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Rüdiger Frank: Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates

Nordkorea - Innenansichten eines totalen Staates Book Cover
Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates Rüdiger Frank Pantheon Verlag Seiten: 461 Broschur ISBN: 978-3-570-55293-3

Inhalt:

Nordkorea und seine diktatorischen Machthaber aus der Kim-Familie werden gefürchtet und verlacht. Gefürchtet, weil das Regime mit Atomkrieg droht und die Bevölkerung im letzten staatssozialistischen System der Erde unterjocht. Verlacht, weil auf westliche Betrachte Rückständigkeit und Massenaufmärche vor allem kurios wirken. Aber das wird dem Land kaum gerecht.

Rüdiger Frank, einer der besten Kenner Nordkoreas, der regelmäßig dorthin reist, versucht in diesem Buch eine Annäherung an das abgeschottete Land, aus dem nur wenig verlässliche Nachrichten dringen. Aus seiner reichen Erfahrung heraus erklärt er Geschichte und Selbstverständnis, die Machtstrukturen und die seit einiger Zeit zu beobachtenden Änderungen im Alltag und in den wirtschaftlichen Verhätlnissen.

Und er wagt einen Ausblick auf die Frage einer möglichen Wiedervereinigung mit Südkorea. (Klappentext)

Rezension:
Nordkorea ist als kleines Land die große Unbekannte unter den Staaten Asiens. Über kaum ein Land dringt so wenig nach Außen, über kaum ein Land gibt es so wenige Informationen und wird so einseitig berichtet, wie dieses auf der koreanischen Halbinsel.

Doch, abseits von Halbwissen und Begrifflichkeiten wie der “Achse des Bösen”, wozu die Vereinigten Staaten das Land zählen, “Atomtests” und “Hungersnöte”, fragt sich der westliche Beobachter, wie es den Land bis heute gelingt, zu existieren, während andere Länder mit ähnlichen Staatssystemen zusammenbrachen oder zumindest wirtschaftlich eine 180-Gradwende vollzogen, allen voran Nordkoreas großer Nachbar China.

Wie gelang es dem Regime sich trotz Hungersnöte und technologischen Rückstand zu halten? Wir alle haben die Satellitenbilder im Kopf, die ein dunkles Nordkorea zeigen, umgeben von durch Elektrizität hell erleuchteten Nachbarstaaten. Worauf baut der Staat auf? Welche Ideologien stecken dahinter und sind diese wirklich so starr, wie es scheint?

Oder durchlebt der Nachbar Südkoreas gerade eine Phase des langsamen, aber kontinuierlichen Umbruchs? Wie gestaltet sich die Gesellschaft Nordkoreas ihren Alltag? Gibt es ein Umdenken im Umgang mit den Regime und den Nachbarn?

Weshalb ist die Teilung Koreas und dem zu Folge eine mögliche Wiederveinigung nicht mit der Deutschlands zu vergleichen, auch wenn beide Staaten nach Berlin schauen und die Wiedervereinigung Fernziel für beide ist? Und, wo liegen die Fallstricke?

Rüdiger Frank, der beide koreanische Staaten vom Äußern und insbesondere vom Inneren her kennt, analysiert Korea und zeichnet das Bild eines Staates, welches mehr interessante Fragen bereithält, als dass es Fragen beantwortet.

Zu spannend ist es, zu beobachten, was derzeit in Nordkorea passiert, wenn es sich auch für den Beobachter, der jetzt nur die Beiträge aus den westlichen Medien kennt, selten so zu erkennen gibt. Man muss schon dorthin reisen und Kontakte in beide koreanische Staaten haben, um analysieren zu können und genau dies tut Frank in diesem Buch.

Zunächst beschäftigt sich der Autor mit der Geschichte Koreas, die in die Teilung von Außen heraus führte und folgend mit den ideologischen Überbau, der als erstaunlich wandlungs- und interpretationsfähig beschrieben wird. Sowohl von der staatlichen Seite als auch von der Bevölkerung selbst. Das politische System wird, soweit möglich, aufgegliedert und die wackelige Wirtschaft analysiert.

Der Autor beschreibt den Wandel Nordkoreas anhand von Reformversuchen des Regimes, zeigt, was funktioniert und was trotz Scheitern, etwa der Remormen 2002, trotzdem zurückbleibt und eines Tages helfen könnte, zu einem völligen Wandel beizutragen. Mit oder ohne den derzeitigen Machthabern.

