Rezension

Andrej Djakow: Dunkelheit – Die St.-Petersburg-Trilogie

Dunkelheit - Die St.-Petersburg-Trilogie Book Cover
Dunkelheit – Die St.-Petersburg-Trilogie Andrej Djakow Science Fiction Heyne Taschenbuch Seiten: 1135 ISBN: 978-3-453-31760-4

Inhalt:

Wir schreiben das Jahr 2033. Ein Atomkrieg hat weite Teile der Welt verwüstet. Nur in den gigantischen U-Bahn-Netzen der Städte konnten die Menschen überleben. So wie der zwölfjährige Waisenjunge Gleb, der sein Dasein im Untergrund der St. Petersburger Metro fristet. Eines Tages wird er jedoch mit einer Gruppe von Gefährten auf eine gefährliche Expedition geschickt, die sie an die verstrahlte Oberfläche führt. Für Gleb beginnt das größte Abenteuer seines Lebens… (Klappentext)

Einordnung:

Die Rezension bezieht sich auf die Gesamtausgabe der Trilogie von Andrej Djakow, die im Taschenbuch-Format bei Heyne erhältlich ist. Die Teile (Die Reise ins Licht; Die Reise in die Dunkelheit; Hinter dem Horizont) kann man auch einzeln erwerben, sollten jedoch unbedingt in der Reihenfolge gelesen werden.

Bei den einzelnen Bänden ist jeweils eine Karte des Metro-Systems von St. Petersburg zu finden, die bei der Gesamtausgabe fehlt, jedoch zur Orientierung der Handlungsorte nützlich sein kann. Die Geschichte spielt im Metro 2033/2034-Universum von Dmitry Glukhovsky, welches man widerum nicht gelesen haben muss, um der Handlung folgen zu können.

Rezension:

Die Welt ist nach einem verheerenden Atomkrieg eine andere als wir sie kennen. Auf der Oberfläche bevölkern Mutanten des Ökosystems die einst dem Menschen untertan gemachte Erde und Homo Sapiens lebt zurückgedrängt im löchrigen Schutz der bröselnden U-Bahn-Systeme längst vergangener Städte. So auch Gleb, der als Waisenjunge sein Dasein in einer Metrostation Sankt Petersburgs fristet. Ohne Eltern aufwachsend, die bei einem Krieg zwischen mehreren Metro-Stationen umgekommen sind, begeht er seinen trostlosen Alltag als ein Stalker von einer seiner Expeditionen zurückkehrt.

Dieser und andere moderne Abenteurer halten die Metro am leben, beschaffen wichtige Dinge wie Medikamente oder sonstige Materialien von der verstrahlten Oberfläche, an denen es unter der Erde mangelt. Gleb bewundert diese Männer in ihren Schutzanzügen und wird promt von Taran, einer dieser Stalker, ausgewählt, in künftig zu begleiten.

Und Gleb nutzt diese Chance, der Trostlosigkeit zu entfliehen. Für den Zwölfjährigen erweißt sich jedoch bald das große Abenteuer als schmaler Grad zwischen Leben und Tod.

Andrej Djakow schafft mit seiner Trilogie, was dem Erfinder des Science-Fiction-Szenarios Glukhovsky nicht gelungen ist. Die Qualität der Geschichte über drei Bände lang zu halten, dabei kein Wort zu viel oder zu wenig zu schreiben und überdies, die Figuren ans Herz qwachsen zu lassen.

Der zwölfjährige Hauptprotagonist ist mit seiner anfangs kindlichen, später erwachsen wirkender Sichtweise, ein positiver Sympathieträger mit charakterlich vielen Facetten. Genau so wie Taran, der kantig unnahbar erscheint, dennoch über einen guten Kern verfügt. Der Autor lässt die Charaktere sich entfalten, Fehler begehen, Abenteuer bestehen und Verluste erleiden, und sie daran wachsen. Ein großes Plus, dass selbst aus der schlimmsten Katastrophe Hoffnung erwachsen kann.

Mit viel Einfallsreichtum gelingt es Djakow positive und ruhige Momente mit schnellen und spannungsgeladenen Situationen zu wechseln, so dass die Seitenzahl gut zu bewältigen ist. Schließlich kann man die drei Romane auch einzeln und nicht nur hintereinander weg lesen, sollte dies aber der Reihenfolge nach tun.

Nachdem ich von „Metro 2034“ von Dmitry Glukhovsky enttäuscht war, bin ich froh, in der selben Richtung doch noch mal einen neuen Versuch gewagt zu haben. Mit einem Autor, der offenbar aus den Fehlern seines Vorgängers gelernt hat.

Dies tut dem spannenden und zum Nachdenken anregenden Szenario gut, welches sich all die jenigen antun sollten, denen Konflikt und Machtstreben in der Welt noch nicht genug sind. Der Mensch hat das Potential sich auszulöschen und es ist nicht sicher, ob die darauffolgende Natur das Häuflein Überlebende positiv und einladend in die neue Welt mit aufnimmt.

Sorgen wir dafür, dass es gar nicht so weit kommt und wir dieses Gedankenspiel wirklich nur Gedanken sein lassen können, die im flüssigen Schreibstil Glukhovskys davon zeugen, dass wir es in der Hand haben, wie sich unsere Zukunft gestaltet.

Autor:

Andrej Gennadjewitsch Djakow wurde 1978 geboren und ist ein russischer Schriftsteller. er lebt in St. Petersburg und arbeitet als Auditor für Qualitätsmanagement. Für die Buchserie des Metro-2033-Universiums schrieb er eine großteils ins Sankt Petersburg spielende trilogie und zählt zu den beliebtesten Autoren des Science-Fiction-Szenarios.

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Heinz Strunk: Junge rettet Freund aus Teich

Junge rettet Freund aus Teich Book Cover
Junge rettet Freund aus Teich Heinz Strunk Rowohlt Taschenbuch Erschienen am: 01.09.2014 Seiten: 283 ISBN: 978-3-499-26668-3

Inhalt:

Mathias ist sechs Jahre alt.

