Überfall

Michelle McNamara: Ich ging durch die Dunkelheit

Ich ging durch die Dunkelheit Book Cover
Ich ging durch die Dunkelheit Autorin: Michelle McNamara Atrium Verlag Zürich Erschienen am: 23.08.2019 Seiten: 416 ISBN: 978-3-85535-060-5 Übersetzerin: Eva Kemper

Inhalt:
In den Jahren 1976 bis 1986 erschütterte eine grausame und bis dato beispiellose Serie von Überfällen und Morden die USA. Der Täter kam immer nachts und erschütterte die Bewohner der Vororte kalifornischer Städte in ihren Grundfesten.

Immer grausamer wurden seine taten, doch trotz intensiver Ermittlungen kamen die Behörden dem “Golden State Killer” nicht auf die Spur. Immer wieder entwischte er unerkannt in die Dunkelheit und ging in die Kriminalgeschichte ein. Dies ist die Geschichte einer Spurensuche, von Opfern, Ermittlern und einer Autorin, die es sich zur Aufgabe machten, einem Phantom auf die Spur zu kommen. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:
Die Jagd nach dem Täter kann besonders bei Altfällen, sog. “Cold Cases”, zur Obsession werden. Bei den Ermittlern, die ungelöste Taten nicht aufklären können und bei den Opfern und Angehörigen, die ewig mit dem verursachten Leid leben müssen. Wenn sie denn leben.

Und so war ein ganzer Landstrich in Kalifornien über Jahre damit beschäftigt, Taten eines Unbekannten zu erdulden, die sich in immer grausamere und erschreckendere Auswüchse steigerten, ohne dass man ihm auf die Spur kam. Die Ermittler blieben gefühlt immer einen Schritt zurück. Der Verursacher kam und verschwand lautlos in die Nacht. Unzählige Überfälle gingen auf sein Konto, zahlreiche Morde. In die Geschichte ging der Täter als “Golden State Killer” ein.

In der deutschen Übersetzung im Atrium Verlag Zürich erschienen, liegt hier Michelle McNamaras Bericht “Ich ging in die Dunkelheit” vor. Gleichsam eine Chronik des Schreckens schildert die Autorin hier detailliert die Taten und die jahrzehntelange vergebliche Spurensuche auf der Jagd nach einem Phantom.

Einmal das Interesse geweckt sammelte die Autorin über Jahre zahlreiche Informationen, nahm Kontakt zu Ermittlern und überlebenden Opfern auf und wurde so zur quasi gleichberechtigten Partnerin für Polizisten und all jenen, die den Täter entlarven und schließlich finden wollten.

Das vorliegende Werk hat die Informationsdichte eines Sachbuches. Tatsächlich stützte sich McNamara auf Polizeiberichten, zahlreichen Ermittlungsakten und Interviews mit ermittelnden Beamten und zahlreichen Zeugen. Ortsbegehungen und eigene Recherchen runden die Quellenlage ab.

Der Bericht ist jedoch zu keiner Zeit trocken oder gar zäh. Es gibt fast keine Längen, die der Leser überwinden muss. Nein, der Sog entfaltet sich gleichsam einer Krimiserie Zeile für Zeile. die Autorin, deren anfängliches Interesse zu einer jahrelang Obsession wurde, schildert auch, wie sehr und warum ausgerechnet sie der Fall so eingenommen hatte, wie sonst kaum einen Außenstehenden.

Positiv ist zu erwähnen, dass es hier nicht darum geht, voyeuristische Bedürfnisse zu befriedigen, sondern nur sehr kleinteilig geschildert wird, wie es sein konnte, dass ein Täter über Jahrzehnte mit seinen Untaten davonkommen und immer wieder von Neuen zuschlagen konnte.

Die Autorin stellt dabei jedoch ihre Emotionen nicht zurückk, sondern schildert in zeitlich gegliederten und kurzweiligen Kapiteln lebendig ein Stück amerikanischer Kriminalgeschichte, die unfassbar, erschreckend und traurig zugleich ist. Der Leser hat dabei zwei Linien, denen er folgen kann, zum einen die geschilderte und gleichzeitig die der Autorin, die bis zuletzt das Ziel hatte, den Täter zu entlarven und den Opfern Gerechtigkeit zukommen zu lassen, wie viele Ermittler auch.

Die Autorin starb im Jahr 2016.

Autorin:
Michelle McNamara wurde 1970 geboren und war eine amerikanische Schriftstellerin. Für Film und Fernsehen schrieb sie drehbücher und schrieb seit 2006 an einem Blog über True Crime. Insbesondere mit dem Fall des “Golden State Killer” beschäftigte sie sich intensiv, begann Material und Spuren zu sammeln, nahm Kontakt zu Opfern und Ermittlern auf. Kurz vor Fertigstellung ihres Buches starb sie, im Jahr 2016.

