Camilla Townsend: Fünfte Sonne

Inhalt:

Im November 1519 kommt es zur weltberühmten Begegnung von Hernando Cortes mit dem Aztekenherrscher Moctezuma. Was damals passierte und was danach geschah, ist oft erzählt worden, aber vor allem so, wie die Spanier es uns präsentiert haben. Camilla townsend stellt in ihrem glänzend erzählten, preisgekrönten Buch die faszinierende, vielschichtige Geschichte der Azteken konsequent aus deren eigener Perspektive dar. (Klappentext)

Rezension:

Der Gewinner bestimmt die Sichtweise. So war es für lange Zeit. Doch seit einigen Jahren nimmt die korrigierende Geschichtsschreibung einen immer größeren und gewichtigeren Raum ein. Das ist so in Bezug der Interpretion der Kolonialhistorie Afrikas der Fall, kürzlich auch in Blick auf Tahiti und Polynesiens geschehen. Nur konsequent ist es daher, dass nun auch die eurozentrische Sichtweise auf die Azteken und ihre Kultur korrigiert wird, zumal für das Selbstverständnis ihrer Nachfahren.

Camilla Townsend, ihres Zeichens Historikerin, widmet sich seit langem dieser Aufgabe und hat dazu die Texte studiert, die uns die Indigenen, die sich selbst Mexica nannten, studiert. Nach der Ankunft der Spanier nutzten diese das lateinische Alphabet, um ihre Geschichte in der ihnen eignen Sprache Nahuatl aufzuschreiben. Heute ergibt sich daraus das Portät einer sehr wundersamen und herausfordernden Zeit, sowie ein menschlicheres Bild als das, welches immer noch in unseren Köpfen vorherrschend ist.

Produkt dieser ausgiebigen Recherchen, die nur der Beginn weiterer Forschungsarbeiten sein können, ist das hier vorliegende sehr ausführliche Sachbuch, welches zunächst einen Einblick in das Werden der aztekischen Gesellschaft in der Zeit vor der Entdeckung durch die Europäer gibt, ihr Leben und ihre Kultur darstellt. Entlang eines Zeitstrahls werden dann erste Aufeinandertreffen geschildert, und die Neuordnung der mittelamerikanischen Gesellschaft über die kommenden Jahrhunderte.

Schnell wird klar, die Geschichte der Azteken, sie hat nie geendet. Anhand der in den von den Indigenen verfassten Texten dargestellten Personen, stellt die Autorin einen Wandel dar und zeigt, dass die Indigenen schnell die Unterschiede zwischen den Europäern und sich selbst erkannten, aber auch im Laufe von Generationen Technologien übernahmen und politische Loyalitäten neu ausrichteten, um zu überleben. Dennoch hatten die spanische Konquista und von ihr eingeschleppte, bis dahin unbekannte Krankheiten, verheerende Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Bevölkerung dort und damit auch Einfluss auf das Leben der aztekischen Gesellschaft. Auch dies wird nicht unterschlagen.

Jede Geschichte der azteken muss die erfahrungen eines einst mächtigen Volkes erforschen, das mit einer ungeheuren Katastrophe konfrontiert war und irgendwie überleben musste. Die Konquista war, trotz ihrer Bedeutung, weder ein Beginn noch ein absolutes Ende. Die Azteken lebten jahrhundertelang vor der Katastrophe und sie sind immer noch unter uns.

Camilla Townsend: Fünfte Sonne

Camilla Townsends Schilderungen sind immer dann stark, wenn sie die Perspektive bestimmter Personalbiografien einnimmt und Konfrontations- und Reibungspunkte beschreibt. Nur dort, wo uns die Texte der Mexica kaum oder nur wenig Auskunft geben können oder gar gänzlich lückenhaft sind, greift sie auf die, in manchen Teilen doch tendenziösen Hinterlassenschaften der Europäer zurück, trotzdem verliert sie nicht den Blick und kommt immer wieder sehr schnell darauf zurück, die ursprüngliche Perspektive wieder einzunehmen.

Das liest sich zuweilen ungewohnt, eröffnet jedoch eine neue Facette, die wir künftig mitdenken sollten. Die Mexica waren eben nicht nur die menschenopfernden Krieger, die alle um sie herum lebenden Völker unterdrückten, sie sind auch nicht mit dem Auftauchen der Spanier spurlos verschwunden. Im Gegenteil, es gibt sie heute noch. Über eine Million Menschen können z. B. heute noch ihre sprache verstehen und mitunter sprechen.

Zuweilen ergeben sich bei dieser Art von Darstellung Längen, was nicht nur am Schreibstil liegt, sondern auch aufgrund des durch die intensive Recherche entstandenen Detailgrads, der seines Gleichen sucht. Man muss schon den Willen und die Konzentration für die Lektüre aufbringen, wenn sie gewinnbringend sein soll, doch lohnt sich das, da Townsend auch von sehr vielen spannenden Ereignissen und Momenten dieser Geschichte zu berichten weiß.

Die „Fremdlinge für uns Menschen hier“, rücken während des Lesens aber in jedem Fall näher.

Autorin:

Camilla Townsend wurde 1965 geboren und ist eine US-amerikanische Historikerin und Professorin für Geschichte an der Rutgers University. Zunächst studierte sie am Bryn Mawr College und promovierte an der Rutgers University in vergleichende Geschichte. Von 1995-2006 lehrte sie Geschichte an der Colgate University in Hamiliton, New York und begann sich in die Sprache Nahatl einzuarbeiten.

2010 erhielt sie ein Guggenheim-Stipendium und studierte die historischen Primär- und Sekundäquellen, der in dieser Sprache von den Azteken verfassten Texte und spezialisierte sich damit auf die Historie und Frühgeschichte amerikanischer Ureinwohner, sowie die Geschichte Lateinamerikas. Ihr Sachbuch wurde 2020 mit dem Cundill History Prize ausgezeichnet.

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