australien

Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang

Inhalt:

Brisbane, 1983: Wie wird man zu einem guten Menschen? Diese Frage treibt den 11-jährigen Eli Bell um. Auf den ersten Blick hat er nicht gerade die besten Vorbilder um sich herum: Die Mutter und der Stiefvater dealen mit Heroin, sein großer Bruder Gus spricht nicht mehr, sein Vater glänzt durch Abwesenheit, und sein Babysitter ist ein hartgesottener Ex-Häftling. Doch zwischen den Drogen und den Schmutz erfährt Eli zärtliche Liebe, aufrichtige Freundschaft und die Magie seiner Fantasie. Und je älter er wird, desto relevanter wird die Frage: Kann Brutalität durch Zärtlichkeit überwunden werden? (Klappentext)

Rezension:

Ein kleiner Teil dieser Erzählung entspricht zumindest in Ansätzen wahrer Begebenheiten, viel mehr Zeilen sind jedoch der großartigen Phantasie des australischen Journalisten Trent Dalton entsprungen, der mit “Der Junge, der das Universum verschlang”, ein beeindruckendes Debüt geschaffen hat.

Der Roman entführt seine Leserschaft in eine australische Sozialsiedlung am Rande Brisbanes, zu Beginn der 1980er Jahre und beginnt aus der Sicht des anfangs elf- oder zwölfjährigen Eli Bell, hier sind sich Klappentext und Erzählung uneinig, eine zunächst sperrige Coming-of-Age-Geschichte zu erzählen, die sich nach und nach zu einem gesellschaftskritischen Kriminalroman mausert.

Der kleine Junge stellt sich schon sehr früh Fragen, die schon von den ihn umgebenden Erwachsenen kaum zu beantworten sind. Wie wird man eigentlich ein guter Mensch? Wie bleibt man es? Können gute Menschen böse werden? Böse Menschen gut?

Eli, mit einer unglaublichen Phantasie ausgestattet, sucht nach Antworten und beobachtet seine Umgebung sehr intensiv, ohne die entsprechenden Vorbilder greifbar zu haben. Das Elternhaus ist verkorkst, der Bruder verweigert sich der Worte.

August kritzel etwas in die Luft. Das Jugendamt lehrt August schaudern.
August schreibt weiter: Lehrt Eli, nie was auszuplaudern

Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang

Der Drogenhandel hat nicht nur seine Familie, sondern auch seinen Babysitter im Griff, den einzigen, zu dem er dennoch wenigstens etwas aufschauen kann. Eli versucht in dieser Umgebung aufrichtig zu bleiben, doch auch von ihm verlangt das Leben mit den Jahren Entscheidungen, die nicht nur sein Schicksal bestimmen werden.

“Ich glaube, ich verliere den Verstand, Gus”, sage ich. “Ich glaub, ich werde verrückt. Ich muss schlafen. Ich fühl mich, als würde ich in einem Traum herumgeistern, und das hier ist der Schluss, kurz vor dem Aufwachen, der Teil, der sich so richtig echt anfühlt.”
Er nicht.
“Glaubst du, ich werde verrückt, Gus?”

Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang.

Schon mit den ersten Zeilen wirkt das beinahe zu viel. Schon so einige Schreibende sind daran gescheitert, so viele Themen wie handlungen in ihren Texten unterbringen zu wollen und am Ende kaum die Auflösung eines Handlungsstrangs zu schaffen. Doch Trent Dalton bündelt, schafft Atempausen in seiner Erzählung, die Konzentration erfordert. Journalistische Knappheit wechselt sich ab mit großflächigen Umschreibungen.

So gelingt ein Roman, der nicht nur auf die Kulissen hinter dem Trugbild der Vorstadtidylle aufmerksam macht, sondern gleichsam Slim Halliday, dem Houdini der Boggo Road, ein Denkmal setzt, der sich in Australien einen Namen als Ausbrecherkönig aus einem berüchtigtem Gefängnis machte und viel später tatsächlich Babysitter in der Kindheit des Autoren wurde.

