Ausflug

Jule Paul: Taschen voller Sand

Inhalt:

Endlich wieder Zeit für die Familie, denkt Johann, Mitte 60 und beruflich erfolgreich als Anwalt tätig. Wie in den Jahren zuvor geht es mit der Familie nach Österreich. Was als glückliche Ferienzeit beginnt, entwickelt sich von Tag zu Tag problematischer. Ausgelöst durch eine zufällige Begegnung mit einem 11-jährigen Jungen, beginnt er über das eigene Leben nachzudenken. Der Ansturm der Erinnerungen wird mächtiger, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit intensiver. Warum ist er der Mittelmäßigkeit seines Alltags nicht entflohen? Warum holt ihn gerade jetzt die eigene Mutlosigkeit ein? Auch mit Mitte 60 muss es nicht zu spät sein. (angepasster Klappentext)

Rezension:

Ja, was soll ich sagen? Ich habe mich wieder einmal auf ein literarisches Gebiet begeben, mit dem ich mich nach wie vor schwer tue. Nur, weil ich beratungsresistent gegenüber meinen eigenen bisher gemachten Erfahrungen bin, die ich damit schon gemacht habe und weil es zufällig in meiner Buchhandlung erhältlich war. Ich habe mit “Taschen voller Sand”von Jule Paul tatsächlich ein Selfpublishing-Werk gelesen.

Selfpublishing krankt meines Erachtens oft genug daran, dass zwar die Schreibenden schnell zu einer Veröffentlichung kommen, jedoch an den falschen Ecken und Enden gespart wird. Vor allem das Lektorat bleibt dabei oft auf der Strecke, von der Suche nach Logikfehlern einmal ganz abgesehen. der Hintergedanke, dass es schon Gründe haben wird, warum eine Geschichte keinen Verlag findet, schwebt als Gedanke immer mit. Bei mir. Hier haben wir jedoch eine Erzählung vorliegen, die ohne großartiges World-Building auskommt, Protagonisten als Dreh- und Angelpunkt beinhaltet, wie wir sie alle aus dem realen Leben kennen und eine geschichte, wie sie so oder ähnlich tatsächlich passieren kann.

Hauptprotagonist ist Johann, Mitte sechszig, ein erfolgreicher Anwalt, der den Urlaub mit seiner Familie, wie in jedem Jahr, in der österreichischen Bergwelt zwischen Wanderungen und Hotelpool verbringen möchte. Seine Frau, Tochter und der farblose Schwiegersohn mögen diese berechenbaren Ferien, wenigstens aber seinem Enkel möchte Johann aus der Gleichförmigkeit ziehen und eine gemeinsame Basis schaffen, wozu es außerhalb des Urlaubs bisher nicht genug Gelegenheit gegeben hatte. Dabei treffen beide auf dem elfjährigen Lasse, der allein durch seine Anwesenheit alle Gewissheiten des gestandenen Mannes zum Einsturz bringt. Johann beginnt sein Leben zu überdenken. Welche Schlüsse wird er ziehen?

Die Hauptfigur ist fascettenreich gestaltet, dazu im Kontrast stehend, die anderen Protagonisten beinahe farb- und kontrastlos. Diese Gegensätze wirken zu Teilen sehr gewollt, zum anderen wie der Mehltau eines Vorabendfilms des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. das muss man mögen, wenn man sich auf diese Erzählung einlässt, kann sich dann zurücklehnen und berieseln lassen. Die Sympathien liegen von Beginn an bei nur wenigen Personen, die den vorhersehbaren Handlungsstrang tragen.

Das ist nicht schlecht geschrieben, ein Lektorat hat diese Geschichte wohl gesehen, dennoch möchte man einige Figuren gerne gewaltsam aus ihrer gleichförmigkeit herausnehmen und schütteln. Sehr schön, dass sich die Autorin hier für eine kompakte Erzählweise entschieden hat und einem halb offenen Ende, um nicht noch einen sehr kitschigen Schluss verfassen zu müssen. Diese Zurücknahme tut gut. Ansonsten ist die Melancholie der vepassten Chancen die bestimmende Thematik. Weiter passiert nicht viel. Eine Erzählung wie ein kleines Bergdorf. Überschaubare Gipfel, große unerreichbare Berge. Betulichkeit. Man erwartet nichts. Das bekommt man.

Autorin:

Jule Paul wurde 1961 geboren und arbeitete als Kellnerin, Buchhändlerin und Sekretärin, bevor sie Rechtswissenschaften studierte. Heute arbeitet sie als Juristin in Berlin.

