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Gary Shteyngart: Kleiner Versager

Kleiner Versager Book Cover
Kleiner Versager Gary Shteyngart Rowohlt Erschienen am: 16.12.2016 Seiten: 474 ISBN: 978-3-498-06432-7 Übersetzerin: Mayela Gerhardt

Inhalt:

Der kleine, schmächtige Igor wandert, siebenjährig, mit seinen Eltern von Leningrad “zum Feind” nach New york aus und nennt sich fortan Gary. Von beiden Systemen lernt er nur das Schlechteste. Kein Wunder, dass aus seinem Berufswunsch Astronaut nichts wird. Da beschließt er, wenigstens etwas Unserioses anständig zu machen: Schriftsteller! (Klappentext)

Rezension:

Der kleine Igor wächst in einer ganz normalen unnormalen russischen Familie auf, die anders ist als alle anderen. Das merkt das Kind schon früh, denn seine Familie ist jüdisch, wenn auch nicht stark religiös.

Der Vater arbeitet als Maschinenbauer, die Mutter als Schreibkraft und der an Asthma und Höhenangst leidende Junge wächst in St. Petersburg auf, mit dem Traum Astronaut zu werden. Doch zeigt er früh eine andere Begabung. Die, Schriftsteller zu werden.

Denn schon als Kind schreibt er Kurzgeschichten und einen ersten kleinen Roman, inspiriert von den Geschichten Selma Lagerlöfs. Doch, keiner außer den Lehrern kann damit etwas anfangen. Für die Eltern bleibt er liebevoll ihr “kleiner Versager”. Und schließlich wandern sie aus. Zum Feind, in eine komplett andere Welt.

Der Autor hat als Kind und später als Jugendlicher in der neuen Welt es schwer, seinen Platz zu finden. Ständig stößt er auf kulturelle Grenzen und Widersprüche zwischen den Werten seiner Familie und der Konsum- und Scheinwelt Amerikas.

Shteyngart eckt mit zunehmenden Alter immer mehr an und bringt schließlich auch das Gedankenbild seiner Eltern um die Zukunft ihres Sohnes zu Fall.

Entstanden ist eine Abrechnung mit dem Leben, mit dem Aufwachsen zwischen zwei Welten, mit seinen Eltern und nicht zuletzt mit seinem Werden als Schriftsteller.

Dies macht er ziemlich genial. Nachvollziehbar bis abstoßend, die ganze Bandbreite, schreibt er über die ersten dreißig Jahre seines Lebens bis zum Entstehen seines ersten publizierten Romans.

Auf der Suche nach sich selbst ist Shteyngart hier eine Art russisch-amerikanisch-jüdisches “Die Asche meiner Mutter” gelungen. Ein Roman, der vor nichts zurückschreckt, mal rasant ist, auf der nächsten Seite innehaltend.

Der Leser entdeckt den Mensch hinter dem Autoren und wird sich am Ende nicht sicher sein, ob er real mit ihm zu tun haben wollte oder froh ist, nur das Buch lesen zu können.

Tatsächlich sind drei Viertel des Buches mehr als wunderbar und sind für sich genau so gut wie das irische Gegenstück. Das letzte Viertel demontiert dies jedoch. Solch eine Wendung hätte ich nicht erwartet, vor allem bei einem biografischen Roman.

Wäre es umgekehrt gewesen, könnte man leicht die volle Punktzahl vergeben, schließlich wirkt der letzte Eindruck immer am längsten nach, weil sehr frisch, so aber müssen Abzüge gemacht werden. Trotzdem ist Gary Shteyngart lesenswert und das nicht nur wegen dem wunderbaren Cover.

Autor:

Gary Shteyngart wurde 1972 als Sohn jüdischer Eltern in Leningrad (St. Petersburg) geboren und emigrierte im Alter von sieben Jahren in die USA. Nach der schule studierte er am Oberlin College Politikwissenschaft und arbeitete für verschiedene Non-Profit-Organisationen in New York.

Sein Debüt als Schriftsteller gab er mit “Ein Handbuch für den russischen Debütanten” (2002), schrieb aber schon im Kindesalter Kurzgeschichten. als Reise- und Kulturjournalist publiziert er in verschiedenen New Yorker zeitschriften und Zeitungen, wie “The New Yorker” oder “The New York Times”. seine Werke sind mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem “National Jewish Book Award for Fiction”. Shteyngart lebt in New York.

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Wolfgang Hohlbein: Mörderhotel

Mörderhotel Book Cover
Mörderhotel Wolfgang Holbein Bastei Lübbe Erschienen am: 26.05.2017 Seiten: 847 ISBN: 978-3-7857-2548-1

Inhalt:

Chicago, 1893. Die neunzehnte Weltausstellung öffnet ihre Tore. Millionen Besucher strömen in die Stadt und suchen ein Hotel. Herman Webster Mudgett besitzt ein solches. es ist eines der erstaunlichsten Häuser am Platz: Es hat Falltüren, verborgene Räume, Geheimgänge, einen Foltertisch, ein Säurebad und eine Gaskammer.

