Vater-Sohn

Franz Kafka: Das Urteil/Die Verwandlung – Erzählungen

Autor:
Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 in Prag geboren. Nach einem Jura-Studium, welches er 1906 mit Promotion abschloss, arbeitete er als Angestellter einer Versicherung bis zu seiner vorzeitigen Pensionierung, im Jahr 1922. 1917 erlitt er einen Blutsturz und starb 1924 an den Folgen einer Tuberkulose-Erkrankung. Er schloss sich einem Kreis Prager Literaten an, seine erste Erzählung wurde 1908 veröffentlicht. Weitere folgten. Kafkas Werke wurden mehrfach verfilmt und für das Theater adaptiert.

Inhalt:
Ein Vater, der seinen Sohn zum Tod durch Ertrinken verurteilt. Die Verwandlung eines Geschäftsmannes in ein Insekt. Die Widerstände, die das Leben seinen Figuren entgegenstellt, sind wunderlich und grotesk. Die Bilder, die Kafka für die seelischen Nöte der Menschen findet, wirken weit über seine Erzählungen hinaus. (Klappentext)

Rezension:
Ein junger Geschäftsmann wacht auf und findet sich gefangen wieder, in einer anderen Gestalt. Die Entfremdung zweier Menschen führt zum Tode des einen. Zwei Erzählungen sind hier in diesem schmalen Bändchen versammelt, die nebst anderen für das Wirken eines der großen Schreibenden stehen und die zwischen den Zeilen tiefgehenden Interpretationsspielraum bieten. Die kompaktere der beiden Novellen steht der zweiten voran. Der Sohn hat kürzlich das Geschäft seines Vaters übernommen, letzterer sieht sich zunehmend in die Rolle des passiven Zuschauers gedrängt. Risse werden deutlich. Es kommt zum Bruch mit dramatischen Ausgang.

Schon innerhalb dieser wenigen vorliegenden Seiten ergeben sich zahlreiche Spielräume für Überlegungen. Biografische und psychologische Bezüge zu Kafka und dessen Verhältnis zur Vaterfigur spielen mit rein, auch die innere Zerrissenheit, derer sich Kafka zeitlebens selbst vorwarf, wird in vielen Interpretationen bemüht, sowie, oberflächlich die Abscheu des Autoren vor der Geschäftswelt, in der er selbst eine Rolle spielte. Ebenso “Die Verwandlung”, der Panzer des Käfers gleichsam als inneres wie äußeres Gefängnis, dem die Entfremdung und das Unverständnis der äußeren Welt folgt. Beide Erzählungen sind pointiert ausgearbeitet, vieles lässt sich zwischen den Zeilen deuten.

Im Zentrum stehen die Hauptprotagonisten selbst, die nach Art der Novelle selbst zum Dreh- und Angelpunkt ihrer eigenen Geschichte werden und so Verknüpfungspunkte zwischen beiden Geschichten bilden. Die Zusammenstellung in einem Band funktioniert auch deshalb, ergibt ein stimmiges Bild.

Kafkas Tonalität lässt sich auch heute noch sehr gut lesen, ist verständlich. Auch ohne Interpretation gelingt die Lektüre. Eventuell könnte man sogar so weit gehen, mit “Die Verwandlung” ein frühes fantastisches Werk vorzufinden, in beiden Fällen jedoch mindestens eine gehörige Portion Gesellschaftskritik zu lesen. Man nähert sich beiden Protagonisten an, eine gewisse Distanz bleibt jedoch immer vorhanden. Der Autor spart sich zumindest bei letzterer Novelle die Erklärung, wie es zur Ausgangssituation kommt. Ab dann finden sich keine weiteren Lücken. Der Wandel im Charakter der Figuren folgt in immer schnelleren Schritten.

