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Rafel Nadal: Die letzten Tage meiner Kindheit

Die letzten Tage meiner Kindheit Book Cover
Die letzten Tage meiner Kindheit Roman Bastei Lübbe Taschenbuch Seiten: 239 ISBN: 978-3-404-17678-6

Inhalt:
“Die Welt ist in zwei Lager geteilt: ihres und unseres. Wir sind in der Überzahl, verlieren aber trotzdem immer.” Diese lektion lernt Lluc schon früh. Am letzten Tag des Spanischen Bürgerkriegs muss der Achtjährige mit ansehen, wie seine Mutter erschossen wird.

Bei der fürsorglichen Senyora Stendhal und ihrem Sohn Dani findet er ein neues Zuhause – nur, um es kurz darauf wieder zu verlieren. Lluc sinnt auf Rache. er träumt davon, in die Berge zu ziehen und sich dem Widerstand gegen Franco anzuschließen. Denn er will nicht sein leben lang auf der Seite der Verlierer stehen. (Klappentext)

Rezension:
Es ist eines dieser Romane, die zumindest gefühlt nicht großartig beworben und daher in der Wahrnehmung nicht ganz so weit oben auf den Büchertischen zu finden sind, wie es vielleicht andere Werke dieses Formats täten. Erzählt wird, was der Klappentext hergibt, eben die Geschichte eines kleinen Jungen, der im Spanischen Bürgerkrieg seine Mutter, ein paar Jahre später praktisch seine liebgewonnene Adoptivfamilie verliert und überhaupt den ganzen Schmerz, die ganzen offenen Wunden ertragen muss, die der Spanische Bürgerkrieg in die Herzen der Bevölkerung getrieben hat.

Wir erleben die Bewohner eines Dorfes nahe Girona, so detailliert beschrieben, dass man dem Autoren jede Zeile für bare Münze abnimmt, stammt Nadal doch selbst aus dieser Stadt, und können den die Verzweiflung, die Sehnsüchte, die Wut des Jungen nachvollziehen.

Trotz der nicht gerade schwierigen Sprache, dies so kunstvoll umzusetzen, ist hier großartig gelungen. Die Protagonisten sind detailliert ausgearbeitet, bleiben jedoch, je mehr Nebencharakter, manchmal zu blass, was aber im Fortgang der Handlung nicht stört. Der Spannungsbogen gleicht viele Schwächen des Romans aus. Aber eben nicht alle. In manchen Teilen plätschert die Handlung dann eben doch dahin, wie ein ums Überleben kämpfendes Rinnsal unter der spanischen Sonne, auch sind Schreib- und Erzählstil in manchen Abschnitten nicht passend zum Alter des Protagonisten.

Die Hauptfigur ist sich selbst ein Rätsel. Zwei- bis dreihundert Seiten mehr, und Nadal hätte ein großartiges spanisches Epos schreiben können, so aber ist ein fast zu vernachlässigender Roman entstanden. Kann man lesen, muss man jetzt nicht unbedingt. Das Ende des Romans besteht aus Zeilen verpasster Chancen. Der Abschluss lässt den Leser unbefriedigt zurück. Da fehlt das gewisse Etwas. Die Abrundung, wie sie anderen familiären Romanen mit geschichtlichen Beiwerk zugrunde liegt, ist hier nicht vorhanden

Vielleicht ist das kennzeichnend für die spanische Gesellschaft direkt nach den Bürgerkrieg oder nach dem Ende der Franco-Diktatur, mit dessen Aufarbeitung man sich immer noch schwer tut. In sofern vielleicht ein nicht ganz unwichtiges Buch. In der gleichen Liga wie andere Romane dieses Genres spielt “Die letzten Tage meiner Kindheit” dennoch nicht.

Autor:
Rafel Nadal wurde 1954 in Girona geboren und ist ein spanischer Journalist und Schriftsteller. Er schrieb für mehrere große spanische Zeitungen, heute für die Tageszeitung La Vanguardia. Daneben arbeitet er für verschiedene Radio- und Fernsehsender. Der mehrfach ausgezeichnete Autor veröffentlichte bisher drei Romane. Sein Buch “Das Vermächtnis der Familie Palmisano” gehört zu den am zahlreichsten übersetzten katalanischen Werken.

