Iris Antonia Kogler: Inside Underdog – Backstage-Notizen

Inhalt:

Der Prinz wird nicht kommen, dafür ist es zu spät. Und trotzdem, umgeben von Plastik und Kartonagen pfeift sie ein fröhliches Lied mit, das im Radio läuft zwischen Nachrichten über einen Wahnsinnigen in den USA und den Krieg in Europa. – Die Tauben haben es heute auch nicht mehr leicht.

Iris Antonia Kogler: Inside Underdog

Leicht haben es auch die Menschen nicht, die hinter der Bühne arbeiten, ohne die weder Konzerte noch Messen stattfinden und die oft nicht gesehen werden. In ihren Momentaufnahmen gibt ihnen Iris Antonia Kogler Stimme und Gesicht. (Klappentext)

Rezension:

Im Kulturbereich überleben nur jene, die mit viel Idealismus dabei sind und eine gehörige Portion Glück haben. Die namenlose Ich-Erzählerin gehört nicht dazu. Längst ist der Traum, dem sie noch während ihres Studiums an der Theaterakademie nachhing, zerplatzt. Statt Schauspielerei folgt nun ein prekärer Job nach dem anderen. Die Erzählende ist nun ganz unten, schlägt sich so durch, wird von niemanden gesehen. Der von Iris Antonia Kogler geschriebene Kurzroman „Inside Underdog – Backstage-Notizen“ erzählt von den Menschen, die wir oft nicht sehen, ohne die jedoch weder Messen noch Konzerte oder ähnliche Veranstaltungen stattfinden.

Es war ein Traum, der nach dem Abschluss zerplatzte. Das reale Leben sah ganz anders aus.

Iris Antonia Kogler: Inside Underdog

Für große Themen braucht es nicht immer viele Worte, um deren Wichtigkeit einem vor Augen zu führen. Prekäre, ausbeuterische Arbeitsbedingungen, Befristungen, sowie Arbeit bis an die Belastungs- und Grenze dessen, was gesetzlich erlaubt ist, beschreibt die Autorin mit ihrem unter die Haut gehenden kompakten Text, der episodenhaft alle Ungerechtigkeiten aufzeigt, denen sich die Protagonistin ausgesetzt sieht. Schon nach wenigen Zeilen hat die Figur an Konturen gewonnen. Koglers Worte wirken wie Nadelstiche. Wir alle schließlich genießen Konzerte, Messen und Ausstellungen. Die Hintergrundarbeit nehmen wir oft genug als selbstverständlich an.

Wer hinter all dem steckt, wissen wir nicht, interessiert uns nicht. Das Vergnügen jedoch verlangt seinen Preis und fordert ihn von den Schwächsten in unserer Gesellschaft. Menschen, die ihrerseits vielleicht einmal große Träume hegten.

Diese Novelle öffnet Augen, zeigt auf die zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, verlangt die Diskussion, fordert sie. Laut in ihrer Stille. Wenige Sätze reichen da für einen Sog, der einen Strudel entfacht, den man sich nicht entziehen mag. Nachdenklich wird man zurückgelassen. Antworten gibt es nicht, Lösungen auch nicht. Ein Schritt in die richtige Richtung aber wäre, die Menschen im Hintergrund zu sehen.

Die Dame hat bestimmt nie gejammert in ihrem Leben. Immer sind es die Falschen, die das Maul aufreißen, und immer die Falschen, die die Schnauze halten.

Iris Antonia Kogler: Inside Underdog

Ein Lächeln, ein Blick. Die Autorin weiß um die Bedeutung, vor allem in schweren Zeiten. Der Roman ist ein Text, der Aufmerksamkeit fordert und unbedingt auch bekommen muss. Kogler hat in ihm ihre Erfahrungen verarbeitet, die sie in Jobs gesammelt hat, die man nur annimmt, wenn man keine andere Wahl hat, um nicht auf die unterste Stufe zu landen, sondern wenigstens eine darüber.