Bald wird er in die Schule gehen. Er wohnt in der Siedlung, bei Mutter, Oma und Opa, die er alle sehr liebt. Weihnachten ist schon ganz nah; es schneit, und Schnee ist fast noch gemütlicher als Regen. Nur hört man leider nichts, wenn es schneit, da ist dann wieder Regen besser.

Mathias ist zehn Jahre alt.

Die großen Ferien wird er bei Oma Emmi auf dem Land verbringen. Die Kinder dort wachsen ganz anders auf, man kann hier viel Spaß haben. Mutter riecht den Braten: sie gönnt ihm die Freude nicht. Da kann sie noch so oft behaupten, Mathias sei ihr Verbündeter.

Mathias ist vierzehn Jahre alt.

Mutter ist mit ihm ins Hochhaus gezogen und hat Oma in ihrem Elend alleingelassen. Opa ist im Heim, noch so ein Verrat. Doch Mathias ahnt: im Grunde genommen trägt er die Verantwortung für Mutters Lage, obwohler natürlich auch nichts dafür kann. Wer kann schon was für seine Geburt?

(Klappentext)

Rezension:

Mathias, der bei seiner Mutter und den Großeltern in der Einöde einer norddeutschen Vorstadt aufwächst, ist ein ganz normaler Junge. Den Vormittag verbringt er, wie andere Kinder seines Alters auch, in der Schule, den Nachmittag zu Hause oder bei Freunden mit Spielen.

Keine Besonderheiten, keine Ereignisse stören die Idylle, doch Heinz Strunk schafft es, teils autobiographisch von seiner Kindheit so spannend zu erzählen, dass man sich mit dem Jungen freut, mit ihm leidet, weint, traurig ist und immer wieder die Glücksmomente einer ganz normalen Kindheit erlebt.

Tatsächlich sind die einzigen Besonderheiten vielleicht das Zusammenleben mit den Großeltern unter einem Dach, welches der Autor beschreibt oder den Beruf der Mutter, die als private Musiklehrerin arbeitet.

Spektakulär wird es erst als Mathias miit zehn Jahren aus der gewohnten Umgebung auszubrechen beginnt, die Schule wechselt und später in die Pubertät kommt. Die Geschichte legt an Tempo zu, der Schreibstil, an den man sich anfangs vielleicht noch gewöhnen muss, passt nun voll und ganz und saugt den Leser in die Geschichte hinein.

Von Anfang an konzentriert sich Strunk auf die Sichtweise des Kindes, dessen scharfer Verstand und Beobachtungsgabe völlig im Widerspruch zu seinen zunehmend immer schwierigeren Handlungen und Erlebnissen stehen, die der Junge erleiden muss. Tatsächlich ist es interessant für den Leser zu beobachten, wie sich Mathias mit jeder Zeile von seiner Mutter mehr entfernt, wobei das Buch im Allgemeinen doch sehr durchdrängt ist von der Liebe zu ihr.

Ein wunderbarer Roman, dessen Faszination sich erst auf den zweiten Blick erschließt, es aber dann vermag, den Leser ganz und gar für sich einzunehmen. Hat doch schließlich jeder Erlebnisse und Beobachtungen in der Kindheit gemacht, an die man sich noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte erinnert, von denen man zehrt, ob nun im guten oder auch schlechten Sinne.

Mir hat der Schreibstil sehr gut gefallen und die Protagonisten mit all ihren Ecken und Kanten, auch wenn ich froh bin, mit einigen solchen Typen selbst keine Bekanntschaft gemacht zu haben. Der Titel selbst spielt nur auf eine Episode aus dieser wunderbaren Erzählung an, trifft den Inhalt des Romans, welcher so viel mehr enthält, die gesammelten Erlebnisse einer Kindheit, nicht wirklich.

Auch der Klappentext ist, wenn überhaupt, nur an der Oberfläche kratzend, hätte man auch anders und treffender schreiben können. Das tut der wunderbaren Geschichte jedoch keinen Abbruch.

Autor:
Heinz Strunk wurde 1962 in Hamburg geboren und ist ein deutscher Autor, Entertainer und Mitglied der PARTEI. Unter seinem bürgerlichen Namen Mathias Halfpape gehörte er einer Band an, mit der er ein paar kleinere Erfolge in Norddeutschland feierte.

Von 2003-2004 arbeitete er für den TV-Sender VIVA. Größere Erfolge brachten ihm seine schriftstellerischen Tätigkeiten, mit „Fleisch ist mein Gemüse“ gelang ihm 2004 auf Anhieb der Durchbruch als Autor, weitere Romane folgten.

2008 kandidierte er für DIE PARTEI in Hamburg als deren Spitzenkandidat und errang für sie eines ihrer besten Ergebnisse bei einer stattfindenden Wahl. 2016 erschien sein Roan „Der goldene Handschuh“, welcher für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde.

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Riad Sattouf: Der Araber von morgen

Der Araber von morgen - 1 Book Cover
Der Araber von morgen – 1 Serie: Der Arber von morgen Graphic Novel Knaus Seiten: 148 ISBN: 978-3-8135-0666-2 Knaus

Inhalt:

Arabischer Frühling, Umsturz in Lybien und Krieg in Syrien. Als Reaktion darauf greift der französische Zeichner und Filmemacher Riad Sattouf zum Stift und erzählt von seiner Kindheit in der arabischen Welt: Ein blond gelockter Junge, Sohn einer Französin und eines Syrers, wächst in Lybien und Syrien auf. Die wahre Geschichte vom blonden Araber im Land der Diktatoren stürmte in Frankreich die Bestsellerlisten wie zuvor nur Marjane Satrapis „Persepolis“.

Bücher der Reihe:

Gestaltung und Einordnung:

Es handelt sich hierbei um eine Graphic Novel, ein in einem bestimmten Zeichenstil auf hochwertigen Papier gedruckten Comic mit Klappenbrochure-Einband. 

