Therapie

Karoline Klemke: Totmannalarm

Inhalt:

Herr Matzke vergewaltigt fünf Frauen, sitzt seit dreißig Jahren in Haft, fühlt sich aber unschuldig. Herr Knieriemen missbraucht seine kleine Nichte. Er genoss ihn, diesen Moment, in derm er endlich selbst ohne Angst sein konnte. Frau Krüger, die ihr Baby, den kleinen “Murkel”, totgeschlagen hat, will nie wieder Opfer sein – auch nicht hinter Gittern.

Meisterhaft erzählt die forensische Psychologin und Psychotherapeutin Karoline Klemke von erschütternden Begegnungen im Maßregelvollzug. Die Geschichten führen die Brutalität und die beweggründe der Täter vor Augen. Sie spiegeln aber auch, wie die Psychotherapeutin um Kontrolle kämpft und um Fassung ringt – im festen Willen zu helfen. Intensive Einblicke in eine geschlossene Welt. (Klappentext)

Rezension:

In den Welten zwischen Realität und Fiktion gelingt der Spagat häufig genug nicht. Gerade bei sehr sensiblen Themen scheitern Schreibende oft genug und kippen entweder zu sehr ins Kitschige oder aber wirken so abgehoben, dass die Lektüre kaum mehr möglich ist. Die Psychotherapeutin Karoline Klemke hat sich dennoch daran gewagt, eine für die Mehrheit der Gesellschaft vorwiegend im Dunklen liegende Thematik diese zugänglich zu machen. Herausgekommen dabei ist das Gegenteil eines literarischen Sachbuchs, über die Abgründe in den Köpfen hinter Gittern.

So schwer wie die Zuordnung des Genres fällt, so ist auch das Erzählte kaum verdaulich. Die Autorin nimmt uns mit in eine abgeschlossene Welt der Mörder, Sexualstraftäter, die aus unterschiedlichsten Beweggründen heraus ihre kaum in Worte zu fassenden Taten begangen haben, zu denen jene Zugang finden müssen, die darüber entscheiden, wie viel Menschsein noch in diesen steckt und wer vielleicht noch eine Chance auf ein Leben da draußen hat, ohne erneut eine Gefahr für die Gesellschaft zu sein.

Da die Realität manchmal zu grausam ist und ja, auch weil die Arbeit mit Patienten gewissen Richtlinien unterliegt, wird fiktionalisiert und so liegt hier ein Roman vor, der abgeändert von den Erfahrungen der Autorin mit ihrer Arbeit erzählt, in Form der Gestalt der fiktiven Psychotherapeutin Christiane Richter, die frisch aus dem Studium ihre Arbeit im Maßregelvollzug aufnimmt. Künftig soll auch sie entscheiden, bei wem Chancen auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft bestehen und wie dies zu bewerkstelligen ist. Doch wie macht man das, immer einen Finger in der Nähe des Alarmknopfs haltend?

Lesend hangeln wir uns von Fall zu Fall, dringen in die Köpfe derer ein, denen wir nie begegnen wollen und erleben gleichzeitig sowohl bei diesem das Wechselbad der Gefühle als auch bei der Hauptprotagonistin selbst, die von Seite zu Seite mehr Konturen bekommt. Anfangs blass und unsicher wirkt die Figur immer mehr fassbar, doch steigert sich damit auch die Fallhöhe für den Charakter, der merkt wie er selbst von dieser Tätigkeit verändert wird. Immer wieder steht die Frage im Raum: Wie hält man das nur aus?

Die einzelnen Fälle sind sehr kompakt, kapitelweise dargestellt, zudem verwoben mit den privaten Herausforderungen der Protagonistin, die schon bald auch außerhalb ihrer Arbeit glaubt, der berufliche Blick verändere die Wahrnehmung. Gerade in der Ausformulierung dieser und anderer Kippmomente liegt die Stärke der Autorin, die permanent trotz relatiiv ruhigem Erzähltempo die Spannung hochzuhalten versteht.

Der Part der Antagonisten ist von Beginn an klar, hier ist die Veränderung zum Guten oder zum noch Schlechteren, die Spiegelung des Gegenübers und die Reaktion sehr interessant, übrigens auch in dem Sinne, was das mit jenen macht, die das Buch zur Hand nehmen. Sind bestimmte Reaktionen aus ihrer Sicht heraus nicht logisch und folgerichtig, so schlimm die Konsequenzen auch sind? Stimmt man nicht hier und da überein, würde man sich in die einzelne Figur hineinversetzen? Diese Gedanken bleiben, so schnell wie sie kommen, im Halse stecken. Allein, dass die Autorin sie heraufbeschwören kann, zeigt ihre Erzählkunst.

