Roman

Fabio Geda: Im Meer schwimmen Krokodile

Im Meer schwimmen Krokodile Book Cover
Im Meer schwimmen Krokodile Fabio Geda btb Verlag Seiten: 190 Taschenbuch ISBN: 978-3-570-40201-6

Inhalt:

Nachdem Enaiat von seiner Mutter aus Afghanistan geschmuggelt wurde, wacht er eines Morgens auf und ist allein. Er hat nichts als seine Erinnerungen und die drei Versprechen, die er ihr gegeben hat. Mit dem Ziel, ein besseres Leben zu finden, begibt Enaiat sich auf eine lange Reise Richtung Westen.

Er durchwandert die Länder des Ostens bis nach Europa, reist auf Lastwagen, arbeitet, schlägt sich durch, lernt das Leben von seiner grausamen Seite kennen.

Und trotzdem entdeckt er, was Glück ist… Fabio Geda erzählt die wahre Geschichte von Enaiatollah Akbari in einem zu Herzen gehenden Buch: Eine Geschichte, die uns den Glauben an das Gute zurückgibt. (Klappentext)

Rezension:

In Zeiten, wo die Flüchtlingsproblematik die Emotionen zum Kochen bringt, in der Diskussionen nicht mehr mit rationalen Argumenten geführt werden und Rechtspopulisten immer mehr Aufwind bekommen, sollten wir uns einmal die Geschichten hinter den Fernsehbildern in Erinnerung rufen.

Flüchtlinge, die wochen-, manchmal monatelang, nicht selten Jahre unterwegs sind, um Krieg, Verfolgung und Terror zu entfliehen. Nicht wenige davon im Kindes- und Jugendalter. Eine dieser Geschichten erzählt Fabio Geda, der den Bericht von Enaiatollah Akbari angenommen hat.

Dieser wurde von seiner Mutter aus dem von Krieg und Terror geplagten Afghanistan kurz vor den Terroranschlägen des 11. September außer Landes geschmuggelt. Von da an, auf sich selbst gestellt, beginnt er die gefährliche Reise nach Europa, trifft Menschen, die ihm aus unterschiedlichsten Gründen helfen und muss immer wieder Rückschläge verkraften.

Doch selbst in Europa ist nicht sicher, ob er bleiben darf oder wieder in seine Heimat, die gar keine ist, zurückkehren muss. Doch, Enaiatollah kämpft, wie er es schon von Kindesbeinen an kennt, für ein besseres Leben und eine sichere Zukunft. Es ist eines dieser Bücher, die es aus der Nische der Kinder- und Jugendliteratur hinein in den Bereich der Erwachsenen-Romane und damit zu größere Beachtung schaffen sollten.

Denn Fabio Gedas Roman liegt tatsächlich eher in der Kinder- und Jugendbuchecke aus, was einerseits gut ist, um Kinder an dieses sehr sensible Thema heranzuführen, andererseits schlecht, da man mehrheitlich das Gefühl haben kann, gerade die Erwachsenen sind es, die Aufklärung bedürfen.

Geda erzählt eindringlich die Geschichte eines der Flüchtlinge, die exemplarisch für alle stehen kann, die dieses Schicksal haben, ohne zu werten. Er lässt Akbari erzählen und so entstand eine wunderbare Geschichte über Hoffnung, Verzweiflung, Mut, Entschlossenheit und Durchhaltewillen gegen alle Widerstände.

Ohne Längen und in flüssigen Schreibstil, hier genügen wenige Seiten um ein eindrucksvolles Stück Geschichte zu beschreiben, ist mit “Im Meer schwimmen Krokodile” ein kleines Juwel entstanden, was es in sich hat und zum Nachdenken anregt.

Zu versuchen, die Vorurteile einmal fallen zu lassen und sich wirklich den einzelnen Schicksalen anzunehmen, die Gründe nachzuvollziehen, warum jemand flüchtet und was das mit einem macht, sowie all jenen Respekt zu zollen, die wirklich helfen. Schließlich muss man nur den Umkehrschluss zumindest gedanklich zulassen, was wäre in einer umgekehrten Situation, wenn unsereins flüchten müsste. Wäre man da nicht auch dankbar für jede Hilfe?

Natürlich ist das Geschäft mit Schlepperbanden, auch von diesen Erfahrungen erzählen Akbari und Geda, zu verurteilen, aber auch dieses hat Ursachen und nicht ohne Grund greifen Menschen auch zu diesem Strohhalm, wenn es andere Hilfe nicht gibt.

Fabio Geda erzählt eine Geschichte voller Hoffnungen und Glück, Bangen und Warten, Mut und Verzweiflung, die man gelesen haben sollte. Wer dies tut, tut es sicherlich mit Gewinn. Hoffen wir, dass der echte Enaiatollah Akbari seinen Weg gehen wird. Der Leser wird darüber zumindest keine Zweifel haben.

Autor:

Fabio Geda wurde 1972 in Turin geboren und studierte nach der Schule Kommunikationswissenschaften. Danach arbeitete er als Lehrer und im sozialen Bereich, schrieb seinen ersten Roman, der 2014 ins Deutsche übersetzt wurde.

Sein zweiter Roman “Im Meer schwimmen Krokodile” verhalf ihm zum internationalen Durchbruch. Die wahre Geschichte des Flüchtlings Enaiatollah Akbari wurde in 18 Ländern publiziert.

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Robert Galbraith: Die Ernte des Bösen

Die Ernte des Bösen Book Cover
Die Ernte des Bösen Comoran Strike – 3 Kriminalroman blanvalet Hardcover Seiten: 670 ISBN: 978-3-7645-0574-5

Inhalt:

Nachdem Robin Ellacott ein mysteriöses Paket in Empfang genommen hat, muss sie zu ihrem Entsetzen feststellen, dass es ein abgetrenntes Frauenbein enthält. Ihr Chef, der private Ermittler Cormoran Strike, ist ebenfalls beunruhigt, jedoch kaum überrschaft.

