1936

Grete Weil: Der Weg zur Grenze

Inhalt:

Eine Entdeckung: Grete Weils bisher unveröffentlichter, 1944 im Amsterdamer Versteck entstandener, großer Roman über Alltag und Widerstand in NS-Zeiten, über die Flucht aus Deutschland 1936 und eine große Liebe, die tödlich endet. Ein bedeutendes, zum ersten Mal zugängliches Werk der deutschen Literatur, eindrücklich und hellsichtig. (Klappentext)

Rezension:

Es ist eine Geschichte, die Grenzen überwindet, nicht nur wörtlich genommen im Sinne der handelnden Figuren, auch die Autorin hat damit eine Vielzahl von Barrieren überwunden. Nun liegt Grete Weils Erzählung “Der Weg zur Grenze” erstmalig einem größeren Publikum vor. Worum geht’s? Als das NS-Regime gefestigt, immer schärfer die Ausgrenzung und Verfolgung der Juden organisiert, entschließt sich Monika Merton zur Flucht über die Berge an der österreichischen Grenze, nachdem ihr Lebensgefährte bereits im Konzentrationslager Dachau umgekommen ist.

Auf den Weg begegnet sie per Zufall dem Lyriker Andreas von Cornides. Ihm erzählt sie ihre Geschichte. An deren Ende angelangt, trifft dieser eine Entscheidung mit Folgen.

In diesen Rahmen teilweise holzschnittartig eingearbeitet, tauchen wir ein in die eigentliche Handlung und verfolgen den Weg der Hauptprotagonistin, von ihrer Jugend an, bis zu diesem Zeitpunkt, auf dem alles hinauslaufen wird. Teilweise sehr ausschweifende Beschreibungen großer Gefühle wechseln mit anfangs kleinen Nadelstichen, die sich zu einer immer größeren Bedrohung ausweiten. Das liest sich mitunter sehr holprig. Im Erzählstil eingefunden, kann man jedoch mit zunehmender Seitenzahl die Geschichte genießen.

Erzählt wird ein Zeitraum über mehrere Jahrzehnte, entlang der Biografie der Autorin, die sehr viel Persönliches in ihre Hauptfigur eingearbeitet hat. Tatsächlich ist Grete Weil die Monika Merton dieses Romans, deren Stationen auch die ihre sind, welches die erste Ebene neben der eigentlichen Erzählung darstellt. Die Orte der Handlung scheinen einem zuweilen durch die Finger zu gleiten, doch spürt man das langsame Aufbäumen der Katastrophe, die Unsicherheiten, die erst nur diffus erscheinen, dann jedoch greifbar für jene zu werden, die erst daran nicht hatten glauben wollen, nun sich dem ausgesetzt sehen und jenen, die nach und nach die Machenschaften willentlich unterstützen oder zumindest hinnehmen.

Das Ensemble wechselt leicht mit den in den jeweiligen Jahren spielenden Handlungen, doch bleiben die Hauptfiguren die gleichen, deren Wandlung Grete Weil nur behutsam vorangetrieben hat. Wenige gewinnen ein umfassendes Profil. Andere bekommen gerade einmal so viel Kontur, wie es der Handlung dienlich ist. Die Aufstellung ist klar. Es gibt wenig weiß, überschaubar schwarz und ganz viele Grautöne dazwischen. Die Hauptprotagonisten sind in ihrem Handeln nachvollziehbar, manchmal jedoch an der Grenze des Erträglichen, den Dreh- und Angelpunkt des Romans nicht ausgenommen.