“Hast du dich nie gefragt, warum du so leicht weinst, Eli?”
“Weil ich ein Weichei bin?”
“Du bist kein Weichei. Du darfst dich nie für deine Tränen schämen. Du weinst, weil es dir eben nicht scheißegal ist. Viel zu viele Leute auf dieser Welt haben Angst zu heulen, weil sie nicht zugeben wollen, dass ihnen etwas wichtig ist.”

Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang

Und hier wandelt sich der Text. Aus dem nachdenklichen Kind, wird ein sinnsuchender Jugendlicher, dessen Leben in einem Abwärtsstrudel zu versinken droht, aus dem es nur ein langsames Auftauchen geben wird. Feinfühlig wandelt sich hier Coming of Age Anteil zur Gesellschaftskritik hin, zu einem packenden Kriminalroman unter der australischen Sonne. Die Erzählung selbst ist schon das Universum, dafür sogar vergleichsweise kompakt.

Der Roman wird aus der Sicht des Hauptprotagonisten erzählt. Mit ihm steht und fällt die Geschichte. Trent Dalton schafft es, dass man den Jungen greifen kann. Um ihn dreht sich alles, auch die anderen Protagonisten, von denen besonders Slim und Elis älterer Bruder mit besonders scharfen Konturen gezeichnet sind.

Dennoch reichen nur zwei größere Gegenparts aus, um der Geschichte eine stetige Dynamik zu verleihen. Dazu wunderbare Sätze, die zum Schmunzeln anregen, ein Lachen, was im Halse stecken bleibt und dann nachdenklich uns Lesende zurücklässt. Das, zudem die Sprünge muss man mögen. Ohne zu wissen, wie sich das im Original liest, in der Übersetzung wirkt der Schreibstil zumindest etwas gewöhnungsbedürftig. Es ist eben kein Roman, um sich einfach berieseln zu lassen. Dazu ist: “Der Junge, der das Universum verschlang”, zu schade.

Gleichsam seines Protagonisten erweißt sich auch der Autor als großer farbenschreiber. Schon der Untertitel im Deutschen sticht hervor. Es regt jedoch zumindest auch die Phantasie der Lesenden an.

Unser Weihnachtsbaum ist eine Zimmerpflanze namens Henry Bath. Henry Bath ist ein Ficus benjamini.

Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang

Man kann den Staub der Straße schmecken, sieht den Schein, der das Sein überdeckt und die Ausweglosigkeit, die einem realen Kind wahrscheinlich alle Chancen auf ein besseres Leben verbaut hätte, wenn auch hier wieder Schicksal vom Schreibenden und Protagonisten miteinander verschmelzen. Auch mit dem Lesen der letzten Zeile wird der Text einem noch eine ganze Weile beschäftigen, wenn auch ein zwei inhaltliche Punkte wohl der Erfüllung aller Klischees dienen, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt, wenn der Rest so großartig ist.

Dieser Roman verlangt Konzentration, regt Phantasie und Gedanken an und lädt ein, die wahren Hintergründe einmal zu recherchieren, die zur Inspiration Trent Daltons gedient haben. Man wird also doch ein wenig beschäftigt sein. Und sei es nur, um den Zaunkönig zu finden.

Autor:

Trent Dalton ist ein australischer Journalist und Autor aus Brisbane. Er gewann mehrmals den “Walkley Award für Excellence in Journalism” und weitere Preise, wurde viermal zum australischen Journalisten des Jahres ernannt. “Der Junge, der das Universum verschlang”, ist sein erster Roman.

Trent Dalton: Der Junge, der das Universum verschlang Read More »

Kyle Perry: Die Stille des Bösen

Inhalt:

Das Verschwinden einer Gruppe Teenager in der abgeschiedenen Wildnis der tasmanischen Berge versetzt das Städtchen Limestone Creek in Alarmbereitschaft. In den Achtzigern sind hier schon einmal junge Mädchen verschollen, und die Legende des Hungermanns verfolgt die Gemeinde noch immer.

