Skandinavien

Lone Theils: Hexenjunge

Hexenjunge Book Cover
Hexenjunge Reihe: Nora Sand (3) Rezensionsexemplar/Krimi Rowohlt Taschenbuch Seiten: 302 ISBN: 978-3-499-00002-7

Inhalt:
Auf einem Londoner Friedhof wird die Leiche eines nigerianischen Terrorismusexperten entdeckt, er wurde brutal ermordet. Kurz zuvor hatte der Professor dort ein geheimes Treffen mit Nora Sand, Korrespondentin der dänischen Zeitung Globalt.

Mit seinem Tod fehlt ihre wichtigste Informationsquelle, daher wird Nora auf etwas anderes angesetzt: die spektaktuläre Scheidung eines russischen oligarchen von einem dänischen Reality-Sternchen. Das Paar streitet öffentlich um das Sorgerecht für seinen Sohn. Als er entführt wird, stößt Nora darauf, dass beide Fälle zusammenhängen könnten. Die Suche nach der Wahrheit führt sie in die dunkelsten Winkel der Stadt. (Klappentext)

Rezension:
Schon, wenn man die Buchdeckel aufklappt, kann man bei den meisten skandinavischen Krimis den bleischweren Mehltau der Melancholie förmlich mit den Händen greifen und so habe ich mich, dementsprechend skeptisch, an die Lektüre von “Hexenjunge” gewagt.

Lone Theils konstruiert hier die Parallele zweier verlaufender Handlungen, die zunächst im ruhigen Fahrwasser der geschichte nichts miteinander zu tun haben scheinen, dann jedoch immer enger miteinander verflochten werden, bis es schließlich zum großen Knall kommt.

In der losen Aneinanderreihung begleiten die Leser die Journalistin Nora Sand im Spagat zwischen der schillendern Londoner Welt eines Londoner Oligarchen und seiner Beziehung zu einem dänischen Reality-Sternchen; hier bin ich so frei, die Formulierung aus dem Klappentext einfach zu übernehmen; und nigerianischen Terrorismus’, dessen Wirkung noch Kreise ziehen wird.

Behutsdam verwebt die Autorin beide Bestandteile dieses dritten Bandes um die Hauptprotagonistin, den man übrigens auch losgelöst von der Reihe lesen kann, und schafft damit ein spannendes Szenario, dessen Wirkung man praktisch schon mit den ersten Seiten greifen kann.

Die Handlung wird dabei behutsam aufgebaut, vom Groben ins Kleinteilige, immer aus der Sicht der hauptprotagonistin, deren Bild wie das eines Puzzels immer vollständiger wird, je mehr Teile sie miteinander in Verbindung setzen kann.

Dabei gelingt der Autorin das Kunststück, nicht zu sehr abzuschweifen, oder sich etwa in der Nebenhandlung des Privatlebens von Nora Sand zu verzetteln, so dass der Leser ganz konzentriert der Handlung folgen kann. Geschickt zeigt Lone Theils dabei die gesellschaftlichen Verquickungen auf, die beide Fälle mit sich bringen und schafft so zunächst unterschwellige spannung, die nach und nach immer klarer wird, um dann mit voller Gewalt den Leser in ihrem Bann zu ziehen.

Die Hauptprotagonisten bleibt dabei als einzige scharf gezeichnet. Alle anderen Charaktere werden nur in sofern beschrieben, wie es der Geschichte nützt. Nichts überflüssiges wird hier erzählt, dennoch gibt es genug Wendepunkte und Kontraste, um die Leserschaft in die Irre zu führen.

So nebelig wie das Cover bleibt auch zunächst die Auflösung, gleichwohl amn vom Anfang an spürt, dass Nora Sand im gegensatz zu ihrer Umgebung die richtigen Schlüsse ziehen kann, die dann übrigens nach einer Fortsetzung schreien. Die Reihe wird weitergeführt, vielleicht sogar mit Verknüpfungen zu diesem Band, gleichwohl dieser losgelöst gelesen werden kann.