Trotzdem der Nachvollziehbarkeit bleibt eine gewisse Kälte innerhalb der beiden Texte, die sich jedoch auch aus dem Schreibstil ergibt. Das jedoch alleine wirkt schon zur Genüge. Schade, dass man von Schulseiten gezwungen wird, diese und andere Werke bis ins kleinste Komma auseinanderzunehmen. Zumindest bei “Die Verwandlung” war das bei mir der Fall. Mit den Abstand von heute, ohne jetzt die favorisierte Deutung der Lehrkraft treffen zu müssen, mochte ich jedoch das Werk gerne für mich neu zu entdecken.

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Susann Pasztor: Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster

Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster Book Cover
Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster Susann Pasztor Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 16.02.2017 Seiten: 286 ISBN: 978-3-462-04870-4

Inhalt:

Fred, alleinerziehender Vater, Angestellter, seit Neuestem Sterbebegleiter, möchte bei seinem ersten Einsatz alles richtig machen. Karla, reserviert und eigensinnig, hat nur noch wenige Monate zu leben. Phil ist Freds 13-jähriger Sohn und bekommt eine besondere Aufgabe von Karla.

Eine spannungsreiche und spannende Beziehungsdynamik entsteht, als sich diese drei ganz unterschiedlichen Menschen auf einen gemeinsamen Weg machen. Eine berührende Geschichte über die Schönheit des Lebens und die erstaunliche Entwicklung einer Vater-Sohn-Beziehung. (Klappentext)

Rezension:

Erzählungen können Fußabdrücke hinterlassen und manche dieser Eindrücke bleiben dann auch. Für den Rest des Lebens. Susann Pasztors Geschichte “Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster” gehört in jedem Fall dazu.

Die Autorin erzählt die Geschichte von Fred, der den Sinn des Lebens im Begleiten sterbender Menschen sucht, von Karla, die nur noch wenige Monate zu leben hat und ihr bevorstehendes Ende stoisch akzeptiert hat und von Phil, der an der Schwelle zur Pubertät sein ganzes Leben noch vor sich hat.

An sich eine explosive Mischung, doch der Erzählstil der Autorin ist ruhig. Der Tod kommt auf leisen Sohlen, Karla wird immer weniger, wobei sie ein Geheimnis mit sich trägt, während Fred und sein Sohn immer mehr werden, daran wachsen.

Allein, es ist ein Roman, in dem eigentlich nicht viel passiert. Nur die Figuren machen große Sprünge in ihrer Entwicklung, merken dies selbst nicht und wachsen einem als Leser so ans Herz, dass man sie gar nicht loslassen möchte. Natürlich, die unheilbar an Krebs erkrankte Karla soll nicht leiden und sanft einschlafen, doch ihr Doppel-Gegenpart geht einem nahe. Ihre Gedanken und Gefühle, sanft und ehrlich, wie Karlas, unberechenbar und ebenso ehrlich. Dabei, bis auf eine Szene, niemals laut.

Der Fokus auf die Hauptpersonen verändert sich im Laufe der Geschichte. Stehen zunächst die Erwachsenen im Vordergrund ist es später die Dynamik zwischen Karla und Phil, dem 13-jährigen, die Tempo hineinbringt. Das tut der Geschichte gut und gibt neue Perspektiven, die sich lohnen.

Kurze klare Kapitel wechseln sich ab, sind flüssig zu lesen und tragen ebenso zum Gelingen der Geschichte bei, von der man weiß, von Anfang an, wie sie ausgeht, und doch überrascht wird. Das Ende lässt einem friedlich gestimmt zurück.

Gewöhnungsbedürftig war gegen Ende nur ein Kapitel, welches ich aber als künstlerische und gedankliche Freiheit akzeptiere und sich dennoch in die Gesamtheit des Romans passend eingefügt hat. Sei’s drum. Pasztor hat gut geschrieben. Eine schöne Sprache, die hier auch mal, in gegensatz zu vielen anderen schönsprachlichen Geschichten, zu einer gut lesbaren Erzählung geführt hat.

