verschwunden

Herbert Heinrich Beckmann: Es sind Kinder

Inhalt:

Tine und Stefan sind ein Paar am Abgrund. Der dünne faden, der ihre Beziehung noch zusammenhält, ist ihr kleiner Sohn Leon. Doch als dieser beim gemeinsamen Urlaub auf einer Insel mitten in der Baltischen See plötzlich verschwindet, stehen die beiden vor einer ganz besonderen Belastungsprobe.

Mit psychologischen Feingefühl zeichnet Herbert Heinrich Beckmann das Psychogramm einer unglücklichen Beziehung in einer Atmosphäre unerklärlicher subtiler Bedrohung. Sprachlich genau erzählt er mit stetig steigender Spannung. Das Kind geht unterdessen seine eigenen Wege. (Klappentext)

Rezension:

Mit den ersten Zeilen werden Fronten geschaffen zwischen den beiden Hauptprotagonisten, was uns Lesende vor die Herausforderung stellt, mit unseren Sympathien, mal für die eine, dann für die andere Figur, umhergeworfen zu werden. Dennoch beginnt die Mischung aus Beziehungs- und Kriminalroman relativ harmlos, doch die Grundstimmung lässt gleich anfangs das Unheil erahnen. Doch schnell findet man hinein in Herbert Heinrich Beckmanns Strudel “Es sind Kinder”. Herauszufinden, ob des Gefühlschaos’, dem man ausgesetzt wird hingegen schwer.

Im Zentrum der Geschichte steht zunächst die in Trümmern liegende Beziehung der beiden Figuren, die nur noch durch den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammengehalten, jedoch nach und nach durch die Dringlichkeit der Suche überdeckt wird, die Verzweiflung förmlich zum Greifen nah. In kurzen Sätzen wird aus wechselnder Perspektive heraus erzählt, wie ein auf wackligen Füßen gebauter Urlaub sich zum elterlichen Horrortrip wandelt, der an den Grundfesten rüttelt.

Kompakt geschrieben ist diese Erzählung. Wenn man so möchte, liest man mit diesem Roman eine Art geografisches, sehr ernstes, Kammerspiel mit begrenzten Figurenensemble. Qualitativ tut dies der Geschichte gut, verliert der Autor so doch nie die Fäden und kann schön mit der Psyche seiner Protagonisten spielen, nicht zuletzt auch mit jenen, die die Erzählung lesen.

Dabei werden die Sympathien klar verteilt, was sich jedoch mit zunehmender Seitenzahl, wenn nicht wandelt, so dann zumindest ausgleicht. Jede Figur hat indes ihre Ecken und Kanten. Der Autor versteht es, damit zu spielen, nicht zletzt so ohne großen Aufwand oder Effekthascherei Wendungen zu schaffen. Der Erzählstil ist ruhig gehalten.

Der Text enthält kein Wort zu viel, beschränkt sich auf das Notwendige, doch hat Beckmann einen Detailgrad, wenn es um die Beschreibungen von Gefühlswelten geht, der die Figuren fassbar macht. Sehr schnell möchte man erfahren, wie es ausgeht, sollte dabei im Verlauf aufmerksam sein. Das Gefühl, etwas Wichtiges überlesen zu haben, könnte sonst gegen Ende eintreten.

Die Überschrift ist mehrdeutig, wie auch einige Begriffe verwendet und im Kontext, im Nachwort vom Autoren selbst notwendigerweise eingeordnet werden. Diese Abrundung ist hier notwendig, da sonst Beckmann leicht missverstanden werden würde, hier jedoch vorhanden.

Wenn man der Geschichte etwas vorhalten möchte, ist es, dass sie in Teilen zu ruhig erzählt wird.l großflächig funktioniert das, jedoch an einzelnen Punkten ist dies für das Aufrechthalten des Spannungsmoments gefährlich, wobei sich dies mit der Perspektive des oder der Lesenden relativeren könnte. Zudem, wer mit bestimmten Inhalten, siehe Klappentext, Schwierigkeiten hat, sollte vorsichtig an die Erzählung herangehen. Allen anderen sei dieser Beziehungs- mit leichtem Hang zum Kriminalroman durchaus empfohlen.

Autor:
Herbert Heinrich Beckmann wurde 1960 geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Psychologe. Er studierte in Berlin Psychologie und promovierte dort 1997, , bevor er sich zunehmend dem Schreiben widmete. Neben Fach- und Sachbüchern schrieb er Hörspiele, für den Rundfunk, sowie verschiedene Romane. Sein erstes Kinderbuch veröffentlichte er 1997, die erste Erzählung für Erwachsene im Jahr 2000. Zudem schreibt er unter verschiedenen Pseudonymen. 2010 stand er auf der Shortlist des Sir-Walter-Scott-Preises. zwei Jahre später auf der Top 5 Liste des Deutschen Kinderhörspielpreises mit seinem Hörspiel “Der Jesus von Kreuzberg”. Beckmann ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller.

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Bernhard Kegel: Ausgestorbene Tiere

Inhalt:
Quagga, Elfenbeinspecht, Koalalemur und Riesenalk: Wer weiß heute noch, wie diese Tiere aussahen, wo sie lebten, wie sie klangen – ja dass sie überhaupt existiert haben? Anhand von historischen Illustrationen erinnert dieses Buch an die Schönheit von fünfzig ausgestorbenen Tierarten und verbindet biologisch und naturgeschichtlich Wissenswertes mit anekdoten und Kuriosem. Eindrücklich führt es uns auf diese Weise die Verluste vor Augen, die die Tierwelt bereits erlitten hat, und bewahrt heutzutage unbekannte Spezies vor dem Vergessen. (Klappentext)

Rezension:

Unser Planet unterliegt ständigen Veränderungen, damit auch die auf ihm existierende Flora und Fauna. Massenaussterben, wie dass der Dinosaurier oder globale klimatische Veränderungen, unterstützt von Ausbrüchen gewaltiger Vulkane, deren Asche für längere Zeit den Himmel über weite Strecken verdunkeln konnte, gab es schon immer und infolge dessen wandelte sich auch das biologische Gefüge auf unserer Erde.