Die Parallelen zur eigentlichen Arbeit der Autorin, die die Protagonisten aufweist, sind nicht von der Hand zu weisen. Tatsächlich ist auch Lone Theils als Journalistin tätig gewesen und teilt ihr Hobby ebenso mit dieser. Im nächsten Band ist daher durchaus der große “Schlag” zu erwarten.

Autorin:
Lone Theils arbeite jahrelang als London-Korrespondentin für die dänische Zeitung Politiken, sowie für diverse Fernsehsender. In 16 Ländern erschienen bisher ihre Bücher, die u.a. für das Fernsehen adaptiert werden. Zwischen Dänemark und England teilt die Autorin mit ihrer Protagonistin Nora Sand die Leidenschaft für’s Kickboxen.

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Viveca Sten: Mörderisches Ufer

Mörderisches Ufer Book Cover
Mörderisches Ufer Thomas-Andreasson-Reihe (8) Kriminalroman Kiepenheuer & Witsch Taschenbuch Seiten: 454 ISBN: 978-3-462-05190-2

Inhalt:

Jeden Sommer kommen Hunderte Kinder ins Segelcamp nach Lökholmen, der kleinen Insel gegenüber von Sandhamn, und verbringen dort ihre Ferien. Doch nicht alle, die am Camp teilnehmen, können ihre Zeit dort genießen, denn einige Kinder werden gemobbt und leiden unter den Gemeinheiten der anderen. Als eines von inen plötzlich verschwindet, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit… (Klappentext)

Einordnung: Dies ist der achte Band der Thomas-Andreasson-Reihe.

Rezension:

Skandinavische Krimis kennzeichnen sich allzuoft durch Melancholie, die sich wie Mehltau durch die Bücher zieht, schönen Landschaftsbeschreibungen, aber gescheiterten Existenzen, denen man die Ermittlerrolle nur mit großem Wohlwollen abnehmen kann.

Nur hin und wieder sticht ein Fall, eine Geschichte oder gar eine Reihe wohltuend heraus und setzt ein Zeichen gegenüber dem Einerlei dieses sehr eigenen Genres. In diesem Sinne entführt Viveca Sten ihre Leser wieder einmal nach Lökholmen und Sandhamn, jener ländlichen idylle Schwedens, die tief im Inneren ihre Schattenseiten verbirgt. Zumindest, wenn man der feder der Autorin folgt.

Ein Handlungsstrang verfolgt den Weg des kleinen elfjährigen Benjamin, der gegen seinen Willen in ein Segelcamp auf der Schäreninsel verfrachtet wird und dort schnell das Ziel von älteren Jugendlichen wird, die in ihm das ideale Mobbingopfer sehen.

Ein parallel geführter Erzählstrang verfolgt ein, mit diesem Protagonisten lose verbundenen Gerichtsprozess, ein anderer dritter ist der verbindende Klebstoff zwischen den Zeilen.

Dies führt bei manchen Autoren dazu, dass sie sich verlieren und es nicht schaffen, eine vernünftige Lösung zur zusammenführung zu schreiben, doch mit Hilfe eines kontinuierlichen Spannungsaufbaus, der wellenförmig mal die eine Handlung hervorhebt, dann wieder andere Protagonisten fordert, schafft es die Autorin, was nur bei wenig Krimis so überzeugend gelingt.

Dies, in einer vergleichsweise ruhigen und fast unbrutalen schreib- und Erzählweise, die einem dennoch einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt. Nicht umsonst wurde diese Geschichte, wie auch schon mehrere andere der Reihe, bereits für eine Miniserie verfilmt.

Man kann diesen Krimi ohne Kenntnis der Vorgängerbände lesen, sei jedoch gewarnt, wenn man den Trigger Kindesentführung vermeiden möchte. zwar gibt es gewalttätigere Geschichten in diesem Genre, jedoch selten so gut erzählt. Die Perspektivwechsel folgen logisch in kurzweiligen Kapiteln, die jeweils einem Protagonisten folgen, ohne unter den bereits erwähnten Krimi-Mehltau zu ersticken.

