Heimkinder

Federico Axat: Die Verwandlung des Schmetterlings

Die Verwandlung des Schmetterlings Book Cover
Die Verwandlung des Schmetterlings Federico Axat Rezensionsexemplar/Roman Verlag LangenMüller Hardcover Seiten: 480 ISBN: 978-3-7844-3399-8

Handlung:
Sam und Billy freune sich auf den langen Sommer: Der Bau ihres Baumhauses und ausgedehnte Fahrradtouren stehen auf den Plan. Doch plötzlich zieht ein neues Mädchen in die Nachbarschaft und mischt ihre Freundschaft gehörig auf – aus dem Duo wird ein Trio.

Gemeinsam wollen sie nicht nur die Ferien genießen, sondern auch Abenteuer erleben und ein großes Geheimnis aufdecken: Was geschah vor über zehn Jahren, als Sams Mutter nach einem Autounfall spurlos verschwand? Für Sam, Miranda und Billy ist es der Sommer ihres Lebens und das Ende ihrer Kindheit. (Klappentext)

Rezension:
Geschichten über die Sommer einer Kindheit funktionieren, da sie immer nachvollzieh- und greifbar sind. Jeder erinnert sich an bestimmte Zeiten gern oder zumindest klar und deutlich zurück, besonders wenn diese voller scheinbarer Abenteuer und interessanten Entdeckungen, spannenden Ereignissen verbunden sind.

Und gerade Sam ist es, der jedes Jahr in das Dorf zurückkehrt, in dem er aufgewachsen ist uind gedanklich diese Zeit durchlebt. Gedanklich geht der Leser mit dem zwölfjährigen Ich des Protagonisten auf diese Reise und erlebt dieses Spannende, Unerklärliche, Faszinierende und Gefährliche. Danach ist für Sam nichts mehr wie zuvor.

Federico Axat zeichnet eine zu Beginn sehr spannende Geschichte mit bekannten Elementen, die auch schon bei Filmen wie “Stand by me” zum Erfolg führten. Alleine, es passiert nicht viel, muss es auch nicht. Der Stein der Handlung kommt trotzdem schnell ins Rollen.

Auch an die Zeitsprünge gewöhnt man sich nach einigen Hin und Her, vorausgesetzt natürlich einer gewissen Konzentration. Die benötigt der Leser auch.

Zu sprunghaft agieren die Protagonisten, die sich charakterlich klar in Schwarz und Weiss einteilen lassen, soweit man das von Kindern schon behaupten kann und damit auch klar als Sympathieträger wirken oder eben auch nicht.
Doch, der Leser stolpert immer wieder und kann sich nur schwer daran festhalten. Zu stark die Schnitte, die Wechsel zwischen den Abschnitten und Kapiteln, von Logikfehlern einmal ganz abgesehen.

Dennoch fällt dieses Buch keineswegs in die Abgründe der nicht lesenswerten Bücher, da es der Autor immer wieder schafft, spannungsgeladene Elemente aus der Sicht sams immer dann einzusetzen, wenn beim Leser die Stimmung zu kippen droht.

Besonders im letzten Drittel klappt das ganz gut, wobei man sich unwillkürlich fragt, wie sich der Roman wohl im Original lesen lässt? Wie viel Schuld trägt die Übersetzung an die Mittelmäßigkeit des Buches oder kaschiert sie vielleicht auch noch schlimmeres?

Fragen, die einem Sprachunkundigen bleiben werden

Trotzdem hat die Geschichte es geschafft, mich bei Stange zu halten und Sams Abenteuer bis zum Ende zu verfolgen. Kein großer literarischer Wurf, wie schon geschrieben aber als Kindheitserinnerungsgverarbeitungsgeschichte (Was für ein Wort? Wie viele Punkte gibt das bei Scrabble?) taugt es allemal, was aber am Aufbau und der Thematik allgemein liegt. Wem das aber nicht ausreichend ist, wird wohl enttäuscht werden.

Autor:
Federico Axat wurde 1975 in Buenos Aires geboren. Seine Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. “Die Verwandlung des Schmetterlings” ist sein erstes Werk, das in Deutschland erscheint. Seine Romane spielen vor allem in den USA, die für einige Jahre seine Wahlheimat waren. Heute lebt er wieder in Argentinien.

Federico Axat: Die Verwandlung des Schmetterlings Read More »

John Lahutsky: Wolkengänger

Wolkengänger Book Cover
Wolkengänger John Lahutsky Seiten: 348 Erschienen am: 01.03.2010 ISBN: 978-3-378-01108-3 Aufbau/kiepenheuer

Inhalt:

Wanja kommt als Sohn einer Alkoholikerin verfrüht und mit nur einem Kilo Gewicht zur Welt. Als die Ärzte prognostizieren, dass er nie würde laufen können, gibt die ohnehin überforderte Mutter ihn in ein Waisenhaus.

