Italien

Christian Frascella: Sieben kleine Verdächtige

Sieben kleine Verdächtige Book Cover
Sieben kleine Verdächtige Christian Frascella Frankfurter Verlagsanstalt Hardocver Seiten: 319 ISBN: 978-3-627-00198-8

Inhalt:

Sie waren alle etwa zwölf Jahre alt, als sie beschlosssen, die Bank von Roccella, ihrer kleinen Stadt auszurauben. (Klappentext)

Rezension:

Die Welt ist ein Dorf. Zumindest für Italien scheint diese Regelung zu gelten. Vor allem, wenn man Christian Frascella liest. Der schnürt sämtliche Klischees über sein Heimatland in eine Geschichte zusammen und lässt seine Protagonisten allesamt auf ihre Hosenböden fallen.

Dazu kommt dann noch eine Prise Mafia und organisiertes Verbrechen, das Gegen- und Nebeneinander zwischen Arm und reich, Pädophilie und dem Zusammenhalt oder Auseinandertriften italienischer Familienclans. Das ist der Stoff für Abenteuer rund um den Stiefel im Mittelmeer, hier konzentriert auf absurde Weise in einer kleinen italienischen Dorfgemeinschaft.

Dabei ist sie allerdings gut erzählt. Der Leser wird sofort von den sieben Hauptfiguren, die zwölfjährigen Billo, Cecconi, Corda, Gorilla, Raccani, Lonica und Fostelli eingenommen, die zunächst einmal mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben. Da gibt es den todkranken Vater, ebenso wie die verarmte Gewerkschafter-Familie oder auch schlicht das Damoklesschwert der Versetzungsgefährdung in die nächste Klassenstufe.

Aus all den Problemen heraus, kann nur ein Banküberfall und die daraus sich ergebenden Geldsummen für jeden helfen und so planen die vorwitzigen Kids einen kleinen ganz großen Überfall, wie ihn Süditalien lange nicht gesehen hat.

Doch, zunächst muss dafür “Speckbacke” in sich verliebt gemacht werden. Die Tochter des Barbesitzers ist die Schlüsselfigur im Plan der glorreichen Sieben, deren Aktivitäten jedoch noch ganz andere Gestalten auf sich aufmerksam machen.

Sämtliche Kriminelle scheinen plötzlich aus den Erdlöchern aufzutauchen, zu allem Überfluss auch noch der “Mexikaner”, der vor Jahren die illiegalen Geschäfte des Ortes kontrollierte und dessen Ruf immer noch Angst und Schrecken verbreitet.

Jeden der Jungs wird langsam klar, welches Pulverfass sie geöffnet haben. Plötzlich scheint der Plan ungeheuerliche Dimensionen und Folgen anzunehmen. Packend und spannend, sehr fließend liest sich diese Erzählung, deren einnehmende Protagonisten man sogleich lieb gewinnt. Man fühlt mit jedem Einzelnen der Kinder mit. Am Ende jedoch ist dies alles zu dick aufgetragen.

Nicht nur, dass die Aneinanderreihung solch extremer Zufälle und persönlicher Katastrophen so scheint als hätte sich alles Unglück auf ein kleines unbedeutendes italienisches Dorf konzentriert, alleine dass manche Erzählstränge dann nicht in all ihrer Konsequenz weitergeführt werden.

Irgendwie beschleicht das Gefühl, dass man an manchen Stellen dann doch noch mehr hätte erfahren wollen, detailliertere Beschreibungen noch ausführlicher.

Bei so viel Pech haben die Kinder zum Ausgleich aber auch eine ungehörige Portion Glück, welches vielleicht für Junge Leser verhindert, dass die Geschichte allzu sehr ins Negative abdriftet, die Erzählung jedoch etwas unglaubwürdig werden lässt.

Insgesamt aber ein amüsant geschriebenes und vor allem für Kinder und Jugendliche sicher lohnendes Werk, welches sich schnell lesen lässt.

Für nordeuropäische Ohren werden die Namen anfangs etwas ungewohnt klingen und leicht durcheinander gebracht werden aber auch das legt sich mit zunehmender Seitenanzahl. Wer den Weg der sieben kleinen Verdächtigen verfolgt, braucht sich um die Zukunft Italiens keine Sorgen zu machen.

Autor:

Christian Frascella wurde 1973 geboren und ist ein italienischer Schriftsteller. Bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte, arbeitete er ain verschiendenen jobs als Militäringenieur, Fabrikarbeiter und Telefonist.

Sein Debütroman “Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe” erschien 2012 in Deutschland und wurde für den Jugendliteraturpreis nominiert, zuvor war er 2009 in Italien für den Premio Viareggio nominiert, Italiens bedeutensten Literaturpreis. Aktuell hat er sechs Romane veröffentlicht, von denen drei ins Deutsche übersetzt wurden.