Tonangebend sind hier die Farben Rot, Grün und Gelb, die jeweils die Kapitel kennzeichnen, die in der arabischen Welt spielen, wehrend die europäischen „Episoden“ kontrastreich in blauen Ton gehalten sind. 

Die Kapitel, die in Syrien oder Lybien spielen sind wesentlich kantiger gezeichnet. „Der Araber von morgen“ ist Auftakt zu einer Triologie, von derer in Frankreich schon der zweite Teil erschienen ist.

Rezension:

Graphic Novels sind spätestens seit „Persepolis“ ein beachtetes Phänomen, gelingt es doch Verlagen mit einer qualitativ besseren Aufmachung auch Erwachsene von Comics zu überzeugen (zu einem viel höheren Preis) als es die üblichen Heftchen-Varianten je könnten. 

Und auch hier muss man zwischen qualitativ guten und schlechteren Geschichten unterscheiden. 

Riad Sattouf’s gehört zweifellos zur ersten Kategorie. Er erzählt in Comic-Form seine Lebensgeschichte bzw. die seiner Kindheit, die zwiespaltiger, verwirrender nicht hätte sein können. 

Aufgewachsen in zwei verschiedenen gegensätzlichen Kulturen nimmt uns der Zeichner mit auf eine Reise, die in Frankreich beginnt bald schon aber den Blick auf Lybien und Syrien lenkt. 

Anfangs aus der Sicht eines unbefangenen Kleinkindes, später aus der eines Beinahe-Schülers. Ohne zu werten, nur eben aus diesem Blickwinkel zeigt Sattouf die Widersprüche im damaligen arabischen Alltag auf, in dem mehr noch als heute traditionelles Gedankengut auf städtische Moderne traf und die Vermischung noch nicht allzu groß war. 

Er erzählt von Alltagssituationen, unfertige Häuser, bestechlichen Polizisten, Frauenbildern und die Kunst trotzdem unbefangen aufgewachsen zu sein. Irgendwie. Die Geschichte nimmt mal den Focus auf die Mutter, mal auf den Vater oder anderen Verwandten, bleibt dabei immer in ihrer kindlichen Sichtweise, die zwar schon die Widersprüche des Vaters wahrnimmt aber noch nicht einordnen kann.

Oder die Mutter, die den Kulturschock nur äußerlich zu verkraften scheint und erst am Ende nach einer Reihe von Fehlschlägen gegen die Pläne ihres Mannes aufbegehrt, für immer in Syrien leben zu wollen. Ein kontrastreiches Portrait einer Familie in einer ebenso vielvältigen Welt, in der der Leser die Beobachterperspektive einnimmt.

Die Geschichte dabei ist ernst, trotzdem fassbar und aufgrund der Bilder um einiges klarer als wenn sie per Text vorliegen würde. Wobei man Buch und Graphic Novel nicht vergleichen kann. 

Man will auf jeden Fall mehr von Riad Sattoufs Kindheit erfahren, wenn man diese gelesen hat, sehr schön gestaltet, und so freue ich mich jetzt schon, sollten Teil 2 und 3 auch ins Deutsche übersetzt werden.

Autor:

Riad Sattouf wurde 1978 in Paris geboren und ist Comic-Zeichner und Filmemacher. Aufgewachsen in Lybien un Syrien kehrte er mit 13 Jahren nach Frankreich zurück und studierte Animation. Er avancierte in Folge dessen zu einem der bekanntesten Comic-Künstler seines Landes.

Von 2004 bis 2014 zeichnete er für das Satire-Magazin Charlie Hebdo und wurde unter anderem mit dem Prix Rene Goscinny ausgezeichnet. Den bekam er für seinen Erstlingsfilm „Jungs bleiben Jungs“. Mit seiner Familie lebt und arbeitet er in Paris.

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Andreas Steinhöfel: Anders

Anders Book Cover
Anders Andreas Steinhöfel Koenigskinder/Carlsen Erschienen am: 21.10.2014 Seiten: 237 ISBN: 978-3-551-56006-3

Handlung:

Nach dem Unfall sind Zeit und Welt aus den Fugen. 263 Tage liegt Felix Winter im Koma, exakt die Anzahl jener Tage, die seine Mutter vor elf Jahren mit ihm schwanger war. Dann erleben die Menschen um ihn herum ein Wunder: An einem prächtigen Sommertag kehrt der Winterjunge zurück ins Leben.

Und nennt sich von nun an anders, nämlich Anders. Er hat keinerlei Erinnerung mehr an die Zeit vor dem Unfall oder an den Unfall selbst … Und es gibt jemanden, der alles dafür tun wird, dass das so bleibt. (Klappentext)

Rezension:

Es ist der Fluch aller guten Autoren, dass man sie an ihren größten erfolgen misst. Auch Andreas Steinhöfel kann wahrscheinlich ein Lied davon singen.

Seine „Rico, Oskar und…“-Reihe ist witzige und anspruchsvoll unterhaltende Kinder- und frühe Jugendliteratur, die schon vor der Verfilmung des ersten Teils populär gewesen ist und dadurch noch einmal einen ungeheuren Schub bekommen hat.

Daneben laufen nicht weniger gute Werke, folgt man der Vielzahl von Rezensionen wie etwa „Beschützer der Diebe“ oder „Dirk und ich“, sein Erstling und nun auch noch „Anders“. Wobei „Anders“ wirklich anders ist.

Die Geschichte um den verunfallten Jungen, der ins Leben zurückkehrt, die Welt um sich herum anders wahrnimmt und infolge dessen, ebenso anders wahrgenommen wird, ist Abenteuer, Roman, ein wenig Krimi und vor allem ein gutes Jungenbuch für Groß und vor allem Klein.

Der Schreibstil lässt ein Lesen ohne Stolperfallen zu, es wird dennoch kein Blatt vor den Mund genommen und die Seiten fliegen nur so dahin.