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Maile Meloy: Bewahren Sie Ruhe

Bewahren Sie Ruhe Book Cover
Bewahren Sie Ruhe Maile Meloy Kein & Aber Verlag Erschienen am: 16.03.2018 Seiten: 431 ISBN: 978-3-0369-5776-0 Übersetzung: Anna-Christin Kramer (u.a.)

Inhalt:

Eigentlich war die Kreuzfahrt eine großartige Idee: Während Liz und Nora mit ihren Ehemännern entspannen, toben sich die vier Kinder im Kids-Club aus. Doch was bei einem Ausflug an Land passiert, ist der Albtraum so ziemlich jeder Familie.

Wegen eines Moments der Unachtsamkeit der Mütter sind die Kinder plötzlich spurlos verschwunden. Während die Eltern zunächst sich selbst und dann sich gegenseitig beschuldigen, geht es bei den Kindern ums blanke Überleben. (Klappentext)

Rezension:
Eine Kreuzfahrt, die ist lustig. Eine Kreuzfahrt die ist schön. Oder todlangweilig. Und so beschließen zwei amerikanische Pärchen einen Ausflug vom “Animations- und Bespaßungsalltag eines durchorganisierten Kreuzfahrtschiffes zu machen und so macht sich die bunte Truppe zusammen mit einer argentinischen Familie auf, ins Hinterland von Costa Rica. Was zunächst als harmlose Tour beginnt, bei der die Männer sich widerwillig von ihren Frauen mitziehen lassen und die Kinder ihren ganz eigenen Spaß haben, endet in einen außerplanmäßigen Stopp und schließlich in totales Chaos.

Die Kinder verschwunden, machen sich die Frauen selbst, dann gegenseitig Vorwürfe und zum Schluss stehen alle Beteiligten vor ihren seelischen Scherbenhaufen. Nicht ahnend, dass die Kinder in noch größerer Gefahr schweben. Alle Beteiligten stoßen nach und nach an ihre psychischen Grenzen.

Wenn man das so erzählt, klingt es nach einem großartigen Roman, den man rein von der Aufmachung und den Klappentext auch erwarten dürfte. Hochwärtig ist die Hardcover-Ausgabe verarbeitet, fast so, als würde sie dazu einladen, sie auch wirklich auf einer Kreuzfahrt zu lesen, was man sich drei Mal überlegen sollte.

Doch, was langsam beginnt und dann immer mher Fahrt aufnimmt, verpufft eben so schnell wie die Dampfwolke aus den Schornsteinen eines altertümlichen Kreuzfahrtdampfers, obwohl die Beschreibung des Schiffes eher auf einen AIDA-gleichen Riesen abzielt. Die Handlungsstränge, deren Spannungsbögen sehr ungleichmäßig verteilt sind, ziehen den Leser immer wieder aber nicht kontinuierlich in ihren Bann und ob der Charaktere wird man am Ende ebenso ratlos zurückbleiben.

Kein Protagonist ist wirklich sympathisch bzw. wenigstens die Kinder kann man liebgewinnen, trotz ihrer beschriebenen Macken, aber ansonsten ist auf vielen Seiten einfach Ebbe. Keine Figur, mit der man sich wirklich identifizieren möchte oder kann.

Meloy schafft es jedoch allerdings, das ist hier ein großer Pluspunkt, die Eigenheit klischeehafter US-Amerikaner auf’s Korn zu nehmen, den Glauben, das Glück für sich gepachtet zu haben und schmerzvoll geografie und Gesellschaftskenntnisse durch Katastrophen zu erlernen. Anders funktioniert es ja bei denen nicht, mag mancher Leser der Autorin stillschweigend zustimmen.

Das ist aber viel zu wenig, für einen Roman, der durchaus hätte spannend werden können, stattdessen an Cliffhangern spart und irgndwo zwischen Roman und Krimi pendelt.

Alles in allem schade, weil man hier eine autorin liest, die sicher gut erzählen und schreiben kann, aber gefühlt ihr Potential nicht ausnutzt. So bleibt es bei einer mittelmäßg erzählten Geschichte, die man lesen kann, aber nicht muss.

Autorin:
Maile Meloy wurde 1972 geboren und ist eine amerikanische Schriftstellerin von Kurzgeschichten und Romanen. Sie studierte in Harvard und an der University of California at Irvine Kreatives Schreiben und arbeitete in der Animationsabteilung von Disney.

2002 erschien ihre erste sammlung von Kurzgeschichten, soöter folgte ihr Romandebüt, welches sofort zu einem Bestseller führte. Für ihre Kurzgeschichten wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

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