Gleich vier Menschen aus seiner eigenen Vergangenheit fallen ihm ein, die für die Tat verantwortlich sein könnten – und Strike weiß, dass jeder von ihnen zu skrupelloser, unaussprechlicher Grausamkeit fähig ist.

Während die Polizei sich auf den einen Verdächtigen konzentriert, der für Strike immer weniger als Täter infrage kommt, nehmen er und Robin die Dinge selbst in die Hand und wagen sich vor in die düsteren und verstörenden Welten der drei anderen Männer. Doch als weitere erschreckende Vorfälle London erschüttern, gerät das Ermittlerduo selbst mehr und mehr in Bedrängnis… (Klappentext)

Reihenfolge der Bücher:

Robert Galbraith: Cormoran Strike 1 – Der Ruf des Kuckucks

Robert Galbraith: Cormoran Strike 2 – Der Seidenspinner

Robert Galbraith: Cormoran Strike 3 – Die Ernte des Bösen

Robert Galbraith: Cormoran Strike 4 – Weißer Tod

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Rezension:

Man kann darüber streiten, ob es Absicht war oder nicht, dass man Joanne K. Rowlings Pseudonym kurz nach Erscheinen des ersten bandes entzauberte, feststeht, auch der dritte Band der Cormoran Strike Reihe ist der Autorin würdig.

Sie kann, ohne Abstriche, zwischen den Genres hin und her wechseln und auch diese Geschichte, die Cormoran Strike und Robin Ellacott in die finstere Vergangenheit des Privatdetektivs führt, hat es in sich.

Viel erfährt man über dessen Geschichte und über die Abgründe des Täters, deren Handlungsstränge parallel zueinander erzählt werden, das Beziehungschaos Robins zu ihrem künftigen Mann mal außen vorgelassen.

Drei Handlungen, die sich nach und nach miteinander verweben und schließlich eins werden, im Finale des Bandes. Erst in einem langsamen Tempo, welches erst gegen Ende Fahrt aufnimmt, wird die mühsame Kleinarbeit des Ermittler-Duos geschildert und spiegelt so sehr gut die Realität wieder.

Ermittlungsarbeit ist langwierig und mitunter mit vielen Rückschlägen verbunden. Für mich ganz klar ein Pluspunkt, müssen sich Leser und Strike erst einmal durchbeißen, um mit einem Ergebnis belohnt zu werden. Als Leser darf man nur froh sein, dass es sich dabei nicht um ein abgeschnittenes Bein handelt. Das zu lesen reicht vollkommen.

Ein packender, immer schneller wirkender Schreibstil, der auch dieses Mal dazu beigetragen hat, für mich zumindest, zu einer Steigerung der Geschichte zu führen. tatsächlich ist für mich dieser Band der bisher stärkste innerhalb der Reihe, auf deren Fortsetzung ich nun sehnsüchtig warte.

Schließlich möchte ich noch viel von Joanne K. Rowling, auch wenn sie hier Galbraith heißt, lesen. Einziges Manko, ja, das Cover aber das ist nebensächlich, da man ohnehin im Regal den Buchrücken nur sieht und zweitens die Geschichte ohnehin alles ausgleicht.

Ein schöner, stimmiger und manchmal erschreckend derb-brutaler Krimi aus England. Auf weitere Fälle mit Cormoran Strike.

Autorin:

Joanne K. Rowling wurde durch die Romane um den Zauberlehrling Harry Potter weltberühmt. Unter dem Pseudonym Robert Galbraith schreibt sie Krimis. Zudem arbeitete sie mit, an einem Theaterstück als eine Art Nachfolger der Harry-Potter-Romane und hat beim Drehbuch des in die Kino kommenden Filmes “Newt- Scamander – Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind” mitgewirkt.

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Joseph O’Neill: Niederland

Niederland Book Cover
Niederland Joseph O’Neill Rezensionsexemplar/Roman Rowohlt Taschenbuch Taschenbuch Seiten: 316 ISBN: 978-3-499-25227-3

Handlung:

Inmitten der Hysterie nbach dem 11. Septembver sucht der holländische Bankier Hans van den Broek nach einem neuen Leben in einer erschütterten Stadt. Er ist einsam, lebt verlassen von Frau und Kind unter den exentrischen Gestalten im legendären Chelsea Hotel. Doch dann lernt er Chuck Ramkisson kennen, einen dunkelhäutigen Westinder. Chuck ist einer der wenigen, die den amerikanischen Traum noch ungebrochen träumen und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Mit ihm macht Hans sich auf, ein ihm gänzlich unbekanntes New York zu entdecken und eine außergewöhnliche Freundschaft beginnt. Ein begeisterter und weiser Roman über New York, die Stadt, die eine Welt umfasst. (Klappentext)

Rezension:

Der Klappentext verspricht viel, was der Autor kaum halten kann dennoch liegt mit “Niederland” ein Roman vor, der eine Brücke schlägt. Zwischen zwei Kontinenten, zwischen Menschen und städtischen Ansichten, die verschiedener nicht sein könnten.

Die Handlungsorte London und New York sind beides Schmelztiegel und Sammelpunkt unterschiedlicher Kulturen. Ein Mix von sonderbaren und besonderen Gestalten, der zu faszinieren mag. In dieser Welt bewegt sich Hans mit sicheren Schritt als erfolgreicher Angstellster und Analyst einer Großbank, doch beginnt gerade wärend seines Aufenthalts in New York der amerikanische Traum zu bröckeln.

Zwar schlägt noch nicht die Finanzkrise zu, doch die Großmacht bekommt erste Risse in ihrer Aura aus Unverwundbarkeit. Der Optimismus ist seit den Anschlägen ohnehin weggeblasen. In dieser Zeit trifft Hans auf den charismatischen Chuck, einem Westinder, der unbeirrt an den amerikanischen Traum zu glauben scheint, viel anpacken und umsetzen will.