Handlungsort bedingt könnte das ganze an ein Kammerspiel erinnern. Nur der Humor fehlt, tatsächlich ist sehr viel Sachkenntnis in den Roman eingeflossen. Unweigerlich wird man sich fragen, welche der Geschichten wahr sind, welche erfunden, welche details verändert wurden, um ein Thema zu fassen, welches einem sonst durch die Finger rinnt. Wer weiß sonst schon, wie die Arbeit mit Straftätern aussieht, welche Ziele erreichbar sind und was passiert, wenn das Schlimmste eintritt, was man sonst zu verhindern sucht?

Immer ist es dieses Gegenüberstellen der Protagonistin mit zumeist einer anderen Figur, Rollenverteilung ohne Zweifel. Ersterer wird, wie in der Realität der aktive Part in diesem Roman seit. Der Informationsstand von uns Lesenden ist stets der gleiche, aber eben auch das Umhergeworfen werden, welches um so heftiger wird. Auf Überraschungsmomente ist man gefasst und wird dennoch von ihnen überrumpelt. Der Roman beleuchtet einige sehr interessante aspekte der therapeutischen Arbeit unter erschwerten Bedingungen, immer wieder durchsetzt von Zeitsprüngen und Rückblenden, die eine ganz eigene Dynamik entwickeln.

Man gewinnt ein klares Bild davon und ist am Ende heilfroh, sich nicht näher damit beschäftigen oder konfrontieren zu müssen. So sehr zieht die Erzählung Karoline Klemkes einem in den Bann, so real wirkt der Schauplatz, der zum Hauptteil das kleine Büro der Protagonistin ist.

Zwischen der Kriminalliteratur und spannenden, oft genug effekthaschender True Crime Büchern, dazu noch Romanen, steht “Totmannalarm” irgendwie dazwischen und doch außerhalb, wozu nicht nur die Sachkenntnis der Autoerin beiträgt, was das ganze lesenswert macht, wenn man sich an die Lektüre denn heran traut. Wer das tut, denkt jedoch über die Arbeit von Psychotherapeuten hinterher anders, kann sogar vielleicht einzelne Entscheidungen nachvollziehen, wie sie zustande gekommen sind, was vorher so nicht möglich war. Wenn nur ein Bruchteil dieser Zeilen davon solch eine Wirkung erzielt, hat sich die Lektüre schon gelohnt.

Autorin:

Karoline Klemke wurde 1973 geboren und ist eine deutsche Psychologin und Psychotherapeutin. Nach dem studium betreute sie obdachlose jugendliche und arbeitete von 2002-2007 in einer Klinik für Forenische Psychiatrie. Nach ihrer Approbation als Psychologische Psychotherapeutin wurde sie für kriminalprognostische Gutachten herangezogen und arbeitete mit Gruppen im Bereich Verhaltenstherapie. Seit 2011 betreibt sie eine psychotherapeutische Praxis in Berlin, war zudem als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forensisch-therapeutischen Ambulanz der Berliner Charite tätig. Dies ist ihr erster Roman.

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Karoline Klemke: Totmannalarm Read More »

Donald Antrim: An einem Freitag im April

Inhalt:

Ein schonungsloser ehrlicher Bericht über Todesnähe als Lebensbegleiter: Donald Antrim beleuchtet Tragödie und Stigma des Suizids und bietet Trost, der Leben retten kann. (Klappentext)

Rezension:

Hinterher weiß Donald Antrim nicht einmal mehr, was ihn diesmal angetrieben hat, die Feuertreppe seines Hauses hochzusteigen. Prüfend tritt er ans Geländer, um in den Abgrund zu schauen. Er hält sich fest, um loszulassen. zumindest mit einer Hand, die dann doch wieder den sicheren Halt sucht. Wie wird es sein, das Sterben? Wird es schmerzhaft werden? Spürt man nichts? Wird Antrim es bereuen, in den Sekunden zwischen Leben und Tod, diese Entscheidung getroffen zu haben? An diesem Tage wird er es nicht erfahren. Aus irgendeinem Grund entscheidet er sich um, geht zurück in seine Wohnung. Ein langer, steiniger Weg über Klinikaufenthalte und Therapien folgt diesem Ereignis, ebenfalls nur ein trauriger Punkt in seinem Leben, zudem der Suizid schon lange gehört.

