Rückblick

Christine Westermann: Die Familien der anderen

Inhalt:

Christine Westermann taucht ein in die wechselvolle Geschichte ihrer Familie – anhand der Bücher, die ihr Leben geprägt haben.

Elegant, ehrlich und warmherzig erzählt sie von Büchern, die die Familien der anderen beschreiben. Von Lektüren, die helfen, die eigene Geschichte besser zu verstehen.
(Klappentext)

Rezension:

Der Traum eines jeden bibliophilen Menschen. Christine Westermann träumt ihn schon als Kind. Eine Bibliothek mit Leiter soll es sein, um auch mal die oben stehenden Bücher zu erreichen. Dort oben, im Regal ihrer Eltern, stand z. B. “Der Zauberberg” von Thomas Mann, dieser Roman, der alleine schon durch seinen Umfang zu beindrucken weiß. Die Journalistin, die selbst jahrelang im Fernsehen und Rundfunk schon unzählige Bücher empfohlen und einige geschrieben hat, nimmt ihn sich nun vor, während sie ihr neues Werk schreibt, in dem sie sich entlang der Werke hangelt, die sie für ihr Leben prägten.

In diesem Sinne ist es keine klassische Biografie, die uns Lesenden mit “Die Familien der anderen” vorgelegt wird, auch eine Art Ratgeber sucht man hier vergebens, obwohl die Werke von Christine Westermann in diese Rubrik einsortiert werden. Vielleicht sind es eher zu Papier gebrachte Überlegungen, ein wenig von allem.

So wie in der Öffentlichkeit sie nur Bücher empfehlen möchte, die ihr selbst zusagen, schreibt und erzählt sie, nachdenklich, melancholisch zuweilen, mit einer Prise Humor, denen die das lesen werden, zugewandt. Ausschweifend wie Thomas Mann, gar hochtrabend, wie der, der sein Vorwort Vorsatz nannte, möchte sie nicht sein. Kann sie auch nicht.

Das Lesen dieses Werks fordert, ist anstrengend, die Erinnerungen an erste Auftritte im Literarischen Quartett, an Lesereisen, an deren Ende meist ein Kölsch auf dem Tisch steht oder zermürbende Diskussionen in Sitzungen der Jury zum Deutschen Buchpreis, immer wieder auch das Rückbesinnen auf die eigene familiäre Vergangenheit, zudem, warum sie heute noch mehr an Familienkonstellationen, Brüchen und Wandlungen interessiert ist als an allem anderen.

Das Hochtrabende geht ihr ab, kompakt hangelt sich entlang der Bücher, die sie prägten. Eine sehr interessante Lektüreliste steht am Ende des Buches. Und “Der Zauberberg” von Thomas Mann? Hat sie ihn beenden können, bewältigt diesen Berg? Muss man das überhaupt? Ist abbrechen auch eine Option, wenn man sehr lange schon anderen Bücher empfiehlt? Wenn nicht empfehlen, vielleicht selbst schreiben? Wie macht man das, wird Christine Westermann auf einem Klassentreffen gefragt.

Mir hat diese Art der biografischen Lektüre sehr gefallen. Der Wechsel zwischen Anekdoten der Vergangenheit und Gegenwart, dem Vergleichen mit gelesener Lektüre und wahrscheinlich nicht nur Abgabedatum des Manuskriptes im Nacken, sondern eben auch schwergewichtige Lektüre auf den Nachttisch. Das wirkt sehr locker, sehr nahbar. Was kann ich reinen Gewissens empfehlen, doch bitte nur das, was ich selbst gern gelesen habe. Verrisse versucht Christine Westermann Zeit ihres Lebens zu vermeiden.

Ein paar Anekdoten verraten viel, die Bücherliste der Autorin noch viel mehr, über sie selbst, die für ihre Auswahl der Lektüre oft genug gescholten wurde, nicht nur von Quartett-Kollegen. Doch, was nützt die beste Lektüre, wenn sie die Lesenden nicht erreicht. Das gelingt Christine Westermann mit “Die Bücher der anderen” viel besser.

Autorin:

Christine Westermann wurde 1948 in Erfurt geboren und ist eine deutsche Moderatorin, Journalistin und Autorin. Nach der Übersiedlung von Erfurt nach Mannheim, machte sie nach der Schule ein Volontariat beim Mannheimer Morgen und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Von da an arbeitete sie als freie Journalistin für verschiedene Radio- und Fernsehsender, produzierte Filme und Reportagen.

Später moderierte sie im ZDF “Die Drehscheibe”, später bis 2002 die “Aktuelle Stunde”. Von 1996-2016 moderierte sie die Sendung “Zimmer frei!” und wurde zusammen mit Götz Alsmann dafür mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Von 2015-2019 war sie eine der Teilnehmerinnen des Literarischen Quartetts, daneben präsentiert sie per Podcast und Radiosendung Bücher. Ihr erstes Buch erschien 1999, weitere folgten. Christine Westermann lebt in Köln

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Mein Jahr 2022 in Büchern

An mir ist kein großer Statistiker verloren gegangen. So feingliedrig wie manch andere dokumentiere ich mein Leseverhalten nicht. Mein Leben ist ohnehin ein Terminkalender, in sofern beschränke ich mich bei meinen Listen im Alltag aufs Wesentliche. Im Falle des Lesens ist das dann einfach eine fortlaufende Liste der gelesenen Bücher im Jahr.

Ein paar Informationen kann ich aber dennoch aus dieser Aufstellung entnehmen:

Gelesene Bücher gesamt: 98 Bücher

Monate mit den wenigsten gelesenen Büchern: Juni und Dezember mit jeweils 5 Büchern

Monate mit den meisten gelesenen Büchern: März und April mit je 12 Büchern

Bücher von Autoren: 53

Bücher von Autorinnen: 34

Bücher von mehr als einem Autoren/Autorenkollektiv (m/w/d): 11

Bücher in englischer Sprache: 4

Bücher in deutscher Sprache: 94

Printexemplare: 98

E-Books: 0

Rezensionsexemplare darunter: 69

Das Jahr 2022 hat neben zahlreichen Überraschungen und Lesehighlights eine ganze Menge mehr Bücher gebracht, die ich in guter Erinnerung behalten werde, wie spannende Krimis und Thriller, große Romane und wundersame Novellen. Zum ersten Mal seit Schulzeiten habe ich auch wieder Lyrik gelesen und mein Guilty Pleasure Manga beibehalten, neben tollen Graphic Novels und informativen Sachbüchern.

In diesem Sammelsurium befinden sich nur wenige Bücher, die ich lieber nicht gelesen hätte, aber was soll man machen? Manchmal stellt man fest, dass ein anderes Buch zum jeweiligen Zeitpunkt die bessere Lektüre gewesen wäre. Ich muss wirklich einmal lernen, Bücher auch einfach einmal abzubrechen. Ob das mir gelingen wird?