Cricket hier als Fixpunkt zweier Menschen, deren Sicht auf die Welt anfangs nicht unterschiedlicher sein könnte. Hans beginnt sich immer mehr darauf zu fixieren wärend sein Privatleben ihm entgleited. Nicht ahnend, dass auch diese Traumwelt, wie so vieles in Amerika zerplatzt.

Joseph O’Neill hat mit “Niederland” den Versuch gewagt, einen großartigen Amerika-Roman zu schreiben, was ihm leider gründlich misslungen ist.

Zwar ist der Schreibstil durchaus flüssig, die Handlung nachvollziehbar und die Protagonisten genug skurill für New York, erfolgsverwöhnt für London beschrieben, doch der überwiegende Teil des Werkes wird dominiert von schier endlosen Beschreibungen von Cricket, einer Sportart, die sich mir auch nach der Lektüre nicht erschließen will.

Die Sportart stellt hier einen Dreh-und Angelpunkt, Hauptaugenmerk dar, der leider vieles kaputt macht, insbesondere die Faszination, die die Geschichte um Chuck und Hans durchaus hätte einnehmen können. Denn die ist durchaus spannend, kommt aber leider viel zu kurz.

Ein Roman, der durchaus hätte auf dem Niveau von “Extrem laut und unglaublich nah” landen können. Diese Chance aber hat der Autor vertan.

Autor:

Joseph O’Neill wurde als Sohn eines Iren und einer Türkim im Cork der 1960er Jahre geboren und verbrachte Kindheit und Jugend in den Niederlanden. Nach der Schule studierte er in Cambridge Jura und arbeite als Anwalt in London.

Später ließ er sich als freuer Autor in New York nieder. Der Schriftsteller ist verheiratet und hat drei Söhne. Sein Roman “Niederland” ist sein drittes Werk. Dieses wurde im Jahr 2009 mit dem PEN/Faulkner Award ausgezeichnet.

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Lisa O’Donnell: Die Geheimnisse der Welt

Die Geheimnisse der Welt Book Cover
Die Geheimnisse der Welt Lisa O’Donnell Roman Dumont Hardcover Seiten: 255 ISBN: 978-3-8321-9779-7

Inhalt:

Der elfjährige Michael Murray lebt mit seiner Familie auf einer kleinen schottischen Insel. Jeder kennt hier jeden, und alle glauben, alles über die anderen zu wissen. Doch gibt es auch Geheimnisse – und Michael muss bald herausfinden, wie gefährlich sie sein können. Vor allem, wenn es dabei um die eigene Mutter geht. (Klappentext)

Rezension:

Wer nicht gerade in einer anonymen Großsstadt sondern etwas kleinstädtisch ländlicher lebt, kennt das Gefühl alle zu kennen und selbst von jedem erkannt zu werden. Wie intensiv muss diese Art zu leben auf einer kleinen Insel sein?

Die Murrays, eine durch Arbeitslosigkeit, Tristesse und den jeweiligen Problemen der einzelnen Personen gebeutelte Familie müssen bald die Negativ-Erfahrung eines solchen Daseins machen. Rosemary, Michaels Mutter wird auf dem Weg durch das nahe Wäldchen überfallen und vergewaltigt.

Fortan beschließt die Familie, niemanden etwas zu verraten um Klatsch und Dorf-Tratsch zu entgehen. Und der elfjährige Michael wird plötzlich zum Träger dieses Geheimnisses, welches um so schwerer auf seinen Schultern lastet als es eine weitere Frau beinahe Opfer wird.

Eigentlich wächst Michael behütet auf, trotz aller Probleme, die seine Familie so schon hat aber in den turbulenten Zeiten der Thatcher-Jahre geht es niemanden richtig gut. Jeder ist betroffen. Doch mitder Entdeckung des Geheimnisses seiner Mutter bricht für ihn das ohnehin labile Konstrukt heiler Welt zusammen, welches die Erwachsenen um ihn herum aufgebaut haben.

Der Elfjährige sieht zum ersten Mal, das Erwachsene auch an überdimensionierten Problemen zerbrechen können und es aus manchen Situationen so schnell einen Ausweg nicht gibt. Dazu kommen seine eigenen Freunde, vor denen er plötzlich ein Geheimnis bewahren muss, welches zu groß für ihn ist und jedem, der darum weiß. Und er droht daran, wie seine Mutter zu zerbrechen.

Es ist ein starker Roman, den Lisa O’Donnell hier vorlegt mit nicht unbedingt leichter Kost. Ein Plädoyer dafür, offen zu sein, die Wahrheit zu sagen auch wenn sie schmerzlich ist und für die Liebe und Kraft, die eine Familie schenken kann.

Es ist ein Aufruf, in schwierigen Situationen zusammen zu halten und zu helfen, bei Problemen aufeinander zu zugehen und sich, ja, auch helfen zu lassen.

Ein Roman mit einer traurigen erschreckenden Thematik, die man keinem Menschen wünscht, sie jemals am eigenen Leib zu erfahren aber auch eine Geschichte, in der immer wieder Witz und Humor zum Vorschein kommt. Oder zumindest im Form vom Schmunzeln über bestimmte Eigenheiten der Charaktere der Dorfgemeinschaft.

Nichts ist so stark wie der Zusammenhalt einer Familie und besonders in schweren Zeiten kann es gelingen dadurch Halt zu finden und sich gegen Erdrückendes zu wehren. Lisa O’Donnell kommt dabei nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, offenbart aber Konflikte, denen die Opfer von Vergewaltigungen durch unserer Gesellschaft ausgesetzt sind.