Tatsächlich dürften selbst langsame Leser diesen Kinder-Roman innerhalb weniger Tage durch haben und dabei erleben, wie es sich für Felix und seine Umgebung anfüllt, wenn er nicht mehr Felix ist.

Sondern Anders.  

Der Autor schafft es hier, für ein Kinderbuch beinahe mit Seltenheitswert, die Figuren vielschichtig zu gestalten, niemand ist nur gut oder böse, selbst Felix nicht, seine Freunde oder die Erwachsenen.

Alltagsprobleme, wie die Beziehungsprobleme der Eltern werden nicht unter den Teppich gekehrt. Eine Sache mit der sich heutzutage viele Kinder herumschlagen müssen und nicht zuletzt die Entscheidung zwischen Richtig oder Falsch, die auch Felix „Anders“ treffen muss. Ohne dass Steinhöfel einen Zeigefinger erhebt.  

Als wäre das nicht alles Grund genug dafür, es zu lesen, empfehle ich dieses Werk auch wegen seiner Illustrationen und der Aufmachung. Peter Schössow hat hier ganze Arbeit geleistet.

Angefangen vom Titelbild, den goldfarbenen Schriftzügen und Seitenzahlen und den gelb-schwarzen Bildern am Anfang eines jeden Kapitels bis hin zum goldenen Lesebändchenist das auch ein eleganter Hingucker im Regal.

Andreas Steinhöfel hat geschafft, was er mit diesem Buch erreichen wollte. Nämlich nicht nur der Vater von Rico und Oskar zu sein sondern auch mal der Vater von jemand „Anders“.

Autor:

Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg, Hessen, geboren und studierte später Biologie und Englisch auf Lehramt. Danach wechselte er zu Anglistik, Amerikanistik und Medienwissenschaften an der Universiät Marburg. Sein erstes Jugendbuch „Dirk und ich“ erschien 1991.

Seine bekanntesten Werke sind „Paul Vier und die Schröders“, die Rico-und-Oskar-Reihe. Er übersetzte zudem zahlreiche Kinder- und Jugendbücher ins Deutsche, einige seiner Werke wurden inzwischen verfilmt und gewannen, wie seine Bücher (Deutscher Jugendliteraturpreis 2009) einige bedeutsame Auszeichnungen. Heute lebt er im mittelhessischen Biedenkopf.

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Douglas Smith: Der letzte Tanz

Der letzte Tanz Book Cover
Der letzte Tanz Douglas Smith S. Fischer Erschienen am: 23.10.2014 Seiten: 528 ISBN: 978-3-10-077203-9 Übersetzer: Bernd Rulkötter

Inhalt:

Es ist das brutale Ende einer glanzvollen Epoche, der Untergang einer prachtvollen Ära: Ab 1917 wird die russische Aristrokratie im Mahlstrom der bolschewistischen Revolution vernichtet. Packend schildert der renommierte Historiker Douglas Smith erstmals die berührenden Schicksale und menschlichen Dramen, die sich dahinter verbergen. (Klappentext)

Rezension:

Praktisch über Nacht wurde der russische Adel hinweggefegt, doch der Fall auf dem Kehrrichthaufen der Geschichte dauerte viel länger und war vor allem eines, brutal.

Der amerkanische Historiker zeichnet mit „Der letzte Tanz“ ein faszinierendes Portrait einer unwirklichen Zeit, in der eine ganze Gesellschaft umgekrempelt wurde und der neue „rote Adel“ unbarmherzig gegen alles vorging, was die frühere gesellschaft symbolisierte.

Am Schicksal der einst mächtigen Familien Golizyn, Scheremetjew und Trobezkoy zeigt Douglas Smith den Gang der russischen Aristrokratie in den Abgrund auf und verfolt detailliert das Schicksal der einzelnen Familienmitglieder.

Douglas Smith hat damit erstmalig die Menschen in den Fokus genommen, die dem Zaren und seiner Familie in hohen Positionen am kaiserlichen Hof etwa, in der Armee oder auch sonst in der Gesellschaft dienten und zeigt, dass Geschichte vom Sieger geschrieben und ihr Verlauf bestimmt wird.

Kleinteilig genau portraitiert er die einzelnen Schicksale, die Repressionen, den Terror und die Verzweiflung aber auch immer wieder kleine Momente des Glücks, der Hoffnung, die dann jäh zerstört werden.

Der Autor beschreibt ausführlich, warum die einen die Wirren von Revolution und Bürgerkrieg mehr oder weniger überstanden, andere entrechtet, verfolgt und sytematisch umgebracht wurden.

Gestützt auf eine umfangreiche Quellenlage, basierend auf Dokumenten und Akten russischer Archive, die erstmalig gesichtet wurden, Tagebuch-Aufzeichnungen, Foto-Sammlungen und Gesprächen, Zeitungsberichte jener Zeit und Regierungsdokumenten der Zaren- als auch der danach folgenden Zeit sowie Geheimdienstberichten, entstand ein wertvoller und umfassender Bericht, welcher zu einem Standardwerk im Studium der russischen Geschichte werden könnte.

Ausführliche Beschreibungen, Zitate und Ausführungen lassen das Große und Ganze begreifen und gleichzeitig Details nicht aus den Augen verlieren. Der Schreibstil flüssig, lässt zwar manchen Schachtelsatz zu aber die sind nicht schlimmer als in meiner Rezension.

Man kann es also gut lesen, muss sich dennoch konzentrieren. Insbesondere die Namen in ihren zahlreichen russischen Formen und der während der Zeit stattfindende Wechsel des Kalendersystems sind dabei zu beachten.

Dies gelingt Douglas Smith, der zudem sehr darauf geachtet hat, verschwommene Erinnerungen und wirklich Geschehenes zu trennen und ein wahrhaftgemäßes Bild zu zeichnen, des Untergangs einer vielschichtigen Epoche.