Für das nächste Jahr nehme ich mir das in jedem Fall vor, genau so wie wieder einmal mehr von der Backlist der Verlage zu lesen, bevor ich neue Rezensionsexemplare anfrage und meinen Stapel ungelesener Bücher etwas zu verkleinern. Auch das wird eine Herausforderung werden, wenn ich im nächsten Jahr zwei Buchmessen anstatt nur einer besuche, wobei 2022 für mich ja nur in Leipzig die Ersatz-Messe stattfand und ein paar Online-Lesungen, organisiert durch Verlage.

Im letzten Jahresrückblick hatte ich Highlights genannt, während ich zuvor auch die Flops ausführlich präsentierte, in diesem Jahr möchte ich ganz besonders auf die Bücher eingehen, die hier gar nicht besprochen wurden und für die ich vielleicht einmal hier eine eigene Rubrik aufmachen sollte. Es sind die Zeichnen-Lernen-Bücher des frech- und des CMV-Verlags, die mir seit Beginn der Pandemie nebst verschiedener Tutorials im Internet geholfen haben, ein lange Zeit verschüttetes Hobby auszugraben.

Zu Schulzeiten habe ich das gerne gemacht. Stift oder Pinsel in die Hand genommen, Farbe und drauf los gezeichnet. Seit kurzem mache ich dies wieder regelmäßig und versuche mich an Bleistift- und Aquarellmotiven, mit Hilfe eben der erwähnten Bücher. Diese führen per Schritt-für-Schritt-Anleitung schnell zum Ziel und mittlerweile kann ich sagen, dass ich mich wirklich verbessert habe, in dem, was ich tue. Manche Werke, mit denen ich dann zufrieden bin, stelle ich auf Twitter und diversen anderen Social Media Plattformen vor. Wenn es mir, nebst des Lesens gelingt, im nächsten Jahr diese Freizeitbeschäftigung auszubauen, wäre das schön. Gerne auch mit weiteren Inspirationen durch diese Bücher.

Ich wünsche uns allen ein abwechslungsreiches Lesejahr und auch sonst. Glück, Liebe, Gesundheit, Erfolg. Je nachdem, was ihr gebrauchen könnt. Und die eine oder andere in Erinnerung bleibende Lektüre. Eventuell sogar solche, die euch dazu inspiriert, ebenfalls ein altes Hobby wieder oder neu zu entdecken. Wobei natürlich ein bewegender Roman oder fesselnder Krimi auch nicht zu verachten ist.

Euer findo.

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Mein Rückblick durch’s Bücherjahr 2021

Immer wieder stelle ich fest, dass gerade in, sagen wir, fordernden Zeiten, mir Bücher einen besonderen Halt geben. Mit dem Lesen einiger Seiten auf den Weg zur Arbeit oder vor Hochfahren des Büro-Laptops im Home Office starte ich in den Tag, abends auf den Nachhauseweg in der U-Bahn schaufel ich mir mit Büchern den Kopf frei und komme auf andere Gedanken. So habe ich dieses Jahr viele Bücher für mich entdecken können, mehr gelesen als etwa im Jahr 2020, erstaunlicherweise mit vergleichsweise wenigen Totalausfällen. Nur einen Abbruch hatte ich auf den Zähler. Darum soll es heute aber nicht gehen. 2021 war für uns alle anstrengend genug. daher habe ich mich dazu entschlossen, meinen Rückblick auf die Lese-Highlights des Jahres zu beschränken und die anderen Werke aus meinem Gedächtnis zu verdrängen. Wer diese sich noch einmal zu Gemüte führen möchte, den bleibt nichts übrig, als die Rezensionen zu durchstöbern. Hier soll es heute nur um die Highlights gehen. Über die Flops sprechen wir zu oft.

Eine Top 10 auszuwählen, ist mir dabei nicht gelungen, so zeige ich ganze zwanzig Bücher, die ich in positiver Erinnerung habe. Von der Belletristik bis zum Sachbuch, von der Neuerscheinung bis zur Backlistliteratur ist alles dabei. Natürlich könnte ich noch viel mehr Werke nennen, aber ihr kennt den Ausdruck: “Das sprengt den Rahmen!”. 🙂

Während Björn Stephan mich mit seinem Schreibdebüt, einem sensiblen Coming of Age Roman, überraschen konnte, entführte mich Esther Horvath gleich zu Beginn des Jahres in die eisigen Gefilde der Arktis. Sie begleitete die bis dato größte von den Forschern des deutschen Alfred-Wegner-Instituts angeführte Polarexpedition, auf dem Eisbrecher “Polarstern” und brachte beeindruckende Fotos mit nach Hause, die sie in diesem Bildband versammelt hat. Stephan Orth nahm seine LeserInnen dagegen in ein nahezu noch unbekanntes Land. Saudi-Arabien. Immer, Auge und Auge mit Scheichs und Kamelen. Unvergessen natürlich, das Interview, welches ich mit ihm führen durfte.

Christa von Bernuths Kriminalroman “Tief in der Erde”, der auf wahre Begebenheiten eines spekatkulären Falls der bundesdeutschen Kriminalgeschichte beruht, gehört im Bereich True Crime zu meinen Highlights, wie auch Sasha Filipenko, der mit seinem Roman “Der ehemalige Sohn” tief in die belarussische Gesellschaft Einblick nehmen lässt. Noch nie habe ich einen, über weite Strecken, so deprimierenden Roman gelesen, der jedoch sehr eindrucksvoll zu lesen ist und deshalb definitiv zu meinen Highlights zählt. Olga Grjasnowas Essay über den Nutzen von Mehrsprachigkeit war nichtminder aufschlussreich.

Genau so wie ich Olga Grjasnowas Ausführungen zur Mehrsprachigkeit empfehlen kann, möchte ich allen Natasha A. Kellys Essay über Rassismus ans Herz legen. Hier beschreibt sie, woher Rassismus kommt, wie das wirkt und wie wir dieses strukturelle Problem lösen können. Ihr Werk hatte in jedem Fall den Preis für die am schwersten zu schreibende Rezension gewonnen. So oft habe ich, glaube ich, selten, nach den richtigen Worten gesucht. Khue Pham beeindruckte mit ihrem halbbiografischen Roman einer über die Welt verstreuten, ursprünglich aus Vietnam stammenden Familie und Stefanie vor Schulte mit einer sprachlich so anspruchsvollen erzählung, die ihres Gleichen sucht.