“An diesen Greueln trägt nicht ein einzelnes Volk die Schuld. Seitdem Klaus tot ist, weiß ich es besser als jemals zuvor. Denn keine Nation besteht nur aus Bösewichten. Doch wenn Mörder an der Spitze stehen und Prämien für Morde ausschreiben, wird aus jedem Volk die Hefe hervorbrechen und Schreckliches anrichten.”
“Und wir anderen schweigen still dazu und wollen dies alles nicht sehen.”
“Was sollt ihr schon machen? Angst schließt euch die Augen, Angst bringt euch dazu, dem Terror zuzustimmen, Angst macht euch grausam. Wann handeln denn je die Menschen aus sich selbst? Es ist die Situation, die sie bestimmt, zu ihren guten Taten. Es gibt hierzulande, wie überall in der Welt, nicht viele Helden.”
“Ich gehöre jedenfalls nicht dazu”, sagte Andreas mit niedergeschlagenen Augen-

Grete Weil: Der Weg zur Grenze

Wenige Figuren sind wichtig für die Handlung. Aus noch weniger Perspektiven wird die Geschichte erzählt, jedoch gerade genug, um eine gewisse sich einstellende Eintönigkeit zu unterbrechen und die Handlung voranzutreiben. Viel davon ist vorhersehbar, gerade, wenn man mehrere Geschichten dieser Art bereits sich zu Gemüte geführt hat.

Interessant wird der Roman durch das bereits erwähnte Einbringen biografischer Abschnitte der Autorin, die diese ihren Figuren zu eigen macht, sowie die Entstehungsgeschichte selbst. Den Roman hat die Autorin im Amsterdamer Exil geschrieben, versteckt vor dem NS-Regime, wie auch einige andere Werke, etwa einem Theaterstück, welches sie mit Freunden für eine Widerstandsgruppe schrieb, derer sie angehörte.

Nach dem Krieg bekam die Autorin, deren Werke in den Niederlanden erfolgreich waren, in ihrer ursprünglichen Heimat wenig Anerkennung. Erst nach Jahrzehnten gelang ihr mit “Meine Schwester Antigone” in Deutschland der Durchbruch. Das nun vorliegende, erst kürzlich entdeckte Werk, holt noch mal andere Facetten hervor, lt. editorischer Notiz und einem ausführlichen Vor- und Nachwort, in denen die Geschichte eine Einordnung erfährt. Obwohl zu Teilen Liebesgeschichte, diese Ebene kann zuweilen als sehr anstrengend empfunden werden, ist dies ein großes Stück Exilliteratur. Wer sich einmal in Schreib- und Erzählstil eingefunden hat, wird dies durchaus mit Gewinn lesen können.

Autorin:

Grete Weil wurde 1906 geboren und studierte zunächst Germanistik, bevor sie eine Lehre als Fotografin begann. 1935 folgte sie ihrem Mann ins Exil nach Amsterdam, wo sie ein Fotostudium übernahm, nach der Besetzung durch das NS-Regime im Judenrat arbeitete.

Sie baute die Widerstandsgruppe “Hollandgruppe Freies Deutschland” mit auf und kehrte nach dem Krieg nach Deutschland zurück. Ihre Romane waren zunächst in ihrer Heimat weniger erfolgreich als in den Niederlanden, mit “Meine Schwester Antigone” erlangte sie jedoch auch hier eine größere Bekanntheit. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet und war Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. 1999 starb sie in Grünwald bei München.

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Anthony Beevor: Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939

Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939 Book Cover
Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939 Autor: Anthony Beevor Pantheon Verlag Erschienen am: 18.01.2016 Seiten: 654
(inkl. Register, Karten usw.)
ISBN: 978-3-570-55147-9

Inhalt:

Der Spanische Bürgerkrieg wurde zum Trauma für das moderne Spanien und ist in der Gesellschaft bis heute spürbar. Im Kampf der Volksfront, die von großen Teilen der europäischen Intellektuellen ideell und militärisch unterstützt wurde, gegen die Nationalisten unter General Franco, hinter dem das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien standen, bekämpften sich die beiden großen Ideologien des 20. Jahrhunderts.

Antony Beevor erzählt die Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs und seiner Folgen aus der Perspektive unserer Zeit. Meisterhaft entwirrt er die komplexen gesamtpolitischen und innerspanischen Ursachen des kreiges und zeigt den dramatischen Verlauf bis hin zur katastrophalen Niederlage der Republikaner 1939. (Klappentext)

Rezension:

Der Pantheon-Verlag zeichnet sich im deutschsprachigen Raum für die Herausgabe gut recherchierter geschichts- und populärwissenschaftlicher Werke aus, vor allem im Bereich Geschichte, Biografien und politischen Zusammenhängen und so ist folgerichtig auch dieses Sachbuch von Antony Beevor dort erschien.