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Mats Strandberg: Die Überfahrt

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Mats Strandberg Die Überfahrt Fischer Tor Erschienen am: 24.05.2017 Seiten: 507 ISBN: 978-3-596-29599-9 Übersetzerin: Antje Rieck-Blankenburg

Inhalt:

Die Passagiere an Bord der schwedischen Ostseefähre Baltic Charisma wollen vor allem eins: sich amüsieren, und zwar um jeden Preis. Ob sie nach der Liebe ihres Liebens suchen oder vor den Dämonen ihres Alltags fliehen – die Nacht ist lang, und der Alkohol fließt reichlich.

In dem ganzen Trubel bleiben die beiden dunklen Gestalten unbemerkt, die sich übers Autodeck an Bord schleichen: eine Mutter und ihr Kind. Mit ihnen betritt ein uraltes Grauen das Schiff, und es wird zur tödlichen Falle… (Klappentext)

Rezension:

Mitte der 1990er Jahre sank die Fähre Estonia vor der schwedischen Küste und brachte zahlreichen Menschen den Tod in in der eisigen Kälte der Ostsee. Auch heute noch das nationale Trauma eines landes, welches der gemeine Leser mit Bullerbü-Romantik und Ikea-Regalen assoziiert.

Zu Unrecht, denn das flächenmäßig größte aller skandinavischen Länder hat so viel mehr zu bieten. Unter anderem, wenn nordische Krimikunst auf klassischen Horror trifft, einen der grausamsten und erschreckensten Romane, welcher das Grauen in unsere Welt einbringt.

Zum Anfang ist noch alles normal, verhältnismäßig.. Die Unruhe vor der Fahrt, dass Gewusel an Kai und Anlegestelle, dem Boots-Terminal und die Gäste, die ihren Gedanken nachhängen. Vertieft in ihre ganz eigenen Probleme.

Die ewig alleinstehende und einsame Rentnerin, der Junge, der sich wünscht, dass seine Eltern, die sich auseinander gelebt haben, scheiden lassen, der Teenie, die eigentlich nicht mitfahren möchte aber dazu “gezwungen wird” oder die Freundinnen, die einfach Spaß um jeden Preis haben wollen.

Doch, mit ihnen schleicht sich jahrhundertealtes Grauen an Bord, welches die Überfahrt zu einem Kampf auf Leben und Tod machen und sie mit dem schrecklichsten aller Schicksale konfrontieren wird.

Schwedens Zeitung “Dagens Nyheter” bewarb den Krimi mit der Ettiketierung, Mats Strandberg wäre: “Dder schwedische Stephen King.”, doch ist diese Auszeichnung kaum zu halten.

Zwar ist die Geschichte in jeder ihrer einzelnen Seiten empfehlenswert, der Spannungsbogen wird kontinuierlich aufgebaut, doch gelingt der Spagat zwischen dem Großmeister der Horrorliteratur und schwedischen Krimi nur mäßig.

Das ist vollkommen in Ordnung, braucht sich Strandberg dennoch nicht dahinter zu verstecken. Tatsächlich wirkt die Art des Erzählens, die den Leser in größtmöglicher Sicherheit wiegt, um ihn dann ins kalte salzige Ostseewasser zu werfen, auch so.

Die Chraktere allesamt nachvollziehbar machen eine glaubwürdige Entwicklung zum Guten wie zum Bösen, je nach Aufteilung der Handlungsstränge, durch. Die handlungen widerum verdichten sich gegen Ende so, dass durchaus Raum für eine noch nicht geschriebene Fortsetzung besteht. So bleibt es spannend bis zur letzten Zeile.

Der Schreibstil ist nicht hochtrabend und fordernd, reicht aber für vollkommene gute Unterhaltung aus, doch muss man die Erzählstruktur aus abwechselnder Sicht der einzelnen Protagonisten mögen, sowie Blut abkönnen und akzeptieren, dass die wirklichen Vertreter ihres Genres eben nicht mit angezündeten Teelichtern leben, sondern im Blutrausch ihre Opfer in den Abgrund reißen.

Wer allzu zart besaitet ist, für den ist Mats Strandbergs Lektüre nichts, alle anderen erleben ein interessantes Stück modernen Horrors, der die moderne schwedische Literatur noch ein Stück gefahrintensiver werden lässt.

Der schwankende Fährboden ist bedingt durch den Wellengang und das Wetter, kann aber manchmal ganz andere Ursachen haben. Betet, dass ihr dann nicht an Bord seid und dem Grauen dort ausweichen müsst, wo ihr nicht ausweichen könnt. Gute Fahrt.

Autor:

Mats Strandberg wurde 1976 geboren und ist ein schwedischer Schriftsteller und Journalist. Er schreibt regelmäßig für die schwedische Zeitung Aftonbladet und veröffentlichte erstmals 2006 einen Roman.

Seine Engelsfors-Trilogie erschien ab 2011, erst sein Horrorroman “Die Überdfahrt” machte ihn jedoch auf einen Schlag bekannt. Er wurde im Bereich Jugendliteratur für den August Prize nominiert. 2004 wurde er vom schwedischen Zeitungsverband zum Kolumnisten des Jahres gewählt. Er lebt mit seinem Partner in Stockholm.