Familiengeschichten oder Coming of Age dominierten bei mir im Bereich der Belletristik und so kann ich auch Alex Schulman “Die Überlebenden”, wie auch das Debüt von janina Hecht “In diesen Sommern” zu meinen Highlights zählen. In beiden Romanen geht es um Kindheiten und den nicht ganz so einfachen Umgang damit, im Erwachsenenalter, während Ariel Magnus in seinem Roman “Das zweite Leben des Adolf Eichmanns”, den eben genannten wieder lebendig werden lässt, bis zu seiner Entführung und Verhaftung durch Agenten des israelischen Geheimdiensts Mossad. Spannend und erschreckend zugleich , einmal diese Perspektive einzunehmen.

Wie bekommen wir die Fragestellungen und Probleme, die sich gerade jetzt klar und deutlich zeigen, in den Griff? Wo liegen die Stellschrauben im Gesundheitssystem und unserer Gesellschaft? Was muss sich ändern, da Applaus nicht genug ist? Diese Fragen stellt der Journalist David Gutensohn und zeigt, wie Lösungen aussehen können und was in winzigkleinen Schritten schon jetzt passiert oder, wo es noch viel zu tun gibt. Frank Vorpahl entwirrt derweil Mythos und Wirklichkeit um Heinrich Schliemann und Xose Neira Vilas’ Novelle “Tagebuch einer Kindheit in Galicien” war genau so erschreckend, wie düster, wie hoffnungsvoll.

Der Historiker Uwe Wittstock zeigt in seinem romanhaft anmutenden Sachbuch “Februar 33 – Der Winter der Literatur”, wie schnell Kunst und Kultur von den Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme vereinnahmt wurden und Schriftsteller, wie Künstler, ins Abseits gedrängt oder für ideologische Zwecke ausgenutzt wurden. Das Werk zählt wohl bei so Einigen zu den Highlights, wie vielleicht auch “Shuggie Bain” von Douglas Stuart, eine traurigere und trostlosere Version und Mischung aus “Billie Elliott” oder Frank McCourts “Die Asche meiner Mutter”. Fast möchte man die Hauptfigur aus den Roman herausziehen, und sie vor allem Übel der Welt beschützen.

Last, but not least. Karsten Krogmann und Marco Seng konstruierten in ihrem Sachbuch “Der Todespfleger” die Geschichte des Krankenpflegers Niels Högel, der zum größten Serienmörder der deutschen Nachkriegsgeschichte avancieren sollte, zeigen die Mühlen der Justiz auf, eben so wie deren Schlagkraft, während Roman Deininger und Uwe Ritzer noch einmal Olympia 1972 aufleben lassen, welches so anders werden sollte, als die Spiele der Nazis 1936, und dann doch durch einen Terroranschlag in ihren Grudnfesten erschüttert wurden. Nach zwei Sachbüchern, zu guter Letzt ein wunderschöner Roman, “Heaven”, von Mieko Kawakami, über Mobbing und zarter Freundschaft.

Das waren sie nun, meine zwanzig Highlights des Jahres, die ich um noch weitere Werke hätte ergänzen können, doch lade ich euch natürlich ein, im Rezensionsverzeichnis nach Herzenslust zu stöbern, nach diesen oder nach anderen Werken, nicht nur Highlights, aber eben auch. Es hat mir wieder großen Spaß gemacht, so vielschichtig, auch für euch, zu lesen und ich freue mich auf das kommende Lesejahr, was hoffentlich genau so abwechslungsreich und spannend werden wird.

Vielleicht ist ja das eine oder andere Werk, auch für euch, dabei?

Bis zum nächsten Jahr. Nicht vergessen, wir lesen uns.

Viele Grüße,

findo.

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2020 – written by Stephen King, directed by Quentin Tarantino

Zumindest aus literarischer Sicht war es nicht ganz so schlimm, wie dieser Schriftzug aus den sozialen Medien suggeriert, wenn ich auch im Alltag gerne gefragt worden wäre, ob ich in einem solchen Szenario gerne mitspielen wollen würde. Aber, welches Virus macht das schon? Dankbar bin ich, dass es bisher in meinem Umfeld niemanden direkt getroffen hat. Das soll bitte so bleiben. Beruflich musste ich mich zwar neu orientieren, bisher kann ich jedoch nicht klagen. Das ist viel mehr, als bei anderen, die an 2020 noch mehr zu knappern haben, trotzdem bin ich dankbar für ein paar Konstanten, die geblieben sind. Dazu gehört seit über vier Jahren mein Blog, in dem ich über das schreibe, was ich gelesen habe, mit dem einen oder anderen Blick über den Tellerrand hinaus.

Auch in diesem Jahr habe ich viele gute Bücher gelesen und nur ganz wenige Flops verzeichnen müssen. Inzwischen kenne ich meinen Lesegeschmack ganz gut und kann zumindest erahnen, was nicht ganz abwegig werden wird. Nur einmal musste ich in diesem Jahr das Lesen abbrechen. Für mich eine Neuerung, der ich sonst den Anspruch habe, alles zu beenden, was ich begonnen habe. Das gilt ganz besonders für Literatur. Es lag in diesem Fall nicht einmal an der erzählten Geschichte, alleine habe ich gemerkt, dass bestimmte literarische Formen trotz wiederholter Versuche, einfach nichts für mich sind, andere dafür um so besser funktionieren.

Um die 80 Bücher habe ich dieses Jahr gelesen, etwas langsamer im Tempo, jedoch auch konzentrierter als in den vergangenen Jahren. Zwei Drittel waren davon Rezensionsexemplare, die anderen habe ich geschenkt bekommen, als Dauerleihgabe oder mir selbst gekauft. Mein SuB, der Stapel ungelesener Bücher, ist die meiste Zeit gewachsen und dürfte nun fast dreistellig sein. Im nächsten Jahr möchte ich daran arbeiten. Ich habe daher weniger bei Verlagen und literarischen Agenturen angefragt als bisher. Mal schauen, ob das dann auch so funktioniert.

Der Großteil meiner gelesenen Bücher macht das Genre Sachbuch aus, wozu ich Biografien, Werke über Geschichte, Erfahrungs- und Reiseberichte zähle, kuriose Sammlungen. Danach folgen Romane, Krimis und Thriller, zu einem ganz kleinen Teil Kinder- und Jugendbücher, Graphic Novels und Mangas. Ganz wenig kam hier nicht zur Sprache, über das allermeist Gelesene habe ich jedoch geschrieben. Auch Beiträge zu Challenges, wie die von Nico vom Buchwinkel haben Impulse gegeben, sowie meine eigene Weltreise-Challenge. Bei ersteren werde ich im nächsten Jahr wieder mitmischen, meine eigenenen mir gestellten Aufgaben, zu denen ich euch herzlich einlade, werde ich ebenso verfolgen. 2020 habe ich das alles hinbekommen. Bin einmal ganz optimistisch, dass das auch im nächsten Jahr klappt, zudem gleich zu Beginn des Jahres meine Aktion des Sachbuch-Monats Januar startetn soll, in der das Sachbuch im Fokus steht.