Rüdiger Frank geht noch einen Schritt weiter und schildert die Rolle der Sonderwirtschaftszonen und die Rolle des derzeitigen Machthabers Kim-Jong-Un im staatlichen System Nordkoreas, sowie, wie Propaganda als Sonderweg zwischen Russland bzw. der ehemaligen Sowjetunion, China und den Erfeind USA funktioniert. Er wagt aber auch zugleich einen Blick in die Glaskugel, bezüglich Varianten einer Wiederveinigung beider koreanischen Staaten.

So gegliedert, ergibt sich ein ausgiebiges und detailliertes Standardwerk über die aktuelle Situation Nordkoreas und ein anderes Bild, abseits der üblichen Medien-Berichte, welches man unbedingt verinnerlichen sollte.

Rüdiger Frank zeigt auf, wo das Regime an sich selbst scheitert, aber auch, was funktioniert und welche roten Linien die internationale Staatengemeinschaft überdenken sollte, die sich zu sehr auf’s einseitige Handeln verlegt hat und damit alle Chancen der Annäherung verspielt, wenngleich Nordkorea nicht unschuldig daran ist.

Der Autor gibt einen sehr differenzierten und interessierten Einblick, der auf jeden Fall das Wissen über Nordkorea erweitert und dazu anstößt, sich eben nicht mit zweiminütigen Berichten in der Tagesschau zufrieden zu geben, sondern mehr zu erfahren.

In klarer und verständlicher Sprache zeichnet der Autor dieses Bild, dennoch verlangt das Lesen Konzentration ab, die man halten muss. Es ist kein Werk zum Nebenherlesen, aber so spannend beschrieben, wie Geschichte, Politik und Wirtschaft sonst nicht sein können. Dafür und für eine etwas klarerer Sicht auf ein, uns so unbekanntes, Land, lohnt sich die Lektüre.

Autor:
Rüdiger Frank wurde 1969 in Leipzig geboren und ist ein deutscher Wirtschafts- und Ostasienwissenschaftler. 1991/92 verbrachte er ein einsemestriges Sprachstudium an der Kim-Il-Sung-Universität im nordkoreanischen Pjörnjang, finanziert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst und studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin Koreanistik, sowie Volkswirtschaftslehre und Internationale Beziehungen.

Später lehrte er in New York, wurde 2007 zum Professort für “East Asian Economy and Society” an der Universität Wien ernannt und ist seit 2012 Vorstand des Instituts für Ostasienwissenschaften in Wien. In Seoul ist er als außerplanmäßiger Professor tätig und besucht beide Staaten regelmäßig. Er war Mitglied mehrerer EU-Delegationen und des World Economic Forum.

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Jonathan Safran Foer: Hier bin ich

Hier bin ich Book Cover
Hier bin ich Jonathan Safran Foer Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 10.11.2016 Seiten: 683 ISBN: 978-3-462-04877-3 Übersetzer: Henning Ahrens

Inhalt:

Julia und Jacob Bloch, die mit ihren drei heranwachsenden Söhnen in Washington, D.C. wohnen, haben ein Problem. Genauer gesagt, sie haben viele Probleme: Jacobs hochbetagter Großvater soll ins Altersheim, will aber nicht, ihr ältester Sohn droht von der Schule zu fliegen, dabei wollen sie in ein paar Wochen seine Bar Mizwa feiern.

Geplant ist ein großes Familienfest, zu dem auch die Verwandtschaft aus Israel anreist, was die angespannte Stimmung im Hause Bloch weiter anheizt. Und dann macht Julia eine Entdeckung, die alles infrage stellt, ihre Ehe, ihre gemeinsamen Werte, die Zukunft der Familie…

Während sich die häusliche Krise zuspitzt, dräut am Horizont ein globales Desaster: Ein katastrophales Erdbeben im Nahen Osten führt zu einem gewaltigeninternationalen politischen Konflikt, der auch die Familie Bloch im Kern trifft. (Verlagstext)

Rezension:

Wie groß ist die Kluft zwischen zwei Leben? Dem, das wir führen wollen und dem, welches wir tatsächlich leben? Dieser existentielle Frage stellt sich der Schriftsteller Jonathan Safran Foer und verarbeitet sie zu einer großartigen Familiengeschichte, wie man es von ihm, spätestens seit “Extrem laut und unglaublich nah” kennt.