Arten kamen und gingen. Wer sich nicht kurzfristig anpassen konnte, verschwand von der Bildfläche und hinterließ eine Lücke, die entweder frei blieb oder durch eine andere Tierart besetzt wurde. Tatsächlich ist jeder Art nur eine begrenzte Zeit auf unserem Planeten vergönnt, doch dass derzeitige immer schnellere Voranschreiten vom Verschwinden verschiedener Tierarten, hat oftmals nur eine Ursache, uns Menschen.

Der Biologe Bernhard Kegel hat stellvertretend fünfzig von ihnen aufgelistet und so geholfen, sie vor dem Vergessen zu bewahren. Er erzählt, wie es zum Verschwinden des Falklandfuchses kam, des Japanischen Seelöwens oder des Tasmanischen Beutelwolfs und beschreibt, wann eine Art eigentlich als ausgestorben gilt, wie Wissenschaftler versuchen, die Letzten ihrer Art zu retten oder auf der Suche, nach vielleicht doch überlebenden Populationen einer lang nicht mehr gesichteten Spezies, sich begeben.

Der Autor zeigt zudem auf, wie fragil manche Arten in Abhängigkeit voneinander existieren und was dies für extrem bedrohte bedeutet, was die Forschung jedoch auch mit Rückzüchtung oder Gentechnik versucht, zu erreichen.

Das so entstandene Lexikon, welches nur einen winzigen Ausschnitt der Thematik zeigen kann, ist ausreichend um zu verdeutlichen, was bereits verloren ging und was wir, geht das Aussterben der Arten, von uns befeuert, im gleichen Tempo voran, noch zu verlieren drohen.

Der erhobene Zeigefinger bleibt dabei stecken, vielmehr setzt Bernhard Kegel den ausgewählten, von unserem Planeten verschwundenen Arten und ihren letzten Vertretern, wie etwa Lonesome George, der letzten Pinta-Riesenschildkröte, die 2012 auf Galapagos starb, ein würdevolles Denkmal. Er beschreibt ihre Entdeckung und zugleich ihren Untergang. Historische Illustrationen, von Menschen, die noch nicht wussten, dass sie Arten portraitieren, die einmal nicht mehr existieren würden, ergänzen diesen Band.

Das Aussterben geht derweil weiter voran. Zahlreiche Insekten sind heute kaum mehr zu hören, die uns noch vor wenigen Jahrzehnten umschwirrten. In einigen Städten verschwinden gar “Allerweltstiere” wie der Sperling. Doch zeigt der Autor, dass es auch Hoffnung gibt. So manche Art wird durch intensiven Schutz und speziell ausgerichteten Aufzuchtprogrammen vor dem Schicksal vieler anderer bewahrt.

Doch, eines wird beim Lesen dieses ansonsten sehr nüchtern gehaltenen Bandes schnell klar. Die Liste ausgestorner Tiere ist lang und wird täglich größer, ohne dass viele Arten genauer erforscht oder beschrieben sind. Wir sind dafür verantwortlich, denn zu viele andere Arten hätten es ebenso verdient, hier ebenso aufgeführt zu werden.

Autor:

Bernhard Alexander Kegel wurde 1953 geboren und ist ein deutscher Autor. Zunächst studierte er Chemie und Biologie an der Freien Universität Berlin, danach war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. 1991 arbeitete er mit Freiland- und Laboruntersuchungen zur Wirkung u. a. von Herbiziden. Seit 1996 ist er zudem schriftstellerisch tätig und Autor mehrerer biologischer und ökologischer Sachbücher, 1993 veröffentlichte er zudem seinen ersten Roman.

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Kurzblick: Thriller goes Graphic Novel – Frank Schmolke und Sebastian Fitzeks “Der Augensammler”

Von den einen Kritiker werden die Bücher dieses Autoren regelmäßig in die Tonne gekloppt, für mich waren sie der Zugang zu einem Genre, welches ich vorher nicht einmal mit der Kneifzange angefasst hätte. Davor gab es für mich nur entweder Romane und Erzählungen oder Sachbücher. Krimis und Thriller kamen erst mit den Büchern von Sebastian Fitzek hinzu und werden heute von mir sehr gerne und regelmäßig gelesen. Begonnen hat es bei mir mit seinem Werk “Das Kind”, welches ich lesen wollte, bevor der gleichnamige Kinofilm zu sehen war, der als nettes Gimmick einen Abspann mit einer Länge jenseits von Gut und Böse hatte, da sich in einer Aktion Fans dort haben eintragen lassen können und so ist dann auch mein Name dort zu finden.

Es hatte dann auch keinen anderen Grund, bis zum Ende dieses Abspanns im Kino sitzen zu bleiben, für einen Film, den man ansonsten das Low Budget Label ansieht, wenn auch mit Christian Traeumer damals ein hervorragender Kinderdarsteller gefunden wurde. Mittlerweile funktioniet das Gesamtpaket Fitzek, Gott sei Dank, nicht nur zwischen den Buchdenkeln, sondern auch auf der Leinwand. Die danach erschienenen Verfilmungen waren insgesamt stimmiger und haben bisher viel besser funktioniert. Das Buch, der Thriller “Das Kind”, ist dennoch sehr lesenswert.

Da Sebastian Fitzek jedoch sehr umtriebig ist und für viele Ideen offen, ist man nun den nächsten Schritt gegangen und hat nun einen anderen, ebenfalls sehr spannenden Thriller einmal grafisch umgesetzt. Der Zeichner Frank Schmolke zeichnete in düsteren Farben die Geschichte des Augensammlers nach, der Frau und Kind verschwinden lässt, das Boulevard in Aufruhr versetzt und mit seinen Ultimaten Berlin in Atem hält. Und den Ex-Polizisten Alexander Zorbach, der zusammen mit Alina Gregoriev, einer blinden Physiotherapeutin, im Gegensatz zur Polizei, die einzige brauchbare Fährte hat. Doch Zorbach, nun als Polizeireporter tätig, steckt da bereits tiefer drin, als ihm lieb ist.

