urban

Sophia Kimmig: Von Füchsen und Menschen

Inhalt:

Roter Pelz, bernsteinfarbene Augen, grazile Statur – wer ihm einmal begegnet, vergisst diesen Anblick nicht mehr. Doch der Fuchs ist nicht nur für seine Schönheit, sondern auch als schlau, gerissen und neugierig bekannt. Vom Polarkreis bis in den Norden Afrikas findet man ihn, und er besiedelt zunehmend unsere Städte. Wildbiologin Sophia Kimmig heftet sich dort an seine fersen und versucht, hinter das Geheimnis des Überlebenskünstlers zu kommen. Sie nimmt uns mit auf nächtliche Erkundungstouren, erzählt amüsant von den Tücken der Feldforschung und gewährt uns spannende Einblicke in das verborgene Leben unserer wilden Nachbarn. (Klappentext)

Rezension:

Diesen Tieren sagt man so einiges nach. Schläue und Gerissenheit sind die Eigenschaften, die sich häufig in Märchen und Fabeln wiederfinden und Füchsen angedichtet werden, doch vor allem sind sie eines. Flexible Generalisten, die sich veränderten Bedingungen bisher gut anpassen und damit umgehen konnten. So ist der Rotfuchs heute einer der erfolgreichsten Kulturfolger des Menschen und bewohnt, während es für seine Verwandten auf dem Land immer schwieriger wird, zunehmend unsere Städte.

Weitgehend von uns unbemerkt, bevölkert er Bahndämme, Brachgelände, Schul- und Friedhöfe und bedient sich dabei einem reichhaltigen, durch uns stetig gedeckten Tisch. Doch, wie findet sich der Fuchs überhaupt in einer eigentlich tierfeindlichen Umgebung überhaupt zurecht? Wie leben diese Tiere inmitten unter uns?

Die Wildbiologin Sophia Kimmig begibt sich auf Spurensuche durch Berlin, von den Randbezirken bis hinein ins Regierungsviertel und berichtet von ihrer Arbeit und dem Leben Meister Reineckes, welches beinahe unbemerkt parallel zu uns stattfindet.

Füchse vermögen zu faszinieren. Es sind die flüchtigen Begegnungen, die uns für einen kurzen Moment innehalten lassen. Ein Rascheln im Gebüsch, das Aufblitzen roten Fells am Wegesrand, manchmal sogar in Hauseingängen oder gleich in der U-Bahn. Ein Video eines solchen Fuchses, der sich in die Eingeweiden der öffentlichen Verkehrsmittel Berlins gewagt hatte, ging viral und selbst das Bundespräsidialamt ist inzwischen auf den Fuchs gekommen.

Wie kam es zu diesem Wandel? Einst wurde das Tier als Nahrungskonkurrent und Krankheitsüberträger stark bejagd. Heute ist es Kultobjekt und die meisten Menschen ihm gegenüber positiv aufgeschlossen.

Sophia Kimmig ergründet seit ihrer ersten Begegnung mit dem Rotpelzigen die Füchse Berlins, besendert sie und schafft uns damit einen Überblick über das verborgene Leben dieser Tiere und zeigt, dass die Städte längst nicht mehr nur für uns Menschen ein lebendiger Ort ist. Amüsant erzählt sie von den Unwägbarkeiten ihrer Arbeit, aber auch dem Wandel in der Forschung und räumt zugleich mit einigen Legenden auf, die unsere wilden Nachbarn umgeben.

Natürlich fehlt er nicht, der persönliche Blick durch die Fuchsbrille, aber die Autorin bleibt sich den kurzweiligen Kapiteln über treu und verbindet kenntnisreich Informationen, nach denen man mit anderen Augen durch die Städte gehen wird. In jedem Fall aufmerksamer.

Ich trage eine Fuchsbrille. Eine Brille, die mich eine verborgene Welt sehen lässt, die ich ohne nicht bemerkt habe. Wenn ich mich durch die Stadt bewege, sehe ich sie. Überall.

Sophia Kimmig: Von Füchsen und Menschen

Einblicke gewährt Kimmig sowohl in ihre alltägliche Arbeit, der Sicht von außen als auch in das Leben der Tiere, welches nicht etwa durch Bejagung oder Nahrungsmangel gefährdet ist, sondern, des Lebensraumes bedingt, zunehmend durch den Straßenverkehr.

Der Wandel der Sichtweise wird ebenso sachlich dargestellt, wie der der Forschung, aber auch, wie das Zusammenleben zwischen Mensch und Wildtier gelingen kann, in einer immer enger werdenden Welt. Ergänzt wird dies durch sog. Fun Facts am Ende eines jeden Kapitels, einem auflockernden Fototeil und nicht zuletzt durch Beschreibungen ausgewählter Fuchsleben inmitten Berlins.

Die Autorin schafft den Spagat zwischen informativen Sachbuch und unterhaltender Lektüre ohne erhobenen Zeigefinger, sowie ihre Begeisterungsfähigkeit auf Lesende überspringen zu lassen, sowie zu zeigen, wie Stadtökologie wirken kann.

Danach wird man Meister Reinecke mit anderen Augen betrachten. Muss man vielleicht auch. Kimmig zeigt, dass sich der Fuchs als unser, auch städtischer Nachbar, längst etabliert hat.