Der Handlungsstrang um die Mobber wurde zu Gunsten der Entführung und den entsprechenden Folgen wahrscheinlich vom Lektorat zusammengekürzt, doch liegt es nicht in der Natur der sache, dass man im Alltag einzelne Aspekte verfolgt und andere aus den Augen verliert? In diesem Sinne ist es dennoch ein gut abgerundeter Kriminalroman, der es sich zu lesen lohnt.

Autorin:

Viveca Sten wurde 1959 in Stockhilm, Schweden, geboren und ist eine skandinavische Schriftstellerin und Juristin. Nach der Schule entschied sie sich für ein Jura-Studium und arbeitete als Chefjuristin für die schwedische und dänische Post.

Nachdem sie mehrfach Fachliteratur und entsprechende Aufsätze publiziert hatte, veröffentlichte sie 2008 ihren ersten Kriminalroman, aus dem inzwischen eine mehrbändige Reihe geworden ist. Die Reihe wurde als Miniserie für’s Fernsehen verfilmt. Die Autorin verbringt mit ihrer Familie die Sommer weitestgehend in Sandhamn, Haupthandlungsort ihrer Bücher und lebt mit ihrer Familie bei Stockholm.

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Marcus & Martinus Gunnarsen: Unsere Geschichte

Unsere Geschichte Book Cover
Unsere Geschichte Marcus/Martinus Gunnarsen (u.a.) Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag Erschienen am: 01.11.2018 Seiten: 208 ISBN: 978-3-86265-750-6

Inhalt:

Hei, wir sind Marcus und Martinus Gunnarsen. Wir kommen aus Trofors, Norwegen, und haben eine Mama, einen Papa und zwei Schwestern. Wir gehen zur Schule, spielen Fußball, hören gern Musik, hängen mit Freunden ab und müssen iin der Woche um zehn im Bett sein. Wir sind zwei ganz gewöhnliche Jungs. Aber es gibt bei uns auch einige Dinge, die nicht ganz normal sind. Hier ist unsere bisherige Geschichte. (Klappentext)

Rezension:

In der Jugendecke finden sich in den Buchhandlungen immer öfter Bücher von Youtubern und Möchtegern-Stars, denen ihre Zielgruppe nacheifert und jede Bewegung auf den verschiedenen Social Media Kanälen verfolgt. Gemeinsam steht und fällt man, feiert Erfolge und baut eine Karriere auf, die manchmal aus nur wenig mehr als gutem Aussehen und einem richtigen Riecher für den Erfolg besteht, worin der auch immer liegen mag. Etwas anders gelagert ist die Geschichte dieses Buches.

Natürlich ist klar, dass hier die Hilfe eines Ghostwriters in Anspruch genommen wurde, deren Name man auch mit ein wenig Suche herausbekommt, doch erzählt wird hier die Geschichte zweier Teenager, die als Zwillingsbrüder einmal bei der skandinavischen Variante des Junior Eurovision Song Contests teilnahmen, den Mega Grand Prix jr., und diesen gewannen.

Dank Unterstützung der Eltern, einer gewaltigen Portion Glück und den Kontakten zu den richtigen Leuten stürmten sie bald darauf die norwegischen Charts, erreichten Gold und Platin, füllten mehrmals das Oslo Spektrum (ausverkauft) und eroberten nicht nur ihre Heimat, sondern bald darauf den rest Skandinaviens. Derzeit werden Länder, wie Deutschland und Frankreich, ins Auge gefasst. Zu dieser Strategie passt wunderbar das Buch.

Wir begleiten die Jungs hier auf ihren Weg zur Musik und durch die Stationen ihres bisherigen Weges. Der ist reich bebildert, gefühlt relativ wenig Text, aber das macht nichts. Die Fans freut es sicher. Aus Sicht der Zwillinge, die einfach nur ihren traum verfolgen, dabei unbändiges Glück haben, diesen auch verwirklichen zu können, staunen sie über Meilensteine, reflektieren jedoch auch, wie sehr sich ihr Leben inzwischen von dem ihrer Altersgenossen unterscheidet und wem sie das alles zu verdanken haben. Vor- und Nachteile, nicht vergessen.