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Christian Frascella: Sieben kleine Verdächtige

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Sieben kleine Verdächtige Christian Frascella Frankfurter Verlagsanstalt Hardocver Seiten: 319 ISBN: 978-3-627-00198-8

Inhalt:

Sie waren alle etwa zwölf Jahre alt, als sie beschlosssen, die Bank von Roccella, ihrer kleinen Stadt auszurauben. (Klappentext)

Rezension:

Die Welt ist ein Dorf. Zumindest für Italien scheint diese Regelung zu gelten. Vor allem, wenn man Christian Frascella liest. Der schnürt sämtliche Klischees über sein Heimatland in eine Geschichte zusammen und lässt seine Protagonisten allesamt auf ihre Hosenböden fallen.

Dazu kommt dann noch eine Prise Mafia und organisiertes Verbrechen, das Gegen- und Nebeneinander zwischen Arm und reich, Pädophilie und dem Zusammenhalt oder Auseinandertriften italienischer Familienclans. Das ist der Stoff für Abenteuer rund um den Stiefel im Mittelmeer, hier konzentriert auf absurde Weise in einer kleinen italienischen Dorfgemeinschaft.

Dabei ist sie allerdings gut erzählt. Der Leser wird sofort von den sieben Hauptfiguren, die zwölfjährigen Billo, Cecconi, Corda, Gorilla, Raccani, Lonica und Fostelli eingenommen, die zunächst einmal mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben. Da gibt es den todkranken Vater, ebenso wie die verarmte Gewerkschafter-Familie oder auch schlicht das Damoklesschwert der Versetzungsgefährdung in die nächste Klassenstufe.

Aus all den Problemen heraus, kann nur ein Banküberfall und die daraus sich ergebenden Geldsummen für jeden helfen und so planen die vorwitzigen Kids einen kleinen ganz großen Überfall, wie ihn Süditalien lange nicht gesehen hat.

Doch, zunächst muss dafür “Speckbacke” in sich verliebt gemacht werden. Die Tochter des Barbesitzers ist die Schlüsselfigur im Plan der glorreichen Sieben, deren Aktivitäten jedoch noch ganz andere Gestalten auf sich aufmerksam machen.

Sämtliche Kriminelle scheinen plötzlich aus den Erdlöchern aufzutauchen, zu allem Überfluss auch noch der “Mexikaner”, der vor Jahren die illiegalen Geschäfte des Ortes kontrollierte und dessen Ruf immer noch Angst und Schrecken verbreitet.

Jeden der Jungs wird langsam klar, welches Pulverfass sie geöffnet haben. Plötzlich scheint der Plan ungeheuerliche Dimensionen und Folgen anzunehmen. Packend und spannend, sehr fließend liest sich diese Erzählung, deren einnehmende Protagonisten man sogleich lieb gewinnt. Man fühlt mit jedem Einzelnen der Kinder mit. Am Ende jedoch ist dies alles zu dick aufgetragen.

Nicht nur, dass die Aneinanderreihung solch extremer Zufälle und persönlicher Katastrophen so scheint als hätte sich alles Unglück auf ein kleines unbedeutendes italienisches Dorf konzentriert, alleine dass manche Erzählstränge dann nicht in all ihrer Konsequenz weitergeführt werden.

Irgendwie beschleicht das Gefühl, dass man an manchen Stellen dann doch noch mehr hätte erfahren wollen, detailliertere Beschreibungen noch ausführlicher.

Bei so viel Pech haben die Kinder zum Ausgleich aber auch eine ungehörige Portion Glück, welches vielleicht für Junge Leser verhindert, dass die Geschichte allzu sehr ins Negative abdriftet, die Erzählung jedoch etwas unglaubwürdig werden lässt.

Insgesamt aber ein amüsant geschriebenes und vor allem für Kinder und Jugendliche sicher lohnendes Werk, welches sich schnell lesen lässt.

Für nordeuropäische Ohren werden die Namen anfangs etwas ungewohnt klingen und leicht durcheinander gebracht werden aber auch das legt sich mit zunehmender Seitenanzahl. Wer den Weg der sieben kleinen Verdächtigen verfolgt, braucht sich um die Zukunft Italiens keine Sorgen zu machen.

Autor:

Christian Frascella wurde 1973 geboren und ist ein italienischer Schriftsteller. Bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte, arbeitete er ain verschiendenen jobs als Militäringenieur, Fabrikarbeiter und Telefonist.

Sein Debütroman “Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe” erschien 2012 in Deutschland und wurde für den Jugendliteraturpreis nominiert, zuvor war er 2009 in Italien für den Premio Viareggio nominiert, Italiens bedeutensten Literaturpreis. Aktuell hat er sechs Romane veröffentlicht, von denen drei ins Deutsche übersetzt wurden.

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