Berlin, der Schauplatz vieler Geschichten von Sebastian Fitzek. (@Splitter-Verlag)

Mehr möchte und kann ich von der Handlung nicht verraten, auch wenn ich gerne mehr erzählen würde. Über den Zeichenstil von Frank Schmolke, der die Geschichte sowohl von den Farbtönen als auch von den Bildern her interessant umgesetzt hat, lässt sich dafür um so mehr sprechen. Vergleichsweise farbenfroh hat der Zeichner den Auftakt von Fitzeks Geschichte umgesetzt, wenn auch schon auf den ersten Seiten starke Kontraste wirken. Die Bilder, die beim Lesen des Thrillers im Kopf hängen bleiben, und es ist hier auch schon ein wenig her, dass ich das “Original” gelesen habe, wurden hier umgesetzt. Jede Szene hat ihren eigenen “Grundton” und ganz düster ist hier fast grau-schwarz. Wer also die Graphic Novel sich abends zu Gemüte führen sollte, müsste einmal für ausreichende Beleuchtung sorgen, sonst könnte das für die Augen vielleicht etwas zu anstrengend wirken.

Einige Figuren habe ich mir etwas anders vorgestellt, als sie in der Vorstellung von Frank Schmolke existieren. Es ist jedoch so, dass ich mit dieser ganz gut leben kann. Da trifft es sich dann auch, dass sowohl Sebastian Fitzek diese Geschichte weiter geschrieben hat, als auch Frank Schmolke am Ende durchaus das Fernglas (dieser Ausdruck ist jetzt bewusst gewählt) für eine Fortsetzung als Graphic Novel offen lässt. Das wäre zumindest mein Wunsch.

Zuletzt, hat es denn funktioniert, einen Thriller als Graphic Novel zu adaptieren? Ein klares -Ja- von mir. Über die hervorragende Farb-, Papier- und Bindungsqualitä des Splitter-Verlags brauchen wir auch nicht zu sprechen. Die ist gegeben. Aufpassen sollte man dennoch, zumindest wer die limitierte und durchnummerierte Ausgabe haben möchte. Die ist auf 1000 Exemplare beschränkt enthält Zusatzmaterial und einen exklusiven Kunstdruck von Frank Schmolke und zum Zeitpunkt dieses Beitrages verlagsvergriffen. Die “einfache” Ausgabe, unten verlinkt, sollte aber inzwischen zu haben sein, wenn sie auch in meiner Stammbuchhandlung ebenfalls verspätet angeliefert wurde. Für Thriller-Fans, aber auch sonst, einen Blick wert. Oder auch zwei. Mit den Augen, die man so hat.

Sebastian Fitzek:

Sebastian David Fitzek wurde 1971 in Berlin geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Er arbeitet in der Programmdirektion eines Berliner Radiosenders und studierte Jura bis zum ersten Staatsexamen. Er promovierte in Urheberrecht und arbeitete als Programmdirektor für verschiedene Radiostationen Deutschlands. 2006 erschien sein erster Psychothriller “Die Therapie”, welches promt ein Bestseller wurde und als bestes Krimi-Debüt für den Friedrich-Klauser-Preis nominiert wurde. 2012 wurde sein Roman “Das Kind” verfilmt. Merkmale seiner Bücher sind bestimmte Gimmicks zu seinen Büchern, wie wieder auftauchende Personen oder Extras in Form von Links oder Videos, auch sucht er Wege abseits der üblichen Wasserglas-Lesungen. 2016 feierte Fitzek zehnjähriges Autorenjubiläum. Seine Bücher werden für’s Theater adaptiert, eine weitere Verfilmung ist in Arbeit. Fitzek wird in 24 Sprachen übersetzt.

Frank Schmolke:

Frank Schmolke wurde 1967 in München geboren und ist ein deutscher Illustrator, Maler und Comic-Zeichner. 1994 begann er als Zeichner in einer Agentur zu arbeiten, seit 1999 ist er freiberuflich tätig. Schmolke ist Mitbegründer der Münchner Comicmagazine Tentakel und Comicaze und publizierte in seinem eigenen Verlag “Edition Spaceboy” seit 1994 eigene Comics, arbeitet zudem zusätzlich für verschiedene andere Verlage und u. A. im Bereich 3D-Animationsfilm. 2019 wurde er mit den Rudolph-Dierks-Award ausgezeichnet.

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Tana French: Der Sucher

Inhalt:

Ein Fremder, ein Dorf, ein Kind. Und eine Suche, die Niemanden verschont.

Cal Hooper, ehemaliger Cop aus Chicago, hat sich in den Westen Irlands geflüchtet. Die Natur scheint friedlich, im Dorf nimmt man ihn freundlich auf. Da springt sein innerer Alarm an: Er wird beobachtet. Immer wieder taucht ein Kind bei ihm auf. Auf den umliegenden Farmen kommen auf seltsame Weise Tiere zu Tode. Stück für Stück gerät Cal in eine suche, die ihn tief in die Dunkelheit führt. (Klappentext)

Rezension:

Selten geben Inhaltsangaben eines Verlags und der eigentliche Text eine solche Differenz her, wie im Falle von Tana French, die mich mit ihrer neuen Geschichte, diesmal um den ehemaligen Detective Cal Hooper, mehr als überraschen konnte. Der Inhalt ist klar skizziert, liegt hier doch ein klassischer Kriminalroman vor, vermischt mit reichlich Lokalkolorit.

Der Handlungsort Irland bietet sich einfach dafür an, auch die Hauptfigur ist für Frenchs Leserschaft schnell fassbar und zudem ein Sympathieträger, den man gerne folgt.

Überraschend vor allem, ist die Wirkung des Textes. Im Gegensatz zu den Angaben auf den Umschlag steigt man zunächst vergleichsweise ruhig und gemächlich in die Geschichte ein. Die Autorin macht mit Handlungsort und Figuren vertraut. Die Degeto-Idylle liegt zum Greifen nah. Das ändert sich lange nicht. Der bedächtige Schreibstil tut sein Übriges, ohne ins allzu Gefühlige abzurutschen, wenn auch hin und wieder eine Zehe über gewisse grenzen gesetzt wird. Lange passiert nichts und dann doch alles.

So eingelullt entfalten sich nach und nach, wir nehmen die Position der Hauptfigur mitsamt dessen Kenntnisstands ein, die Geheimnisse der Dorfgemeinschaft, die abgründiger nicht sein könnten, dennoch im Bereich des real Möglichen liegen. Zudem schafft es French lange, die Antagonisten ziemlich konturlos erscheinen zu lassen, ohne dass das Gefühl des Fehlens entstehen würde oder die Autorin selbst den roten Faden zu verlieren drohte.