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Fabio Geda: Im Meer schwimmen Krokodile

Im Meer schwimmen Krokodile Book Cover
Im Meer schwimmen Krokodile Fabio Geda btb Verlag Seiten: 190 Taschenbuch ISBN: 978-3-570-40201-6

Inhalt:

Nachdem Enaiat von seiner Mutter aus Afghanistan geschmuggelt wurde, wacht er eines Morgens auf und ist allein. Er hat nichts als seine Erinnerungen und die drei Versprechen, die er ihr gegeben hat. Mit dem Ziel, ein besseres Leben zu finden, begibt Enaiat sich auf eine lange Reise Richtung Westen.

Er durchwandert die Länder des Ostens bis nach Europa, reist auf Lastwagen, arbeitet, schlägt sich durch, lernt das Leben von seiner grausamen Seite kennen.

Und trotzdem entdeckt er, was Glück ist… Fabio Geda erzählt die wahre Geschichte von Enaiatollah Akbari in einem zu Herzen gehenden Buch: Eine Geschichte, die uns den Glauben an das Gute zurückgibt. (Klappentext)

Rezension:

In Zeiten, wo die Flüchtlingsproblematik die Emotionen zum Kochen bringt, in der Diskussionen nicht mehr mit rationalen Argumenten geführt werden und Rechtspopulisten immer mehr Aufwind bekommen, sollten wir uns einmal die Geschichten hinter den Fernsehbildern in Erinnerung rufen.

Flüchtlinge, die wochen-, manchmal monatelang, nicht selten Jahre unterwegs sind, um Krieg, Verfolgung und Terror zu entfliehen. Nicht wenige davon im Kindes- und Jugendalter. Eine dieser Geschichten erzählt Fabio Geda, der den Bericht von Enaiatollah Akbari angenommen hat.

Dieser wurde von seiner Mutter aus dem von Krieg und Terror geplagten Afghanistan kurz vor den Terroranschlägen des 11. September außer Landes geschmuggelt. Von da an, auf sich selbst gestellt, beginnt er die gefährliche Reise nach Europa, trifft Menschen, die ihm aus unterschiedlichsten Gründen helfen und muss immer wieder Rückschläge verkraften.

Doch selbst in Europa ist nicht sicher, ob er bleiben darf oder wieder in seine Heimat, die gar keine ist, zurückkehren muss. Doch, Enaiatollah kämpft, wie er es schon von Kindesbeinen an kennt, für ein besseres Leben und eine sichere Zukunft. Es ist eines dieser Bücher, die es aus der Nische der Kinder- und Jugendliteratur hinein in den Bereich der Erwachsenen-Romane und damit zu größere Beachtung schaffen sollten.

Denn Fabio Gedas Roman liegt tatsächlich eher in der Kinder- und Jugendbuchecke aus, was einerseits gut ist, um Kinder an dieses sehr sensible Thema heranzuführen, andererseits schlecht, da man mehrheitlich das Gefühl haben kann, gerade die Erwachsenen sind es, die Aufklärung bedürfen.

Geda erzählt eindringlich die Geschichte eines der Flüchtlinge, die exemplarisch für alle stehen kann, die dieses Schicksal haben, ohne zu werten. Er lässt Akbari erzählen und so entstand eine wunderbare Geschichte über Hoffnung, Verzweiflung, Mut, Entschlossenheit und Durchhaltewillen gegen alle Widerstände.

Ohne Längen und in flüssigen Schreibstil, hier genügen wenige Seiten um ein eindrucksvolles Stück Geschichte zu beschreiben, ist mit “Im Meer schwimmen Krokodile” ein kleines Juwel entstanden, was es in sich hat und zum Nachdenken anregt.

Zu versuchen, die Vorurteile einmal fallen zu lassen und sich wirklich den einzelnen Schicksalen anzunehmen, die Gründe nachzuvollziehen, warum jemand flüchtet und was das mit einem macht, sowie all jenen Respekt zu zollen, die wirklich helfen. Schließlich muss man nur den Umkehrschluss zumindest gedanklich zulassen, was wäre in einer umgekehrten Situation, wenn unsereins flüchten müsste. Wäre man da nicht auch dankbar für jede Hilfe?

Natürlich ist das Geschäft mit Schlepperbanden, auch von diesen Erfahrungen erzählen Akbari und Geda, zu verurteilen, aber auch dieses hat Ursachen und nicht ohne Grund greifen Menschen auch zu diesem Strohhalm, wenn es andere Hilfe nicht gibt.

Fabio Geda erzählt eine Geschichte voller Hoffnungen und Glück, Bangen und Warten, Mut und Verzweiflung, die man gelesen haben sollte. Wer dies tut, tut es sicherlich mit Gewinn. Hoffen wir, dass der echte Enaiatollah Akbari seinen Weg gehen wird. Der Leser wird darüber zumindest keine Zweifel haben.