Als schließlich die übel zugerichtete Leiche eines der Mädchen am Fuß eines Berges gefunden wird, fällt der Verdacht auf wilde Tiere. Doch Detective Badenhorst ist skeptisch – warum ist die Leiche barfuß? Und wie kommen ihre Schuhe auf den Gipfel des Felsens, fein säuberlich zugeschnürt? (Klappentext)

Rezension:

Jeder Ort hat seine ihm ganz eigenen Geheimnisse und nicht alle legen wert darauf, entdeckt zu werden und so quält sich ein kleiner Ort inmitten Tasmaniens mit der grausigen Legende des Hungermanns, der der Meinung der Einheimischen nach, in den 1980er Jahren mehrere Mädchen hat verschwinden lassen. Als plötzlich erneut mehrere Teenager verschwinden und die Geister der Vergangenheit geweckt zu sein scheinen, werden Ereignisse von ungeheurer Tragweite in Gang gesetzt.

Er hockt in den Bergen versteckt, um zu töten.
Er hockt in den Höhlen versteckt, um zu warten.
Der Hungermann, der Hungermann,
er steht auf kleine Mädchen,
auf die hübschen Gesichter aus unserem Städtchen.
Glaub ja nicht, was die Erwachsenen sagen,
der Hungermann wird’s wieder wagen.
Drum geh ich da oben nie allein durch den Wald,
sonst kommt der Hungermann und macht mich kalt.

Kyle Perry: Der Hungermann

So beginnt das Thriller-Debüt des australischen Sozialarbeiters Kyle Perrys, der seine Leserschaft in die magische und auch harte Welt der größten Insel Australiens mitnimmt und auf eine Berg- und Talfahrt sondergleichen schickt. Dabei hält sich der Autor nicht großartig mit einer ausführlichen Einführung der Protagonisten auf. Zu umfangreich ist die Seitenzahl.

Man wird später noch genug Zeit haben, die Charaktere kennen zu lernen. Die Geschichte beginnt sofort mit der auslösenden Handlung und setzt sich in einem immer höheren Erzähltempo fort. Der Schreibstil wirkt zunächst hölzern, je mehr die Protagonisten durch Perry geformt werden, um so feingliedriger jedoch wird die Handlung, die aus Sicht der Charaktere kapitelweise erzählt wird.

Dabei hat sich der Autor viel vorgenommen. Erzählt wird von der Eigensinnigkeit der Kleinstadtbewohner ebenso, wie von den Gegensätzen zwischen Einheimischen und Fremden, ganz normalen Teenager-Problemen und Erscheinungen unserer Zeit in ihren schrecklichsten Formen. Das funktioniert, da Perry in seinem Debüt nichts an Schilderungen ausspart, die Handlung jedoch nur gerade so ausbreitet, wie es notwendig ist, den Geschehnissen zu folgen und ansonsten bis beinahe zum Ende im Unklaren zu bleiben.

Die Protagonisten sind mit Ecken und Kanten versehen, bleiben fast durchgehend glaubwürdig. Nur zum Ende hin wirkt die Geschichte eine Spur zu dick aufgetragen. Da merkt man das Debüt dann doch, ansonsten wird ein Spannungsbogen von Beginn an gezogen, den man mit leichtem Schauer verfolgt. Pluspunkt, Perry bleibt in seinen Schilderungen von Gewalt zurückhaltend, setzt diese nur dort, wo es für die Handlung notwendig und folgerichtig erscheint. Ansonsten ist „Die Stille des Bösen“ ein Psychothriller mit hohem Kriminalromananteil.

Wem dies liegt, kann sich gerne auf die Spuren des Hungermanns begeben. Mit aller Vorsicht.

Autor:
Kyle Perry lebt in Tasmanien und arbeitet als Therapeut und Sozialarbeiter in verschiedenen Highschools, Jugendeinrichtungen und Entzugskliniken. Er stammt aus der Gegegnd der Great Western Tieras, die in seinem Debüt eine bedeutende Rolle spielen. “Die Stille des Bösen” ist sein Erstlingswerk.