Gut recherchiert, gestützt auf umfangreichen Karten- und noch dickeren Quellenmaterial, hat sich der Autor auf eine Zeitreise in das Spanien zur Zeit des Bürgerkriegs 1036-1939 begeben und schlüsselt detailliert auf, wie es zu diesem Vorspiel des Zweiten Weltkriegs kommen konnte, in dem zukünftige Kriegsgegner Techniken, Waffensysteme, Formationen und Ideologien testen konnten.

Zu Lasten der spanischen Bevölkerung, die getrieben von den Vorstellungen und Herrschaftswillen beider Kriegsparteien immer tiefer in Elend und Verzweiflung versank.

Antony Beevor gelingt dabei das Kunststück beiden Seiten gerecht zu werden, sich nicht auf die eine zu stellen und die andere zu vernachlässigen, sondern analysiert konsequent Ursachen und Wirkung der einzelnen Vorkommnisse des Krieges auf beiden Seiten, von denen hierzulande im Prinzip nur die Schlacht um Guernica einigermaßen bekannt ist.

Und so gelingt ein tiefer umfassender Einblick in das Spanien der 1930er Jahre, besonders erschreckend mit dem heutigen Wissen, was ein paar Länder weiter auf dem Kontinent in den Folgejahren passieren sollte. Antony Beevor ist mit dieser Ausarbeitung ein Standardwerk gelungen, welches in einer reihe gestellt werden kann, etwa mit Ian Kershaws Hitler-Biografie.

Wer um diese Zeitepoche sein Wissen umfassend erweitern möchte, sich für spanische Geschichte interessiert,wird nicht umhin kommen, sich das Sachbuch des britischen Historikers vorzunehmen und intensiv zu lesen.

Aufgelockert, so gut es eben geht, durch Karten- und Fotomaterial, sind die Zusammenhänge verständlich erklärt, wenn es auch nicht an Konzentration fehlen darf, sich damit zu beschäftigen. Man muss dabei bleiben, darf sich nicht ablenken lassen, um die teilweise ineinander-greifenden Ereignisse zu verstehen und nicht durcheinander zu geraten.

In dieser Gefahr gerät der Leser jedoch bei nahezu jedem ernstzunehmenden Werk, welches sich eines komplexen großen Themas annimmt. Dies kann man dem Autoren schlecht vorwerfen. Ansonsten ist es gut lesbar flüssig geschrieben, Begriffe wie etwas damalig politisch aktive Gruppierungen werden in einem Glossar am Ende nochmals erklärt und das Kartenmaterial tut ein Übriges, sich eine Übersicht verschaffen zu können.

Einzig dieses hätte ich mir an den entsprechenden Stellen gewünscht, wo die darauf abgebildeten Ereignisse auch beschrieben sind, doch da man es hier mit einem beinahe wissenschaftlichen Werk zu tun hat, befindet sich dieses “Zusatzmaterial” eben im Anhang des Buches. Wer also nicht davor scheut, zwischendurch zu blättern, kein großer Akt, hält ein sehr gutes Werk historischer Aufarbeitung in den Händen.

Autor:

Antony James Beevor wurde am 14. dezember 1946 geboren und ist ein britischer Historiker. er besuchte das Winchester College und studierte an der Royal Military Academy in Sandhurst, nahm Unterricht bei dem Historiker John Keegan. Er diente als Berufsoffizier der britischen Armee, bevor er mit dem Schreiben begann und ist mit der Schriftstellerin Artemis Cooper verheiratet.

Beevor ist verantwortlich für die Recherche zu mehreren Dokumentationen der BBC und Verfasser histroischer Sachbücher zum Thema Stalingrad, Spanischer Bürgerkrieg oder der Schlacht um Berlin 1945. Seine Ausarbeitungen wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Wolfson History Prize.

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