Jetzt aber zu den wirklich wichtigen Dingen, hier sind meine Top 10 der gelesenen Bücher 2020. Wenn auch mir so etwas immer schwerfällt, zusammen zu stellen.

Daran gibt es nichts zu rütteln.
Jasmin Schreibers “Marianengraben”, erschienen bei eichborn, ist das absolute Lesehighlight für mich unter den Romanen gewesen.
Thomas Reinertsen Bergs “Auf einem Blatt die ganze Welt”, erschienen bei dtv, ist das Gegenstück dazu im Bereich Sachbuch.
"Pandatage" von James Gould-Bourn, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, ist in jedem Fall lesenswert.
Der Rest der Werke erfolgt ohne Rangfolge, da ich noch viel mehr empfehlenswerte Bücher hätte nennen können.
Erschienen ist "Das Licht der frühen Jahre" bei ullstein.
Erri de Luca hat mich durch seine ruhige Erzählweise und die schöne Sprache beeindruckt.
Jens Steiner "Ameisen unterm Brennglas", erschienen bei Arche.
Auch die Schweizer können einfühlsam erzählen.
Adele Brand über "Füchse - Unsere wilden Nachbarn", erschienen bei C.H. Beck.
Ein Sachbuch über mein Lieblingstier kann ich nicht unerwähnt lassen.
Stephen King "Das Institut", erschienen bei Heyne.
Damit sind wir wieder beim Großmeister des Horrors.
Der Roman "Das Museum der Welt", erschienen bei dtv.
Christopher Kloeble entführte mich nach Indien.
Aimee Carter "Der Fluch des Phönix", erschienen bei Oetinger.
Jugendbücher waren nicht ganz so zahlreich, hier aber einmal eines mit einem berührenden Protagonisten.
Wiebke von Carolsfeld lebt dort, arbeitete früher jedoch bei Kiepenheuer & Witsch, wo dieses Jahr ihr Roman erschien.
Kanada war das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, die nur in einem eng begrenzten Rahmen stattfinden konnte.

Wie geschrieben, ich hätte noch viel mehr lesenswerte Bücher nennen können, aber wir wollen es einmal bei den genannten belassen.

Was bleibt? Die Hoffnung auf ein besseres kommendes Jahr und auf genau so interessanten und vielfältigen Lesestoff, auf aufregende Challenges und lesenswerte Neuerscheinungen, abwechslungsreichen und spannenden Aktionen, auf Treffen und Messen (Drückt die Daumen.).

Ich danke nochmals allen Verlagsmenschen und literarischen Agenturen, allen BloggerInnen und Booktubern, den AutorInnnen der gelesenen und noch zu lesenden Bücher.

Vor allem aber danke ich euch, die ihr lest, was ich schreibe, mich in den sozialen Medien verfolgt, euch mit mir austauscht oder unterstützt, Schnellschreib- und andere Fehler ertragt. Ihr seid klasse. Schlagen wir mit 2021 ein neues Kapitel auf.

Viele Grüße,

Euer findo.

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Durch’s Buch gebloggt – 2019

Ein Rückblick durch mein Bloggerjahr

Tut sich irgendjemand noch die Rückblicke der großen TV-Sender an? Einen habe ich dieses Jahr tatsächlich geschaut, aber insgesamt wird das bei mir immer weniger? Auch Streaming-Angebote habe ich mir sehr reduziert angesehen, vom Gebrauch der Online-Mediatheken ganz zu schweigen. Mein Lesejahr 2019 war dagegen ein voller Erfolg.

Also, doch Zeit zurück zu blicken.

Insgesamt habe ich 87 Bücher gelesen. Das ist ein Buch mehr als im Vorjahr 2018. Damit habe ich mein Ziel von einem Buch pro Woche im Jahr übererfüllt. Insgesamt waren es 6-8 Bücher pro Monat, wobei der November mit drei Büchern der schwächste war, erstaunlicherweise der Januar mit elf Werken der produktivste.

Rezensionsexemplare habe ich von Verlagen, literarischen Agenturen und Autoren direkt bekommen. 49 mal schenkte man mir das Vertrauen. Dafür nochmals vielen lieben Dank, auch wenn nicht jedes Buch für mich funktioniert hat. “Die Moskauer” von Andreas Petersen waren mein Jahresflop, womit mal wieder bewiesen ist, dass auch Rezensionsexemplare einmal durchfallen können.

Highlights hatte ich dagegen zahlreiche. Ulrich Woelk z.B., einer der Kandidaten für den Deutschen Buchpreis 2019 oder Nicoletta Giampietro mit ihrem fulminanten Debüt “Niemand weiß, dass du hier bist“. Diese beiden Romane werden mir ebenso im Gedächtnis bleiben, wie spannende und abwechslungsreiche Sachbücher, Reise- oder Erfahrungsberichte, z.B. Stephan Orths “Couchsurfing in China“, um nur einen zu nennen.

Nicoletta Giampietro “Niemand weiß, dass du hier bist”, eines meiner Jahreshighlights.

Drei Autoren haben sich auf der vergangenen Leipziger Buchmesse meinen Fragen gestellt (Constanze John, Veit Etzold und Michael Tsokos). Mehrere Verlagspräsentationen durfte ich erleben und so Robert Harris und Edgar Rai (“Im Licht der Zeit“) einmal persönlich kennenlernen.

Robert Harris und Ich auf der Lesung “Der zweite Schlaf”.

Ein E-Book habe ich gelesen, nur ein oder zwei Bücher auf Englisch, dafür eine Manga-Reihe fortgesetzt, wenn auch nicht rezensiert. Mehrere interessante Nebenschauplätze, wie VDSIS (vom Verein Schule gegen Gewalt e.V), welches Kinder und Jugendliche in Musikprojekten fördert, gab es. Ein weiteres wird demnächst ausgiebig vorgestellt werden.

Das ist überhaupt eines meiner Vorhaben, den Blog ein wenig mehr aufzulockern und beobachtenswerte Kulturprojekte vorzustellen. Zudem soll es künftig Monatsrückblicke geben, in denen auch angesprochen wird, was sonst nicht rezensiert wird. Auch Buchmesseberichte wird es wieder geben und hoffentlich das eine oder andere interessante Interview.

Die Zusammenarbeit mit literarischen Agenturen soll noch enger werden, der Fokus auf kleinere Verlage ohnehin und natürlich wird es wieder eine Weltreise-Challenge geben. Letztere habe ich für dieses Jahr erfolgreich beenden können. So ganz ohne Druck, übrigens.

Nächstes Jahr möchte ich in den Social Media Kanälen stärker aktiv sein, meinen Instagram– und Twitter-Channel bespielen, sowie meinen Facebook-Account nutzen, den ich kürzlich erstellt habe, außerdem die Form des Podcasts ausprobieren und auch Monats-Rückblicke soll es geben. In wiefern das alles so klappt, sei dahingestellt, vornehmen kann man sich das ja mal.