Kyle Perry: Die Stille des Bösen Read More »

Frauke Bolten-Boshammer: Diamanten im Staub

Inhalt:

Innerhalb weniger Minuten nach der Landung in Australien fasst Frauke den Entschluss, schnellstmöglich nach deutschland zurückzukehren. Die staubige Grenzstadt Kununurra ist kein Ort für eine Frau. Frauke bleibt dennoch, entschlossen, ihrem Mann Friedrich beim Aufbau eines neuen Lebens zu helfen. Drei Jahre später nimmt sich Friedrich das Leben, und Frauke bleibt allein mit den Kindern im Outback zurück. Doch mit harter Arbeit und unerschütterlicher Hoffnung erschafft sie für sich und ihre Familie ein neues Zuhause – und wird in einer der unbarmherzigsten Regionen der Erde zu einer der erfolgreichsten Diamantenhändlerinnnen Australiens. (Klappentext)

Rezension:

Wie viel Leid kann ein Mensch eigentlich ertragen? Wie viel Glück und Durchhaltevermögen benötigt man, um solches zu überstehen? Diesen Fragen muss man sich unweigerlich beim Lesen dieser, mehr als beeindruckenden, Biografie stellen. Mit “Diamanten im Staub” legt der Verlag nicht nur die geschichte einer faszinierenden Frau auf, sondern auch eine Erzählung vom Zusammenhalt im Outback und einen Bericht von dem, was menschenmöglich ist, wenn man gezwungen ist, über sich hinauszuwachsen.

Dabei beginnt zunächst alles ganz harmlos, mit einer jungen Liebe, die Frauke Bolten, wie sie zunächst heißen wird, bis nach Australien führen wird, wo sie nacheinander gleich mehrere Schicksalsschläge erreilen werden. Doch die junge Frau gibt nicht auf, fällt, kämpft sich immer wieder aus scheinbar ausweglosen Situationen heraus. Wer im Inneren Australiens überleben und erfolgreich sein möchte, muss hart im Nehmen sein, Rückschläge wie Staub von dern Ärmeln wischen.

Das Outback kann ein schrecklich einsamer Ort sein, aber es ist auch ein Ort, an dem man Liebe finden kann, wenn man es gerade am wenigsten erwartet.

Frauke Bolten-Boshammer “Diamanten im Staub”, erschienen bei mairdumont.

Nicht nur ist es ein Bericht einer lebenslangen Reise, eine, die die ganze Familie auf immer prägen wird, im Guten, wie im Schlechten. Die Autorin weiß bescheiden und doch sehr spannend von ihrem Weg zu erzählen. Der Text ist zugleich Sinnbild für den Zusammenhalt einer eingeschworenen Gemeinschaft, für ein Pioniertun, welches heute wahrscheinlich nur noch an solch abgelegenen Orten der Welt möglich ist.

Frauke Bolten-Boshammer ist eine starke Frau, die zeigt, warum sich das Durchhalten lohnen kann, aus welchen Dingen sich Glück schöpfen lässt und dass selbst die Diamanten, die sie haben erfolgreich werden lassen, nichts gegen eine Familie sind, die trotz schwerer Schläge nie aufgegeben hat. Mit Humor und Einfühlungsvermögen erzählt die Autorin intelligent und bescheiden über ihr Leben, beschreibt, wie die Prägung einer Nachkriegskindheit ihre Zukunft beeinflusste, die Werte, welche sie an die nachfolgenden Generationen ihrer Familie weiterzugeben versuchte.

Genau so kurzweilig wie spannend lesen sich die einzelnen Kapitel. Der heutigen Leserschaft wird die eine oder andere Situation ein Stirnrunzeln entlocken, doch muss man die Entscheidungen der Autorin im Spiegel der Zeit sehen, in der sie getroffen wurden. Um so bewundernswerter ist es, was Frauke Bolten-Boshammer und ihre Familie durchleben mussten und schließlich geschafft haben. Nach dem Lesen ist nur eines sicher. Den Satz, dass etwas unmöglich ist, gibt es nicht. Die Geschichte der Unternehmerin ist der beste Beweis dafür.