Und mehr kann man oder braucht man auch nicht darüber zu sagen. Für Fans ist es ein Nice-to-have neben der Musik und den Konzertauftritten, von denen es inzwischen auch welche in Deutschland gab. Man macht’s einfach den Beispielen aus Amerika nach, ich werde hier Justin Bieber nicht erwähnen (ups), in manchen Teilen sogar noch besser. Bisher hat das funktioniert und so funktioniert auch dieses Buch. Wer nicht Fan ist, wird dieses ohnehin nicht lesen.

Verlinkungen:

Gewinnersong 2012 MGPjr “To draper vann” (Zwei Wassertropfen)

Hei“, Song des allerersten Albums.

Girls“, erster englischsprachiger Song.

Auftritt bei der Nobelpreisverleihung, 2016

Autoren:

Mit Ghostwriter-Hilfe Marcus und Martinus Gunnarsen, die 2002 geboren wurden und zu den Youngstars der skandinavischen Musikszene gehören. Nach der Teilnahme am Mega Grand Prix Junior, den sie 2012 gewannen, schafften sie den Sprung zu Teenie-Stars, stürmten mehrfach die norwegischen, schwedischen und dänischen Charts. Ihre Platten räumten Gold und Silberstatus ab, bekamen Platin.

Sie wurden mit den Spellemann-Preis nominiert, den wichtigsten Preis der norwegischen Musikszene. Inzwischen gehören sie zu den etablierten Künstlern Norwegens, durften bei einer Verleihung des Friedensnobelpreises auftreten und planen als nächstes, in Europa Fuß zu fassen. In Norwegen erschien neben den Buch bereits ein Kinofilm, eine Miniserie. Regelmäßig sind sie zudem Gäste in skandinavischen Fernsehshows und auch als Synchronsprecher waren sie bereits unterwegs.

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Asne Seierstad: Einer von Uns

Einer von Uns Book Cover
Einer von Uns Asne Seierstad Kein & Aber Verlag Erschienen am: 28.04.2016 Seiten: 544 ISBN: 978-3-0369-5740-1

Inhalt:

Wie konnte sich anders Breivik, der im wohlhabenden Westen aufwuchs, zu einem perfiden Terroristen entwickeln? Asne Seierstads ausgezeichnetes Buch ist gleichzeitig psychologische Studie und literarisches True Crime, gleichzeitig Würdigung der opfer und eine messerscharfe Analyse einer Tat, die sich jederzeit und überall wiederholen könnte. (Klappentext)

Rezension:

Wenn es einen europäischen 11. September gibt, so ist es wohl der 22. Juli für Norwegen, der die Gesellschaft des skandinavischen Landes in ihren Grundfesten erschütterte. Die Bevölkerung, sonst für Offenheit und Toleranz bekannt, befand sich in einer Art Schockstarre, als die Bilder eines zerstörten Osloer Regierungsgebäudes über die Fernsehschirme flimmerten, noch mehr, als die Nachrichten Schüsse auf der nicht weit entfernten Insel Utoya vermeldeten.

Die Opfer waren großteils Jugendliche. Insgesamt 77 Menschen starben. Unzählige wurden schwer verletzt und tragen an den Spätfolgen noch heute.

Die Journalistin und Autorin war in ihrer Funktion als Reporterin für eine Zeitung bei den Gerichtsprozess um den Attentäter Breivik anwesend und recherchierte weiter, als dieser längst verurteilt war. Seierstad wälzte Gerichtsakten und psycholigsiche Gutachten, sprach mit Weggefährten und ehemaligen Bekannt- und Freundschaften Breiviks, mit dessen Mutter und studierte die Schriften des Mannes, der die größte Tragödie der jüngeren norwegischen Geschichte ausgelöst hatte.