In Form der Protagonisten, besonders Rosemary und Michael, die einem sofort sympathisch sind, zeigt sie, wie schwer es ist mit dem gesellschaftlichen Ansichten umzugehen und das, egal wie man handelt, es keinen richtigen aber viele falsche Wege gibt. Am Ende ist jedoch nur wichtig, dass man zusammenhält und füreinander da ist.

Ein schöner, trauriger, lebensbejahender toller Roman.

Autorin:

Lisa O’Donnell ist Drehbuchautorin und Schriftstellerin und wurde für Ihr Drehbuch “The Wedding Gift” mit dem Orange Screenwriting Prize ausgezeichnet. Ihr Debutroman “Bienensterben” erschien 2013 im DuMont-Verlag. Auch dieses wurde ausgezeichnet. Mit ihrer Familie lebt sie in Schottland. “Die Geheimnisse der Welt” ist ihr zweiter Roman.

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Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 5 – Papierjunge

Papierjunge Book Cover
Papierjunge Kristina Ohlsson Roman Limes Hardcover Seiten: 572 ISBN: 978-3-8090-2640-2

Inhalt:

In der Nacht erwacht er zum Leben, erwählt ein Kind und verschwindet mit seinem Opfer in der Dunkelheit. Der Papierjunge. Eigentlich glaubt niemand an die jüdische Sagengestalt – bis an einem eiskalten Wintertag in Stockholm eine Erzieherin vor den Augen von Schülern und Eltern erschossen wird und wenig später zwei Kinder verschwinden.

Fredrika Bergman und Alex Recht stoßen bei ihren Ermittlungen auf die alte Legende und müssen sich bald fragen, ob der Papierjunge tatsächlich etwas mit den Vorfällen zu tun haben könnte. Ihre Untersuchungen führen Fredrika nach Israel, wo sie mit einem grausamen Verbrechen aus der Vergangenheit konfrontiert wird… (Klappentext)

Reihenfolge der Bücher:

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 1 – Aschenputtel

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 2 – Tausendschön

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 3 – Sterntaler

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 4 – Himmelschlüssel

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 5 – Papierjunge

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 6 – Sündengräber

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Rezension:

Ohne die sonst dem Schweden-Krimi anhängende melnacholische Schwere ist Kristina Ohlsson mit “Papierjunge” ein faszinierend spannender Krimi gelungen, der es in sich hat, zumal der Leser gleich ins kalte Wasser geworfen wird.

Eingeführt in die Legende des “Papierjungen” geschehen ein paar Jahrzehnte, ein Kapitel später, die ersten grausamen Morde an zwei zehnjährige Jungen, die fortan das Ermittlerteam um Alex Recht in Atem halten. Sind sie doch nichts weniger als ein Frontalangriff auf die jüdische Gemeinde in Stockholm, Schweden, einen Land, welches seit über zweihundert Jahren keinen Krieg auf eigenem Boden gesehen hat.

Bald darauf stößt die schwedische Polizei auf eine Mauer aus Legenden, dem Interessensgebieten der Geheimdiensten und verdeckten Operationen und Racheakten, ohne diese durchbrechen zu können.

Die Befragung der Eltern der ermordeten Kinder führ ebenso in Sackgassen, wie die Verfolgung eines Mossad-Agenten, der ganz eigene Pläne hat. Darüber schwebend die Angst, dass der Papierjunge bald wieder zuschlagen könnte. Schließlich tut er es.

Alex Recht und Fredrika bergman stellen sich immer neue Fragen, auf die es keine Antworten, vielmehr noch mehr neue Fragen zu geben scheint, bis sich für die Polizisten aus einer Vernehmung heraus eine heiße Spur ergibt. Doch, der Papierjunge ist schneller. Ein sich flüssig lesender, spannender Krimi, der die Leser mitnimmt in eine Welt der Legenden udn Intrigen, ins winterliche Stockholm und ins warme Israel.

Im Gegensatz dieser zwei Welten, die eine praktisch an hundertprozentige Sicherheit gewöhnt, geschockt durch den Umstand zweier Morde, die andere, in der Tod, Krieg und Terror beinahe alltäglich sind.

Kristina Ohlsson schafft es, diese Gegensätze glaubwürdig zu verweben und die Konflikte von Geheimdiensten und Behörden zwei so unterschiedlicher Länder darzustellen.

Der “Papierjunge” wirft die Leser mit ihren Gefühlen hin und her, wie in der Trommel einer Waschmaschine, so dass die Auflösung vielleicht zu überraschen vermag aber in jedem Falle nachdenklich macht. Wie weit geht ein Mensch, wenn er von Rachegefühlen getrieben wird? Mit welcher Geduld, mit welchen Mitteln? Wo liegen die Grenzen und wann ist die Grenze zwischen politischen und persönlichen Konflikt überschritten? In Israel/Palästina wird sie es jeden Tag.

Ihre Erfahrungen als Angestellte im schwedischen Außen- und Verteidigungsministerium macht sich Ohlsson zu Nutze und verwebt faszinierend Handlungsstränge, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Der Leser wird in die Geschichte eingesogen und muss diese dann selbst entwirren, weiß an einer Stelle mehr als die Ermittler, auf der nächsten Seite dann wieder viel zu wenig.

Ein spannender moderner Krimi, der dem Ruf des Landes, zumindest literarisch eine unglaubliche Vielzahl an Morden und Verbrechen alle Ehre macht.

Autorin:

Kristina Ohlsson wurde 1979 in Kristianstad geboren und arbeitete nach ihrem Studium der Politikwissenschaften im schwedischen Außen- und Verteidigungsministerium als Expertin für EU-Außenpolitik und Nahostfragen.