Bevorzugt lese ich eher den rasanten, wendungsreichen, brutalen und ja, auch oft genug blutigen Thriller. In “Der Sucher” ist praktisch nichts von diesen Zutaten vorhanden, die ich als für mich “sichere Bank” bezeichnen würde, zudem konnte ich die Position jeder Figur nachvollziehen. Gegen Ende habe ich den Ausgang zwar leise geahnt, gestört hat das nicht.

Mit stoischer Gelassenheit und Ruhe wird hier Seite für Seite eine Geschichte aufgebaut, in der man eingesogen wird. Die Wirkung von Perspektive und Art des Erzählens vermögen in den Bann zu ziehen. Bei mir hat’s funktioniert. Wer sinst wendungsreiche und mitunter auch brutale Thriller liest, könnte selbigen Effekt unterzogen werden. Ich empfehle es allen, das zu versuchen. Da natürlich immer Luft nach Oben offen ist und ein Szenenwechsel doch nicht so ganz flüssig war, wie der Rest des Romans zu lesen, Punktabzug.

Dennoch, Tana French, gerne wieder.

Autorin:

Tana Elzabeth French wurde 1973 in Burlington, Vermont, geboren und ist eine irische Schriftstellerin. Nach Stationen, rund um den Globus, studierte sie Schauspiel am Trinity College in Dublin und arbeitete anschließend für Film und Fernsehen. 2007 erschien ihr erster Roman, weitere folgten und wurden teilweise verfilmt, sowie in zahlreiche Sprachen übersetzt. Mit ihrer Familie lebt sie in Dublin.

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Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 2 – Narbenherz

Bücher der Reihe:

Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 1 – Leichenblume

Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 2 – Narbenherz

Anne Mette Hancock: Heloise Kaldan 3 – Grabesstern

[Einklappen]

Inhalt:

Kopenhagen: Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan hat gerade eine Recherche zu traumatisierten Soldaten begonnen, als sie eine persönliche Entscheidung treffen muss über Leben uns Zukunft. Noch bevor sie irgendetwas tun kann, erfährt sie vom Verschwinden eines zehnjährigen Jungen.

Vor Ort trifft Heloise ihren guten Freund Kommissar Erik Schäfer, der in dem Fall ermittelt. Die Spuren zu dem Jungen sind verwirrend, nichts passt zusammen. Heloise versucht, Erik Schäfer zu helfen, das entscheidende Muster zu erkennen. Und begegnet ihren innersten Dämonen.
(Klappentext)

Rezension:

Das Verschwinden des eigenen Kindes, es ist die Urangst aller eltern und doch geschieht es am hellichten Tage vor einer Kopenhagener Schule. Vom zehnjährigen Lukas fehlt plötzlich jede Spur. Die Hinweise, die es gibt, führen ins Leere oder passen nicht zusammen.

So hatte sich Kommissar Erik Schäfer die Rückkehr aus seinem Urlaub nicht vorgestellt und auch Heloise Kaldan, Invesitigativ-Journalistin Heloise Kaldan, die mit ihrer derzeitigen Artikelrecherche zu traumatisierten Soldaten kaum vorankommt, zudem mit privaten Problemen zu kämpfen hat, wird auf die Vorkommnisse aufmerksam, weiß zunächst jedoch ebenfalls nicht weiter. Beide sind beunruhigt, erkennen zunächst keine Zusammenhänge. Was haben sie übersehen? Nur eines wissen sie zu gut.

Bei verschwundenen Kindern zählt jede einzelne Minute.

Der zweite Band um die Journalistin Heloise Kaldan und Kommissar Erik schäfer führt uns erneut in die dänische Hauptstadt und wartet mit einem spannenden Auftakt an, dessen Moment sich bis zum Ende halten wird. Tatsächlich ist hier gar nichts mehr vom melancholischen Mehltau früherer skandinavischer Krimis zu spüren.

Die Autorin legt einen kompakten Schreibstil an den Tag, mit relativ hoher Schlagzahl und ebenso vielseitigen Perspektivwechseln. Konzentriert ist alles auf zwei Erzählstränge, die zunächst verhältnismäßig parallel verlaufen, sich hin und wieder kreuzen und später langsam zusammengeführt werden.

So wird die Sichtweise der beiden Hauptprotagonisten herausgestellt, die den Fall aus den verschiedenen Blickwinkel ihrer beruflichen Vorgehensweisen betrachten und somit Schritt für Schritt die verschiedenen Puzzelteile aufdecken, schließlich zusammensetzen.

Das funktioniert auch, wenn man den Auftakt, der bisher auf drei Teile angelegten Reihe, nicht gelesen hat. Die privaten Zusammenhänge und Zwischenmenschlichkeiten werden ohne sich aufzudrängen erklärt bzw. erschließen sich beim Lesen. Der Fall selbst kann, wie üblich, unabhängig gelesen werden. Bezeichnend ist hier, dass es die Autorin schafft, eine Vielzahl von Themen in Zusammenhang zu bringen und dabei keines bis zum Ende aus den Augen zu verlieren.

Der Umgang mit traumatisierten Soldaten durch Staat und Gesellschaft wird ebenso thematisiert, wie die Schludrigkeit der Behörden im Umgang mit Eltern und deren Kindern. Zuweilen ist dies harter Tobak, Hancock webt jedoch daraus eine geschichte mit unvorhersehbaren Wendungen und einem Figurennetz, welches einem mehr als einmal auf die falsche Fährte bringt.

Das Privatleben der beiden Hauptprotagonisten ist hier Beiwerk und wird genutzt, um manches Handeln der Personen zu erklären, nicht jedoch, um das Gesamtwerk ins Kitschige zu ziehen, was diesen Krimi, für einen Thriller ist die psychische Spannungslage dann doch ein wenig dünn, wohltuend von anderen abhebt.

Autorin:

Anne Mette Hancock wurde 1979 geboren und ist eine dänische Schriftstellerin. Sie studierte Geschichte und Journalismus in Roskulde, bevor sie als freie Journalistin für Tageszeitungen und verschiedene dänische Magazine im Lifestyle-Bereich arbeitete. Nach Aufenthalten in Frankreich und den USA lebt sie mit ihrer Familie in Kopenhagen. Ihre Thriller wurden bereits mehrfach übersetzt und ausgezeichnet.