Wir sagen auch, dass wir das wollen, aber stimmt das auch?

Donald Antrim: An einem Freitag im April

In einer Mischung aus Essay und bericht beschäftigt sich der amerikanische Autor mit Suizid als Prozess. Als solchem sieht er das, was auch Freitod, Selbstmord oder Selbsttötung genannt wird und oft nur den eigentlichen Schlusspunkt meint. Doch ist es das oder vielmehr eine Krankheit, die die Betroffenen zu einer an sich selbst grausamen oder erlösenden, auch das je nach Blinkwinkel, Handlung bringt. Er stellt dar, wie es ist, mit diesem Gefühl zu leben, sich ein Ende zu wünschen oder darauf meinen hinwirken zu müssen. Doch durchzieht den Bericht auch Hoffnung.

Wenn man beispielsweise sagt, Suizidanten seien von Natur aus impulsive Menschen, unterschlägt man die Stunden, Monate und Jahre der Angst und des körperlichen Niedergangs, der Furcht und scheinbaren Resignation, mit denen wir in den Tod gehen. Oder vielleicht halten wir den Katatoniker für antriebslos und verstehen nicht die Qual, das Gefühl, dass der Körper irgendwie vibriert, die Paralyse. Der Mann auf der Brücke hockt vielleicht stundenlang am Geländer, starrt nach unten und hat zugleich Angst davor, hinzusehenn. Die Frau in den Wellen plantscht nicht ins Meer hinaus, sondern geht eher langsam, bis sie untertaucht.

Donald Antrim: An einem Freitag im April

Klar wägt Antrim ab. Es ist ein ruhiger Text, immer wieder sich selbst prüfend. Wenn ein steiniger Weg ins Unausweichliche führt, kann man auch abbiegen und den Teufelskreis durchbrechen? Der Autor hat das versucht, wollte sich helfen lassen. Dieser Weg ist noch mehr von klippen und spalten durchzogen, Umwegen und Rückschlägen. Er berichtet von seinem Weg, ohne außer Acht zu lassen, dass dieser ihm geholfen hat und für andere etwas anderes gelten mag.

Die Paralyse des Suizids ist keine Apathie oder Stille. Wir fühlen uns eingekapselt, irgendwie eingeengt. Unsere Körper könnten zerbrechen, oder etwas außerhalb von uns wird zerbrechen. Was wird zerbrechen?

Donald Antrim: An einem Freitag im April

Donald Antrim bricht das Schweigen über ein Tabuthema, welches viel öfter zur Sprache kommen sollte, um Zugang zu den Betroffenen zu finden, vielleicht einen Weg, sie aus diesem Teufelskreis herauszunehmen und in Sicherheit zu halten. In einer Mischung aus biografischen Rückblicken, Verarbeitung und nüchternen Bericht ist der Text keine leichte Kost.

Förmlich spürt man die bleierne Last, die dem Autoren die Luft zum Atmen genommen hat. Man muss dann beim Lesen innehalten, blättert zurück, liest einzelne Abschnitte nochmals und fragt sich unweigerlich, wie man selbst in dieser Situation gehandelt hätte. Wäre man stark genug für eine Therapie? Was passiert bei einem Rückschlag? Würde man sich helfen lassen (wollen)? Wann wäre der Punkt überschritten, an dem es kein Zurück mehr gäbe? Glücklich, wer sich damit noch nie beschäftigen musste. Für die an Suizid leidenden (bleiben wir bei der Betrachtung als Krankheit statt Schlusspunkt) ein tägliches Abwägen. Wann gewinnt was die Oberhand?

Ich bin der Überzeugung, dass Suizid eine Entwicklungsgeschichte ist, ein Krankheitsprozess, keine Handlung oder Entscheidung, kein Entschluss oder Wunsch. Ich verstehe Suizif nicht als Reaktion auf Schmerz oder als Botschaft an die Lebenden – zumindest nicht nur.