Viele Menschen gingen in dieses Hotel. Nur wenige verließen es wieder. Zumindest lebend … Wolfgang Hohlbeins neuer Roman erzählt die unglaubliche, aber wahre Geschichte um einen der ersten Serienkiller Amerikas! (Klappentext)

Rezension:

Die Menschen erstaunen ob der Wunder der Technik, die das Ende des alten und den Beginn des neuen Jahrhunderts kennzeichnen. Sie strömen zur Weltausstellung in Chicago um elektrisches Licht, damals noch eine Besonderheit und andere Vorboten der Moderne zu bestaunen. Und natürlich benötigen all die Besucher eine Unterkunft.

Eine solche gibt es in einem Vorort, der wachsenden Stadt, doch ist sie mehr als außergewöhnlich. Nicht nur, dass sie beinahe leer steht, sondern mit ihrer neuartigen wuchtigen Bauweise einen zweifelhaften Ruf in der Umgebung hat, zumal dort ständig Menschen zu verschwinden schein.

Auch Arlis weiß darum und quartiert sich, auf der Suche nach ihrer Schwester zusammen mit dem Versicherungsdetektiv Geyer ein. Beide wissen nur, dass die Schwester zuletzt mit dem Besitzer des Hotels liiert war und dann spurlos verschwand.

Von den Dingen, die sich grausam hinter den Wänden des Hotels verbergen, haben sie jedoch keine Ahnung, was sich jedoch bald ändern wird.

Der Horror-Roman, neuester Streich von Wolfgang Hohlbein, hat es in sich und enthält gleich zwei Geschichten, die sich nach und nach zusammenfügen zu einer gemeinsamen handlung. Zunächst das Werden des Massenmörders Herman Webster Mudgett, den es tatsächlich gegeben hat und dessen grausame Taten hier als Vorlage dienten, zum anderen die Geschichte der Aufdeckung seiner Taten.

Wobei sich kaumk sagen lässt, welcher Handlungsstrang grausamer oder abstoßender ist. Die Figuren tragen jedenfalls nicht dazu bei, dass man diese Geschichte zu mögen beginnt, soll man vielleicht auch nicht aber ein Roman selbst dieses Genres ohne Identifikationsfigur ist schon außergewöhnlich.

Und gewöhnungsbedürftig. tatsächlich geht dies sogar so weit, dass man, wenn auch nur für wenig mehr als einen Augenblick Sympathien für den Massenmörder hegt, dem Privatdetektiv Geyer aber alles Schlechte wünscht. Auch eine Variante aber eine, die es schwer macht, dieses Geschehen durchzuhalten.

Wolfgang Hohlbeins “Mörderhotel” hat dabei keine Längen aber liest sich auch nicht gerade flüssig. Vielleicht hätte der ansonsten im fiktionalen Bereich sehr erfolgreiche Autor gut daran getan, die reale Geschichte zu recherchieren und als Sachbuch aufzuarbeiten.

Als Horror-Roman funktioniert es nur mittelmäßig, handwerklich im Stil klassischer Vorbilder, ansonsten springt der Funke (oder spritzt das Blut) hier nicht über. Dass die wenigen Morde (im Vergleich zum Versprechen des Klappentextes, an den man sich hier nicht halten sollte) sehr detailliert beschrieben werden, ist auch nicht dazu angetan, dieses Buch in einem Rutsch durchzulesen.

Nein, hier wird der Leser, der das sonst frei entscheiden kann, praktisch gezwungen ab und zu inne zu halten und an etwas anderes zu denken. Mag sein, dass dies der Stil eben ist in diesem Genre aber “Mörderhotel” ist ein Roman, der wahrscheinlich als Film sogar besser funktioniert als in schriftlicher Form. Und ob dies für ein Buch eine Auszeichnung ist, wage ich zu bezweifeln.

Es wird mein vorerst letzter Roman, vielleicht tue ich Wolfgang Hohlbein ja auch Unrecht, in diesem Genre bleiben. Vielleicht ist es einfach nichts für mich. Wobei mich die reale Geschichte, die als Vorbild diente, mehr interessiert.

Im Vergleich z.B. mit Tom Rob Smiths “Kind 44”, der dort ebenfalls eine reale Mordserie verarbeitete, fällt “Mörderhotel” leider deutlich ab. Und das bricht diesem Roman bei den Lesern, die zuerst den Krimi des englischen Schriftstellers gelesen haben, das Genick bzw. den Buchrücken. Für Wolfgang Hohlbeins Fans natürlich, wird auch “Mörderhotel” wieder eine Sternstunde des Autoren werden.

Autor:

Wolfgang Hohlbein wurde 1953 in Weimar geboren und ist ein deutscher Schriftsteller im Genre Horror, Fantasy und Science-Fiction. er gehört zu den auflagenstärksten Autoren Deutschlands. Über 43 Millionen seiner Bücher wurden bisher verkauft.