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Paula Bach: Ira Schwarz 1 – Goldjunge

Goldjunge Book Cover
Goldjunge Reihe: Ira Schwarz – 1 Rezensionsexemplar/ Krimnalroman ullstein Taschenbuch Seiten: 512 ISBN: 978-3-548-28888-8

Inhalt:

Köln, 1967: Protestmärsche und die Musik der Beatles ziehen durch die Stadt. Da wird die brutal zugerichtete Leiche eines sechszehnjährigen Jungen gefunden. Die Polizei fahndet nach einem Täter aus dem linken Milieu, doch Kriminalhauptmeisterin Ira Schwarz zweifelt an der Schuld des Verdächtigen.

Als ein weiterer Junge tot aufgefunden wird, befürchtet Ira, einem Serienmörder auf der Spur zu sein. Gemeinsam mit dem Journalisten Ben Weber ermittelt sie auf eigene Faust und bringt damit nicht nur sich selbst in tödliche Gefahr… (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Paula Bach: Ira Schwarz 1 – Goldjunge

[Einklappen]

Rezension:

Manchmal hat man als Leser/in das Gefühl, dass bei all dem Mord und Todschlag, den man zwischen den Regalwänden finden kann, die Recherche der Schreiberlinge zu kurz gekommen ist. Zu oft wird nur Wert auf die Ausgestaltung der Hauptprotagonisten gelegt, Hintergründe und Setting bleiben dabei auf der Strecke. Nicht so bei Beate Sauer, die unter dem Pseudonym Paula Bach nun diesen zeitgeschichtlichen Kriminalroman zu Papier gebracht hat.

Es sind die Jahre des gesellschaftlichen Umbruchs, in denen wir uns mit der Hauptprotagonistin Ira Schwarz begeben, die zum Einen teil davon ist, zugleich aber auch dessen, was andere Teile der Gesellschaft für das Establishment halten.

Die Kriminalhauptmeisterin ist Mitglied der weiblichen Kriminalpolizei, von den männlichen Kollegen spöttisch und kritisch beäugt, am Beginn ihrer Laufbann und stolpert an der Seite eines alteingesessenen Beamten in ihren ersten Fall hinein, der im Panorama der etwa zeitgleichen Geschehnisse um den Kindermörder Jürgen Bartsch nicht bezeichnender sein könnten.

Stück für Stück legt die Protagonistin die Spuren frei und stößt dabei auf so manches Geheimnis, welches ihre Gegenspieler am liebsten Vergessen machen wollen. Und dies nicht nur auf der Seite des eigentlichen Täters. Hier gelingt der Autorin das Kunststück das Zeitpanorama kunstvoll mit den Handlungssträngen zu verweben, die sie ihren Figuren zugedacht hat und dies ist glaubwürdig, bis ins kleinste Detail.

Nicht nur die Morde stehen im Vordergrund, sondern auch das Aufbrechen von gesellschaftlichen Strukturen, die sich bis in die 1960er Jahre noch halten konnten, dann jedoch in ihre Bestandteile, wenn auch zuerst langsam, zerfielen.

Dies beides in einem immer schneller werdenden Erzähltemp zu schaffen, ist die große Stärke von Paula Bach aka Beate Sauer, die damit einen bemerkenswerten Reihenauftakt geschaffen hat, der sich lohnt, weiter zu verfolgen.

Der mitreisende Schreibstil und die wechselnde Sicht, der andere Handlunngsstrang folgt dem ehrgezigen Journalisten Ben Weber, dessen Weg sich mit dem ira Schwarz’ kreuzt, runden dies ab.

Positiv anzumerken ist ebenfalls die im Nachgang von der Autorin vorgenommene historische Einordnung, in der dargestellt wird, welche Gegebenheiten den Tatsachen entsprechen, wo Abwandlungen von der historischen Wahrheit geschahen und warum. Viel zu selten findet man dies bei den im historischen Kontext spielenden Kriminalromanen, so dass hier Autorin und Verlag sich einen großen Gefallen getan haben.

Einzig die sich anbändelnde Beziehungsgeschichte der beiden Hauptprotagonisten hätte jetzt nicht sein müssen. Das aber, ist Geschmackssache.

Wer gerne zeitgeschichtliche Krimis liest, mit nachvollziehbarer Handlung, die temporeich ausgestaltet ist und eine Stufe weniger brutal ist als das, was zu oberst auf den Büchertischen zu finden ist, kann mit “Goldjubnge” nichts falsch machen.

Autorin:

Paula Bach ist das Pseudonym von Beate Sauer, die 1966 geboren wurde. Sie ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin. Bekannt wurde sie durch ihre historischen Romane, unter Pseudonym veröffentlichte sie bereits mehrere Kriminalromane.

Nach dem Abitur studierte sie, arbeitete dann als freie Mitarbeiterin für diverse Zeitungen und absolvierte eine journalistische Ausbildung. 1999 erschien ihr erster Roman. Für ihre Werke wurde sie bereist mehrfach ausgezeichnet. Die Autorin wurde u.a. 2006 für den Friedrich-Glauser Preis nominiert und erhielt 2015 den Silbernen Homer in der Kategorie Beziehung & Gesellschaft.

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Chris McGeorge: Der Tunnel

Der Tunnel - Nur Einer kommt zurück Book Cover
Der Tunnel – Nur Einer kommt zurück Chris McGeorge Droemer Knaur Erschienen am: 04.05.2020 Seiten: 346 ISBN: 978-3-426-22709-1 Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet

Inhalt:

Sechs junge Leute, seit Jahren beste Freunde, fahren mit dem Boot in Englands längsten Kanaltunnel – ein Abenteuer in beklemmender Dunkelheit. Als das Boot am anderen Ende des Tunnels wieder auftaucht, sind fünf der Freunde spurlos verschwunden. Der sechste, Matthew, ist bewusstlos. er beteuert seine Unschuld, ist aber der einzige Verdächtige in diesem mysteriösen Fall, bei dem sich die Presse erstaunlich bedeckt hält. Was ist während der Fahrt geschehen? (Klappentext)

Rezension:

Beklommenheit breitet sich in denen aus, die eine Fahrt unterhalb des Penninengebirges wagen, von Masden nach Diggle im nördlichen England. Dort befinden sich die Standedge-Tunnels, eine wagemutige Leistung britischer Ingenieurskunst, die den Transport von Waren und Menschen in der Region vereinfachen sollte. Doch, was ist, wenn in den zum teil stillgelegten Röhrren plötzlich Menschen verschwinden? Nun hat der englische Autor Chris McGeorge diesen Gedanken heraus einen düsteren Thriller gestrickt.