Autorin:

1940 in Norddeutschland geboren, wanderte die Autorin und spätere Diamantenhändlerin im Jahr 1981 nach Australien aus, wo ihr Mann einen landwirtschaftlichen Betrieb gründen wollte. Zuvor hatten die beiden bereits in Deutschland und in Simbabwe gelebt. Drei Jahre später, als die Farm in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte, begang ihr Mann Suizid. Auf sich gestellt, mit der Hilfe von Freunden und einer neuen Liebe baute die Autorin sich ein neues Leben im Outback auf und gründete ein Diamantengeschäft. 2019 wurde sie in die Western Australian Women’s Hall of Fame aufgenommen.

Der Bericht, die Biografie wurde im Rahmen der Aktion -Sachbuchmonat Januar 2021- gelesen. #SachJan21 #SachJan2021

Frauke Bolten-Boshammer: Diamanten im Staub Read More »

Alma M. Karlin: Weltreise 2 – Im Banne der Südsee

Im Banne der Südsee Book Cover
Im Banne der Südsee Reihe: Weltreise – 2 Rezensionsexemplar/Reisebericht AvivA Verlag Hardcover Seiten: 346 ISBN: 978-3-932338-78-6

Inhalt:

Am 24.11.1919 bricht Alma M. Karlin zu ihrer Weltreise auf, die sie durch fünf Kontinente führen und schließlich acht Jahre dauern wird. Durch ihre Reisetagebücher, die sie nach ihrer Heimkehr nach Cilli (slowenisch Celje) verfasst, wird sie zu einer der berühmtesten Reiseschriftsteller*innen.

Im zweiten Band ihrer Weltreisetrilogie begleiten wir Alma M. Karlin von China über die Philippinen, Australien und Neuseeland bis nach Papua-Neuguinea. Von ihrer Schreibmaschine “Erika” abgesehen, reist sie alleine und verdient sich ihren Lebensunterhalt komplett selbst – und auch sonst hat Alma M. Karlins Weltumrundung wenig mit anderen touristischen Reisen ihrer Zeit gemein. (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Alma M. Karlin: Autobiografie – Ein Mensch wird

Alma M. Karlin: Weltreise 1 – Einsame Weltreise

Alma M. Karlin: Weltreise 2 – Im Banne der Südsee

Alma M. Karlin: Weltreise 3 – Erlebte Welt

[Einklappen]

Rezension:

Das Ende der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts kaum verdaut, entstanden in Europa neue Staaten, verschoben sich weltweit Grenzen, wandelten sich politische Ordnungen. Viele schauten wehmütig zurück, einige wenige nach vorn. Zur letzteren Kategorie gehört die Reiseschriftstellerin Alma M. Karlin.

Unabhängig und allein, versorgt mit Aufträgen zahlreicher zeitungen machte sich die Autorin im Jahr 1919 auf den beschwerlichen Weg einer Reise, die sie rund um den Globus führen sollte. Später geriet sie in Vergessenheit. Nach und nach wird ihr Werk nun neu aufgelegt und wieder entdeckt.

Hier liegt nun der eigentliche zweite Band, wenn man ihre Autobiografie als gesonderten ansieht, vor, der uns Lesende in die Gefilde der Südsee führt. Abenteuerlich ist der Weg dorthin auch heute noch, noch beschwerlicher damals, als Schiffspassagen das Mittel der Wahl waren, die sich die Journalistin Karlin nicht immer unbedingt leisten konnte.

Einmal angelangt, beobachtet sie mit scharfen Blick das Geschehen und bringt zu Papier die spannende Geschichte eines beeindruckenden Weges. In diesem Band von Asien bis nach Australien und Neuseeland, schließlich die Südsee. Sie beschreibt, was sie sieht, lässt nichts aus und versucht Kontakte zu knüpfen, zu geistlichen Missionaren, zu kolonialen Statthaltern, zur einheimischen Bevölkerung.

Entstanden ist so ein Zeitdokument von der anderen Seite des Erdballs, einer Frau, die nach ihrer Reise nie wieder wirklich irgendwo heimisch werden sollte.