Donald Antrim: An einem Freitag im April

Als Teil der Verarbeitung und Enttabuisierung ein notwendiges und wichtiges Schriftstück, wirbt Antrim für diesen Blickwinkel. Vielleicht sollte man aber wirklich gefestigt sein, um diesen Text lesen zu können. Schließlich ist der so stark wie die Thematik selbst.

Autor:

Donald antrim wurde 1958 geboren und ist ein US-amerikanischer Autor. Nach einem Studium an der Brown University veröffentlichte er 1993 seinen ersten Roman, dem weitere folgten. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Heyden Fellow for Fiction an der American Academy in Berlin. 2013 erhielt er den MacArthur Fellowship. Er lehrt Literatur an der Columbia University.

Donald Antrim: An einem Freitag im April Read More »

Uma Ulrike Reichelt: Schnell & sicher ins Burnout

Schnell & sicher ins Burnout Book Cover
Schnell & sicher ins Burnout Uma Ulrike Reichelt dielus Verlag Erschienen am: 06.11.2017 Seiten: 183 ISBN: 978-3-9818928-4-0

Inhalt:

Überlastungssyntome befinden sich auf den Vormarsch und sind heute fast überall anzutreffen. Viele Menschen leiden darunter und gehen den Weg ins Burnout oft unbewusst. Doch, der hat klare Gesetzmäßigkeiten.

Wie sie funktionieren, und worauf man achten sollte, stellt Uma Ulrike Reichelt auf amüsante und anschauliche Weise dar. Mithilfe funktionierender Instrumente und Verhaltensstrategien können wir entspannter, glücklicher und vitaler werden und so den Weg ins Burnout verhindern. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Um im Bereich der psycholgischen Stress-Bewältigungsliteratur aufzufallen, die sowohl esoterischen Nonsens als auch psychologisch interessante Ansätze vorstellt, mit dieser Thematik umzugehen, braucht es heute offenbar einen witzigen, fast schwarzhumorigen Titel.

Wie sonst könnte man die Überschrift “Schnell & sicher ins Burnout” erklären, die sich entweder die Autorin oder der Verlag dielus einfallen lassen hat? jedenfalls fällt dieses Buch alleine schon wegen der umgekehrten Aussage auf, die einem sugguriert und zunächst erklärt, wie man in dieses Stresssyndrom fällt, um erst am Ende die situation umzudrehen, zu zeigen, was man tun kann, um genau das zu verhindern.

Zielgruppe sind alle Leser, die am Rande einer nicht mehr zu bewältigenden lebensphase stehen und damit drohen, ins Burnout zu kippen oder Menschen, die schon mittendrin sind, und keinen Ausweg mehr wissen.

Auf amüsante Weise, ohne viel Fachchinesisch zu verwenden und mit einprägsamen Skizzenbildern stellt die Autorin dar, welche Faktoren uns Richtung Gesellschaftskrankheit Burnout treiben, wie man sie beeinflussen und schließlich zum Guten wenden kann.

Anfangs ebenfalls, für meinen Geschmack, etwas zu esoterisch, bewegt sich der Inhalt nur langsam in eine annehmbare und glaubhafte Richtung. Tatsächlich kann die gewissenhafte und regelmäßige Anwendung der vorgestellten Techniken helfen, den Alltag zu bewältigen und eben nicht in einen Burnout zu geraten.

Doch, hier taucht schon das erste und überhaupt größte Problem auf, warum’s dann eben doch nicht funktioniert. Wer kauft sich denn dieses Buch? Menschen, die kurz vor eben einen Burnout stehen oder mittendrin sind, doch haben die die Kraft dazu, ohne therapeutischer, und damit meine ich menschlicher, Hilfe aus dieser Situation herauszufinden?

Ich glaube nicht. Dazu sind diese Menschen einfach zu kraftlos, um auch noch den letzten Rest an Energie unter Selbsttherapie anzuwenden. Nein, wer schon einmal im Burnout drinnen steckt, der braucht auch die menschliche Unterstützung. Ein Buch oder ein Online-Kurs werden alleine kaum helfen, was aber genau durch solche Literatur Gefahr ist, suggeriert zu werden.

Wie es allerdings aussieht, wenn Therapeuten diese Ansätze nutzen, um Menschen zu helfen, ist eine andere Frage. Da kann ich mir schon vorstellen, dass die Anwendung der “fünf Glücksgesetze” helfen können, wenn man die Behandlung individuell anpasst, doch ohne medizinisch-psycholgisch professionelle Hilfe halte ich es für sehr schwierig.