Dem in Neuss lebenden Schriftsteller gelang mit seinem Roman “Märchenmord” 1982 der Durchbruch. Schon als Jugendlicher begann er zu schreiben, lernte zunächst aber Industriekaufmann und arbeitete als Nachtwächter.

Die ersten Geschichten schrieb er unter Pseudonym. 2013/2014 wurde eine Fenrsehserie über seine Familie ausgestrahlt, die aber nach wenigen Folgen eingestellt wurde. Nach ihm wurde der Wolfgang-Hohlbein-Preis benannt.

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Henner Fürtig: Geschichte des Irak

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Geschichte des Irak Henner Fürtig C.H. Beck Erschienen am: 09.03.2016 Seiten: 224 ISBN: 978-3-406-68798-3

Inhalt:

Ist der Irak ein gescheiterter Staat? Im Norden kontrollieren die Kurden und Islamisten riesige Gebite, im Süden rivalisieren Schiiten und Sunniten um die Macht, und zwischen diesen Fronten werden Minderheiten wie Christen oder Jesiden aufgerieben.

Henner Fürtig zeigt, dass die Ursachen für diesen Zerfall historisch weit zurückliegen. Er erzählt die Geschichte des Zweistromlandes von der kolonialen Staatsgründung 1921 über die brutale Diktatur Sadam Husseins und die amerikanische Invasion 2003 bis heute und fragt nach den Chancen für eine Rückkehr zum Frieden. (Klappentext)

Rezension:

Ob der Flüchtlingsproblematik gehen Berichte, direkt über dieses Land, derzeit ein wenig unter, wobei gerade dort und in den Nachbarstaaten einige der häufigen und dringlichen Fluchtursachen zu finden sind. Das Chaos, der Terror und der Zerfall des Iraks in seine Bestandteile, je nachdem, in welchem Landesteil man sich gerade befindet und welcher Glaubensrichtung man angehört.

Die Ursachen sind historisch bedingt und liegen weit zurück. Noch vor der Staatsgründung, vor dem Zerfall des Osmanischen Reiches, in dem sich die heutigen Gebiete des Landes befanden, wurde die Saat dafür gelegt, den Staat oder was daraus einmal werden sollte, ins Chaos zu stürzen.

Henner Fürtig zeigt, welche Weichen und Blockaden im Laufe der Geschichte von einheimischen und Fremdherrschern gleichermaßen gestellt wurden, um dien Irak zu dem zu machen, was er heute ist.

Ob gewollt oder ungewollt. Der Autor differenziert zwischen Sichtweisen und Problemen, beleuchtet alle Seiten der Medaille Irak gleichermaßen und zeigt die Gründe dafür auf, dass heute dieses kulturell so reichhaltige und geschichtsträchtige Land ums Überleben kämpfen muss.

Wer die Ursachen für die heutigen Probleme des Iraks und seine Gesellschaft näher kennenlernen möchte, muss tief in die Geschichte zurückblicken. Henner Fürtig ist dies gelungen, ohne zu übertreiben, ohne zu pauschalisieren. Neutral ausgewogen und auf den Punkt genau stellt er historische Zusammenhänge leicht verständlich dar.

Ein hoch interessantes Sachbuch ist dabei entstanden über ein ebensolches Land. Der flüssige Schreibstil und die gute Recherchearbeit tragen das übriges dazu bei, diese Ländergeschichte ungeschönt, vielseitig und spannend darzustellen. Der Ausgang bleibt dabei freilich offen. Keiner weiß heute, wie sich die Situation des Irak künftig entwickeln, ja, ob der Staat überhaupt als solcher überleben oder doch noch implodieren wird.

Zu wünschen wäre es nicht, eher, dass die Menschen im Zweistromland sich auf ihre Stärken und Gemeinsamkeiten besinnen, zusammenhalten, damit die Geschichte des Irak weiter geschrieben werden kann. Henner Fürtig mit einem Beitrag, der dies außerhalb des Iraks mit diesem Buch ins Bewusstsein der Menschen rückt und damit einen wertvollen Beitrag leistet.

Autor:

Henner Fürtig wurde 1953 geboren und ist Professor am Historischen Seminar der Universität Hamburg und Direktor des GIGA Institut für Nahost-Studien. Zuvor arbeitete er am oriientalischen Institut der Universität Leipzig sowie als Projektgruppenleiter am Zentrum Moderner Orient in Berlin.

Er ist Vorstandsmitglied des European Association of Middle East Studies (EURAMES). Fürtigs aktuelle Forschungsthemen befassen sich u.a. mit Potenzen und Grenzen nahöstlicher Führungsmächte sowie dem politischen Islam und dessen Faktor im “Arabischen Frühling”. Zu diesen und anderen Themen veröffentlichte Fürtig bereits zahlreiche Bücher und Aufsätze.

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