Auch hier geht es wieder um eine Familie, deren Leben durch ein erschütterndes Ereignis aus den Fugen gerät, deren Figuren sich voneinander fortbewegen aber doch nicht ohne einander können und wieder einmal um grundphilosophische Fragen, die nur Foer so poetisch vermag zu verarbeiten.

Und dergleichen hat der Autor viel zu erzählen.

Foer liebt das verschachtelte, in einander verwobene Gedankengänge, die seine Leser beschäftigen werden und doch sind seine Zeilen nicht schwer verdaulich. Im Gegenteil, Foer gibt genug Momente zum ausruhen, zum “sich fallenlassen”, erzählt dabei jedoch ungeheuer viel.

Eben so, wie auch in einer unscheinbaren Familie sich ungeheuer viele Ereignisse miteinader verweben, gerade, wenn sie auseinander triftet.

Als Leser verliebt man sich in die Protagonisten, nimmt die an sich zweifelnden und zerbrechenden Eltern Julia und Jakob gedanklich an die Hand, verfolgt mit Spannung das Werden der drei Söhne mit all ihren Marotten, Fehltritten und Glücksmomenten.

Verfolgt, wie innerhalb des Clans der Blochs/Blumenbergs ein graben auftut als der Staat Israel an den Rand einer katastrophe schlittert und wie der Tod des Großvaters Nähe und Distanz zugleich bringt.

Der Autor hat sich Zeit gelassen für diesen Roman und hat gut daran getan. Ein Meisterwerk auf Augenhöhe mit seinem vorherigen Romanen.

Ein Werk als Plädoyer an die Familie, selbst, wenn sie zerbricht, sich die guten Momente und Erinnerungen zu erhalten und ständig Grenzen und Ängste zu überwinden.

Ein Roman, der die Frage aufwirft, ob, wenn man nicht das Ideale erreichen kann, das größtmögliche Gute ebenfalls ausreicht? Ein Roman, der zeigt, dass jede Familie Empfindungen hervorbringt, die es auch in schweren Zeiten zu erhalten gilt und selbst, wenn alles zusammenbricht, immer auch positive Dinge übrig bleiben.

Ein Roman, der zeigt, dass wir Kindern glauben und auch nicht glauben, Erwachsene jedoch genau so hinterfragen sollten. Ein Roman, vielleicht gerade in diesen Zeiten als Erinnerung an ein gutes Amerika, bevor es die neue Regierung auf eine Reise ins Ungewisse schickt.

Ein vielschichtiges großes Familienepos, welches es zu entdecken gilt.

Autor:

Jonathan Safran Foer wurde am 21. Februar 1977 in Washington D.C. geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Er studierte Literatur und Philosphie und arbeitete als Rezeptionist und Ghostwriter, bevor er sich als Herausgeber einer Sammelzeitschrift zu Ehren des 1972 verstorbenen New Yorker Künstlers Joseph Cornell betätigte.

2002 erschien sein erster Roman, 2005 “Extrem laut und unglaublich nah”, welches bis zu seiner Verfilmung von Stephen Daldry als unverfilmbar galt. bekanntheit erlangte Foer auch als Sachbuchautor mit seinem Buch “Tiere essen”, in dem er sich mit der industriellen Tierproduktion und Massentierhaltung auseinandersetzte.

Er lebt in New York, mit seiner Familie. “Hier bin ich” ist sein viertes Werk und dritter Roman.

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Alastair Bonnett: Die seltsamsten Orte der Welt

Die seltsamsten Orte der Welt Book Cover
Die seltsamsten Orte der Welt Alastair Bonnett C.H. Beck Erschienen am: 15.12.2015 Seiten: 296 ISBN: 978-3-406-67492-1 Übersetzer: Andreas Wirthensohn

Inhalt:

Spätestens seit Google Earth ist die Welt bis in den letzten Winkel erforscht und vermessen. Es gibt keine unbekannten Orte mehr, keine unberührten Eilande, nichts mehr zu entdecken – oder etwa doch? Alastair Bonnett stellt in diesem Buch faszinierende und außergewöhnliche Orte vor, die unsere Vorstellungen von der Welt gehörig durcheinanderbringen.