Bei der nationalen schwedischen Polizeibehörde ebenso und als Terrorismusexpertin bei der OSZE in Wien. 2009 veröffentlichte sie ihren Debütroman “Aschenputtel”, mit dem ihr der Durchbruch als Autorin gelang. Die Reihe um die Polizisten Alex Recht und Fredrika Bergman wurde ein internationaler Erfolg. 2013 schrieb sie ihr erstes Jugendbuch, welches ein Jahr später in Deutschland erschien.

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Jona Oberski: Kinderjahre

Kinderjahre Book Cover
Kinderjahre Jona Oberski Rezensionsexemplar/Roman Diogenes Hardcover Seiten: 149 ISBN: 978-3-257-06962-4

Inhalt:

Die Kinderjahre von vier bis sieben, die am soglosesten sein sollten, erlebte Jona Oberski im Grauen von Bergen-Belsen. Mit seiner einzigartigen, ergreifenden Schilderunmg nimmt er die Perspektive des Kindes ein, das nichts begreift, doch alles Geschehen registriert und einzuordnen versucht. Ein existentielles Buch. (Klappentext).

Rezension:

Jona ist vier Jahre alt und wird eines Tages aus dem Schlaf geschreckt. Laut schreiende Männer sind in der Wohnung und befehlen den Eltern, Sachen zu packen und der Junge begreift in der Hektik nur eines, dass sie auf eine Reise ins Ungewisse gehen werden.

Für Jona eher ein Abenteuer, aber die Angst seiner Eltern, die ihn dennoch immer versuchen abzulenken, färbt auf ihn ab und so beginnt für den Jungen eine Irrfahrt, erst nach Westerbrok, später nach Bergen-Belsen. Dort ist er in aller Deutlichkeit mit der Grausamkeit des Krieges konfrontiert.

Der Hund vom deutschen Wachmann wirkt auf den Kleinen wie der Wolf von Rotkäppchen. Jona versucht dennoch den Schrecken als Alltag wahrzunehmen, hängt sich an seiner Mutter, die er bald als nur noch einzige Bezugsperson haben wird, “spielt” mit den anderen Kindern im Lager und entkommt dennoch nicht dem Schrecken, der sich in Tod und Krankheit zeigt.

Nicht zuletzt für ihn unmittelbar bei seinen Eltern. Das Kind, welches äußerlich noch klein ist, wird im Innersten schnell zum Erwachsenen und begreift mehr als die selbigen für gut und ausreichend halten. Jona lernt in seiner kindlichen Art und Weise zu überleben.

Dies ist die wahre Geschichte des Autoren, der mit “Kinderjahre” die wichtigste und egreifenste Lebenststation in Buchform vorgelegt hat. Und das bereits 1973.

Warum dies so lange gedauert hat, bis es diese wahre Geschichte, die so ergreifend und bedrückend ist, wie die von Anne Frank, nach Deutschland geschafft hat, mag man sich bei der Lektüre fragen und ist dennoch froh, dass sie überhaupt erzählt werden kann. Schluießlich hat es der Autor geschafft, zu überleben.

Umsorgt von seinen Eltern und von gutmeinenden Menschen, schafft er es der Hölle des Lagers zu überstehen, um später in der Nachkriegszeit der Niederlande seinen Weg fortzusetzen.

Die eindrückliche, fast erdrückende Schreibweise nimmt den Leser auf den Weg durch eine Kindheit mit, die eigentlich zur schönsten Zeit des Lebens zählen sollte. Tatsächlich ist diese Geschichte schön, weil man weiß, dass es diese des Autoren ist, er überlebt hat, doch das Szenario um ihn herum ist erschütternd und einfach nur schrecklich.

Eine Art “Das Leben ist schön” auf Niederländisch und aus Kindersicht geschrieben, die doch mehr begreift als die Erwachsenen, die alle selbst kämpfen, wahrhaben wollen. Ein wichtiges, interessantes Buch, welches noch nach dem Lesen beschäftigen wird. Auf, dass kein Kind mehr solch eine Hölle erleben muss.

Autor:

Jona Oberski wurde 1938 in Amsterdam geboren und war als Physiker an einem Forschungsinstitut für Nuklear- und Teilchenphysik tätig. Sein autobiographischer Roman “Kinderjahre” erschien in den Niederlanden erstmals 1978 und erzählt aus der Sicht seiner Kindheit über sein Erleben von Krieg, Deportation und Konzentrationslager. Das Werk wurde später verfilmt, 2016 ins Deutsche übersetzt.

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Henry Winterfeld: Timpetill – Die Stadt ohne Eltern

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern Book Cover
Timpetill – Die Stadt ohne Eltern Roman Heyne Taschenbuch Seiten: 288 ISBN: 978-3-4535-3440-7

Inhalt:

Die beschauliche Kleinstadt Timpetill ist fest in der Hand der Piraten, einer Bande wilder Jungs und Mädchen, die alles durcheinander bringen. Eines Tages allerdings treiben sie es zu bunt.

Als Kater Peter, dem die Piraten einen Wecken an den Schwanz binden, halb Timpetill verwüstet, haben die Erwachsenen entgültig genug: Sie verlassen die Stadt – und ihre nervenaufreibenden Kinder. Die müssen nun selbst schauen, wie sie klarkommen. Es werden die aufregendsten Tage ihres Lebens.

Rezension:

Henry Winterfelds Erstlingswerk muss schon etwas ganz besonderes sein, wenn auf den antiquarischen Markt Preise von 250,00 Euro aufwärts erzielt werden, ohne das zum Verkauf angebotene Exemplar vorher mal in den Händen halten zu können.

Tatsächlich wurde der Roman in den 50er und 60er Jahren der Bundesrepublik noch verlegt, verschwand dann lange Zeit in der Versenkung und erst seit Juli 2013 ist dieses Werk wieder zu einen erschwinglichen Preis zu erwerben.

Gesorgt dafür, hat RandomHouse, genauer gesagt der Heyne-Verlag und natürlich musste ich zugreifen, zumal hier ja schon seit längeren davon geschwärmt wurde. Nun also, konnte ich mir selbst ein Bild machen.