Aus der Perspektive des mittelmäßig erfolgreichen Autoren Robin Ferringham wird die Geschichte erzählt, derer eine reale geografische Situation zugrunde liegt. Robin Ferringham, gerade dabei, wenig erfolgreich das spurlose Verschwinden seiner Frau zu verarbeiten, erhält einen mysteriösen Anruf aus einem Gefängnis im nördlichen England.

Am anderen Ende der leitung, ein des Mordes an fünf Menschen Verdächtiger, der behauptet Informationen zu den Vorfall zu besitzen, der Robins Leben auf ewig veränderte und nebenbei unschuldig zu sein, an dessen, was man ihm vorwirft.Ttrotz aller Zweifel begibt sich der Protagonist nach Masden und entdeckt nicht nur die verstörenden Tunnel und eine trauernde Dorfgemeinschaft, wird jedoch bald selbst Teil eines mörderischen Spiels.

Die große Zeit englische Kriminalliteratur ist vorbei, möchte man meinen, jedenfalls wenn man diese Art von Literatur sich zu Gemüte führt. Tatsächlich hat der zunächst spannend und auf realen Gegebenheiten aufgebaute Thriller so einige Schwächen, die die positiven Seiten schnell in den Hintergrund rücken.

Die realen Gegebenheiten bieten zunächst eine Steilvorlage für hochspannende Storys, die man praktisch nur noch einfügen muss, sind dabei noch die Protagonisten und ihre Motive detailreich ausgearbeitet, würde ein solches Werk funktionieren. Die Hauptprotagonisten hier sind anfangs farblos, hier hat der Autor jedoch im Laufe des schreibens nachgebessert, für die imens wichtigen Nebencharaktere gilt dies jedoch nicht. So richtig klar wird bis zum Ende weder Motiv noch sonstiger Beweggrund, auch der Rätselfaktor bleibt nicht durchgehend bis zum Ende erhalten. Ein netter Versuch.

Pluspunkte Chris McGeorges sind Schreib- und Erzählstil, denn dies kann der Autor, wenn auch der Spannungsbogen hin und wieder gibt, doch hin und wieder gibt. “Der Tunnel”, lässt sich fließend lesen, kommt mit kurzen, dicht aufeinander folgenden Kapiteln daher. Nicht auf der Habenseite ist jedoch die Tatsache, dass die reale Geschichte der Tunnel interessanter wirkt, als die herumgewobene Geschichte.

Zudem wirkt zu oft das Konstrukt wie ein bleiender Mehltau, der bereits mehrfach erzählt wurde. Auch kann man hier kein einheitliches Tempo erkennen. Entweder man baut die Handlung in immer schneller aufeinander folgenden Schritten auf, bleibt in einer gemächlichen Schrittfolge oder erzählt rasant. Hier jedoch gibt es mehrere Brüche, die man selbst als ungeübter Krimileser merkt und Übergänge, die nicht gerade als nahtlos zu bezeichnen sind.

Die Bezeichnung Thriller ist eine Entscheidung, die man treffen kann. Für mich ist es jedoch ein klassisch ortsgebundener Krimi, der es nicht für geübte Leser schafft, sich aus der schieren Masse an Büchern gleicher Art herauszuheben. Wer relativ selten in diesem Genre liest, mag Chris McGeorges Geschichte mit Gewinn sich zu Gemüte führen. Alle anderen sollten es sich überlegen. Hier ist eher auf folgende Werke von Chris McGeorge zu hoffen.

Autor:

Chris McGeorge öebt in Durham und studierte Kreatives Schreiben an der City University of London. Er ist Teil einer Amateurtheatergruppe. Vorbilder sind Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle.

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Alexandra Endres: Niemand liebt das Leben mehr als wir

Niemand liebt das Leben mehr als wir Book Cover
Niemand liebt das Leben mehr als wir Alexandra Endres Verlag: mairdumont Erschienen am: 08.10.2019 Seiten: 330 ISBN: 978-3-7701-8249-7

Inhalt:
Mexiko – ein unglaublich vielfältiges Land, landschaftlich und kulturell. Und vom Drogenkrieg gezeichnet. Alexandra Endres durchquert das Land, welches oft für viele nur eine Durchgangsstation ist.

Ein Land voller Gewalt, in dem täglich Menschen spurlos verschwinden, aber auch ums Überleben kämpfen, um die Natur und ihr kulturelles Erbe. Alexandra Endres trifft auf das indigene Erbe der Maya ebenso, wie auf traditionelle Mezcal-Brenner und engagierte Umweltschützer.

Sie lernt Menschen kennen, die sich unerschütterlich für ihr Heimatland einsetzen und von einer besseren Zukunft träumen. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

Niemand liebt das Leben mehr als wir, weil für uns der Tod so sehr präsent ist.

Guillermo del Toro

Der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro fand einst diese Worte, um das Lebensgefühl seiner Landsleute zu umschreiben. Doch, wie sieht es aus, das heutige Mexiko, welches, wenn überhaupt, hierzulande nur in die Schlagzeilen gerät, wenn mal wieder ein hochrangiger Drogenboss den Behörden ins Netz geht oder die Dramen an der Grenze zu den USA nicht mehr von den Nachrichten-agenturen ignoriert werden könne?

Alexandra Endres, Redakteurin, u.a. von ZEIT Online, hat sich aufgemacht, auf Spurensuche durch ein faszinierendes und vielfältiges Land.

Von Süd nach Nord hat die Autorin den mittelamerikanischen Staat durchquert, der für so viele nur eine Durchgangsstation zum Traum von einem besseren Leben sein soll, der jedoch spätestens im Norden für allzu viele zerplatzt.

Endres nimmt sich Zeit für die Begegnungen mit Menschen, denen ihre Heimat nicht egal ist, die etwas für sich und Andere bewegen wollen, die Abwärtsspirale aus Korruption und Drogenhandel, Umweltverbrechen, nicht akzeptieren.

Aufgrund vermittelter Kontakte begab sie sich auf eine Reise, die ihres Gleichen sucht, zumal als Frau alleine in dieser Gegend zuweilen nicht ganz ungefährdet. Der Blick geschärft für Details schildert sie lebendig das Leben der Menschen, die sie daran teilhaben lassen und zeichnet so ein vielschichtiges Bild.