Was zeigen uns die Reiseberichte vergangener Tage? Heute sind die Grenzen und Einschränkungen andere, wie auch die Abenteuer und Regeln, die mit einem solchen Trip einher gehen. Doch, der Text ist gut lesbar, nachzuvollziehen.

Mutig, der Verlag, der auch den Blick der Autorin zulässt, die gemäß ihrer Zeit zwar auf andere Völker und Rassen herabschaute, aber versuchte zu begreifen und zu verstehen. Die Differnez natürlich, offenbart sich erst viel später, als sie sich mit den Auswirkungen des Faschismus’ konfrontiert sah. Bis zu dieser Zeit sollten jedoch ein paar Jahre vergehen.

Die Strapazen einer solchen Reise offenbaren sich indes in jeder Zeile. Die stetig brennende Sonne, ungewohntes Essen und sonderbare Bräuche, Leben, Tropenkrankheiten wie Malaria, die zusätzlich ihren Tribut fordern sollten. Minutiös schrieb Karlin, beinahe besessen von den so förmlich spürbaren Strapazen, jedoch auch Momenten des Glücks.

Die Journalistin war keine endeckerin, keine Forscherin, die etwa auf neue Tier- und Pflanzenarten stieß, doch erlebte sie etwas, was für viele ihrer Zeitgenossen zur damaligen Zeit oft unerreichbar war.

Eine Weltriese, wer macht die schon? Zumal als Frau, alleinstehend, selbstversorgend. Superlative der damaligen Zeit, gepackt in kurzweiligen Texten, die lose gelesen werden können, jedoch zusammenhängend einen spannenden Bericht abgeben.

Emanzipatorisch sind die heute nach und nach wiederentdeckten Reisetagebücher wichtig, wenn auch an Kritik nicht gespart werden darf. Diese ist jedoch aus unserer Sicht zu verstehen, die wir wissen, welche Folgen Alltagsrassismus haben kann. Ein wichtiges, spannendes und gut lesbares Zeitdokument bleibt “Im Banne der Südsee” dennoch.

Ein wenig Robinson Crusoe, gemischt mit Abenteuertum und Durchhaltevermögen. Was will man denn mehr?

Autorin:

Alma Maximiliane Karlin wurde 1889 in Cilli, Österreich-Ungarn, heute Slowenien, geboren und war eine Journalistin, sowie zwischen den Weltkriegen eine der meistgelesenen deutschsprachigen Reiseschriftstellerinnen. Bekannt wurde sie durch ihre mehrjährige Weltreise und ihre darüber veröffentlichen Bücher.

Ihren Lebensunterhalt verdiente sich die Autorin mit ihren Beiträgen für verschiedene Zeitungen, sowie Übersetzungsarbeiten, da Karlin neben ihrer eigenen, noch elf weitere Sprachen beherrschte. 1941 wurden ihre Bücher von den Nationalsozialisten verboten, da sie sich bereits sehr früh gegen den faschismus aussprach. Karlin starb 1950. Erst nach und nach werden irhe Werke wieder entdeckt.

Alma M. Karlin: Weltreise 2 – Im Banne der Südsee Read More »

Eyal Megged: Oschralien

Oschralien Book Cover
Oschralien Eyal Megged Berlin Verlag Erschienen am: 02.05.2018 Seiten: 378 ISBN: 978-3-8270-1349-1 Übersetzerin: Ruth Achlama

Inhalt:

Hillel hat kaum eine Beziehung zu seinem Sohn Roy. Nach dem Scheitern seiner Ehe sträubte er sich von Anfang an gegen diese Vaterschaft, gegen die Möglichkeit einer neuen Familie. Seine Reise nach Australien zu Roy und dessen Mutter könnte eine zweite Chance sein – aber wer sagt, dass Hillel die will…? (Klappentext)

Rezension:
Es liegt nicht am Autoren, an der Übersetzung, an der Geschichte selbst, es liegt an mir. Ich hoffe mal, es ist so, anders kann ich mir den Effekt nicht erklären, den dieser Roman auf mich hatte. Dabei ist die Grundidee an sich nicht schlecht.