Da das russische Fürsorgesystem keinen Unterschied zwischen körperlichen und geistigen Behinderungen macht, überläßt man Wanja in einer Gruppe “hoffnungsloser Fälle” sich selbst. Es herrscht Mangel an allem: menschlicher Wärme, Kleidung, Nahrung, Spielzeug.

In Gitterbetten angebunden, werden die Kinder mit Medikamenten ruhiggestellt. Doch Wanja gelingt es, sich selbst das Sprechen beizubringen und eine Gruppe ausländischer Hilfskräfte auf sich aufmerksam zu machen. Sie erkennen bald, dass viele der Kinder mit der richtigen Betreuung ein normales Leben führen könnten, und beschließen zu helfen.

Doch die Rechtslage ist komplex und die russischen Behörden gleichgültig. Erst nach langwierigen Bemühungen gelingt es, Wanjas Adoption zu ermöglichen. Heute führt er als John Lahutsky ein völlig normales Leben – und er hat laufen gelernt.

Nur einen Wunsch hat der einstige Waisenjunge noch: das Ende der russischen Heime, in denen noch heute tausende Kinder unter zum Teil unmenschlichen Bedingungen leben müssen. (Kurzbeschreibung Amazon)

Rezension:

Fast möchte man diese Geschichte als Erfindung eines erzähltechnisch begabten Autoren abtun, anders ist sie fast nicht zu ertragen. Alan Philips ist es gelungen, die Kindheitsgeschichte von John Lahutsky zu recherchieren und beinahe lückenlos in Romanform zu verpacken.

Und er legt dabei schonungslos die Schwächen des russischen Sozial- und Gesundheitssystems offen, welches im Umgang mit körperlich und geistig behinderten Kindern immer noch jeder Beschreibung von gerechter Behandlung spottet. Und das ist noch freundlich ausgedrückt.

So erlebt Wanja die Hölle, körperlich behindert zwar aber geistig vollkommen gesund. Doch, die Verantwortlichen im Babyhaus, welches sich eigentlich um verwahrloste und benachteiligte Kinder kümmern soll, schließen die Augen vor den eigenen Missständen.

Kleinste Neigungen, sich zu widersetzen, werden als Abnormalität gesehen, körperliche Missbildungen als Hinderung, die Schützlinge in die gesellschaft irgendwie zu integireren. Nein, jedwede Abweichung ist Grund genug, die Kinder wegzusperren und verkümmern zu lassen, da “man denen ja eh nicht helfen kann und helfen sich nicht lohnen würde”.

Denkweisen vergangener Zeiten tragen immer noch, in der alles, was von der Norm abweicht keinen Platz in der Gesellschaft hat. Kurz, nachdem das Sowjetsystem in sich zusammen gefallen ist.

Es ist ein erschütterndes Portrait von Menschen, denen jeder Stein, der möglich ist, in den Weg gelegt wird, um Hilfe zu unterbinden. Ein Schriftstück voller Verzweiflung, Verbitterung und Wut, dass so etwas möglich war und möglich ist.

In vielen sozialen Einrichtungen Russlands, Heimen und diesen sog. Baby-Häusern (den Begriff gibt es so nicht, hier mussten die Autoren eine westliche Übersetzung schaffen, die etwa dem entspricht, was diese Einrichtungen sind) haben sich seit den 90er Jahren die Situationen kaum verändert. Das Buch selbst ist 2010 erschienen.

An Aktualität hat John Lahutskys Geschichte nichts eingebüßt.

Streckenlang schwer zu lesen, weil den Überblick zu behalten, ist nicht so leicht. So viele Menschen kamen mit Wanjas (Johns) Schicksal in Berührungen. So viele grausame und wenige positive Wendungen gab es.

Doch, immer wieder gibt es kleine Momente des Glücks und man weiß als Leser schon, dass es irgendwie gut ausgehen muss. Wenigstens das, da sonst John hätte kaum an diesem Roman hätte mitarbeiten können. So lässt sich das Werk dann auch lesen und durchhalten.

Ein erschreckendes Portrait mit viel Schrecken und einem Funken Hoffnung, dass viele solcher Geschichten das Schicksal von Betroffenen vielleicht nicht vollkommen, so doch ein klein wenig zum Positiven verändern kann.

Autor:

Dies ist die Kindheitsgeschichte eines der Autoren, Wanja, der erst in Amerika John genannt wurde. Eine weitere biografische Beschreibung erübrigt sich.

John Lahutsky: Wolkengänger Read More »