Sie wollte das Unverständliche zumindest nachvollziehen können und herausfinden, wie in einem wohlsituierten Land jemand zur Bestie werden konnte.

Eingängig geschrieben und in klare Abschnitte geteilt, liest sich das Werk, dessen Untertitel im Deutschen fälschlicherweise an eine Biografie denken lässt, als wäre man bei den Ereignissen dabei. Das ist dann vielleicht auch der drängenste Kritikpunkt. Ob man sich beim Lesen eines solchen Berichtes wie im Film fühlen soll, wage ich zu bezweifeln.

Das ist grenzwertig und diskussionswürdig. Genau so, wie der Untertitel, der im Original sich eben nicht nur auf den Täter selbst bezieht, sondern ausdrücklich die eigentliche Tat zum Thema nimmt. Damit funktioniert das Werk auch.

Die Autorin stellt dem Bösen gegenüber, die Biografien seiner Opfer und zeigt damit zugleich das Grundverständnis skandinavischer Gesellschaften auf, welches die Norweger auch nach den Attentat versucht haben, hochzuhalten. Ein Pluspunkt, vergisst Seierstad doch hier gerade nicht, dass die Leidtragenden zu oft außerhalb des Fokus’ geraten.

Mit einem Vor- und Nachwort rahmt sie ihre Recherchen ein, erklärt ihre Arbeits- und Herangehensweise, was die Verarbeitung widerum erklärt. Asne Seierstad wollte mit ihrem Werk “Rechtsextremismus entblößen, um ihn zu bekämpfen.” Für ihren Ansatz bekam sie dafür den Preis der Leipziger Buchmesse 2018 zur Europäischen Verständigung.

Autorin:

Asne Seierstad wurde 1970 in Oslo geboren und ist eine norwegische Schriftstellerin und Jornalistin. Sie studierte zunächst Russisch, Spanisch und Ideengeschichte, bevor sie für die Zeitung Arbeiderbladet tätig wurde. Von 1993-96 berichtete sie als Auslandskorrespondentin aus Russland, 1997 aus China.

Von 1998 an arbeitere sie als Kriegsreporterin in verschiedenen Konfliktregionen, darunter Serbien, Afghanistan und Tschetschenien. Ihre Berichte wurden im norwegischen und schwedischen Fernsehen gesendet. Ihre Werke wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Für “Einer von uns – Die Geschichte einesMassenmörders” erhielt sie 2018 den Preis der Leipziger Buchmesse zur Europäischen Verständigung.

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Bo Lidegaard: Die Ausnahme

Die Ausnahme Book Cover
Die Ausnahme Bo Lidegaard Blessing Verlag Seiten: 592 Hardcover ISBN: 978-3-89667-510-1 Übersetzerin: Yvonne Badal

Inhalt:

“Die Geschichte der Rettung der dänischen Juden ist nur ein winziger Teil der gewaltigen Geschichte der Shoah. Aber sie erteilt uns eine Lektion. Denn sie erzählt vom Selbsterhaltungstrieb, vom zivilen Ungehorsam und von der Hilfe, die fast ein ganzes Volk leistete, weil es sich empört und zornig gegn die Deportation seiner Landsleute auflehnte.

Somit ist es auch die Geschichte von einer Gesellschaft, die kein Jota von ihrem Rechts- und Unrechtsempfinden wich, und das, während sie der überlegenen Macht deutscher Besatzer unterstand.” (Klappentext)

Rezension:

Eine der tragenden Säulen des NS-Regimes war die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas und um so deutlicher sich abzeichnete, dass der Krieg nicht zu gewinnen war, um so grausamer und energischer wurde dieses Ziel verfolgt.

Und kostete schließlich über 6 Milionen Menschen das Leben. Doch nicht überall gelang dies den Häschern der Nazis, immer wieder gab es auch Menschen, die sich der kalten Ideologie entzogen und ihre ausgestoßenen Mitbürger schützten.

Unter Gefahr für ihr eigenes Leben. Bulgarien und Dänemark gelang es sogar fast die komplette jüdische Bevölkerung ihres Landes zu schützen, Ausnahme in Zeiten des Terrors.