Anders widerum sieht es aus, wenn man dieses Buch sicbh vornimmt, wenn man eben noch nicht im burnout ist, sondern relativ glücklich und mit sich im Reinen ist. Reichelts Vorgehensweise kann helfen, erst gar nicht in so eine Situation zu kommen, in der sie selbst 2003 geraten ist.

Übrigens eines der Plus, die die Autorin vorzuweisen hat. Sie schreibt aus der eigenen Erfahrung heraus, stellt zudem klar, dass es kein allheilmittel und keinen einzigen Weg gibt, sondern viele Wege und Komponenten eine Rolle spielen.

Man neigt jedoch ganz schnell dazu, eine andere problematische Situation, dazu, dieses Buch nur oberflächlich und quer zu lesen, gerade aufgrund der vielen grafischen Darstellungen, die bei Anwendung vielleicht helfen können, aber gerade wer sich gesund fühlt, wird dem Text dann auch nicht so viel Aufmerksamkeit schenken, wie man sollte.

In sofern, zweischneidiges Schwert, weshalb ich mich nicht entschließen kann, hier uneingeschränkt fürzusprechen. Mit therapeutischer Hilfe kann ich es mir vorstellen, alleine zu versuchen, es sei denn man ist schon gesund und eben nicht im Burnout, sein Leben danach auszurichten, stelle ich es mir schwierig vor. Trotzdem, nachdenken darüber lohnt sich.

Autorin:

Uma Ulrike Reichelt wurde 1971 in leipzig geboren und studierte Architektur. Nach ihrem Zusammenbruch 2003 bildete sie sich in Psychologischer Klopfakupressur, Kinesiologie und u.a. in Energetischer Medizin weiter, und gibt heute Kurse für Einzelpersonen, Gruppen und Unternehmen in Stressabbau, Krisenbewältigung, Burnout-Prophylaxe für Unternehmen und Stress- und Krisenmanagement für besonders gefährdete Berufsgruppen. Zusätzlich zu persönlichen Kursen bietet sie Literatur und einen Online-Kurs zur Stressbewältigung an.

Uma Ulrike Reichelt: Schnell & sicher ins Burnout Read More »

Franziska Seyboldt: Rattatatam, mein Herz

Rattatatam, mein Herz Book Cover
Rattatatam, mein Herz Franziska Seyboldt Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 11.01.2018 Seiten: 253 ISBN: 978-3-462-05047-9

Inhalt:

„An guten Tagen wache ich auf und bin eine Schildkröte. Dann spaziere ich bepanzert bis an die Zähne durch die Straßen. Tunnelblick an und los. An schlechten Tagen wache ich auf und bin ein Sieb.

Geräusche, Gerüche, Farben plätschern durch mich hindurch wie Nudelwasser, ihre Stärke bleibt an mir kleben und hinterlässt einen Film, der auch unter der Dusche nicht abgeht. Ich taumele durch den Tag, immer auf der Suche nach etwas, woran ich mich festhalten kann.“ (Klappentext)

Rezension:
Wovor hatten Sie zuletzt Angst? Vor dem kläffenden Nachbarshund, den der Besitzer scheinbar nicht unter Kontrolle hat? Vor der Spinne, die sich gemächlich von der Zimmerdecke direkt vor ihrer Nase abseilt?

Vor zu engen, kleinen Räumen oder davor, vor vielen Menschen eine Rede halten zu müssen? Ängste, Phobien gibt es in den vielfältigsten Formen und Ausprägungen. Nahezu vor allen Dingen kann man Abneigungen entwickeln.

Was aber, wenn die menschliche Antenne, die uns vor Überreaktionen normalerweise schützt, nicht mehr funktioniert? Was, wenn plötzlich unser größter Alptraum überhand und die Angst in unseren Körpern einzieht und nicht mehr loslässt?

Franziska Seyboldt hat über ihre Erfahrungen, ihren Kampf mit ihrer Angst geschrieben. Entstanden ist eine spannende Auseinandersetzung, ein Dialog mit der Psychose und ein Kampf, ein selbstbestimmtes Leben zurück zu gewinnen.