Sie tauchen auf und unter, wie die Inseln im Gangesdelta, verschwinden von Satellitenbildern, wie Sandy Island vor

der australischen Küste, oder verstecken sich unter Gebüsch und Gestrüpp, das alle Spuren überwuchert, wie auf der britischen Halbinsel Arne.

Unterhaltsam und leichtfüßig werden Orte wie Bir Tawil in Ostafrika beschrieben, die partout keine Nation haben will, oder Orte, die scheinbar zu zwei Nationalstaaten gleichzeitig gehören. Berichtet wird von versteckten Labyrinthen, unterirdischen, verlassenen oder überbauten Städten ebenso wie von ihrer historischen Entwicklung.

Lehrreich, aber nicht belehrend führt Bonnett durch geographische Kuriositäten und zeigt, dass auch für den heutigen Menschen das Entdecken nie aufhört. (Verlagstext)

Rezension:

Der Mensch hat nahezu alles vermessen und katalogisiert, eingeordnet und bestimmt, was auf der Erde existiert. Dennoch gibt es weiße Flecken, die es zu entdecken gilt und über die es sich nachzudenken lohnt. Orte, auftauchen um wieder zu verschwinden, Orte, die zu zwei Staaten gleichzeitig gehören, die kein Staat haben will, Orte, die nur vorrübergehend existierend oder gar nicht an der Oberfläche, sondern nur direkt darunter.

Alastair Bonnett widmet sich diesen geographischen Kuriositäten, ob nun von der Natur oder vom Menschen geschaffen und nähert sich diesen in philosophischer Betrachtung, was anders gar nicht machbar wäre. Er lässt uns nachdenken, über unsere gewöhnliche Definition von Orten und Grenzen, an selbigen, die alle Regeln zu kippen scheinen und schrieb mit seinem Buch nicht nur eine Hommage an eben diese sondern auch an die Menschen, die das Ungewöhnliche in ihren Alltag integrieren müssen, da sie dort leben.

Ich habe etwas anderes erwartet, keinesfalls eine derartige Herangehensweise, sondern eine mehr sachliche, die über diese Orte, eine überdies willkürliche aber interessante Aufzählung, berichtet. Dennoch gefiel mir, was ich gelesen habe. Schön, das ganze mal aus einem Blickwinkel zu betrachten, den ich so nicht angedacht habe.

Zudem schärft es auch ein Blick für Orte, über die man sich ansonsten nie Gedanken machen würde und gibt Anstoß, das nächste Mal die Landkarte genauer zu betrachten oder gar einige solcher Orte vielleicht selbst zu besuchen. Was ich mir z.B. im Falle Baarle-Naussaus und Baarle-Hertongs auf jeden Fall vornehmen werde.

Insgesamt hat mir diese Betrachtung sehr gut gefallen, wenn sie auch etwas ungewöhnlich war und ich gerne mehr über die Orte und ihre Geschichte, so sie eine haben, und über die Menschen, die dort leben, erfahren hätte. Trotzdem ist Bonnetts Denkanstoß dazu geeignet, alltägliche Definitionen neu zu justieren, dort, wo sie nicht mehr funktionieren und alleine das ist ein großer Pluspunkt, genau so wie die ungewöhnliche Aufzählung verschiedenster geografischer Kuriositäten.

Zu guter Letzt, nur weil sich das hier lohnt, auch einen Blick auf Cover und Umschlaggestaltung. Kein normaler Papierumschlag, sondern schon etwas fester, von der Struktur her wie ein dünneres Wackelbildchen. Nur ohne Wackeln.

Fasst sich ganz anders an, ist gewöhnungsbedürftig. Manche werden wohl das Gefühl bekommen, daran fest zu kleben, wenn sie den Umschlag vorher nicht abnehmen. Es ist eine Sache der Gewohnheit. Überdies wunderschön und sehr detailliert gestaltet, passend zur Thematik des Buches und zum Spezialgebiet des Autors. Ein Schmuckstück unter den Sachbüchern.

Insgesamt, eine Leseempfehlung von mir. Am besten selbst an einem ungewöhnlichen Ort.

Autor:

Alastair Bonnett ist Professor of Social Geography an der Universität Newcastle uund Autor zahlreicher wissenschaftlicher Werke und Herausgeber der psychogeographischen Zeitschrift “Transgressions: A Journal of Urban Exploration”. Er lebt in Newcastle upon Tyne in England.

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