Vom Sonderweg Dänemarks, dass winzig klein unter einem übermächtigen Gegner litt und ihn trotzdem Grenzen aufzeigte, berichtet Bo Lidegaard kenntnis- und detailreich anhand von Tagebuchaufzeichnungen und Archivfunden.

Er stellt dar, wie es einem ganzen Land im Konsens gelang, und unter dem Auge der deutschen Besatzer, über 6000 Menschen in Sicherheit zu bringen. Praktisch über Nacht. Und wie das Rechtsbewusstsein und die Menschlichkeit einer Nation über Unmenschlichkeit und Grausamkeit triumphierte.

Der Sonderweg Dänemarks ist nur ein kleines aber bedeutendes Kapitel in der europäischen, vor allem aber in der dänischen Geschichte, welcher erst seit einigen Jahren beachtet und erforscht wird. Noch liegt vieles im Dunkeln.

Was waren die tatsächlichen Beweggründe der deutschen Besatzer wegzusehen als ein ganzes Land vor ihren Augen die jüdische Bevölkerung schützte? Warum funktionierte hier der NS-Terror nicht, der nur ein paar Landesgrenzen weiter etwa die Niederlande oder noch schlimer Polen in Griff hielt?

Weshalb hielten König, Politiker, Staatssekretäre, Beamte und nicht zuletzt ein Volk zusammen und rangen den Deutschen imer wieder Konzensionen gegenüber “ihren” Juden ab?

Wieso lenkten selbst Männer wie Himmler und Eichmmann ein, der nach seiner Festnahme durch den israelischen Geheimdienst in Argentinien aussagte, dass Dänemark ihm die größten Probleme bereitet habe?

Diese Fragen stellt sich Bo Lidegaard und analysiert scharfsinnig die Gründe anzhand von Augenzeugenberichten und Tagebuchaufzeichnungen Betroffener.

Er zeigt dabei auf, dass ein Land keineswegs machtlos war gegenüber den übermächtigen Gegner NS-Deutschland und dass es durchaus gelingen konnte, unter der Besatzung zu leben ohne sich selbst zu verraten.

Gelungen ist dies aus einer Vielzahl von Gründen die freilich nur auf Dänemark zutrafen und auf keines der anderen besetzten Länder hätten Anwendung finden können. Gerade deshalb ist es jedoch wichtig daran zu erinnern. An den Funken Menschlichkeit, Glück und Hilfsbereitschaft einer ganzen Nation in einer dunklen Zeit.

Autor:

Bo Lidegaard wurde 1953 in Nuuk, Grönland geboren und studierte nach dem Abitur Geschichte. Nach seinem Abschluss des Studiums trat er in den Auswärtigen Dienst Dänemarks ein und übernahm zunächst die Leitung einer sektion des Außenministeriums.

Von 1987 bis 1990 arbeitete er bei der Ständigen Vertretung der Vereinten Nationen in Genf als Sekretär und wurde nach seiner Rückkehr nach Dänemark Forschungswissenschaftler der Dänischen Königlichen Bibliothek in Kopenhagen.

Danach arbeitete er im außenpolitischen Ausschuss des Folketing und als Botschaftsrat in der Dänischen Botschaft in Paris. Nach verschiedenen weiteren außenpolitischen Stationen übernahm er 2011 die Chefredaktion der dänischen Zeitung Politiken.

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Selma Lagerlöf: Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden

Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden Book Cover
Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden Selma Lagerlöf Verlag: Die andere Bibliothek Hardcover Seiten: 704 ISBN: 978-3-8477-1359-3 Übersetzer: Thomas Steinfeld

Handlung:

Endlich kann Nils Holgersson reisen, wie es sich Selma Lagerlöf gewünscht hat: der Welterfolg der Literaturnobelpreisträgerin liegt nun neu und erstmals vollständig in einer Übertragung von Thomas Steinfeld vor, die das wunderbare Schwedisch einer vergangenen Epoche bewahrt.