„Rattatatam, mein Herz“, ist kein Ratgeber, soll es auch nicht sein, sondern Seyboldts Weg, ihre Ängste zu bekämpfen. Dies tut sie erfolgreich und beschreibt innere Auseinandersetzungen so amüsant wie möglich, so ernst wie nötig und gibt sich damit der Öffentlichkeit preis, dem Problem ein Gesicht.

Dies ist die Stärke des Erfahrungsberichts, der den steinigen Weg aufzeigt, mit welchen Schwellen Betroffene zu kämpfen haben, welche Rückschläge sie hinnehmen müssen, bis sie erste Erfolge wahrnehmen können.

Es ist ein unscheinbar daherkommendes Schriftstück, welches einen um so größeren Eindruck beim Leser hinterlässt, ohne die Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit von Ratgebern zu beinhalten, die die Einfachheit vorgaukeln, einen Weg in ein Leben ohne Ängste zu finden.

Franziska Seyboldt zeigt, warum Ängste zu ihren und unseren Leben gehören, auf welche Probleme sie für sich gestoßen ist und dass Anerkennung gerade dort ist, wo man sich zu seinen Ängsten bekennt und sich anderen mitteilt.

Sie zeigt, warum die Hilfe anderer wichtig sein und dass es mitunter sehr langwierig werden kann, bis sich die Angst selbst entlarvt. Das beeindruckende Portrait einer Frau, die sich lange von ihren Phobien unterkriegen lassen hat, ihre Angst am Ende jedoch besiegt.

Für alle Betroffenen und solchen, die verstehen wollen, eine beeindruckende Lektüre.

Autorin:
Franziska Seyboldt wurde 1984 geboren und studierte nach der Schule Modejournalismus und Medienkommunikation in Hamburg. Seit 2008 lebt und arbeitet sie in Berlin.

Als Autorin und Redakteurin schreibt sie Artikel für die taz und schreibt ihre eigene Kolumne über psychische Erkrankungen. Sie ist Autorin mehrerer Bücher für Kinder und Erwachsene. Dies ist ihr drittes Buch.

Franziska Seyboldt: Rattatatam, mein Herz Read More »

Sebastian Fitzek: Flugangst 7A

Flugangst 7A Book Cover
Flugangst 7A Sebastian Fitzek Droemer Knaur Erschienen am: 25.10.2017 Seiten: 394 ISBN: 978-3-426-19921-3

Inhalt:

Es gibt eine tödliche Waffe, die durch jede Kontrolle kommt. Jeder kann sie ungehindert an Bord eines Flugzeugs bringen.

Ein Nachtflug Buenos Aires – Berlin.

Ein seelisch labiler Passagier.

Und ein Psychiater, der diesen Passagier dazu bewegen soll, die Maschine zum Absturz zu bringen – sonst stirbt der einzige Mensch, den er liebt.

(Klappentext)

Rezension:
In einer schmalen Röhre in mehreren zehntausend Metern Höhe eingesperrt zu sein, gehört gewiss nicht zu den Lieblingszuständen, denen man ausgesetzt sein möchte. Nicht wenige Menschen leiden gar unter einer Phobie, die dies zu einem unerträglichen Erlebnis werden lässt.

Und doch, Mats Krüger, selbst erfolgreicher Psychiater, begibt sich auf die Reise von Buenos Aires nach Berlin, um dort den Kontakt zu seiner Tochter wieder aufzunehmen, die ihr erstes Kind erwartet. Nicht ahnend, dass mit Schließen der Flugzeugtür eine Kettenreaktion in Gang gesetzt wird, in der er eine Schlüsselrolle spielt.

Über einen Anruf wird er aufgefordert, einen ehemaligen Patienten an Bord zu finden und zu aktivieren. Als psychische Bombe für hunderte Passagiere. Ansonsten sterben seine Tochter und das noch ungeborene Kind eines qualvollen Todes.

Wo ist eigentlich der sicherste Platz im Flugzeug, wo der, der statistisch die meisten Todesopfer zu verzeichnen hat? Haben Sie sich das nicht nicht auch schon mal gefragt? Sind Sie eher der Typ Mensch, der die Sicherheitsunterweisungen mit Augenrollen über sich ergehen lässt oder hören Sie tatsächlich hin?

So oder so, der neue Psychothriller von Sebastian Fitzek ist nichts für schwache Nerven. Im gewohnten Schreib- und Erzählstil schafft es Fitzek hier mehrere gesellschaftlich kontrovers diskutierte Themen zu bündeln und in einer spannnenden Geschichte zu verankern.