Michael Tsokos im Interview zu seinem Thriller “Abgeschlagen”.

Die meisten meiner Leser sind still und doch sehe ich an den Zahlen, wie jeder einzelne Beitrag gerne angenommen wird. Ganz zu Beginn habe ich nur für mich geschrieben, ohne Hoffnung, dass das irgendjemanden interessiert und staune auch heute noch darüber, bei der Vielzahl an Inhalten, die es im Web gibt, dass es noch Menschen gibt, die solche textlastigen Sachen sich zu Gemüte führen. Das ist toll.

Ihr seid toll. Das muss einmal gesagt werden, und damit all die jenigen, die das Vertrauen in mir setzen, Bücher zu lesen und zu empfehlen oder eben auch nicht und auch Verlage und Autoren, die sich damit regelmäßig auf’s Glatteis begeben und manchmal auch ausrutschen.

Durch das Bloggen habe ich so viele interessante Menschen kennengelernt und dieses Jahr den Blick über den Tellerrand hinaus erweitern können, was ich auch weiterhin tun möchte. Ich freue mich, wenn ihr auch nächstes Jahr wieder mit dabei seid.

Euer findo.

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Tanja Langer: Meine kleine Großmutter & Mr. Thursday

Meine kleine Großmutter & Mr. Thursday Book Cover
Meine kleine Großmutter & Mr. Thursday Tanja Langer Mitteldeutscher Verlag Erschienen am: 06.08.2019 Seiten: 416 ISBN: 978-3-96311-181-5

Inhalt:
Linda, Übersetzerin aus dem Persischen, lässt sich gern von ihren träumen lenken, und so findet sie sich eines Tages in Lüneburg wieder: Dort lebte ihre kaum gekannte Großmutter Ida unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, geflohen aus Oberschlesien, verwidmet, mit fünf Kindern.

Knapp eineinhalb Meter groß, “arbeitete sie für den Direktor des englischen Kinos”. Dieser Halbsatz entzündet Lindas Phantasie, und schon ist sie mitten in der Zeit der britischen Besatzung, von 1945 bis 1949. Ida schrubbt Wäsche für die Tommys, Ida begegnet Mr. Thursday, Ida fängt bei im im “Astra Cinema” an, Und das Kino wird zum Gegenbild für die raue Wirklichkeit, durch die Ida und ihre kleine rasselbande sich als “Flüchter” durchboxen… (Klappentext)

Rezension:
Lebensgeschichten stellen an sich gute Grundlagen für ausschweifende Erzählungen dar, in der man als Leser hineingesogen wird und mit den Protagonisten lebt, liebt oder leidet. Das gelingt auch regelmäßig, denn nichts ist ja spannender als das wahre Leben und so kann der Autor oder die Schriftstellerin schon mal mit der Themenwahl nicht viel falsch machen. Tanja Langer hat dies gewagt und ihrerseits die Geschichte ihrer Großmutter genommen und daraus eine an deren Biografie angelehnte Erzählung veröffentlicht, die nun im Mitteldeutschen Verlag erschienen ist.

Zunächst ist es natürlich die Geschichte einer Frau, die sich beginnt zu emanzipieren, weil sie durch die historischen umstände dazu gezwungen wird und am ende auch die Geschichte des Nachkriegdeutschlands, welches hauptsächlich von Frauen aufgebaut wurde. Die Männer waren entweder in den zurückliegenden Kriegsjahren gefallen oder befanden sich in Gefangenschaft, die Frauen befanden sich auf der Flucht und begannen auf den Trümmern der Geschichte sich einzurichten und ums Überleben zu kämpfen, schließlich sich und ihren Kindern eine Zukunft aufzubauen.

Im Roman ist dies dargestellt durch die Hauptprotagonistin Ida, die in den großflächigen Kapiteln eine starke Identifikationsfigur abgibt, neben der alle anderen verblassen. Über weite Strecken funktioniert dies, trotzdem das so manche Länge mit sich bringt. Hier gefällt besonders die Darstellung des Alltags in einer sehr sonderbaren Zeit. Auch die inneren Konflikte hat die Autorin sehr schön ausgestaltet.

In wechselnder Perspektive wird einmal aus der Sicht der Erzählerin die Gegenwart nachempfunden, hier findet sich die Autorin im Ich einer Übersetzerin des Persischen wieder und dann aus Sicht der Großmutter, die ihren Alltag inmitten der Nachkriegszeit bewältigen muss. Beides für sich genommen starke, suchende und kämpferische Sichtweisen, doch ein letzter Funke, das berühmte tüpfelchen auf dem I bleibt aus.

Das ist schade, denn gerade im Hinblick auf die Idee dahinter, hätte die Autorin detaillierter und ausschweifender erzählen können. Ständig Wiederholungen als Stilmittel stören zudem den Lesefluss, als wären Tanja Langer Synonyme ausgegangen. Das wird dann irgendwann schwierig.

Zu guter Letzt ist das Cover nach, und das ist jetzt persönliches Empfinden, keine gute Wahl. Natürlich hat diese Wahl viel mit Vermarktung und Aufmerksamkeitsziehung einer bestimmten Käuferschicht zu tun und mit Sicherheit eine Berechtigung, doch hätte es hier auch ein geschlechtsneutraleres Cover getan. Mit Abstrichen, wer Kino mag und Überlebensgeschichte in sonderbarer Zeit, sowie starke Frauen, wird sicherlich hier fündig.

Autorin:
Tanja Langer wurde 1962 geboren und ist eine deutsche Regisseurin und Schriftstellerin. Nach ihrem Abitur, 1982, studierte sie Vergleichende Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, philosophie und Politikwissehnschaften in Paris, München und Berlin.

Sie gründete eine Theatergruppe, schrieb und inszenierte eigene Stücke, verlegte sich jedoch ab 1993 auf das Schreiben von Büchern und Beiträgen für Tageszeitungen. 1999 veröffentlichte sie ihren ersten Roman und gründete 2016 ihren eigenen Verlag, den Bülbül Verlag, in Berlin, wo sie mit ihrer Familie lebt.

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Autoren-Interview auf der Leipziger Buchmesse 2018: Mr. History Guido Knopp

NH: Geschichte im Fernsehen. Die Präsentation von Themen ist abängig von verschiedenen Faktoren, etwa der Quote. Vielleicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht ganz so entscheidend, aber unterlag Ihre Arbeit jemals diesem Einfluss oder waren Sie frei und unabhängig zu entscheiden, welche Themen Sie wie bearbeiten?