Welches Kind gerät nicht einmal in Situationen, in denen es sich seine Eltern sonst wohin wünscht, ist aber dennoch froh, dass dieser Fall dann doch nicht eintritt, doch genau das passiert den jüngsten Bewohnern des kleinen Städtchens Timpetill.

Allerdings nicht freiwillig. Die Eltern, entnervt von den Streichen der “lieben Kleinen”, ziehen die Konsequenz und fortan sind die Sprösslinge ganz auf sich allein gestellt. Mit allen Konsequenzen. Vermeintlich Positive, wie “keine Schule” oder “keine Aufgaben”, aber eben auch ohne Wasser, Strom und Essen.

Schuld daran sind die Piraten, berüchtigte Kinderbande, die es wieder einmal zu weit getrieben haben und ganz froh darüber sind, nun ohne Eltern leben zu können, während der mutige Thomas und sein Freund Manfred der Erfinder “Geheimrat” das sich anbahnende Chaos kommen sehen und mit aller Kraft die Stellung halten wollen, bis die Eltern wiederkommen.

Zwei Lager, die sich spinnefeind sind und fortan um die Oberhand in Timpetill kämpfen, mal “nur” verbal, aber auch mit harten Bandagen. So entwickelt sich eine spannende Kindergeschichte, aufgelockert durch aufwendige Zeichnungen der beschriebenen Szenen, die sich sehr gut lesen lässt, von Kleinen wie von Großen.

Man fiebert mit den Protagonisten mit, freut und ärgert sich, schüttelt den Kopf um im nächsten Moment der einen, wie auch der anderen Figur insgeheim Recht zu geben und versinkt in diese Welt als würde man selbst zu den Piraten oder den Kindern um Thomas, Manfred und Marianne gehören. Und alleine des Effektes willen, lohnt es sich schon, den Roman zu lesen.

Doch, nicht nur deshalb. Winterfeld schreibt vielschichtig. Über seine Zeit, der aufkommenden Umwälzungen in Deutschland, die genau so mit Chaos und Straßenschlachten begannen und schließlich in die Katastrophe führten und auch die Alltagserlebnisse seines Sohnes Thomas’ bindet er mit ein.

Für den hatte er ursprünglich diese Geschichte entwickelt und ihn hiermit zumindest in seiner Phantasie gleichsam zu einen Helden gemacht. Vielleicht gab es auch im Leben des echten Thomas eine Kinderbande, die ihm das Leben schwer machte? Wer weiß dass schon?

Vielleicht interessierte sich Thomas schon in seiner Kindheit für Technik, wie die Figur des Manfred, im Buch sein bester Freund? Möglich wäre es, Thomas wurde später Ozeanograph. Insofern ist diese Geschichte gleichsam ein mehrfaches Juwel, Eine gelungene Mischung aus Autobiographie und Phantasie, aus real Erlebten, Wünschen und Ängsten.

Nur einen Unterschied gibt es. In der Geschichte gelingt es “Thomas” die Ordnung, die die Kinder durcheinander gebracht hatten, auf friedliche Weise binnen Tagen wieder herzustellen. In Europa tobte der Krieg noch bis Mitte 1945.

In der Neuausgabe existiert zudem noch ein Nachwort von Boris Koch. Unbedingt wirklich erst danach lesen. Es lohnt sich.

Autor:

Henry Winterfeld wurde 1901 in Hamburg geboren als Sohn des Dirigenten und Künstlers Jean Gilbert (eigentlich Max Winterfeld). Giberts Söhne studierten ebenfalls Musik, emigrierten während der Machtübernahme Hitlers in die USA. Henry Winterfeld lebte bis zu seinem Tod als Jugendschriftsteller und Filmautor in Maine, USA, wobei er seine Werke hauptsächlich in deutscher Sprache verfasste.

Im Jahre 1933 erfand Winterfeld für seinen damals zehnjährigen an Scharlach erkrankten Sohn Geschichten mit täglich einer Episode. So entstand sein erstes Buch “Timpetill – Die Stadt ohne Eltern” welches er mit eigenen Scherenschnitten illustrierte. Verlegt wurde es erstmals 1937 unter den Pseudonym Manfred Michael.

Danach musste er aus den bedrohten Frankreich fliehen und zog zu Verwandten in die USA, deren Staatsbürgerschaft er 1946 annahm. 1953 erschien sein zweites Buch “Caius ist ein Dummkopf”. Sein Werk “Timpetill – Die Stadt ohne Eltern” ist Pflichtlektüre an französischen Schulen und wurde 2007 verfilmt.

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Eva Weaver: Jakobs Mantel

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Jakobs Mantel Roman Droemer Knaur Taschenbuch Seiten: 394 ISBN: 978-3-426-30442-6

Inhalt:

New York 2009. Eines Tages, während eines Spaziergangs mit seinem Enkel, glaubt der alte Mika auf einem Plakat den Mantel seines Großvaters Jakob zu sehen. Mit dem Mantel kehrt die Erinnerung an seine Kindheit zurück, an die lange verdrängten Schrecken des Warschauer Ghettos und an seine Rettung. (Klappentext)

Rezension:

Es ist die Geschichte zweier Menschen, die der Krieg zusammenbringt. Der eine, der Willkür des Anderen ausgeliefert, der Andere kann sich der Faszination seines Gegenübers kaum entziehen. Und es ist die Geschichtezweier Familie, deren Schicksale auf unfassbare und grausame Weise miteinander verwoben sind.

Mika, ein anfangs 15-jähriger Junge ist hier die Hauptperson, erbt einen Mantel, dessen Taschen viele Geheimnisse aber vor allem Handpuppen bergen, die er von seinem Großvater bekommen hat. Im Warschauer Ghetto erkämpft er sich damit ein Stück Freiheit, wird gleichzeitig aber gezwungen, seine Stücke vor den deutschen Soldaten zu spielen.