Autor:

Fabio Geda wurde 1972 in Turin geboren und studierte nach der Schule Kommunikationswissenschaften. Danach arbeitete er als Lehrer und im sozialen Bereich, schrieb seinen ersten Roman, der 2014 ins Deutsche übersetzt wurde.

Sein zweiter Roman “Im Meer schwimmen Krokodile” verhalf ihm zum internationalen Durchbruch. Die wahre Geschichte des Flüchtlings Enaiatollah Akbari wurde in 18 Ländern publiziert.

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Gudrun Pausewang: Auf einem langen Weg

Auf einem langen Weg Book Cover
Auf einem langen Weg Gudrun Pausewang Ravensburger Erschienen am: 01.08.1996 Seiten: 191 ISBN: 978-3-473-52041-1

Handlung:

“Jetzt ist es so weit”, rief die Mutter nervös. “Wir müssen weg. Heute Abend müssen wir auf dem Bahnhof sein. Wir werden in den Westen gebracht.” Achim verstand nicht, worum es ging. Er war ja auch erst sechs Jahre alt.

Werner aber wusste, was das bedeutete: Die Stadt würde bald beschossen werden. Deshalb sollten vorher alle Frauen und Kinder und alle Alten und Kranken forgebracht werden. Der Zug kommt jedoch nicht weit. Bei einem Bombenangriff werden Werner und Achim von der Mutter getrennt. Sie haben nichts als ihre Wintermäntel. Und eine Adresse: Glauchau. (Klappentext)

Rezension:

Es ist das Schicksal hunderter Kinder, was Gudrun Pausewang hier beschreibt, denn nach Kriegsende gab es wohl unzählige kleine Werner und Achims, deren Familien Richtung Westen flüchteten um den “Horden” der Roten Armee zu entkommen.

Viele Kinder verloren auf dem langen und beschwerlichen, gefährlichen Weg ihre Eltern ganz oder teilweise aus den Augen und mussten sich alleine durchschlagen. In der Hoffnung, die Eltern wieder zu finden und einfach nur zu überleben.

Dies gelingt Pausewang einfühlsam zu beschreiben, verständlich selbst für junge Leser, die sich wohl mit dieser Thematik, die nur die Groß- oder Urgroßelter-Generation betrifft, beschreibt und so einen Zugang ebnet für die Geschichten vieler Familien.

Der Schreibstil ermöglicht dabei ein leichtes flüssiges Lesen. Die Figuren sind überwiegend sympathisch, vor allem die Brüder Werner udn Achim eignen sich als Identifikationsfiguren.

Ihr Weg, ihre Abenteuer, ihre Gefühle und ihr Kampf ums Überleben werden gerade für Kinder einfühlsam beschrieben, wenn auch gerade Pausewangs Ausdruck auf jüngste Leser geradezu geeicht und für ältere Leser entweder etwas altmodisch aber zumindest manchmal angestrengt rüberkommt.

Inzwischen gibt es viele veröffentlichte Berichte, teilweise von den Zeitzeugen selbst, über die sog. “Wolfskinder”, die ihre Eltern in den letzten Kriegswirren verloren hatten und sich nun alleine durchschlagen mussten. Oft noch über das Kriegsende hinaus, jahrelang. “

Auf einem langen Weg” ist eine würdige Verarbeitung dieser Thematik und eröffnet für die Kleinsten einen Zugang, so verständlich und einfühlsam, dass diese Geschichte bereits 1984 verfilmt wurde. Das Cover zeigt die beiden Jungschauspieler.

Autorin:

Gudrun Pausewang wurde 1928 in Wichstadtl in Böhmen geboren und floh mit ihrer Familie nach Kriegsende nach Westdeutschland. In Wiesbaden machte sie ihr Abitur und studierte Pädagogik. Danach unterrichtete sie als Grund- und Hauptschullehrerin.

Ab 1965 unterrichtete sie fünf Jahre an der Deutschen Schule in Chile und bereiste wärend dieser Zeit Südamerika. Ende 1963 ging sie nach Deutschland zurück, studierte Germanistik und war wieder als Grundschullehrerin tätig.

Nach einem kurzen Wechsel an einer Deutschen Schule in Kolumbien, kehrte sie entgültig nach Deutschland zurück und schrieb neben ihrer Berufstätigkeit Romane wie “Die Wolke”, wofür sie 1988 den Deutschen Jugendliteraturpreis bekam. 1998 promovierte sie an der Universität in Frankfurt/Main.

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