Autor:

Douglas Smith wurde 1962 geboren und arbeitete als Historiker für das U.S. State Department in der Sowjetunion und als Russisch-Dolmetscher für Ronald Reagan. Für Radio Liberty/Free Europe war er als Russland-Spezialist in München tätig.

Zahlreiche Auszeichnungen erhielt er für seine Arbeit, u.a. das renommierte Fullbright-Stipendium für Wissenschaftler. Er lebt in Seattle/USA.

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Georges Simenon: Der kleine Heilige

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Der kleine Heilige Georges Simenon Diogenes Erschienen: 2013 (Neuauflage) Seiten: 241 ÎSBN: 978-3-257-24148-8 Übersetzerin: Trude Fein

Inhalt:

Paris 1897: Die sinnliche Gemüsehändlerin Gabrielle teilt ihre kleine Wohnung in der Rue Mouffetard mit wechselnden Männern. Unter ihren sechs Kindern bildet Louis eine Ausnahme. Er ist brav, fleißig, anspruchslos. Doch in dem unauffälligen Jungen, der spöttisch „der kleine Heilige“ genannt wird, steckt etwas besonderes: Louis wird zum Künstler, der unbeirrbar seinen Weg geht. (Klappentext)

Rezension:

Paris um die Jahrhundertwende. Eine aufstrebende Stadt, Mittelpunkt europäischen Kulturlebens und des modernen Europas. Allein, die Menschen in der rue Mouffetard bekommen davon nichts mit.

Viel zu beschäftigt, für das eigene und das Überleben ihrer Familien zu besorgen, ist ihre Welt begrenzt auf ihren Straßenzug, den winzigen Wohnungen und ihrer Arbeit, so sie eine haben. Ansonsten prägen Armut und unstete Lebensweisen ihre Welt.

So wächst auch Louis auf als Jüngster von sechs Kindern und beobachtet seine Familie. Ruhig und besonnen, sich für nichts außer seiner unmittelbaren Umgebung interessierend, ist er zu unscheinbar für alle anderen.

In der Schule, die er als Einziger der Familie ordentlich abschließt, gilt er als Träumer, der dennoch irgendwie es schafft, unter den Klassenbesten zu landen und jemand, der sich leicht herumschupsen lässt, in der Familie gleichsam als Sonderling, doch dieser ist er unbeirrbar.

Er speichert seine Beobachtungen, fest entschlossen, sie für sich zu nutzen. Schließlich bekommt er Farbstifte geschenkt. Der Weg zum Künstlertum beginnt.

In diesem Roman passiert eigentlich nichts. Spannend ist etwas anderes. Gesellschaftliche Ereignisse wie die Jahrhundertwende, Wirtschaftskrise und beide Weltkriege werden nur in sofern gestreift, als dass sie das leben des Protagonisten, der ansonsten überaus sympathisch ist, unmittelbar berühren.

Ansonsten gilt, was dem „kleinen Heiligen“ nicht interessiert, lässt auch der Autor unberührt. So plätschert die Geschichte vor sich hin. Armut und eine Umgebung, die eigentlich zur Verzweiflung treibt, werden hier wunderbar beschrieben.

Bemerkenswert, Louis stört sich an all den Widrgkeiten nicht. Er geht seinen Weg, ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben und genügt sich selbst. Mehr passiert nicht.

Dies ist jedoch vollkommen ausreichend. Eine Geschichte zum Zurücklehnen, keinesfalls hohe Literatur, sprachlich anspruchsvoll schon gar nicht aber manchmal brauchen wir so etwas, um den Kopf frei zu bekommen.

Dazu eignet sich „Der kleine Heilige“ sehr, dessen Unaufgeregtheit so manchen doch zu wünschen wäre. Ein kleiner Roman für’s Zwischendurch, eine Hommage an das Künstlertum und daran, das Leben so gelassen, wie möglich zu nehmen, eben, wie’s kommt.

Nicht mehr, nicht weniger. Ein schöner Roman, um die Jahrhundertwende einer faszinierenden Stadt spielend, auf das wir in uns allen irgendwo ein Stück des „kleinen Heiligen“ entdecken.

Autor:

Georges Joseph Christian Simenon wurde 1903 in Lüttich geboren und war ein belgischer Schriftsteller. Er gitl als Verfasser von über 75 Kriminalromanen (Maigret-Reihe), daneben schrieb er weitere 100 Romane, über 150 Erzählungen und 200 Groschenromane. Mehr als 1000 Kurzgeschischen schrieb er unter Pseudonym.

Vorwiegend schrieb er in französischer Sprache, seine ersten Geschichten schrieb er bereits im Alter von 16 Jahren. Die Maigret-Reihe, die er in den 30er Jahren begann, verhalfen ihm zu seinem literarischen Durchbruch. Im Laufe seines Lebens hatte er insgesamt 33 wechselnde Wohnsitze, zuletzt in Lausanne, wo er 1989 starb. (Klappentext)

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Craig Silvey: Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones? Book Cover
Wer hat Angst vor Jasper Jones? Craig Silvey Rowohlt Erschienen am: 01.09.2012 Seiten: 415 ISBN: 978-3-499-21697-8 Übersetzerin: Bettina Münch

Inhalt:

Laura Wishart ist fort. Ein für alle Mal. Sie wurde auf einer seltsamen Lichtung getötet, die nur Jasper Jones bekannt ist. Und ich habe sie dort hängen sehen.

Australien 1965. Mitten in der Nacht wird der 13-jährige Charlie Bucktin vom Klopfen an seinem Fenster geweckt. Draußen steht Jasper Jones, der Außenseiter der kleinen Stadt Corrigan und zugleich ein unbestimmter Held für Charlie.

Jasper bittet ihn um Hilfe, und so stiehlt sich Charlie mit ihm durch den nächtlichen australischen Busch – voller Angst, aber auch voller Abenteuerlust. Auf einer geheimen Lichtung wird Charlie Zeuge von Jaspers schrecklicher Entdeckung.