Die Charaktere glaubwürdig, erlebt der Leser einen stetigen Perspektivwechsel, der mal in die Luft geht, mal am Boden spielt und ein sich haltender Spannungsaufbau, der so typisch für die Werke von Fitzek ist.

Klar und bündig formuliert, wechseln sich die kurzen Kapitel ab, gute Recherchearbeit im Bereich Psychotherapie und Flugzeugbetrieb runden die Geschichte ab. Auch die Auflösung ist nicht ganz so chaotisch, wie es bei vergangenen Thrillern Fitzeks oft genug der Fall war.

Für zartbesaitete Leser ist “Flugangst 7A” mit Vorsicht zu genießen, alle anderen sollten sich während des Lesens anschnallen. Turbelenzen gibt es ganz sicher.

Mit dieser Geschichte bewegt sich Sebastian Fitzek wieder ein kleines Stück zum klassischen Psychothriller, der es in sich hat.eine unbesdingte Lesempfehlung, aber bitte vorher darauf achten, wo man sich hinsetzt. es könnte lebenseintscheidend sein.

Gestaltung:
Für die Erstauflagen der Bücher von Sebastian Fitzek lohnt es sich, einen extra Punkt aufzumachen. Alleine hierfür die Höchstwertung.

Ein Umschlag, der sich glatt rutschig anfassen lässt, wie die Außenhaut eines Flugzeuges, darunter verborgen, eine hochwertige, das ganze Format einnehmende Lentikularfolie.

Umgangssprachlich auch “Wackelbild” genannt. Eine verlegerische Entscheidung, die das Leseerlebnis nicht nur auf die Geschichte beschrränkt hält, sondern das ganze Buch zum Erlebnis werden lässt. Hochachtung, vor den jenigen, der diese Idee hatte.

Autor:
Sebastian Fitzek wurde 1971 geboren und ist Deutschlands erfolgreichster Autor für Psychothriller. 2006 erschien sein Debüt “die Therapie”, welches über Internet-Empfehlungen hinaus zum Besteller avancierte.

Inzwischen werden seine Thriller auf Theaterbühnen aufgeführt, einer seiner Werke wurde bereits verfilmt. Eine weitere Verfilmung wird derzeit produziert. Seine Werke werden in 24 Sprachen übersetzt.

Als erster deutscher Autor erhielt er den Europäischen Preis für Kriminalliteratur. Fitzek lebt mit seiner Familie in Berlin.

Sebastian Fitzek: Flugangst 7A Read More »

Maia Szalavitz: Clean – Sucht verstehen und überwinden

Clean - Sucht verstehen und überwinden Book Cover
Clean – Sucht verstehen und überwinden Maia Szalavitz mvg Verlag Erschienen am: 11.09.2017 Seiten: 416 ISBN: 978-3-8688-28504 Übersetzer: Martin Rometsch

Inhalt:

Alkohol, Drogen, verschreibungspflichtige Medikamente, Sex, Glücksspiel, Pornografie oder das Internet – heute gibt es mehr Menschen denn je, die von einer Sucht betroffen sind. Doch trotz der hohen medialen Aufmerksamkeit beruhen unser Erklärungsansatz und unsere Therapiemethoden auf veralteten Ideen und Annahmen.

Mit ihrem New York Times-Bestseller bietet Maia Szalavitz einen Denkansatz, der Sucht völlig neu definiert. Sie widerlegt, dass Süchtige ein »kaputtes Gehirn« oder eine »Suchtpersönlichkeit« haben, und betrachtet Süchte stattdessen als Entwicklungsstörungen.

Indem wir Sucht auf diese Weise betrachten, können wir nicht nur die Fehler herkömmlicher Therapiemethoden erkennen, sondern finden auch bessere Alternativen.

Es sind die persönlicheGeschichte, die Familie, Freunde, die Kultur sowie Chemikalien in der Umwelt, die eine Sucht auslösen. Wenn wir verstehen, wie diese Faktoren zusammenspielen und die Krankheit ausgelöst haben, liegt darin auch der Schlüssel zur Heilung. […] (Verlagstext)

Rezension:

Was wäre, wenn Drogen nicht mehr verteufelt, sondern, wie in Ansätzen in Neuseeland oder in den Niederlanden als Produkt der Gesellschaft und Bestandteil des menschlichen Lebens angesehen werden würde?