Kurzweilig sind die Kapitel, immer entsprechend ihrer gewesenen Reiseabschnitte gegliedert, doch beginnt die kurzweilige Reisereportage mit einer Beobachtung, die fast gegen Ende der Reise selbst stattfand. Um so beeindruckender sind die nachfolgenden Schilderungen.

Die Autroin schafft es ihre Bedenken, ihre Zweifel, vor allem aber auch ihre Neugier auf das Unbekannte und ihre Zugewandtheit den Menschen gegenüber lebendig werden zu lassen. Ein Reisebericht kann dabei immer nur einen Ausschnitt aus einem Land zeigen, dessen ist sich die Autorin bewusst.

Sie versucht dennoch einen Rundumblick zu bekommen. Wo stehen Mexiko und seine Menschen heute? Mit welchen Problemen haben sie zu kämpfen und was heißt es, dort zu überleben, wo einem der Tod so nahe ist?

Alexandra Endres schildert all dies nicht nüchtern. In lebendigen Farben gibt sie wieder, was sie gesehen hat und herausgekommen ist der nachhallende Zustandsbericht eines Landes, welches mit keinem anderen zu vergleichen ist.

Durchgangsstation und Endpunkt langer, beschwerlicher Reisen, unfreiwilliger Schmelztigel und indigene Völker auf der Suche nach ihrer Identität, vermischt mit christlichen Traditionen. All dies zusammen führt zu einer besonderen Mischung, die man mit Zeile zu Zeile als Lesender zu verstehen versucht, jedoch immer noch mehr Fragen bekommt.

Aufgelockert durch zahlreiche Skizzen, die Wege markieren, Kartenmaterial im Inneren der Umschlagseiten, sowie einem Fototeil, zeigt die Autorin die Vielfältigkeit dessen, was sonst nur einseitig in unseren Medien dargestellt wird.

Mit jedem Wort wird klarer, wie nah Freude, Zuversicht, Mut und Verzweiflung beieinander liegen, gerade wenn sie mit Umweltschützern, Frauenrechtlerinnen oder Indigenen spricht, die sich für ihre Interessen, nicht ohne Gefahr für sich selbst, einsetzen. Beeindruckend, um nur ein Wort zu nutzen. Bewundernswert in jedem Fall.

Mexiko, so bleibt festzustellen, ist ein unerschrocken unermüdliches Land mit Menschen, die an sich glauben, an ihr Leben hängen. Es lohnt sich, dies zu beobachten und zu verfolgen. Alexandra Endres ist dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten gelungen. Wünschenswert, wenn es in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit für die Menschen gibt, die das Leben so sehr lieben.

Autorin:

Nachd er Schule studierte Alexandra Endres in Köln Volkswirtschaft in Kombination mit Realpolitik, bevor sie Redakteurin bei der FAZ wurde und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Wirtschaftsgeographischen Institutes der Uni Köln. Seit 2006 arbeitet sie für ZEIT Online und unternimmt immer wieder Reisen nach Südamerika.

2014 arbeitete sie als Gastredaktuerin für eine kolumbianische Zeitung. Die südamerikanischen Länder (die sie immer wieder bereist), ihre Rohstoffe und Ressourcen, sowie Entwicklung und Menschenrechte gehören zu ihren Hauptthemen. 2016 bereiste sie Kolumbien erneut. Ihre Erlebnisse veröffentlichte sie auf ihren Blog und ausführlich in Buchform.

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Fabio Geda: Im Meer schwimmen Krokodile

Im Meer schwimmen Krokodile Book Cover
Im Meer schwimmen Krokodile Fabio Geda btb Verlag Seiten: 190 Taschenbuch ISBN: 978-3-570-40201-6

Inhalt:

Nachdem Enaiat von seiner Mutter aus Afghanistan geschmuggelt wurde, wacht er eines Morgens auf und ist allein. Er hat nichts als seine Erinnerungen und die drei Versprechen, die er ihr gegeben hat. Mit dem Ziel, ein besseres Leben zu finden, begibt Enaiat sich auf eine lange Reise Richtung Westen.

Er durchwandert die Länder des Ostens bis nach Europa, reist auf Lastwagen, arbeitet, schlägt sich durch, lernt das Leben von seiner grausamen Seite kennen.

Und trotzdem entdeckt er, was Glück ist… Fabio Geda erzählt die wahre Geschichte von Enaiatollah Akbari in einem zu Herzen gehenden Buch: Eine Geschichte, die uns den Glauben an das Gute zurückgibt. (Klappentext)

Rezension:

In Zeiten, wo die Flüchtlingsproblematik die Emotionen zum Kochen bringt, in der Diskussionen nicht mehr mit rationalen Argumenten geführt werden und Rechtspopulisten immer mehr Aufwind bekommen, sollten wir uns einmal die Geschichten hinter den Fernsehbildern in Erinnerung rufen.

Flüchtlinge, die wochen-, manchmal monatelang, nicht selten Jahre unterwegs sind, um Krieg, Verfolgung und Terror zu entfliehen. Nicht wenige davon im Kindes- und Jugendalter. Eine dieser Geschichten erzählt Fabio Geda, der den Bericht von Enaiatollah Akbari angenommen hat.

Dieser wurde von seiner Mutter aus dem von Krieg und Terror geplagten Afghanistan kurz vor den Terroranschlägen des 11. September außer Landes geschmuggelt. Von da an, auf sich selbst gestellt, beginnt er die gefährliche Reise nach Europa, trifft Menschen, die ihm aus unterschiedlichsten Gründen helfen und muss immer wieder Rückschläge verkraften.

Doch selbst in Europa ist nicht sicher, ob er bleiben darf oder wieder in seine Heimat, die gar keine ist, zurückkehren muss. Doch, Enaiatollah kämpft, wie er es schon von Kindesbeinen an kennt, für ein besseres Leben und eine sichere Zukunft. Es ist eines dieser Bücher, die es aus der Nische der Kinder- und Jugendliteratur hinein in den Bereich der Erwachsenen-Romane und damit zu größere Beachtung schaffen sollten.

Denn Fabio Gedas Roman liegt tatsächlich eher in der Kinder- und Jugendbuchecke aus, was einerseits gut ist, um Kinder an dieses sehr sensible Thema heranzuführen, andererseits schlecht, da man mehrheitlich das Gefühl haben kann, gerade die Erwachsenen sind es, die Aufklärung bedürfen.

