Inhalt:
28. Juni 1940: Deutsche Bomben treffen die Häfen von St. Helier auf Jersey und St. Peter Port auf Guernsey. Damit fällt britischer Boden den Deutschen in die Hände und verbleibt dort bis zur Befreiung im Mai 1945. In seinem Buch schildert der gelernte Historiker John Nettles die bewegte Zeit der Besetzung auf den Ärmelkanalinseln. Eine Zeit, fernab jeder Bilderbuchidylle, geprägt von Kollaboration und Widerstand, Deportation der Juden und dem massiven Einsatz von Zwangsarbeit. Und nicht zuletzt vom Verrat der britischen Regierung an ihren Inselbewohnern. (Klappentext)
Rezension:
Noch immer liegen einige Kapitel des schmerzlichsten aller Kriege im Dunkeln und sind hierzulande kaum bekannt. Dazu gehört die Besetzung britischen Territoriums durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Zwar misslang die Luftschlacht um England und wurde für Görings Luftwaffe zu einem Fiasko aber die Eroberung der Kanalinseln war ein nicht gerade geringer Propaganda-Erfolg.
Und für die Bevölkerung von Guernsey, Sark, Alderney und Jersey der Beginn einer Zeit der Ungwissheit, des Hungerns und des Leids, welches dennoch geringer ausfiel als anderswo in Europa. Genau dies brachte die britischen Ermittler des Geheimdienstes auf den Plan, die nach dem Krieg die Folgen untersuchten. Warum war die Bevölkerung der Inseln vergleichsweise „gut“ weggekommen? Warum hatte sie kooperiert und fast „zu wenig“ Widerstand geleistet? Wie stark war die Bindung an den Feind gewesen und wie stark war die Bindung an das britische Mutterland zu der Zeit oder auch danch überhaupt noch?
Dabei hatten Chamberlain, Churchill und das britische Militär dies selbst zu verantworten. John Nettles zeigt beeindruckend auf, wie die Briten ihre Bürger auf den Kanalinseln im Stich ließen und wie diese sich selbstüberlassen mit der neuen Situation arrangieren mussten. Er zeigt das Dilema der Verantwortlichen auf und die unglückselige Situation der einheimischen, die sich weder verstecken noch fliehen konnte. Er zeigt, warum die Bevölkerung, im Gegensatz zur Resistance-Bewegung keinen nennenswerten Widerstand zustande brachte und wie die Kollaboration mit dem Feind unzählige Leben rettete.
Dem Autor, Historiker und späteren Schauspieler ist ein eindrucksvolles Portrait einer sonderbaren Situation gelungen. Sehr gut recherchiert, mit einer ausführlichen Quellenlage und direkten Kontakt zu den Einheimischen. Er zeigt auf, dass die Situation auf den Kanalinseln für Besetzte und Besatzer eine besondere sein musste, dass die Inselregierungen nicht schwarz oder weiss handeln oder denken konnten, sondern in einer Grauzone agieren mussten, um ein schlimmeres Regime a la der Besetzung in den Niederlanden oder der Tschechei zuvor zu kommen und die eigenen Leute zu schützen. Wer mit dem bissigen Hund auf engen Raum zusammen gefercht iost, vermeidet besser, ihn zu reizen.
Ausführlich beleuchtet Nettles die Situation auf den einzelnen Inseln, die obwohl nur wenige Kilometer von einander entfernt, teils sehr unterschiedlich war. Er beschreibt das Handeln einzelner und das Leben auf den Inseln, geht auf die Verantwortlichen beider seiten ein.
Er berichtet von britischen Kommando-Unternehmen, die zum Fiasko gerieten, von Feigheit und Verrat der Menschen untereinander und der großen Politik (London). Der Autor zeigt, warum überwiegend die Deutschen zwar als Übel aber zumindest am Anfang noch nicht als Feind angesehen wurden und warum die Deutschen sich gegenüber den Briten, die so gar nicht britisch waren, milde verhielten.
Die Geschichte der Kanalinseln ist zumindest in diesem Punkt eine Geschichte des Leids und zudem ein schmutziger Punkt auf der politischen Weste Londons. großartig erzählt, detail- und kenntnisreich, eindrucksvoll beschrieben. Nettles legt hier eine interessante vielschichtige historische Studie vor. Nötig, weil zu unbekannt zwischen den großen anderen schrecklichen Ereignissen im Zweiten Weltkrieg. Mit „Hitlers Inselwahn“ wird Nettles diesem, vor allem für Groß-Britanniens Geschichte, Kapitel gerecht.
Autor:
John Nettles wurde 1943 in Manchester geboren und verbrachte seine Kindheit in St. Austell/Cornwall. In den 1960er Jahren studierte er Geschichte und Philosophie, bevor er sich der Schauspielerei zuwandte. 1976-1980 und 1992-1996 war er Ensemblemitglied der Royal Shakespeare Company.
Internationale Bekanntheit erlangte er in den 1980er Jahren mit der Rolle des Jim Bergerac in der gleichnamigen britischen TV-Serie. Diese wurde von 1981-1991 auf den Kanalinseln gedreht. Dem deutschen Publikum ist er insbesondere durch seine Rolle als Inspector Barnaby bekannt, die er von 1997-2011 spielte.