Er spielt um sein Leben und um das Leben anderer als er sich immer mehr den jüdischem Widerstand anschließt und führt damit die Besatzer und vor allem Max an der Nase herum.

Der widerum ist eben einer der Besatzungssoldaten, die der Krieg zu Tätern macht, der Max hin und wieder ein Stück Brot zusteckt, dann plötzlich kalt, grausam und unberechenbar agiert. Als schließlich die Tage des Ghettos gezählt sind, tauschen einige Puppen den Besitzer, doch die Geschichte beider Protagonisten ist noch lange nicht beendet.

Der erste Teil von Eva Weavers Geschichte, erzählt diese aus der Sicht des Jungen Mika, für den der Leser sofort Sympathie entwickelt. In flotten erdrückenden Schreibstil erzählt die Autorin hier zwar eine rein fiktionale Geschichte, die sich aber tatsächlich so abgespielt haben könnte.

Zumindest nimmt man es der Autorin ab, weiß man doch um die Willkür, der die Juden in den besetzten Gebieten ausgeliefert waren und insbesondere in den Ghettos und Konzentrationslagern nicht zuletzt von den Stimmungen der Nazis abhängig waren, die sie zusammentrieben, einpferchten und deportierten.

Klar und flüssig erzählt, taucht der Leser in die grausame Atmosphäre ein, Gott sei Dank mit dem Wissen, dass der Erzähler, zumindest in der Geschichte, überlebt hat, muss aber ansonsten mit der Schwere und den Wirren des Ghetto-Alltags zurechtkommen. Alleine dafür aber lohnt sich der Roman zu lesen.

Zweiter Teil ist die Geschichte von Mikas Gegenüber, des Wehrmachtssoldaten Max Meierhauser, und das hätte es nicht gebraucht, zumal es aufgrund der Überschneidungen einfach zu Doppelungen kommt, die im Lesefluss stören.

Was anfangs zu viel des Guten ist, wird erst gegen Mitte des zweiten Handlungsstranges interessant als es um das Wiedereingliedern in die Nackriegsgesellschaft geht und auf die letzte Konfrontation mit der Geschichte, durch Max’ Enkelin, die auf den zuletzt todkranken Mika trifft. Das wiegt aber die anfängliche Überfrachtung durch die zweite Geschichte kaum auf, schmälert jedoch nicht die erste, die für sich genommen genial ist.

Insgesamt ein anfangs großartiger Roman, der mit zunehmenden Zeilen und Handlungsverlauf jedoch leider viel verliert. Was schade ist. Wäre die Geschichte auf zwei Bücher, dann eben jeweils dünner, aufgeteilt worden, wäre die Wirkung eine ganz andere gewesen.

So aber liest man hintereinander weg und untergräbt damit die Faszination und Genialität des ersten Teils, der einem noch in einem Strudel aus Verzweiflung, Überlebenswillen und Kampf mitreißen mag.Schade eigentlich, denn beide Storys für sich genommen sind ansonsten sehr gut les- und nachvollziehbar. So aneinandergeklatscht wirkt der Roman auf Vielleser über Geschichten dieser Zeit leider einfach nur mittelmäßig.

Autorin:

Eva Weaver, in Deutschland geboren, lebt seit vielen Jahren in England. Sie arbeitet als Trauma- und Kunsttherapeutin und hat sich als Performance-Künstlerin einen Namen gemacht. “Jakobs Mantel” ist ihr erster Roman.

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Ester Verhoef: Gegenlicht

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Gegenlicht Rezensionsexemplar/Roman btb Verlag Taschenbuch Seiten: 606 ISBN: 978-3-442-74744-3

Inhalt:

Als Kind hatte sie es nicht einfach. Die Mutter verbrachte die meiste Zeit in einer psychiatrischen Klinik. Beim Vater herrschte ein strenges Regiment. Und in der Schule gemobbt zu werden war eher die Regel als die Ausnahme.

Noch als Erwachsene leidet Vera unter Selbstzweifeln, obwohl sie seit zwanzig Jahren mit dem erfolgreichen Unternehmer Lucien Reinders verheiratet ist. Ihre Ehe, ihre Arbeit als Fotografin und ihr Haus sind die Säulen, auf die sich ihr Leben stützt.

Als die Beziehung mit Lucien Risse bekommt, verfällt Vera in Panik und flüchtet sich in eine prickelnde Affäre. Und mit einem Mal gerät ihr gesamtes Leben ins Wanken. Langsam aber sicher verliert sie die Kontrolle. (Text Amazon)

Rezension:

Es ist nicht die Art und Weise von Büchern, die ich sonst lese und dahingehend muss ich gestehen, dass ich eben doch öfter als mir lieb ist, ein reiner Cover-Käufer bin. Wenn es nämlich nur nach der Gestaltung gehen würde, hätte ich nie zu dem Buch gegriffen.

So pink-lila gestaltet, ist es nach meinem Empfinden eher an Frauen als Zielgruppe gerichtet. Wenn, ja wenn da nicht die Geschichte selbst wäre und um die geht es ja immer noch hauptsächlich. Denn die hat es in sich. Die Hauptprotagonistin ist hier der Ich-Erzähler, sowohl in Rückblenden ihrer Kindheit als auch im Hier und Jetzt, in beiden Zeiten in zerrüttelten Verhältnissen, die alles sind.

Nur nicht gesund. Und so bestimmen die Erfahrungen mit ihrem Vater und Lucien, ihrem Mann, ihr Leben, in dass sie sich einfügt und dieses Gefühls-Korsett später sich nicht traut zu verlassen.

