Inhalt:
Koumail ist Franzose, so hat seine Ziehmutter es ihm erzählt. Zusammen fliehen sie vor den Kriegswirren des Kaukasus nach Frankreich, ins Land der Menschenrechte. Dabei hat er ein klares Ziel: seine Mutter wiederfinden. Eine lange Odyssee liegt vor ihm, doch Koumail verliert nie den Mut – und auch nicht den Glauben an das Glück. (Klappentext)
Rezension:
Ein junger Mann sitzt in der Abflughalle eines Flughafens und zieht einen Brief aus der Tasche und seinen Pass. Und erinnert sich. An seine Vergangenheit, seine Kindheit.
Koumail ist 12 Jahre alt als er auf der Flucht von der französischen Polizei aufgegriffen wird und hat für sein Alter schon eine Menge erlebt. Der Junge kennt nichts anderes als Chaos, Krieg, Hunger und die Ungewissheit, wie der nächste Tag sein wird, doch eigentlich sollte ihn das nicht schrecken.
Denn, eigentlich heißt er ja Blaise, Blaise Fortune und ist Bürger der französischen Republik. Doch, seine Kindheit liegt in den Kriegswirren des Kaukasus, eine Region, die man nicht verstehen kann, die er nicht verstehen muss, so seine Ziehmutter Gloria, die sich um ihn kümmert, ihn antreibt und Hoffnung gibt, dass sich eines Tages alles ändern wird, wenn sie es schaffen vor den Milizen zu fliehen.
Dann ist Gloria plötzlich verschwunden und er allein. Zum ersten Mal hat Koumail/Blaise das Gefühl, von seinem Glück in Stich gelassen worden zu sein. Eine anrührende geschichte von brutaler Aktualität ist das, was uns hier Anne-Laure Bondoux vorlegt. Eine Geschichte, die für Kinder und Jugendliche geschrieben wurde, um die Problematik begreifbarer zu machen. Falls das überhaupt möglich ist.
Und sie spricht ein Thema an, welches in den Debatten über Flüchtlingszahlen, Quoten und Unterkünften untergeht und mehr Beachtung finden muss. Egal welcher Konflikt, egal wer die Flüchtlinge sind, am meisten leiden Kinder darunter, die viel zu schnell erwachsen werden müssen und um ihre Unbekümmertheit betrogen werden.
Weil die Erwachsenen Konflikte auf ihren Rücken austrägt. Und so gibt es dann auch immer Kinder, die Eltern verlieren, die nur Krieg kennenlernen und gar unbegleitet flüchten müssen. In der Hoffnung, dass sich ihrer jemand annimmt. Auf der Flucht und irgendwann im fernen Zielland.
Traumatisch und nichts beschönigend, aus Kinderaugen, schildert Anne-Laure Bondoux ein Kinderschicksal, wie es sich zu allen Zeiten, in allen Krisenregionen der Welt abspielen könnte. Ja, gerade jetzt hundertfach abspielt. Und jetzt. Und jetzt. Und in Zukunft.
Dieser kleine Roman ist eine Mahnung an die Erwachsenen, was sie mit ihren Konflikten gerade den jungen Menschen auf dieser Welt antun und ein Fingerzeig auf die Scharfmacher, die zu gern Zahlenspiele und Schreckenszenarien durchspielen, den einzelnen Menschen dahinter nicht sehen. Eine Mahnung, einmal inne zu halten und mehr „Zeit der Wunder“ zu zulassen, gerade die Jüngsten unter den Flüchtlingen aufzunehmen und willkommen zu heißen.
Der Schreibstil lässt flüssiges Lesen zu, ist einfühlsam und ehrlich. Nichts wird beschönigt. Bondoux lässt aber dem Protagonisten den Glauben an eine bessere Zukunft und dem Leser das Gefühl, dass es wichtig ist, nie aufzugeben und immer zu hoffen.
Ein Roman zu einer schwierigen Thematik und dennoch überwiegend positiven Grundstimmung, bei der man nicht umhin kann, den Protagonisten Koumail/Blaise ins Herz zu schließen. Zwar weiß man schon am Anfang die Lösung, doch der Weg Koumails ist hier das Ziel und um so beeindruckender dargestellt.
Natürlich ist es eine erfundene Geschichte, doch sie findet so oder ähnlich praktisch täglich statt. Sollte nicht dafür gesorgt werden, dass diese einen positiven Ausgang finden?
Autorin:
Anne-Laure Bondoux wurde am 23. April 1971 in Box-Colombes, Frankreich, geboren und ist eine französische Schriftstellerin. Sie studierte Moderne Literaturwissenschaften und arbeitete seit 1996 für verschiedene Literatur-Fachzeitschriften.
Seit 2000 ist sie selbstständige Autorin und setzt sich für die Förderung von Lesen und Schreiben bei verhaltensauffälligen Kindern ein und veranstaltet für diese Schreibwerkstätte. Ihre Werke wurden mehrfach übersetzt und vielfach ausgezeichnet.