Autorin:

Sophia Kimmig wurde 1988 in Berlin geboren und arbeitet als Widlbiologin u.a. für das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, erforscht dabei die Anpassung der Wildtiere an sich veränderte Lebensbedingungen, am Beispiel des Fuchses und dessen Stadtleben. Neben ihrer Tätigkeit im Bereich Forschung und Umweltbildung erarbeitet sie zahlreiche Beiträge für Medien, in Vorträgen und Publikationen, um Akzeptanz für Natur- und Artenschutz zu schaffen. Die Autorin lebt in Berlin.

Sophia Kimmig: Von Füchsen und Menschen Read More »

Katharina Greve: Das Hochhaus

Das Hochhaus - 102 Etagen Leben Book Cover
Das Hochhaus – 102 Etagen Leben Katharina Greve avant Verlag Erschienen am: 01.09.2017 Seiten: 56 ISBN: 978-3-94503-471-2

Inhalt:

Was will die Familie von oben mit diesem irrsinnig großen Fernseher? Warum hat die Frau von unten ihre Tochter zur Castingshow angemeldet und der Mann nebenan nach dem Einbruch nicht die Polizei gerufen? Dieses Buch liefert 102 Antworten auf die Frage, welche großen und kleinen Dramen sich täglich hinter der anonymen Fassade eines Hochhauses abspielen. Vielleicht erkennen Sie Ihre Nachbarn wieder. Oder sich selbst. (Klappentext)

Rezension:

Einigen Zeitungslesern mag die Wahl-Berlinerin Greve ein Begriff sein, andere stolperten im Jahr 2013 vermutlich über ein Kalenderblatt, welches die Künstlerin schlagartig bekannt machte. Eher als Witz gedacht, hatte sie das Bild des damaligen Papstes Benedikt XVI. gezeichnet, der einen Lottoschein begutachtet und sechs Richtige getippt hatte, um daraufhin seinen Rücktritt zu verkünden: “Heiliger Strohsack! Morgen kündige ich!” Der Rücktritt kam tatsächlich.

Doch, nicht nur eine prophetische Gabe legt die Autorin und studierte Architektin an den Tag, sondern auch einen simplen und fast schon kühlen Zeichenstil, der in diesem Buch, welches ursprünglich einmal als Web-Projekt begann, zur Geltung kommt. Seite für Seite werden die Etagen eines Hochhauses freigelegt und man blickt in skurrile und manchmal allzu alltägliche Situationen derer Bewohner hinein. Hinter der grauen Fassade begegnen sich Dramen, wie ein jeder sie kennt oder auch nicht, muss so manches Mal schmunzeln, lachen oder bleibt nachdenklich zurück.

Eine Ansammlung von Marotten vereint auf wenigen Seiten zeigt, wie vielfältig Lebenssituationen sein können und welche Umstände sich daraus ergeben. Greve verknüpft dabei lose den Alltag der gezeichneten Figuren und so kann man von Etage zu Etage springen, von hinten nach vorne, “richtig herum” lesen oder durcheinander. Das ist egal.

Katharina Greve: Das Hochhaus – 102 Etagen Leben, avant verlag

Besonders spannend aber wird es, wenn man versucht, den Situationen zu folgen. Vom fremdgehenden Ehemann aus dem unteren Stockwerk seiner Freundin etwa, zur betrogenen nichts ahnenden Ehefrau oder vom Einbrecher, der im Hochhaus lebt, zu den Wohnungen seiner Nachbarn, die von ihm geplündert worden. Das ist große Klasse und ein toller Humor der Zeichnerin, der sich auf jeder Seite wiederspiegelt.

Zugleich zeigt Greve auch, dass man als Autorin auch neue Wege gehen kann. So ist dieses Buch nicht zuerst da gewesen, sondern eben aus einer Internetpräsenz heraus entstanden, kann als Poster im Überformat bestellt werden, neuerdings sogar als Buchrolle, Schriftrolle, die man in beiden Richtungen rollen und lesen kann. Das bietet sich bei dieser Form von Comic an und ist sicher auch etwas für sonst Lesemuffel, in jedem Fall aber etwas für Komic- und Architekturfreunde. Zwar möchte ich selbst nicht in einem Hochhaus leben, mir reichen schon meine Nachbarn, aber selbst darunter erkenne ich ein paar wieder. Alleine dafür hat sich dieses Büchlein schon gelohnt.

Bauplan: Das Hochhaus Online

Autorin/Zeichnerin:

Katharina Greve wurde 1972 in Hamburg geboren und begann 1991 ein Architekturstudium an der Technischen Universität Berlin, welches sie 1999 abschloss. Seit 2002 ist sie freiberuflich als Künstlerin, Autorin und Zeichnerin tätig und wurde für Ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Sie veröffentlichte bereits mehrere Comic-Romane und Graphic Novels.

Ihre Zeichnungen erscheinen zudem in verschiedenen Zeitungen und Magazinen. Bekannt wurde sie durch eine Zeichnung für einen Abreißkalender, in dem sie den Rücktritt des Papstes Benedikt XVI. prophezeite, der einen Tag später diesen tatsächlich bekannt gab. Katharina Greve lebt in Berlin.

Katharina Greve: Das Hochhaus Read More »