Mit diesem beklemmenden Geheimnis in seinem Herzen durchlebt Charlie eine Zeit der Angst, der falschen Verdächtigungen – und des Erwachens. In einem einzigen drückend heißen Sommer, in dem sich Charlies Leben für immer verändert, wird er lernen, die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden und sich vor Gerüchten zu fürchten wie vor einem Fluch. (Verlagstext)

Rezension:

Die Katastrophe wie ein Wolkenbruch im australischen Busch. In Corrigan ist eines der beliebtesten Mädchen des Ortes verschwunden und nur Jasper Jones, der allseits verschrieene Außenseiter udn Charlie Bucktin, nicht minder eine Außenseiter-Figur, haben eine Ahnung, was mit der Schülerin passiert ist.

Und auch sonst ist dieser Sommer, der letzte seiner Kinderheit für Charlie mehr als sonderbar. All die erwachsenen Oberflächlichkeiten und Rivalitäten scheinen ihn und seine Freunde einzuholen, Jeffrey darf endlich einmal (wenn auch widerwillig) eine bedeutende Rolle in der örtlichen Cricket-Mannschaft spielen.

Sein Vater dagegen bekommt den Hass der Gemeinde wegen des Vietnam-Krieges zu spüren und Charlies Familie zerbröckelt vor seinen Augen, während Charlie immer tiefer in den Strudel der Ereignisse versinkt, kaum Luft zum Atmen bekommt.

Craig Silvey hat hier einen ganz wundervollen kleinen Jugendroman geschrieben, der sich durchweg kurzweilig liest. Das ernste Thema immer wieder aufgelockert durch, für 13-jährige, hochphilosophische wie auch witzige Gedankengänge.

Tatsächlich strotzt „Wer hat Angst vor Jasper Jones?“ nicht nur vor Spannung und Abenteuer, sondern durch eine gewaltige Prise Humor, den man den Protagonisten gerade noch so abnimmt.

Mehr hätte nicht sein dürfen, so aber hält Silvey die Geschichte glaubwürdig am Leben und enthärtet dort, wo es nötig ist, den gesamten Verlauf. Beginnend bei dem Verabschiedungsritual von Jeffrey und Charlie (Auf Wiederhörnchen! Bis Baldrian!) bis hin zu den verrückten Gesprächen der Freunde.

Eben gerade noch Kinder, die voller Unschuld in die Welt blicken, doch Charlie muss bald erfahren, wie grausam und ungerecht diese wirklich ist.

Die Ausarbeitung der Charaktere ist für ein Jugendbuch außerordentlich gut gelungen, sowohl der Kinder als auch der Erwachsenen. Charlie muss nicht nur eine diktatorische Mutter ertragen, sondern auch einen Vater, der sich von der alles gefallen lässt.

Zudem ist die Beschreibung der Psyche einer Ortschaft so tiefgründig, dass man fühlbar mit dem Jungen und seinen Freunden leidet, die erleben müssen, wie der schöne Schein der Erwachsenen-Welt in sich zusammenfällt, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis sie aus der Bahn wirft.

Der Schreibstil tut sein Übriges, um große und kleine Leser in seinem Bann zu ziehen. Und das tut Craig Silvey zu Recht.

Bis Baldrian und auf Wiederhörnchen!

Autor:

Craig Silvey wurde 1982 geboren und ist ein australischer Schriftsteller und Musiker und als Sänger udn Songwriter bei den „The Nancy Sikes!“ aktiv. Sein erster Roman wurde im jahr 2004 veröffentlicht und bekam promt gute Kritiken in der australischen Presse, danach verlegte er sich ganz auf das Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern.

Mit „Jasper Jones“ (OT) wurde er auch international bekannt, welches mehrere Preise abräumte. 2015 wurde mit einer Verfilmung des Jugendromans begonnen.

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Gary Shteyngart: Kleiner Versager

Kleiner Versager Book Cover
Kleiner Versager Gary Shteyngart Rowohlt Erschienen am: 16.12.2016 Seiten: 474 ISBN: 978-3-498-06432-7 Übersetzerin: Mayela Gerhardt

Inhalt:

Der kleine, schmächtige Igor wandert, siebenjährig, mit seinen Eltern von Leningrad „zum Feind“ nach New york aus und nennt sich fortan Gary. Von beiden Systemen lernt er nur das Schlechteste. Kein Wunder, dass aus seinem Berufswunsch Astronaut nichts wird. Da beschließt er, wenigstens etwas Unserioses anständig zu machen: Schriftsteller! (Klappentext)

Rezension:

Der kleine Igor wächst in einer ganz normalen unnormalen russischen Familie auf, die anders ist als alle anderen. Das merkt das Kind schon früh, denn seine Familie ist jüdisch, wenn auch nicht stark religiös.

Der Vater arbeitet als Maschinenbauer, die Mutter als Schreibkraft und der an Asthma und Höhenangst leidende Junge wächst in St. Petersburg auf, mit dem Traum Astronaut zu werden. Doch zeigt er früh eine andere Begabung. Die, Schriftsteller zu werden.

Denn schon als Kind schreibt er Kurzgeschichten und einen ersten kleinen Roman, inspiriert von den Geschichten Selma Lagerlöfs. Doch, keiner außer den Lehrern kann damit etwas anfangen. Für die Eltern bleibt er liebevoll ihr „kleiner Versager“. Und schließlich wandern sie aus. Zum Feind, in eine komplett andere Welt.

Der Autor hat als Kind und später als Jugendlicher in der neuen Welt es schwer, seinen Platz zu finden. Ständig stößt er auf kulturelle Grenzen und Widersprüche zwischen den Werten seiner Familie und der Konsum- und Scheinwelt Amerikas.

Shteyngart eckt mit zunehmenden Alter immer mehr an und bringt schließlich auch das Gedankenbild seiner Eltern um die Zukunft ihres Sohnes zu Fall.