Ein orientierungsloser und beruflich nicht gerade erfolgreicher Mann wird vom anderen Ende des Globus’ aus angerufen und aufgefordert, seinen Erziehungspflichten dem gegenüber nachzukommen, den er in einem unbedachten berauschenden Moment gezeugt hat.

Doch, der Sohn will seinen nun auftauchenden Vater nicht und zeigt es ihm mit allen Mitteln, die dem Rotzbengel zur Verfügung stehen. Mutter und Vater sind machtlos gegen den kleinen Vulkan, der ständig explodiert und kommen sich näher, unfähig jedoch, auf lange Sicht eine Beziehung aufzubauen.

Das ist ein Stoff für große und ausschweifende Romane, aber in jedem Falle nicht der von Eyal Megged. Lange nicht mehr habe ich solch einen zusammengewürfelten Mist mir angetan.

Wie gesagt, an der Idee liegt’s nicht, eher an der Ausführung. In feinster Sprache befindet sich der Leser gleichsam in einer Art philosophischer Vorlesung über das Wohl und Wehe, dem Zusammenhalt und Auseinadertriften von Menschen und ihrer Beziehungen.

Das Studium jedenfalls, merkt man dem Autoren an, da das darin zusammengeklaubte Wissen, aus jeder niedergeschriebenen Zeile trieft. Das ist für jeden Leser einfach nur ermüdend und langweilig, jedenfalls nicht zielführend, wenn er oder sie mit Philosophie nichts anfangen kann oder sich einfach nur mit der Lektüre fallen lassen möchte. Ein hilfloses Unterfangen, zumindest hier.

Und wenn man der schwülstigen Sprache nichts abgewinnen kann, der Handlung und was der Autor daraus macht, ebenso wenig, einzig die Idee bleibt, ist nicht mehr viel, was übrig bleibt.

Tatsächlich haben sich an der Grundidee schon unzählige Autoren versucht und es ist ihnen fast allen besser gelungen, als Megged, von dem ich hoffe, dass seine Geschichte im Original eine völlig andere Wirkung hat, wobei das ja ein schlechtes Zeichen für die Übersetzerin wäre. Wenn sich das ungefähr gleicht, ist es für beide kein Ruhmesblatt. “Oschralien” ist die transportierte Langeweile schlecht hin und ein gutes Schlafmittel.

Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Autor:
Eyal Megged wurde 1948 in New York geboren und ist ein israelischer Schriftsteller, Kolumnist und Journalist. Er wuchs in Tel Aviv auf, wo er Philosophie und Kunstgeschichte studierte. Der Autor arbeitete zunnächst als Redakteur für einen Hörfunksender und schreibt als Jornalist für israelische Tageszeitungen über Literatur, Kultur und Sport.

1993 wurde er mit dem Macmillan Prize ausgezeichnet. Mehrere seiner Werke wurden ins Deutsche, sowie ins Englische übersetzt. Mit seiner Familie lebt er in Tel Aviv.

Nebenbemerkung:
Es müsste jetzt vielleicht jemand die Geschichte lesen und daran Gefallen finden. Ich möchte wirklich wissen, ob es Menschen gibt, die den Zugang bekommen, den ich nicht gefunden habe.

Eyal Megged: Oschralien Read More »

Craig Silvey: Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones? Book Cover
Wer hat Angst vor Jasper Jones? Craig Silvey Rowohlt Erschienen am: 01.09.2012 Seiten: 415 ISBN: 978-3-499-21697-8 Übersetzerin: Bettina Münch

Inhalt:

Laura Wishart ist fort. Ein für alle Mal. Sie wurde auf einer seltsamen Lichtung getötet, die nur Jasper Jones bekannt ist. Und ich habe sie dort hängen sehen.

Australien 1965. Mitten in der Nacht wird der 13-jährige Charlie Bucktin vom Klopfen an seinem Fenster geweckt. Draußen steht Jasper Jones, der Außenseiter der kleinen Stadt Corrigan und zugleich ein unbestimmter Held für Charlie.