Der Respekt vor der oft ehrenamtlich geführten Hospizarbeit und Sterbebegleitung ist nach dem Lesen von “Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster” auf jeden Fall gewachsen, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Autorin ihre eigenen Erfahrungen in diesem Bereich eingebracht hat.

Susann Pasztor mit einem großartigen Roman, den man nicht aus den Augen verlieren sollte.

Autorin:

Susann Pasztor wurde 1957 in Soltau geboren und lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Berlin. Ihr Debütroman erschien 2010 bei Kiepenheuer & Witsch und wurde in mehreren Sprachen übersetzt.

Für den Verlag ist sie inzwischen eine der “Hausautorinnen” und veröffentlichte 2013 einen weiteren Roman. Sie hat die Ausbildung zur Sterbebegleiterin abgeschlossen und ist seit mehreren Jahren ehrenamtlich tätig.

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Tommy/Werner Krappweis: Sportlerkind

Sportlerkind Book Cover
Sportlerkind Tommy/Werner Krappweis Knaur Taschenbuch Erschienen am: 01.04.2016 Seiten: 242 ISBN: 978-3-426-78793-9

Inhalt:

“Mein Urgroßvater war ein begeisterter Radfahrer und besaß das größte Fahrradgeschäft in Bayern. Seine Tochter – meine Oma – lief noch im hohen Alter mit dem Schäferhund um die Wette, unterstützt von Krücken und dem Durchhaltevermögen aus zwei Weltkriegen. Ihr Sohn – mein Vater – fuhr Radrennen mit geplatztem Blinddarm, ging Langlaufen mit abgerissenem Bizeps und joggen mit gebrochenen Rippen. Sein Sohn – ich – wollte einfach nur Lego spielen …” 

Vater und Sohn erzählen von Hoffnung, Verweigerung, Lust und Leid am leistungssport – witzig, wahr und ein bisschen wahnsinnig. (Klappentext)

Rezension:

Neben Wildcampen ist Werner krappweis’ größte Leidenschaft Radrenn- und Skifahren und so muss auch sein Sohn Tommy mit ins Radrennlager seiner Sportgruppe, wo der Vater Jugendtrainer ist oder im Winter Skifahren, obwohl er lieber Lego spielen und sich kreativ “austoben” möchte. Das ist natürlich für den Vater kein richtiger Sport.

Vater und Sohn erzählen, wie auch schon im Vorgänger “Das Vorzelt zur Hölle” irrwitzige, abenteuerliche und gefährliche Geschichten von gemeinsamen und alleinigen sportlichen Unternehmungen, die es in sich haben. 

Der Leser staunt, in welche Situationen man geraten kann und vor allem, dass Werner Krappweis aus den meisten dieser “Unglücke” relativ unbeschadet herausgekommen ist. Wenn man “unbeschadet” übersetzt mit “allerhand Verletzungen aber doch lebendig”. 

Dabei meint man Seite für Seite die Situationen hautnah mitzuerleben und den Nervenkitzel, wahlweise die Schweisausbrüche nachfühlen zu können und ist zugleich dankbar, eben nur vom heimischen Lesesessel aus in Gedanken mitzureisen. Ob auf Skier oder dem Rennrad. 

Und so ist dem Sportverweigerer Tommy Krappweis und dessen Vater, einem ausgemachten Sport-Fanatiker, wieder ein wunderbares Buch über gemeinsam und doch unterschiedlich Erlebtes gelungen, welches für ein paar Stunden Unterhaltung sorgen kann.

Autor:

Tommy krappweis wurde 1972 in München geboren und arbeitet als Musiker, Comedian und Regisseur, Produzent und Autor. In der Schulzeit schrieb er erste Theaterstücke und Sketche für die Schulbühne, gründete eine Band und arbeitete nach seinem Abschluss in der Westernstadt “No Name City” als Stuntman. 

Er besuchte die Münchener Fachpberschule für Gestaltung und nahm erste kleinere Fernsehrollen an. Er arbeitete bei RTL Samstag Nacht und erfand die Kultfigur “Bernd das Brot”, für die er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde.

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