Inhalt:
Der neunjährige Milo leidet unter Retinitis Pigmentosa: Sein sehvermögen lässt immer stärker nach, irgendwann wird er vollständig erblinden. Noch aber sieht er die Welt – wenn auch nur wie durch ein Nadelöhr. Doch so bemerkt er Kleinigkeiten, die anderen entgehen.
Als seine 92-jährige Urgroßmutter dement wird und in ein Altenheim umziehen muss, fallen Milo dort seltsame Vorgänge auf. Die Erwachsenen interessieren sich für Milos Erkenntnisse nicht, und so bleiben ihm nur der Koch Tripi und sein Ferkel Hamlet, um ihm bei seiner Mission zu helfen.
Milo ist nämlich entschlossen, seine „Gran“ wieder nach Hause zu holen, die Machenschaften der Heimleiterin offenzulegen und -vielleicht- seine Eltern zu versöhnen. (Klappentext)
Rezension:
Besondere Schicksale fördern besondere Begabungen und Geschichten. So auch die Krankheit Retinitis Pigmentosa. Weitgehend unbekannt, da selten, handelt es sich um eine Netzhautdegeneration, bei der die Photorezeptoren absterben.
Meist im Kindesalter mit den ersten Symptomen auftretend wird das Augenlicht immer weniger, bis der Betroffene schließlich vollständig erblindet. Selten genug ist dies, so dass man hieraus eine spannende Geschichte hätte schreiben können. Virginia Macgregor legt hier uns jedoch „Der Junge, der mit dem Herzen sah“, vor.
Der im deutschsprachigen Raum, im Manhattan-Verlag, erschienene Roman, ist so weichgespült, wie das bonbonblaue Cover vermuten lässt, gleichwohl man aus der Gestaltung heraus ja nie Schlüsse über die Geschichte ziehen sollte.
Tatsächlich ein schöner Schreibstil, der Hauptprotagonist einfach nur niedlich, ist die Handlung jedoch so vorhersehbar, dass es kaum Spaß macht, diese zu verfolgen. Die Protagonisten, im ersten Drittel sehr nervtötend, sind entweder zu kindisch oder im Falle des neunjährigen Milos, zu erwachsen handelnd.
Man darf zwar annehmen, dass Kinder in manchen Situationen schneller lernen müssen, wie Erwachsene zu funktionieren und bestimmte Abläufe einfach abspulen können, aber bitte nicht so, in diesem Übermaß.
Dekoriert mit einer Schicht Zucker erzählt die Autorin ein Krankheitsdrama, über die Auswirkungen falscher Berufswahl, den Pflegenotstand, Flüchtlingsdrama, Scheidungs- und Armutsgeschichte, und das ist einfach zu viel des Guten.
Als wollte man den Leser unbedingt darauf stoßen, unbeding die eine oder andere Träne zu vergießen. Das funktioniert so nicht. Die Handlungsstränge, einzeln für sich, hätten allesamt Stoff für eine gute Erzählung gegeben, in dieser Form jedoch passt das nicht zusammen.
Vor allem nicht, wenn man die Verantwortung auf die Schultern eines Kindes ablädt, der sowie so schon gestraft genug ist.
Die kurzgehaltenen Kapitel und der Schreibstil sind angenehm zu lesen, die Erzählstränge irgendwie logisch, kommen aber in dieser Form und Bündelung kaum beim Leser ein. Insgesamt zu viel des Guten.
Zwei drei Handlungsstränge weniger und hundert Seiten mehr, hätten diesen Roman zu etwas ganz Besonderen machen können, wie das Krankheitsbild etwas Besonderes ist.
So aber bleibt eine Geschichte, die an der Oberfläche bleibt und mit Ausnahme der Liebe eines Kindes zu seinen Mitmenschen, nicht tiefschürfender wird.
Autorin:
Virginia Macgregor ist in England, Deutschland und Frankreich aufgewachsen, studierte nach der Schule in Oxford. Neben ihren Beruf als Englisch-Dozentin und Hauslehrerin begann sie regelmäßig zu schreiben.
„Der Junge, der mit dem Herzen sah“, ist ihr erstes Buch. Inzwischen sind weitere Romane erschienen, die in verschiedenen Sprachen übersetzt wurden. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Berkshire.