Was wäre, wenn wir uns darauf konzentrieren würden, Drogensüchtige nicht mehr als “nur” krank oder gar kriminell einzustufen, sondern als individuelle Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten, als Personen mit Potential, denen man nur verschiedene Alternativen anbieten muss, zu denen sie nicht gezwungen werden dürfen, sondern, aus denen sie selbst wählen können, mit Setzung individueller Ziele?

Was wäre, wenn Therapien nicht mehr auf Zwängen bassieren würden, sondern auf Wertschätzung des Individuums?

Maia Szalavitz, selbst jahrelang drogensüchtig, engagiert sich für eine moderne Drogenpolitik, die sich auf die neuesten Forschungsergebnisse stützt, noch immer viel zu zögerlich angewandt wird, während die restriktive Politik der Kriminalisierung seit Jahrzehnten die verlierer unserer Gesellschaft produziert.

Herausgekommen dabei ist ein interessanter Denkansatz, den es zu diskutieren gilt.

In “Clean – Sucht verstehen und überwinden”, beschreibt die Autorin, gestützt auf eine breite Quellenlage aus Forschungsberichten und gesammelten Erfahrungen von Süchtigen, nicht zuletzt ihrer eigenen, Zusammenhänge des Gehirns und daraus entstehende Folgerungen. Wie entsteht Sucht? Was ist das überhaupt?

Kann Sucht erlernt, und im besten Falle wieder umgelernt werden? Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischend en chemischen prozessen im Gehirn eines Autisten und eines Süchtigen? Kann letzterer von dessen Erfahrungen profitieren?

Wo wirken heute noch gesellschaftliche Schranken so, dass sie die Sucht, worin auch immer sie besteht,. eher fördern als therapieren? Ist Therapie überhaupt ein richtiger Ansatz oder sollten wir uns hier nicht die Grundsätze moderner Pädagogik zu Eigen machen?

Aufgelockert durch ihre persönlichen Erfahrungen gelingt es der Autorin selbst schwierige Zusammenhänge für Laien verständlich zu erklären und die Welt der Süchtigen für “Gesunde” verständlich zu beschreiben.

Sachbücher in diesem Bereich haben oft den Nachteil entweder zu kompliziert oder zu einseitig zu bleiben, und wenn ein Überblick gegeben wird, ist dieser so grob, dass man darauf nichts weiter aufbauen kann. Ganz anders dieses Sachbuch, welches Szalavitz mit viel Engagement für die Thematik verfasst hat.

Gestützt auf einem breiten wissenschaftlichen Fundament argumentiert sie für mehr Menschlichkeit und Positivität im Umgang mit Suchtkranken, speziell im Bereich Drogen und gibt neue Denkansätze, über die es sich zu diskutieren lohnt.

Selbst, wer nicht mit allen Thesen der Autorin übereinstimmt, wird zukünftig über die Betroffenen anders denken als zuvor. Gesellschaftlich hat der in “Clean – Sucht verstehen und überwinden”, beschriebene Ansatz noch keine Mehrheit, findet aber aus guten Gründen auf der ganzen Welt im wissenschaftlichen, medizinischen und therapeutischen Bereich immer mehr Anhänger.

Ansätze dafür sind in einigen Städten Amerikas, in Skandinavien, Neuseeland oder den Niederlanden bereits vorhanden und werden immer weiter ausgebaut.

Das Plädoyer von Maia Szalavitz stützt dies und steht ein für Mut, überholte Behandlungssysteme zu durchbrechen und einem freundlicheren Umgang mit den Betroffenen, diesen eine neue Chance zu geben.

Trotz Längen, in diesem Bereich eines der Bücher, welches man auf den Schirm haben sollte.

Autorin:

Maia Szalavitz ist eine der führenden amerikanischen Journalistinnen, in der Theamtik Sucht udn Drogen. Ihre Arbeiten erscheinen dabei in der New York Times und im Scientific American.

Sie war 2015 und 2016 Soros-Justice-Stipendiatin und erhielt von der amerikanischen psychologischen Gesellschaft, der Allianz für Drogenpolitik und dem amerikanischen College für Neuropsychopharmakologie wichtige Preise für ihre Arbeiten über Neurowissenschaft und Sucht.

Maia Szalavitz: Clean – Sucht verstehen und überwinden Read More »