GK: Zum einen war ich in meinen Entscheidungen wegen des Programmes wirklich völlig frei. Keiner hat mir reingeredet. Kein politischer Druck, kein Druck von Außen, dafür war ich sehr dankbar. Was nun die Rücksicht auf die Quoten betrifft, so ist es natürlich wenn man einen Programmzeitpunkt erhalten hat, der um 20:15 Uhr liegt, also die beste Zeit im Hauptprogramm, eigentlich selbstverständlich, dass man schaut, dass man möglichst viele Zuschauer bekommt.

Nicht nur die jenigen, die eh schon alles wissen oder zu wissen glauben, sondern auch die jenigen, die durch die Art der Filme für etwas interessieren kann. Und wenn diese Art so ist, dass sie nicht nur Insider abholt, sondern auch z.B. den Arbeiter, der abends müde von der Werkbank kommt und eigentlich Unterhaltung sehen will, aber von der Art des Gebotenen, die Spannung, die Emotion, so gefesselt wird, dass er dran bleibt, hat der Autor des Filmes die Chance Informationen zu liefern.

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Guido Knopp über "Meine Geschichte".

NH: Sie haben das gemacht, in dem Sie teilweise neue Stilmittel für Dokumentationen verwendet haben, die es so vorher zumindest hierzulande nicht gab und wurden dafür des Öfteren auch kritisiert.

GK: Die Stilmittel, die ich verwendet habe, waren einerseits bekannte, die ich nur perfektioniert hatte. Historisches Material ist das Eine bei historischen Dokumentationen, Zeitzeugen sind das Andere. Ich habe sie nur anders dargeboten. Perfekter geschnitten, perfekter kommentiert. Was neu war, was wir als erste gemacht haben, dass wir Spielszenen in Dokumentationen integriert haben, sogenannte. Reenactments.

Da wurden wir am Anfang von den Althergebrachten, die gewohnt waren, dass Dokumentationen dies nicht machen dürfen, natürlich dann und wann kritisiert. Das hat sich aber durchgesetzt. Wir waren die Pioniere und haben das weltweit verbreitet. Unsere Filme wurden weltweit vertrieben und verkauft. Heute ist das ein Stilmittel, was überall angewandt wird und das auch anerkannt ist.

Wenn Sie Sachverhalte haben, zu denen Sie keine Bilder besitzen, die aber bekannt sind, dann ist es völlig legitim, wenn Sie das sehr gut inszenieren und die dokumentarischen mit den Spielsequenzen ergänzen. Das ist eine Fortführung der Dokumentation.

NH: Ein anderer Kritikpunkt waren die anzahlmäßig vielen Dokumentationen zum “Dritten Reich”, aber es gab ja auch andere Themen, wozu etwas gemacht wurde. Gab es irgendeinen Plan, ein Schema, welche Themen aufgearbeitet werden sollten?

GK: Ich hatte die Zuständigkeit in meinem Sender für das gesamte 20. Jahrhundert. Und wenn man das hat, darf man keinen Bogen um das sogenannte “Dritte Reich” machen. Es war natürlich, vor allem in den Jahren zwischen 1995 und 2005 ein Schwerpunkt, nicht der einzige Schwerpunkt.

Und ich habe mir gesagt: Wenn ich das Thema behandle, will ich es systematisch angehen. Ich habe angefangen mit einer Serie über den Tyrannen an der Spitze “Hitler – Eine Bilanz”, wie in der Form einer Pyramide. Dann die zweite Stufe der Pyramide “Hitlers Helfer”, “Hitlers Generäle” und am Ende die Basis der Pyramide, die Phänomene der Tyrannei.

Hitler - Eine Bilanz von Guido Knopp
Hitler – Eine Bilanz von Guido Knopp
Autor: Guido Knopp
Titel: Hitler - Eine Bilanz
Seiten: 320
ISBN: 978-3-442-15352-7
Verlag: Goldmann

Das sind zunächst die Hitlerjugend, die SS, der Holokaust, das sind Flucht und Vertreibung und der Bombenkrieg als Phänomene der Zeit. Das war die Phase zwischen 1995 und 2005. Danach war das für uns zwar noch nicht auserzählt, aber die Systematik war in diesem 10-Jahres-Rythmus schon ganz bewusst gewollt. All die anderen Themen kamen immer wieder dazu.

Bei den Monarchien war es so, dass ich gesagt habe: Wir brauchen für den Sommer in unserem Programm ein leichteres Thema und da bot sich das Thema -Monarchie- an, was ja nicht nur ein Bunte-Blätter-Thema ist.

Man hat dort auch eine historische Relevanz, denn all diese Königshäuser leben ja nur, weil sie ihre Untertanen, ihre Bevölkerung, mitnehmen und das Gefühl geben, dass die Geschichte diese royalen Themen und Traditionen in das Volk hineinträgt und das Volk dadurch Identität gewinnt.

NH: Sie haben dadurch natürlich viele Zeitzeugen befragt, nehmen wir z.B. Für die Reihe “100 Jahre – Der Countdown”, bei der ich mich immer noch ärger, dass sie nicht vollständig auf DVD vorliegt (so im Nebensatz gesprochen)…

GK: Darf ich erzählen, woran das liegt?

NH: Ja, bitte.

GK: Dass liegt daran, dass wir 75 Prozent der Sendung mit einer Produktionsfirma produziert haben. 25 Prozent sind Eigenproduktionen und der Produzent hatte das Recht, die Produktionen, die er gemacht hat, auf DVD zu vertreiben, aber die 25 Prozent, die wir selber hergestellt haben, eben nicht. Ich gebe Ihnen den Rat: Wenn diese Sendung demnächst wieder bei Phoenix läuft, die gesamten 20 Stunden aufzunehmen.

Inzwischen legendär. 
Die 1000 minütige Dokumentation "100 Jahre - Der Countdown"

NH: Ich hatte einen Geschichtslehrer, der diese Dokumentation verwendet hat, um uns Schüler dafür zu begeistern. Woher kommt Ihre Begeisterung für Geschichte.

GK: Das höre ich vielfach. Das ist eine Sache, die schon lange in meiner Jugendzeit zurückliegt. Ich hatte eine Familie, die natürlich von der Geschichte berührt war, wie so viele deutsche Familien. Väterlicherseits kommt meine Familie aus Oberschlesien, von Flucht und Vertreibung betroffen. Das war ein Thema, wenn man als Kind die Großeltern besuchte.

Ich hatte aber auch einen exzellenten Geschichtslehrer, der schon in den 60er Jahren etwas getan hat, was andere auch hätten tun können, aber nicht getan haben. Er benutzte die Medien der damaligen Zeit, als da waren Tonbänder, Schallplatten und Filme, die man von den Landesfilmbildstellen ausleihen konnte. Das hat er alles im Unterricht eingesetzt.