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Margaret Mazzantini: Das Meer am Morgen

Das Meer am Morgen Book Cover
Das Meer am Morgen Margaret Mazzantini Dumont Erschienen am: 02.10.2013 Seiten: 128 ISBN: 978-3-8321-6260-3 Übersetzerin: Karin Krieger

Inhalt:

Virtous und in eindringlichen Bildern erzählt Margaret Mazzantini in diesem poetischen Roman das Schicksal zweier Jungen und ihrer Familien. Farid und Vito leben in Ländern, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch so nah beieinander liegen. Was sie auf immer trennt – und verbindet -, ist das weiter blaue Meer dazwischen. (Klappentext)

Rezension:

Ein Roman wie ein Paukenschlag, wachrüttelnd und den Finger in die Wunde legend. Dies ist Margaret Mazzantinis “Das Meer am Morgen”. Erzählt wird die Geschichte, zweier Jungen, der eine in Libyen auf der Flucht vor Bürgerkrieg, Hunger und Elend, der andere in Italien, die Situation der Flüchtlinge registrierend und mit seiner eigenen Zukunft hadernd.

Der 18-jährige Vito findet am Strand eine Halskette, wie sie kleinen Kindern in Libyen zum Schutz vor bösen Geistern umgelegt wird und denkt dabei an das Schicksal derer, die flüchten müssen. Und an die eigene Familiengeschichte, schließlich floh seine Familie selbst einst aus Afrika nach Italien.

Auf der anderen Seite des Meeres spielt sich indes das Drama einer Flucht ab. Ein verrosteter, dann völlig überladener Kahn, soll die Flüchtenden den Wohlstand Europas näher bringen, doch ist mit Beginn der Fahrt schon das grausame Schicksal der Menschen besiegelt.

Erst gehen Trinkwasser und Benzin zur Neige, dann der Lebensmut. Schließlich sterben die ersten. Auch der kleine Farid vermag nicht mehr durchzuhalten.

Ein bedrückender eindrücklicher Roman, der auf wenigen Seiten so emotional wie möglich die Misere der Flüchtlinge näher bringt, die nichts anderes wollen als ein besseres Leben ohne Gefahren und dafür alle Strapazen auf sich nehmen.

Gerade heute, in denen die Scharfmacher a la Pegida die Oberhand gewinnen und Staatschef ihre Augen und Grenzen vor dem Elend der Menschen verschließen.

Margaret Mazzantini zeigt mit “Das Meer am Morgen”, was es heißt, auf der Flucht zu sein, macht die Leiden, die Hoffnungen derer greifbar, die unmittelbar betroffen sind. Ob als Flüchtlinge selbst oder in den Ankunftsländern, die zuerst die Verzweiflung der Menschen zu spüren bekommen.

Die Autorin rüttelt wach. Natürlich gibt es auch Probleme, die durch den Flüchtlinsstrom entstehen, darum geht es hier aber nicht. Es geht um die Betroffenen selbst, die sich nicht anders zu helfen wissen als sich in die Hände von Schleppern zu begeben und diesen ihr Schicksal zu überlassen.

Mit dem Mut der Verzweiflung Unmengen von Geld aufbringen müssen um eine gefährliche Reise anzutreten, die ins Ungewisse führt und auf deren Weg unzählige Menschen sterben. Ein wichtiges Buch, gerade heute.

Der Schreibstil ist einfach gehalten und dennoch anspruchsvoll, so dass der Roman sowohl von Erwachsenen als auch von frühen Jugendlichen gelesen werden kann. Tatsächlich lag der Roman bei den Jugendbüchern aus und dies ist auch richtig so.

Wer, wenn nicht die nächste Generation ist von unseren Entscheidungen, die wir heute treffen, morgen betroffen und in welcher Welt wollen wir morgen überhaupt leben?

Die Antwort hängt alleine von den Entscheidungen ab, die wir heute treffen und vielleicht sollte man mehr Menschlichkeit, gerade in dieser Frage, walten lassen. Margaret Mazzantinis Buch kann als Aufruf dazu verstanden werden, mal über das Schicksal der Betroffenen nachzudenken.

Ein wunderbarer Roman.

Autorin:

Margaret Mazzantini wurde 1961 in Dublin geboren und arbeitete nach der Schule als Theaterschauspielerin und für Film- und Fernsehproduktionen. Eine größere Aufmerksamkeit erlangte sie jedoch mit ihren Romanen, die inzwischen sämtlich ins Deutsche übersetzt wurden. Für Werke wie “Die Zinkwanne” wurde sie mit mehreren italienischen Preisen ausgezeichnet. Mit ihrer Familie lebt sie in Rom.

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