Entstanden ist eine Abrechnung mit dem Leben, mit dem Aufwachsen zwischen zwei Welten, mit seinen Eltern und nicht zuletzt mit seinem Werden als Schriftsteller.

Dies macht er ziemlich genial. Nachvollziehbar bis abstoßend, die ganze Bandbreite, schreibt er über die ersten dreißig Jahre seines Lebens bis zum Entstehen seines ersten publizierten Romans.

Auf der Suche nach sich selbst ist Shteyngart hier eine Art russisch-amerikanisch-jüdisches „Die Asche meiner Mutter“ gelungen. Ein Roman, der vor nichts zurückschreckt, mal rasant ist, auf der nächsten Seite innehaltend.

Der Leser entdeckt den Mensch hinter dem Autoren und wird sich am Ende nicht sicher sein, ob er real mit ihm zu tun haben wollte oder froh ist, nur das Buch lesen zu können.

Tatsächlich sind drei Viertel des Buches mehr als wunderbar und sind für sich genau so gut wie das irische Gegenstück. Das letzte Viertel demontiert dies jedoch. Solch eine Wendung hätte ich nicht erwartet, vor allem bei einem biografischen Roman.

Wäre es umgekehrt gewesen, könnte man leicht die volle Punktzahl vergeben, schließlich wirkt der letzte Eindruck immer am längsten nach, weil sehr frisch, so aber müssen Abzüge gemacht werden. Trotzdem ist Gary Shteyngart lesenswert und das nicht nur wegen dem wunderbaren Cover.

Autor:

Gary Shteyngart wurde 1972 als Sohn jüdischer Eltern in Leningrad (St. Petersburg) geboren und emigrierte im Alter von sieben Jahren in die USA. Nach der schule studierte er am Oberlin College Politikwissenschaft und arbeitete für verschiedene Non-Profit-Organisationen in New York.

Sein Debüt als Schriftsteller gab er mit „Ein Handbuch für den russischen Debütanten“ (2002), schrieb aber schon im Kindesalter Kurzgeschichten. als Reise- und Kulturjournalist publiziert er in verschiedenen New Yorker zeitschriften und Zeitungen, wie „The New Yorker“ oder „The New York Times“. seine Werke sind mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem „National Jewish Book Award for Fiction“. Shteyngart lebt in New York.

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Jim Shepard: Aron und der König der Kinder

Aron und der König der Kinder Book Cover
Aron und der König der Kinder jim Shepard C.H. Beck Erschienen am: 21.01.2016 Seiten: 270 ISBN: 978-3-406-68959-8 Übersetzerin: Claudia Wenner

Inhalt:

Aron, ein kleiner polnisch-jüdischer Junge, ist in seiner nicht gerade kleinen, armen Familie so etwas wie eine Katastrophe auf zwei Beinen. Nichts will ihm so recht glücken und alles macht er kaputt. Doch halb Tom Sawyer, halb Simplicius – er ist ein guter Kerl. Aron hat leider keine Zeit, ein vernünftiger Erwachsener zu werden.

Denn seine Familie zieht nach Warschau, die Deutschen überfallen Polen und die Juden werden ins Ghetto gepfercht. Er freundet sich mit einer Gruppe Jugendlicher an, die für sich und ihre Familien ums Überleben kämpfen, arbeiten, schmuggeln und stehlen und sich immer fragen müssen, wieviel Freundschaft und Liebe sie sich noch leisten können.

Verrat und Tod lauern jederzeit. Als der König der Kinder, der berühmte Arzt und Pädagoge Janusz Korczak, Aron in sein Waisenhaus aufnimmt, beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft, die den Jungen verändert und beide über sich hinauswachsen lässt. (Verlagsseite)

Rezension:

Aron ist ein Phänomen. Ein Pechvogel auf zwei Beinen, niemand nimmt ihn ernst und wo er auch ist, passiert ihm und anderen immer ein Unglück. Eine tragikkomische Figur aber auch ein besonderer Mensch. Dennoch nur für besondere Zeiten.

Den Aron ist jüdischer abstammung und lebt ausgerechnet in der Zeit des Zweiten Weltkrieges als die Deutschen Warschau besetzen und alle Juden zwingen, im Ghetto zusammengepfercht, die hereinbrechende Katastrophe über sich ergeehn zu lassen.

Um zu Überleben, seiner Familie und sich zu helfen, schmuggelt er mit Gleichaltrigen lebenswichtiges über die Ghettomauern, von Lebensmitteln bishin zu Kleidung. Dies bleibt nicht unbemerkt, von den deutschen Besatzern und den polnischen Nazi-Kolloberateuren, die sich zu Komplizen der Nazis machen.

Doch Aron und die anderen arrangieren sich. Als Aron aber den Haken in diesem unmenschlichen Pakt und die Kehrseite der Medaille bemerkt, ist es bereits zu spät. Und er klammert sich an die einzige Hoffnung, die er noch hat. Doch, auch Janusz Korczak kann die Katastrophe kaum noch abwenden.

Ein Roman wie ein Schrei, eine Art Blechtrommel für Kinder und Jugendliche aber mehr noch für Erwachsene. Kaum zu begreifen, heute darf man sich glücklich schätzen, die Situation nicht mal mehr ansatzsweise nachvollziehen zu können, ist das Leben derer, welches an sich kaum mehr als solches zu bezeichnen ist.

Zusammengepfercht ums Überleben kämpfend, werden alle menschlichen Regeln auf den Kopf und infrage gestellt, gelten kaum einen Moment und werden im nächsten wieder umgedreht.

Unter diesen Bedingungen leidet der Leser zusammen mit dem Hauptprotagonisten, der Schatten- aber auch positive Seiten hat, zu früh erwachsen werden muss aber dennoch Kind bleibt.

Aron ist eine zwiespältige Figur, die man dennoch oder gerade deswegen aber vor allem seinem Kampf gegen alle Widerstände lieb haben muss. Nicht einmal Janusz Korczak, der innerhalb der Ghettomauern so viel für die Kinder getan hat, gelingt es hier diesen Platz in der Geschichte Shepards einzunehmen.