Meine Geschichte von Guido Knopp
Meine Geschichte von Guido Knopp
Autor: Guido Knopp
Titel: Meine Geschichte
Seiten: 320
ISBN: 978-3-570-10321-0
Verlag: C.Bertelsmann
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Und das war natürlich eine spannende bildkräftige Geschichte. Wir haben uns auf diesen Unterricht immer extrem gefreut. Das hat meinen latenten Wunsch, dieses Fach später selber mal zu studieren, sehr beflügelt. Ich habe dann auch Geschichte und Politik studiert.

NH: Später haben Sie dann für die Dokumentationen Zeitzeugen befragt, normale Menschen aber auch prominente. Gab es da besonders beeindruckende Begegnungen?

GK: Das kann ich gar nicht sagen. Es waren oft ganz einfache Menschen, die von Wendepunkten ihres Lebens erzählten, die erzählt haben, wie Geschichte in sie eingegriffen hat, Erlebnisse im Holokaust, von Flucht und Vertreibung. Das waren sehr beeindruckende Begegnungen, gerade wenn es um Kinderschicksale ging.

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Die Befragung von Zeitzeugen mündete u.a. in den Projekt "Gedächtnis der Nation". Im Zeitzeugen-Portal werden die Berichte von Zeitzeugen, berühmt oder nicht, gesammelt. Zeitzeugen-Portal.de - Gedächtnis der Nation.

Wenn ich jetzt an prominente Zeitzeugen denke, dann war es immer sehr eindrucksvoll etwa mit Simon Wiesenthal zu sprechen. Ich habe mit ihm acht Stunden aufgenommen. Ich habe mit Hans-Dietrich Genscher neun Stunden aufgenommen, über die Facetten seines Lebens. Davon wurde eine Stunde gesendet. Die gesamten neun Stunden lagern noch, sorgfältig archiviert, in unserem Filmarchiv. Und ich habe auch sehr oft mit Helmut Kohl gesprochen, über die Hintergründe der Wiedervereinigung.

Das war sehr interessant, weil er sehr offen über die Frage gesprochen hat, dass wir letzten Endes doch ziemliches Glück gehabt haben, denn dieser Prozess war zeitweise sehr gefährdet. Es gab schon im Sommer 1990 einen sehr ernsthaften Putschplan gegen Gorbatschow. Die selben Leute, die dann 1991 diesen tatsächlich durchgezogen haben, den Jelzin dann niedergeschlagen hat.

Die wollten Gorbatschow von der Westgruppe der Sowjetischen Streitkräfte in die DDR einladen, um ihn dort zu verhaften, um einen Marshall der Sowjetunion an seine Stelle zu setzen. Im letzten Augenblick ist der Marshall, der dafür vorgesehen war, Sergei Achromejew, abgesprungen, da er kalte Füße bekommen hat. Wenn der Putsch tatsächlich Erfolg gehabt hätte, hätten wir die Wiedervereinigung vergessen können und deshalb sagt Helmut Kohl, nicht zuletzt wegen solcher Dinge haben wir enorm viel Glück gehabt.

NH: Für Ihre Arbeit mussten sie teilweise sehr ungewöhnliche Wege gehen. In dem Buch ist eine Episode erwähnt, wo Sie Staubsauger in den Kreml transferieren mussten.

GK: Das war die Frage, ob wir im Kreml eine Diskussion aufzeichnen durften. Es war die Situation der späten 80er Jahre, als wir im ZDF mit dem sowjetischen Fernsehen sehr viel gemeinsam produziert haben. Das war eine besondere Zeit der deutsch-russischen Beziehungen, die später leider versandet ist. Eine dieser Diskussionen wollte ich im legendären Katharinensaal des Kreml aufzeichnen, wo der Vertrag Brandt-Breschnew 20 Jahre vorher unterzeichnet worden war.

Und das wollte man zuerst nicht, denn der Katharinensaal ist heilig, und wir haben lange verhandelt. Die Verhandlungen waren zäh, und irgendwann flog ein Engel durch den Raum. Wir haben eher durch Zufall die Russen gefragt, sagt mal Leute, können wir euch irgendwie behilflich sein? Braucht ihr irgendetwas? Dazu muss man wissen, dass es in der Sowjetunion damals eine regelrechte Wirtschaftskrise gab.

Sie überlegten einen Moment, schauten sich an, schauten uns an. Dann sagten sie, wenn Sie uns so fragen, wir bräuchten Staubsauger. Gesagt, getan. Wir haben eine Luftbrücke gebildet, von Frankfurt nach Moskau, und haben 20 nagelneue Staubsauger der Marke Kärcher, der Name sei genannt, in den Kreml transferiert. Die Diskussion fand statt. Man sieht, was Staubsauger positiv für die deutsch-russischen Beziehungen leisten können.

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Guido Knopp: "Wir haben 20 Staubsauger in den Kreml transferiert."

NH: In Anbetracht der derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungen, in der Politik, stellt man sich die Frage, ob man wieder mehr Geschichte im Fernsehen braucht. Ist dem so?

GK: Wenn Sie einen Historiker fragen: Natürlich brauchen wir mehr Geschichte im Fernsehen. Alle sollten über Geschichte etwas wissen. Nicht nur über die Geschichte des sogenannte “Dritten Reiches”, aber vor allem auch, denn man wird ja doch außerhalb der Landesgrenzen immer wieder gelegentlich konfrontiert. Wie hältst du es denn damit? Wie stehst du denn dazu?

Das muss jeder eigentlich wissen. Ich sage: Es gab 1933 keine Einbahnstraße in den Nationalsozialismus. Vieles war so angelegt, dass es dazu kommen konnte, aber es hat nicht zwangsläufig dazu kommen müssen. Es hätte durchaus anders kommen können, wenn die Handelnden, die Verantwortungsträger von Weimar, anders gehandelt hätten. Die Möglichkeiten hätten sie gehabt. Wenn es aber dazu gekommen und die Tyrannei schon angelaufen ist, wenn man sich dann dazu bequemt und abnickt, einem Ermächtigungsgesetz zustimmt, dann ist es schon zu spät.

Die Lehre heißt: Wehret den Anfängen. In der Nachschau muss man sagen, und das hat mir Simon Wiesenthal gesagt, Schuld ist nie kollektiv, für nachfolgende Generationen nicht. Schuld ist immer individuell, aber Verantwortung ist es. Und daher haben wir als nachfolgende Generationen dafür zu sorgen, dass so etwas zumindest in unserem Lande nie wieder passiert.

NH: Die Dokumentationen wurden ja nicht nur hier gerne gesehen, auch im Ausland. Wie waren da die Reaktionen?

GK: Sehr positiv, und auch mit Genugtuung, dass endlich einmal Filme über das sogenannte “Dritte Reich” aus Deutschland kamen. Als wir anfingen, hatte die BBC global betrachtet fast schon ein Alleinvertretungsrecht für dokumentarische Darstellung von Geschichte, nicht zuletzt deutscher. Wir fanden, dass das gar nicht geht.