Geda erzählt eindringlich die Geschichte eines der Flüchtlinge, die exemplarisch für alle stehen kann, die dieses Schicksal haben, ohne zu werten. Er lässt Akbari erzählen und so entstand eine wunderbare Geschichte über Hoffnung, Verzweiflung, Mut, Entschlossenheit und Durchhaltewillen gegen alle Widerstände.

Ohne Längen und in flüssigen Schreibstil, hier genügen wenige Seiten um ein eindrucksvolles Stück Geschichte zu beschreiben, ist mit “Im Meer schwimmen Krokodile” ein kleines Juwel entstanden, was es in sich hat und zum Nachdenken anregt.

Zu versuchen, die Vorurteile einmal fallen zu lassen und sich wirklich den einzelnen Schicksalen anzunehmen, die Gründe nachzuvollziehen, warum jemand flüchtet und was das mit einem macht, sowie all jenen Respekt zu zollen, die wirklich helfen. Schließlich muss man nur den Umkehrschluss zumindest gedanklich zulassen, was wäre in einer umgekehrten Situation, wenn unsereins flüchten müsste. Wäre man da nicht auch dankbar für jede Hilfe?

Natürlich ist das Geschäft mit Schlepperbanden, auch von diesen Erfahrungen erzählen Akbari und Geda, zu verurteilen, aber auch dieses hat Ursachen und nicht ohne Grund greifen Menschen auch zu diesem Strohhalm, wenn es andere Hilfe nicht gibt.

Fabio Geda erzählt eine Geschichte voller Hoffnungen und Glück, Bangen und Warten, Mut und Verzweiflung, die man gelesen haben sollte. Wer dies tut, tut es sicherlich mit Gewinn. Hoffen wir, dass der echte Enaiatollah Akbari seinen Weg gehen wird. Der Leser wird darüber zumindest keine Zweifel haben.

Autor:

Fabio Geda wurde 1972 in Turin geboren und studierte nach der Schule Kommunikationswissenschaften. Danach arbeitete er als Lehrer und im sozialen Bereich, schrieb seinen ersten Roman, der 2014 ins Deutsche übersetzt wurde.

Sein zweiter Roman “Im Meer schwimmen Krokodile” verhalf ihm zum internationalen Durchbruch. Die wahre Geschichte des Flüchtlings Enaiatollah Akbari wurde in 18 Ländern publiziert.

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Gudrun Pausewang: Auf einem langen Weg

Auf einem langen Weg Book Cover
Auf einem langen Weg Gudrun Pausewang Ravensburger Erschienen am: 01.08.1996 Seiten: 191 ISBN: 978-3-473-52041-1

Handlung:

“Jetzt ist es so weit”, rief die Mutter nervös. “Wir müssen weg. Heute Abend müssen wir auf dem Bahnhof sein. Wir werden in den Westen gebracht.” Achim verstand nicht, worum es ging. Er war ja auch erst sechs Jahre alt.

Werner aber wusste, was das bedeutete: Die Stadt würde bald beschossen werden. Deshalb sollten vorher alle Frauen und Kinder und alle Alten und Kranken forgebracht werden. Der Zug kommt jedoch nicht weit. Bei einem Bombenangriff werden Werner und Achim von der Mutter getrennt. Sie haben nichts als ihre Wintermäntel. Und eine Adresse: Glauchau. (Klappentext)

Rezension:

Es ist das Schicksal hunderter Kinder, was Gudrun Pausewang hier beschreibt, denn nach Kriegsende gab es wohl unzählige kleine Werner und Achims, deren Familien Richtung Westen flüchteten um den “Horden” der Roten Armee zu entkommen.

Viele Kinder verloren auf dem langen und beschwerlichen, gefährlichen Weg ihre Eltern ganz oder teilweise aus den Augen und mussten sich alleine durchschlagen. In der Hoffnung, die Eltern wieder zu finden und einfach nur zu überleben.

Dies gelingt Pausewang einfühlsam zu beschreiben, verständlich selbst für junge Leser, die sich wohl mit dieser Thematik, die nur die Groß- oder Urgroßelter-Generation betrifft, beschreibt und so einen Zugang ebnet für die Geschichten vieler Familien.

Der Schreibstil ermöglicht dabei ein leichtes flüssiges Lesen. Die Figuren sind überwiegend sympathisch, vor allem die Brüder Werner udn Achim eignen sich als Identifikationsfiguren.

Ihr Weg, ihre Abenteuer, ihre Gefühle und ihr Kampf ums Überleben werden gerade für Kinder einfühlsam beschrieben, wenn auch gerade Pausewangs Ausdruck auf jüngste Leser geradezu geeicht und für ältere Leser entweder etwas altmodisch aber zumindest manchmal angestrengt rüberkommt.

Inzwischen gibt es viele veröffentlichte Berichte, teilweise von den Zeitzeugen selbst, über die sog. “Wolfskinder”, die ihre Eltern in den letzten Kriegswirren verloren hatten und sich nun alleine durchschlagen mussten. Oft noch über das Kriegsende hinaus, jahrelang. “

Auf einem langen Weg” ist eine würdige Verarbeitung dieser Thematik und eröffnet für die Kleinsten einen Zugang, so verständlich und einfühlsam, dass diese Geschichte bereits 1984 verfilmt wurde. Das Cover zeigt die beiden Jungschauspieler.

Autorin:

Gudrun Pausewang wurde 1928 in Wichstadtl in Böhmen geboren und floh mit ihrer Familie nach Kriegsende nach Westdeutschland. In Wiesbaden machte sie ihr Abitur und studierte Pädagogik. Danach unterrichtete sie als Grund- und Hauptschullehrerin.

Ab 1965 unterrichtete sie fünf Jahre an der Deutschen Schule in Chile und bereiste wärend dieser Zeit Südamerika. Ende 1963 ging sie nach Deutschland zurück, studierte Germanistik und war wieder als Grundschullehrerin tätig.

Nach einem kurzen Wechsel an einer Deutschen Schule in Kolumbien, kehrte sie entgültig nach Deutschland zurück und schrieb neben ihrer Berufstätigkeit Romane wie “Die Wolke”, wofür sie 1988 den Deutschen Jugendliteraturpreis bekam. 1998 promovierte sie an der Universität in Frankfurt/Main.

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