Jasper bittet ihn um Hilfe, und so stiehlt sich Charlie mit ihm durch den nächtlichen australischen Busch – voller Angst, aber auch voller Abenteuerlust. Auf einer geheimen Lichtung wird Charlie Zeuge von Jaspers schrecklicher Entdeckung.

Mit diesem beklemmenden Geheimnis in seinem Herzen durchlebt Charlie eine Zeit der Angst, der falschen Verdächtigungen – und des Erwachens. In einem einzigen drückend heißen Sommer, in dem sich Charlies Leben für immer verändert, wird er lernen, die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden und sich vor Gerüchten zu fürchten wie vor einem Fluch. (Verlagstext)

Rezension:

Die Katastrophe wie ein Wolkenbruch im australischen Busch. In Corrigan ist eines der beliebtesten Mädchen des Ortes verschwunden und nur Jasper Jones, der allseits verschrieene Außenseiter udn Charlie Bucktin, nicht minder eine Außenseiter-Figur, haben eine Ahnung, was mit der Schülerin passiert ist.

Und auch sonst ist dieser Sommer, der letzte seiner Kinderheit für Charlie mehr als sonderbar. All die erwachsenen Oberflächlichkeiten und Rivalitäten scheinen ihn und seine Freunde einzuholen, Jeffrey darf endlich einmal (wenn auch widerwillig) eine bedeutende Rolle in der örtlichen Cricket-Mannschaft spielen.

Sein Vater dagegen bekommt den Hass der Gemeinde wegen des Vietnam-Krieges zu spüren und Charlies Familie zerbröckelt vor seinen Augen, während Charlie immer tiefer in den Strudel der Ereignisse versinkt, kaum Luft zum Atmen bekommt.

Craig Silvey hat hier einen ganz wundervollen kleinen Jugendroman geschrieben, der sich durchweg kurzweilig liest. Das ernste Thema immer wieder aufgelockert durch, für 13-jährige, hochphilosophische wie auch witzige Gedankengänge.

Tatsächlich strotzt “Wer hat Angst vor Jasper Jones?” nicht nur vor Spannung und Abenteuer, sondern durch eine gewaltige Prise Humor, den man den Protagonisten gerade noch so abnimmt.

Mehr hätte nicht sein dürfen, so aber hält Silvey die Geschichte glaubwürdig am Leben und enthärtet dort, wo es nötig ist, den gesamten Verlauf. Beginnend bei dem Verabschiedungsritual von Jeffrey und Charlie (Auf Wiederhörnchen! Bis Baldrian!) bis hin zu den verrückten Gesprächen der Freunde.

Eben gerade noch Kinder, die voller Unschuld in die Welt blicken, doch Charlie muss bald erfahren, wie grausam und ungerecht diese wirklich ist.

Die Ausarbeitung der Charaktere ist für ein Jugendbuch außerordentlich gut gelungen, sowohl der Kinder als auch der Erwachsenen. Charlie muss nicht nur eine diktatorische Mutter ertragen, sondern auch einen Vater, der sich von der alles gefallen lässt.

Zudem ist die Beschreibung der Psyche einer Ortschaft so tiefgründig, dass man fühlbar mit dem Jungen und seinen Freunden leidet, die erleben müssen, wie der schöne Schein der Erwachsenen-Welt in sich zusammenfällt, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis sie aus der Bahn wirft.

Der Schreibstil tut sein Übriges, um große und kleine Leser in seinem Bann zu ziehen. Und das tut Craig Silvey zu Recht.

Bis Baldrian und auf Wiederhörnchen!

Autor:

Craig Silvey wurde 1982 geboren und ist ein australischer Schriftsteller und Musiker und als Sänger udn Songwriter bei den “The Nancy Sikes!” aktiv. Sein erster Roman wurde im jahr 2004 veröffentlicht und bekam promt gute Kritiken in der australischen Presse, danach verlegte er sich ganz auf das Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern.

Mit “Jasper Jones” (OT) wurde er auch international bekannt, welches mehrere Preise abräumte. 2015 wurde mit einer Verfilmung des Jugendromans begonnen.

Craig Silvey: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Read More »