Wir sind selbst verantwortlich für die Darstellung von Geschichte und müssen uns selbst kümmern. Man war wirklich froh, dass wir das getan und große Serien gemacht haben. Die Tatsache, dass diese Serien zum Teil in über 150 Ländern gelaufen sind, ist ein Indiz dafür, dass dieser deutsche Zugang für Darstellung von Geschichte international angekommen ist.

Es war am Anfang so, dass das Interesse sich auf die Thematik “Drittes Reich” konzentrierte. Es hat ein wenig gedauert, bis ich unsere Partner dazu bewegen konnte, sich auch für andere Themen der deutschen Geschichte zu interessieren. Ich erinnere mich noch, wie ich meinen Freund Charlie (Nachname fehlt), den Chef des History Channel, dazu zu überreden versuchte.

Der Wettlauf zum Suedpol von Guido Knopp
Der Wettlauf zum Suedpol von Guido Knopp
Nicht nur Hitler. Guido Knopp "Der Wettlauf zum Südpol".

Wir haben so gute Serien jenseits der Nazizeit, etwa über die Geschichte der Bundesrepublik, die Geschichte der Bundeskanzler. (Charlie) How boring, Guido! Wie langweilig. What’s your next Hitler-project? Das war so eine Phase. Gott sei Dank hat sich das gelegt und sie haben allmählich auch andere Serien genommen, unsere Reihe über die Geschichte der Deutschen, wo wir aus dem Ghetto des 20. Jahrhunderts ausgebrochen und bis ins 10. Jahrhundert vorgedrungen sind und die Geschichte von den Anfängen bis heute erzählt haben.

NH: Das war eine Reihe, mal komplett mit Spielszenen.

GK: Nicht komplett, es gab Historiker-Kommentare, aber wenn Sie außerhalb des 20. Jahrhunderts etwas machen möchten, müssen Sie Spielszenen verwenden. Es gibt ja nichts anderes. Die müssen auf einem sehr hohen Niveau sein, dass sie vom Publikum angenommen werden. Wir haben da ein wenig Geld in die Hand genommen und es so gemacht, dass das alles sehr Prime-Time-fähig ist. Es ist sehr gut angenommen worden. Man sah schon bei der ersten Folge, über “Otto und das Reich”, da hatten wir 6,5 Millionen in der Spitze und das war ein großer Erfolg.

NH: Zur Prime Time läuft ja oft ein Krimi oder ein Tatort und dergleichen. Da ist es doch an sich ein Wagnis, eine Dokumentation zu bringen. Wie war die Zuschauerstruktur?

GK: Einer meiner Chefredakteure, Nikolaus Brender, hat mal gesagt, das ZDF wird durch Geschichte jung. Er hat das deshalb gesagt, da unser Zuschauerschnitt jünger war als der des ZDF im Allgemeinen. Es ist ja ein Phänomen von ARD und ZDF, dass wir ein relativ altes Publikum haben. Alt im Sinne, so ab 65 Jahre.

Wir hatten teilweise einen Schnitt ab 59 Jahren und jünger, eine deutliche Verjüngung. Und wir hatten auch in der Gruppe der 14 bis 49-jährigen mehr Zuschauer als es das ZDF im Allgemeinen hatte. In sofern ist das ein Indiz, dass wir die Zuschauer von 8 bis 99 Jahren interessieren wollten, die Hundertjährigen natürlich auch, relativ nah herangekommen sind. Nicht nur, was die Altersstruktur betrifft, sondern auch die Bildungsstruktur.

NH: Für die Dokumentationen haben Sie mit Wissenschaftlern, Historikern zusammen gearbeitet. Sind Sie manchmal Gefahr gelaufen, es zu wissenschaftlich zu gestalten?

GK: Es war von Anfang an mein Ansatz, nicht in diese Falle zu tappen. Wissenschaftler als Berater haben bei einem Film nur zwei Mal eine wichtige Aufgabe. Wenn es am Anfang darum geht, ein Drehbuch anzuschauen und abzunehmen, und Fehler zu korrigieren. Und dann drehen die Teams und dann nehme ich später den Rohschnitt ab, und kläre den Kommentartext ab.

Wenn der abgenommen ist, geht der wieder an die wissenschaftlichen Berater, und die schauen, ob der Kommentar verifiziert ist, mit den wissenschaftlichen Kenntnissen übereinstimmt. Das hat wunderbar geklappt. Bei “Die Deutschen” war es so, dass wir aufgrund mangels Zeitzeugen, Wissenschaftler auch im On (Einspieler mit Interview) integriert haben, für kurze Statements zu bestimmten Sachverhalten der Geschichte. Das war eine Ausnahme.

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Spielszenen machen in Dokumentationen Geschichte begreiflich.

NH: Es bleiben zahlreiche Dokumentationen. Welche hätten Sie gerne noch gemacht?

GK: Wenn Sie mich so fragen, dann sage ich: Was ich nicht gemacht habe, und zwar aus verschiedenen Gründen, ist eine große Geschichte der Bundesrepublik ab 1945.

Ich habe eine Serie über Kanzler gemacht, und viele Einzeldokumentationen für das Spätabendprogramm “ZDF History”, aber eine groß angelegte Geschichte, 14-18 teilige Reihe, habe ich nicht gemacht, weil wir genau wussten, von den Vorhersagen, der Medienforschung, dass ist auf einem Prime Time Termin nicht präsentabel.

Das wird nicht genügend Zuschauer haben. Das kann man machen, bei einem Spätabendtermin oder bei unseren Tochtersendern, wie Phoenix, für die ich immer noch aktiv bin. Die haben aber nicht die Mittel, die es braucht, um das hochattraktiv und groß zu machen. Es ist ein zweischneidiges Schwert, weshalb ich das nicht realisiert habe.

NH: Eine letzte Frage. Eine Zeitreise. Wo würden Sie gerne hinreisen, mit der Option natürlich, wieder zurückreisen zu können?

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Guido Knopp: "Goethe und Napoleon. Mit der Medizin von heute."

GK: Ich würde gerne in die Zeit, Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, die Napoleonische Ära aber auch die Goethe-Ära. Da ist wahnsinnig viel passiert, in Deutschland, in Europa. Eine Umbruch-Zeit. Man sieht es an der Mode, die damals angesagt war, an den Möbeln. Ich sammle antike Möbelstücke und mich interessiert diese Phase, spätes Rokoko und Empire. Diese Zeit des Aufbruchs und Umbruchs zu erleben wäre natürlich reizvoll. Am liebsten in Weimar. Aber, und das mit einem großen Aber, mit den medizinischen Möglichkeiten von heute.

NH: Herr Knopp, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview ist redaktionell geschützt und darf ohne Genehmigung nicht vervielfältigt oder andersweitig verwendet werden. Die Rechte liegen bei C. Bertelsmann, Guido Knopp und findosbuecher.com

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