Doch erkennt sie bald, dass sie sich, um selbst nicht unterzugehen, davon befreien muss. Der Weg dahin ist jedoch schwer und voller Selbstzweifel am eigenen Denken und Handeln. Esther Verhoef hat hier eine Geschichte geschrieben, die nur langsam und anfangs sehr schwerfällig ins Rollen kommt und fast befürchtet man den staubigen Mehltau von Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen.

Doch, mit der zunehmenden Anzahl der Figuren kommt die Geschichte ins Rollen und lässt sich immer flüssiger lesen, man taucht tiefer in die Gedankenwelt der Protagonisten ein, die alle so ihre ganz eigenen Probleme haben.

Da ist Lucien, der seinen Hass auf den Vaterpflegt, der die Familie wegen einer anderen verließ, Vera, die zwar in dieser Beziehung einen festen Anker sieht, ausbrechen will aber nicht kann oder Nico, zu dem sie eine oberflächliche Beziehung pflegt, die sie nicht vertiefen will. Er schon.

Und natürlich Luciens Familie, die anfangs nur erwähnt, später aber zum Haupthandlungsstrang des Buches werden. So setzt Verhoef dem Leser anfangs einzelne Puzzleteile vor, die sich nach und nach zusammensetzen. Das Buch könnte gut die Grundlage für eine Vorabendserie im Öffentlich-Rechtlichen werden.

Insgesamt ist die Geschichte aber durchdacht, logisch und so oder ähnlich kann sich tatsächlich Familienleben abspielen. Da gibt es eben zerbrochene Beziehungen, aufkeimendes Glück, Zweifel und Affären, Krankheit und Tod oder neues Leben. Normalzustand. Nichts anderes beschreibt die Autorin hier und die eine oder andere nachdenkliche Stelle bleibt nicht aus. Auch dies ein Plus.

Ein normaler Roman über eine Vergangenheit, die die Protagonistin einholt und über ganz normales Familienleben eben. Ein ruhiges Buch, was man durchaus lesen kann.

Autorin:

Esther Verhoef wurde 1968 in d’s-Hertogenbosch geboren und ist eine der erfolgreichsten Autorinnen der Niederlande. Dabei ist ihre Bandbreite breit gefächert. Über 50 Sachbücher über Tiere und noch dazu Kriminalromane schrieb sie von 1995 bis 2005.

Unter dem Pseudonym Maruque Maas veröffentlichte sie zudem erotische Romane. Zusammen mit ihrem Mann schrieb sie, ebenfalls unter Pseudonym, Thriller.

Die heute in Frankreich lebende Autorin wurde bereits mehrfach für verschiedene niederländische und belgische Krimi-Preise nominiert., ersteren gewann sie auch. Der Roman “Gegenlicht” war nach seiner Veröffentlichung sofort auf Platz 1 der niederländischen Bestsellerlisten.

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Peter van Gestel: Wintereis

Wintereis Book Cover
Wintereis Roman Gulliver/Beltz & Gelberg Taschenbuch Seiten: 335 ISBN: 978-3-40774163-9

Handlung:

Kurz nach Kriegsende streift der 12-jährige Thomas durch die Straßen Amsterdams. Ein harter Winter hat die Stadt fest im Griff. Die Mutter gestorben, der Vater arm und arbeitslos, wächst Thomas dennoch liebevoll umsorgt auf. In seiner Klasse lernt er den neuen Jungen Piet kennen, mit dem er sich schnell anfreundet. Dessen Familie ist so ganz anders als seine und trägt ein Gehemnis mit sich. Als sich ihm Piet, inzwischen Zwaan genannt, offenbart, festigt das die Freundschaft der beiden noch mehr. Doch, eines Tages trennen sich die Wege der Jungen, die doch nicht ohne den Anderen können.

Rezension:

Es ist ein kleiner unscheinbarer Roman, der da herausgegeben wurde, zumindest wenn man von der deutschen Ausgabe spricht. Das Cover in Rot- und Brauntönen gehalten, darauf ein spazierender Junge und die typisch niederländische Grachten-Ansicht vom Wasser aus. Und so unscheinbar, auch der Klappentext der Übersetzung verrät nicht viel, beginnt auch der Roman. Zwei Jungen, der eine Neuling in der Klasse, freunden sich erst zögerlich, dann immer mehr miteinander an, gleichwohl sie aus unterschiedlichen Verhältnissen stammen.

Und der eine wie der andere ist vom Gegenüber fasziniert. Thomas, hier der witzige, lausbübische Hauptprotagonist mehr von Zwaan als umgekehrt. Letzterer gibt sich geheimnisvoll und vorsichtig, intelligent und zurückhaltend. Als der Junge aber hinter das Geheimnis, nach und nach, seines neuen Klassenkamerades kommt, schweißt das die zwei noch enger zusammen.

Ein wunderbarer Roman über eine recht sonderbare Zeit als die Niederlande, direkt nach der Stunde Null im folgenden Winter im Kältechaos versanken, Hunger, Not und armut allgegenwärtig waren. Ein kleines Zeitportrait und ein Werk über Freundschaft, Vertrauen und Zusammenhalt.

Der Schreib- und Erzählstil, für Kinder und Jugendliche klar und gut lesbar gehalten, ist poetisch gehalten und der zwölfjährige Protagonist als pointierter frecher Erzähler. Ein toller kleiner Roman, der auch von Erwachsenen gelesen werden kann und gelesen werden sollte.

Autor:

Peter van Gestel wurde 1937 in Amsterdam geboren und besuchte zunächst die Schauspielschule, bevor er als Dramaturg und Autor für den niederländischen Rundfunk und das Fernsehen arbeitete.

Ende der 70er Jahre schrieb er Kurzgeschichten, später Romane für Kinder und Jugendliche, von denen einige ins Deutsche übersetzt wurden. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet. Für “Wintereis” erhielt er den Theo-Tijssen-Preis, den Woutertje-Oreis und den Nienke van Hitchum-Preis.

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