berliner Zeitung, arbeitete ab 1996 für die Morgenpst und 1998 als Korrespondent der taz.

Von 2000-2011 war er als Wirtschaftsredakteur für die Themen Klima und Energie zuständig und arbeitete zusätzlich für andere Medien als freier Journalist. Er erhielt, gemeinsam mit Toralf Staud, den Otto-Brenner-Preis, 2012, in der Kategorie Medienprojekte. 2014 hatte er einen Lehrauftrag für Nachhaltigkeit und Journalismus an der Universität Lüneburg.

Toralf Staud wurde 1972 geboren und ist ein freier Journalist und Buchautor. Zunächsst war er bei der Altmark Zeitung tätig, studierte dann von 1991 bis 1998 Journalistik und Philosophie in Leipzig und Edinburgh.

Währenddessen arbeitete er für die zeitung Die Zeit und diverse Medien, schließlich von 1998 an als Polit-Redakteur für Die Zeit in Hamburg und Berlin. Seine Themen sind hauptsächlich der Klimawandel und die extremen Rechten. Für seine Recherche über die staatliche Reaktion auf Gwalt in Flüchtlingsunterkünfte würde er 2016 gemeinsam mit Kollegen mit dem Reporterpreis, in der Kategorie Datenjournalismus, ausgezeichnet.

Nick Reimer/Toralf Staud: Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird Weiterlesen »

G.D. Abson: Natalja Iwanowa 1 – Tod in Weißen Nächten

Inhalt:

Diese Stadt kann tödlich sein. Eine junge Frau verschwindet im Halblicht der Weißen Nächte Sankt Petersburgs. Kommissarin Natalja Iwanowa wird beauftragt, dem Verschwinden der schwedischen Studentin nachzugehen. Unter Hochdruck ermittelt sie, da der Vater des Opfers extrem vermögend ist und ihre Chefs einen schnellen Ermittlungserfolg wollen.

Der Fall scheint gelöst, als sie eine komplett verbrannte Leiche finden. Neben den Überresten: Zena Dahls Handtasche, auf der Fingerabdrücke sichergestellt werden können. Doch Natalja ist sich sicher, dass jemand im Hintergrund die Fäden zieht und setzt alles daran, die wahren Zusammenhänge aufzudecken. Und bringt damit nicht nur ihr eigenes Leben in Gefahr. (veränderte Inhaltsangabe)

Bücher der Reihe:

G.D. Abson: Natalja Iwanowa 1 – Tod in Weißen Nächten
G.D. Abson: Natalja Iwanowa 2 – Blutrot ist das Schweigen

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Rezension:

„Alle taten so, als wären sie jemand anderes, und niemand war noch er selbst.“

G.D. Abson: Natalja Iwanowa 1 – Tod in Weißen Nächten

Die Stadt und ihre glänzenden Fassaden sind Kulissen für Ränkespiele der Mächtigen und jenen, die ein Stück vom großen Kuchen abhaben möchten. In solch einer Gesellschaft integer zu bleiben, ist nicht einfach, zuweilen unmöglich. Doch die Hauptprotagonistin Natalja Iwanowa, dieses neuen Autoren-Debüts, versucht genau das. Auftakt einer Krimireihe durch die Straßen Sankt Petersburgs.

Wer an klassische Kriminalromane oder Ermittlungsgeschichten denkt, mag zunächst im englischsprachigen oder skandinavischen Raum spielende Werke im Blick haben. Doch auch anderswo lassen sich Erzählungen dieses klassischen Genres ansiedeln.

G. D. Abson zeigt uns, wie dies aussehen kann. Sein gewählter Schauplatz ist nichts weniger als Russlands Tor zum Westen und, wie man bereits nach wenigen gelesenen Seiten merkt, gut gewählte Kulisse, in die sich sowohl ein spannendes Szenario unterbringen, als auch der Zwiespalt beschreiben lässt, in dem die gesamte russische Gesellschaft seit den 1990er Jahren steckt. Wie lebt es sich im Versuch, ehrlich zu bleiben, in Putins Russland?

Hauptprotagonistin, ist die einer klassischen Ermittlerin, die abgesehen von ihren privaten Problemen auch noch mit undurchsichtigen Vorgesetzten zu kämpfen haben. Schon zu Beginn erahnt man die Ränkespiele, die sich von Seite zu Seite immer mehr anhäufen, und die Handlung beeinflussen werden. Dabei ist Natalja Iwanowa zunächst die einzige Figur, die Sympathieträgerin ist, zugleich vielschichtig beschrieben und für die Leserschaft fassbar gemacht wird.

Die Handlung indes wird mit fortschreitendem Verlauf immer rasanter. Der Zwiespalt der Protagonisten immer deutlich sichtbarer. Hier hilft, dass der Autor zuvor Einblicke aus anonym gehaltener Quelle (so das Nachwort) aus dem russischen Polizeialltag erhalten hat. G. D. Abson beschreibt, wie Willkür und Korruption die Arbeit von ermittelnden Personen beeinflussen und was dies mit einer Gesellschaft macht, in der man praktisch gezwungen ist, sich selbst der Nächste zu sein. Die Ehrlichen bleiben auch hier die Dummen.

Das liest sich rasant. Nur etwas zu oft stolpert man beim Lesen über Absätze und ganze Kapitel mit dem Gefühl, etwas Entscheidendes gerade überlesen zu haben, ohne dies fassen zu können. Hier merkt man dem Autoren sein Debüt an und darf dennoch hoffen, dass sich dies im Verlauf der weiteren Bände einpendelt.

Dies wäre wünschenswert, denn ansonsten weiß Abson die Elemente eines Kriminalromans gekonnt einzusetzen und seine Leserschaft Detail um Detail zu entwirren. Zum Ende hin einzelne Punkte in der Handlung, die überraschen, andere, die hätten nicht sein müssen. Insgesamt jedoch ein solider Auftakt, der sich lohnt, weiter verfolgt zu werden. Spannende Grundlagen und Ansätze für Fortsetzungen wurden hier in jedem Fall gelegt.

Autor:

G.D. Abson wuchs auf Militärbasen in Deutschland und Singapur auf, bevor er nach Großbritannien zurückkehrte und unter anderem Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Russland studierte. Heute lebt und arbeitet er als selbstständiger Business-Analyst im Süden Englands. «Tod in Weißen Nächten» ist sein Debüt.

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