Der Roman spielt mit dem Leser, wirft ihn hin und her im Strudel der Gefühle, lässt das Unglück zuerst nur erahnen, dann förmlich auf einem zurasen. Und man weiß, es kann und wird nur negativ ausgehen. Shepards Geschichte verträgt kein positives Ende, welches fehl am Platz und unrealistisch wäre.

Um so beeindruckender und bleibender die Quintessenz der Geschichte, dass es nur einen Funken Menschlichkeit braucht, um Gutes zu bewirken, in Erinnerung zu bleiben.

Der Schreibstil dazu passt sich den Figuren an, verschafft das Gefühl einer gewissen Gehetztheit der Figuren, die jeden Tag um ihr Leben bangen müssen, ihrem Schicksal aber kaum ausweichen können und versuchen, es hinauszuzögern.

Ein wunderbarer Roman, der sich kaum fassen oder wirklich genremäßig einordnen lässt. Dazu steckt zu viel in der Geschichte, die man sich unbedingt zu Gemüte führen sollte.

Autor:

Jim Shepard wurde 1956 in Bridgeport/Connecticut geboren und ist ein amerikanischer Schriftsteller und Professort für kreatives Schreiben a, Williams College/Massachusetts. Nach seinem studium veröffentlichte er Arbeiten in verschiedenen amerikanischen Magazinen, u.a. im The New Yorker Magazine.

Eine seiner Kurzgeschichtenreihen wurde für den National Book Award 2007 nominiert. . Er schreibt für Zeitungen, Zeitschriften und für’s Fernsehen. Seine Werke wurden bereits in mehreren Sprachen übersetzt.

Shepard legt dabei Augenmerk auf die unterschiedlichen Sichtweisen seiner Charaktere aufgrund insbesondere von Unterschieden, die aus Sichtweisen aufgrund unterschiedlicher Herkünfte resultieren. Nur für den italienischen Markt schuf er eine extra Kurzgeschichtenreihe.

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Antonio Scurati: Das Kind, das vom Ende der Welt träumte

Das Kind, das vom Ende der Welt träumte Book Cover
Das Kind, das vom Ende der Welt träumte Antonio Scurati Rowohlt Taschenbuch Erschienen am: 16.07.2010 Seiten: 352 ISBN: 978-3-644-00731-4 Suse Vetterlein

Inhalt:

Ein Kind träumt vom Ende der Welt. Es wandelt im Schlaf, spielt mit Feuer – und niemand hat eine Erklärung dafür. Dreißig Jahre später ist das Kind zum Mann geworden und erlebt einen neuen Albtraum: In seiner Heimatstadt bricht Panik aus, als mehrere Erzieher, Lehrer und Priester des Kindesmissbrauchs verdächtigt werden.

Die heile Welt vieler Familien zerbricht, denn immer mehr Eltern entdecken an ihren Kindern verstörende Symptome. Doch dann bringt die Aussage einer Mutter im Gerichtssaal die Wendung. (Klappentext)

Rezension:

Verstörend ist das Schlafwandeln des Sohnes für die Eltern, genau so wie Gerüchte, die Jahre später die Runde machen, eine ganze Stadt verschrecken.

Der Protagonist, wie der Autor selbst, inzwischen erfolgreicher Professor an einer angesehenen italienischen Universität, sieht wie Gerüchte und Unterstellungen plötzlich zu Aussagen werden und eine ganze Stadt überrollen.

Danach ist nichts mehr, wie es war. Jede Familie ist von Missbrauchsvorwürfen in irgendeiner art und Weise betroffen, jedes Kind zeigt die Symptome eines Opfers. Zumindest deuten Eltern, Medien und Medien dies so. Jeder Erwachsene ist gleichzeitig verdächtig genug, Täter zu sein.

Der Autor, anfangs nur als Journalist inbolviert, versinkt immer Tiefer im Strudel der Ereignisse, kommt auch immer näher dem Geheimnis seiner Kindheit. Und ist sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er selbst Opfer war und schon Täter ist.

Antonio Scurati zeigt in seinem Roman, wie erdrückend ein Gerücht oder Anfangsverdacht zum Selbstläufer werden kann und wie schnell die Klimaveränderung von Aussagen das Leben der Menschen beeinflussen kann.

Er stellt die Rolle der Medien ebenso eindrucksvoll dar, wie die Rolle von wahren und gefühlten Tätern, ebenso wie die der Opfer, die oft genug aus dem Blickfeld geraten, wenn sich alles auf die Suche und Identifikation der Täter konzentriert.

Dies gelingt dem Autor in einem Wechsel kurzer Kapitel. Einerseits aus der Perspektive des verstörten schlafwandelnden Kindes, andererseits eines Mannes, der die Ereignisse auf sich zukommen sieht, aber nicht verhindern kann, von ihnen verschluckt zu werden.

Der Leser selbst wird von Zeile zu Zeile hineingesogen, gleichsam im erwähnten Strudel und kann sich kaum mehr darauß befreien. Scurati ist ein beeindruckendes, unbedingt lesenswertes Werk gelungen, zumal in Zeiten, wo Missbrauchsskandäle in Kirche und Heimen die Runde machten.

Das Buch erschien erstmals 2010 in Deutschland, ein Jahr zuvor im Mutterland der katholischen Kirche. Eine besondere Form der Verarbeitung der Ereignisse, die nichts verschönt oder negiert, sondern zeigt, was eine Nachricht bei den Menschen hervorbringt.

Autor:

Antonio Scurati wurde 1969 in Neapel gebohren und lehrt an der IULM-Universität Mailand. Er koordiniert dort das Forschungszentrum für Kriegs- und Gewaltsprachen. Seine Romane wurden in mehrere Sprachen übersetzt und ausgezeichnet. Unter anderem bekam er den Premio Mondello und den Premio Campiello für seine Werke.

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