Bereichert ist diese Ausgabe mit den Zeichnungen von Bertil Lybeck aus dem Jahr 1962. (Klappentext)

Rezension:

Die Handlung dieses Werkes dürfte bekannt sein. Ein Junge, cholerisch, Streiche spielend, nur Unsinn im Kopf, ein Tierquäler und Faulpelz wird zur Strafe für seine Untaten auf Wichtelgröße geschrumpft und reist fortan mit der zahmen Hausgans Marten und einer Schar Wildgänse durch das weite Schweden.

Und lernt in Konfrontation mit neuen Feinden wie dem bösartigen Fuchs Smirre, einer Schar Krähen oder einer Horde Ratten, wie es ist, sich richtig zu verhalten, überlegt zu handeln und sich gut und achtsam anderen gegenüber zu verhandeln.

Eine Charakterwandlung die am Ende als Belohnung mit dem Wiedererlangen der normalen Körpergröße und der freudigen Zusammenkunft mit seinen Eltern belohnt wird.

Doch, wer bisher Übersetzungen aus dem Schwedischen in den Händen gehalten hat, hat nicht die gesamte Reise Nils Holgerssons mitbekommen, denn den meisten Übersetzungen lagen selbst gekürzte Ausgaben des Originals zu Grudne, von denen Selma Lagerlöf auch einige verfasste.

Ursprünglich war ihr Auftrag, ein Schulbuch zu schreiben, was umfassend über die geographischen Gegebenheiten des Landes informieren sollte. Zudem sollte es unterhaltsam sein und eine Sagensammlung aller Landesteile und wurde dabei schlicht zu umfangreich.

Also kürzte die Autorin selbst, schrieb eine neue Fassung für den Unterricht und auch heute noch wird an den schwedischen Vorlagen herumgeschraubt. Da werden Sätze, ganze Seiten zusammengestrichen, Handlungen und Landschaftsbeschreibungen gekürzt, teilweise gar etwas dazu geschrieben, was so niemals im Original drinnen stand.

So ist es auch nicht verwudnerlich, dass es zumindest eine deutsche Fassung früheren Datums gibt, die von sich behauptet, vollständig zu sein. Selbst da fehlt einiges. Nämlich an die 15 % des ursprünglichen Textes, wie im Nachwort zu lesen ist.

Und so liegt nun, mit der Übersetzung von Thomas Steinfeld, erstmals eine wirklich vollständige Ausgabe im deutschen Sprachraum vor, die dafür für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 nominiert war.

Der Übersetzer gibt vor, sich so nah wie nur irgend möglich am schwedischen Original von 1906 gehalten zu haben. Illustiriert ist das Werk mit den Zeichnungen von Bertil Lybeck, die dem schwedischen Druck von 1962 entnommen und dort inzwischen ebenfalls Allgemeingut geworden sind.

Im Nachwort meldet sich der Übersetzer selbst zu Wort, berichtet von der Entstehung des Originals und der Geschichte aller bisherigen Übersetzungen, die sich fast genau so spannend liest wie Nils Holgerssons Reise selbst.

Wer eine wunderschöne und vollständige, illustrierte und informative, unterhaltende und literarisch wertvolle Ausgabe dieser schwedischen Geschichte im Regal stehen haben oder, noch besser, lesen möchte, sollte sich diese Ausgabe unbedingt zulegen.

Autorin:

Selma Lagerlöf wurde 1858 auf Gut Marbacka, im heutigen Sunne, Värmland in Schweden geboren und starb 1940 am selben Ort. Die schwedische Schriftstellerin war zunächst Lehrerin an einer Mädchenschule und schlug damit einen für Frauen damalig ungewöhnliche fast akademischen Weg ein.

1909 erhielt sie als erste Frau den Nobelpreis für Literatur und wurde 1914 in die Schwedische Akademie aufgenommen. 1906 schrieb sie “Nils Hogerssons wunderbare Reise durch Schweden”, ihr Debut gab sie mit “Gösta Berling”, welches in Schweden 1891 erschien.

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