Es ist ein starker Text, der hier in einer Reihe unterschiedlichster Werke unabhängiger Verlage veröffentlicht wurde, die als Edition der schönen Bücher ein Zeichen setzen. Schließlich ist auch die Arbeit der Menschen in Independent-Verlagen mehr als oft genug ein Ringen um die Existenz bis zur Belastungsgrenze, um auch da eine Parallele zu Koglers Kurzroman zu ziehen. Auch diese müssen mehr gesehen werden. „Inside Underdog“ steht auch dafür, vor allem aber für jene, denen wir mehr Beachtung schenken müssen. Ohne sie wären Konzerte oder Messen nicht möglich. Wie viel an Mensch ist uns dies wert?

Heute hofft sie, es war ein Übergang, es war nur für kurze Zeit. Nun ja, es wurden dann doch ein paar Jahre. Ein paar echt beschissene Jahre, wenn man Lust auf eine negative Sicht hat. Sie aber sitzt da und fragt sich: Was mache ich nun damit? Man könnte ja alles aufschreiben, einfach so, sonst verschwinden all die Menschen, denen sie begegnet ist, irgendwann. Es wäre schade um sie.

Iris Antonia Kogler: Inside Underdog

Die Autorin weiß zu formulieren, kurze prägnante Sätze bestimmen den Roman, der aus einzelnen Puzzleteilen besteht, die nur zusammen ein Bild ergeben. Ruhig kommt der Text daher, um so größer Aufregung und Empörung, die bei Lesenden ganz sicher entfacht werden. Dabei geht Iris Antonia Kogler sicher noch gnädig mit uns um und mit ihrer Protagonistin. Der allzu große Absturz und Fall wird durch hoffende Untertöne überspielt. Das Lächeln, das Lachen längst nicht mehr, bleibt einem jedoch sehr schnell im Halse stecken. Der Figur selbst gönnt man dann die kleinsten Glücksmomente.

„Inside Underdog“ eröffnet Sichtweisen und Perspektiven, die vorher so nicht im Blickfeld stehen und zeigt nebenbei, dass es nur wenig braucht, um bildliche Vorstellungswelten entstehen zu lassen. Diese Reduzierung hat dem Text gut getan. Man wünscht sich dafür eine große Leserschaft, vor allem auf Entscheidungsebene. Koglers Hommage an die Unsichtbaren in unserer Gesellschaft ist gleichsam empfehlenswert wie wichtig. Zeit, hinzusehen. Zu verändern.

Autorin:

Iris Antonia Kogler ist eine deutsche Schriftstellerin und Schreibcoach. Zunächst begann sie eine Ausbildung zur Theaterdramaturgin und arbeitete mit befristeten Verträgen im Kulturbereich, bevor sie diverse Jobs annahm, um später auch als Schriftstellerin tätig sein zu können. Als Lehrkraft ist sie für Kreatives Schreiben tätig und veröffentlichte selbst im Jahr 2018 eine Kurzgeschichten, dem ein Roman folgte, sowie 2022 „Inside Underdog“ im Mirabilis Verlag. Für ihre Arbeit wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet.

Zehn Verlage, zehn Bücher, eine gemeinsame Reihe: Das ist der Auftakt für die Schöne Bücher Bibliothek. Die Edition der unabhängigen Verlage vereint ausgewählte Titel zeitgenössischer Autorinnen und Autoren. Highlights aus den Independents: mal mit Witz, mal ganz ernst. Mal mit Blick auf große Fragen unserer Zeit, mal auf das Kleine, ganz Private. Und stets absolut lesenswert. Zehn literarische Stimmen, zehn kuratierte Perlen für Buchfans – ob erfrischender Erstling oder preisgekröntes Werk. Vom historischen Roman über Krimi und Mystery bis zu Science-Fiction oder Satire: ein Literatur-Kanon, wie er im Buche steht. Die Schöne Bücher Bibliothek verspricht Lektüre für alle, die gern lesen.

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