Mythos

Edward Brooke-Hitching: Der Atlas des Himmels

Inhalt:

In seiner reich bebilderten großen Schatzkammer der Himmelskartographie verwebt der Bestsellerautor edward Brooke-Hitching die seltsamsten Mythen und vergessenen Episoden in der Geschichte der Vermessung des himmels mit den schönsten Karten, mittelalterlichen Manuskripten und Illustrationen. Ein einzigartig schöner und aufwändig gestalteter Atlas, der uns von Aristoteles über Einstein bis zu den neuesten interstellaren Entdeckungen in das Reich der Sterne und Planeten eintauchen lässt, in dem wir aber auch Göttern und Wetterzauberern, fliegenden Seeleuten oder mythologischen Tieren und wütenden Geistern begegnen. (Klappentext)

Rezension:

Manchen Menschen gilt der Weltraum heutzutage umfassender erforscht als die Tiefen der Ozeane, doch birgt die Schwärze des Alls immer noch zahlreiche Geheimnisse, die wir wohl nie ganz entschlüsseln können werden, alleine schon aufgrund der schier unüberbrücklichen Entfernungen. Doch, was in prähistorischer Zeit begonnnen und in den vergangenen Jahrzehnten unheimlich an fahrt aufgenommen hat, wohin dies vielleicht wohl führen mag, ist erstaunlich. Edward Brooke-Hitching erzählt diese Geschichte in seinem “Atlas des Himmels”.

Nach einer intensiven Rechercheleistung, mit denen er zuletzt die großen Entdeckerfahrten aufleben lassen lassen hat, lässt der Autor nun seine Leserschaft den Blick nach Oben richten. Das Leuchten der Sterne, die als Wegweiser, der Zeiteinteilung oder religiösen Orientierung diente, vermochte die Menschen seit Jahrtausenden schon zu faszinieren.

Edward Brooke-Hitching ordnet ein, erläutert, erschließt Zusammenhänge so kompakt wie möglich, dass sowohl die jenigen auf ihre Kosten kommen, die nur rudimentäres oder längst verschüttetes Wissen aus dem Astronomie-Unterricht wieder auffrischen möchten, aber auch die LeserInnen, die die Entwicklung dieses erstaunlichen Zweiges der Wissenschaft aus neuen Perspektiven kenennlernen möchten.

Edward Brooke-Hitching: Der Atlas des Himmels, Knesebeck (Quelle)

Mit einer interessanten und abwechslungsreichen Fülle an Material verknüpft der Autor hier bekannte und unbekanntere Anekdoten, die reine Zweckbeoachtungen oder religiöse Einordnungen zu einer modernen und auch dem Leben auf der Erde nutzenden moderen Wissenschaft umwandelten. Hier leider nicht ohne Längen, wie in seinen vorherigen Werk “Der goldene Atlas”, die jedoch überschaubar bleiben, geht er bis in unsere Zeiten, in der der Mensch komerzielle Weltraumflüge in Erwägung zieht, seinen Blick bereits außerhalb dessen gerichtet hat, was aktuell erreichbar ist.

Edward Brooke-Hitching: Der Atlas des Himmels, Knesebeck (Quelle)

Mit einem Blick für kleine Details und große Zusammenhänge erzählt Brooke-Hitching jedoch nicht nur die Geschichte einer einzigartigen Entdeckungsreise über Jahrtausende, sondern auch die von Erfolgen, Irrtümern und Meilensteinen, Biografien und schafft damit eine lesbare Biografie, einen Atlas unseres Kosmos’, für den aktuell noch eine überwiegend friedliche Zusammenarbeit funktioniert. Der Blick in den Himmel fasziniert die Menschen weltweit. Edward Brooke-Hitchings Werk könnte noch für einige Begeisterte mehr sorgen. Eine unbedingte Empfehlung.

Autor:

Edward Brooke-Hitching ist Sohn eines Antiquars und arbeitete bei mehreren Zeitungen und am Theater, bevor er einen Abschluss in Filmwissenschaft an der University of Exeter machte. Als Dokumentarfilmer gewann er mehrere Preise. Im Jahr 2016 wurde seine “Enzyklopädie der vergessenen Sportarten” veröffentlicht. Ausgangspunkt zu seiner Recherche geografischer Phänomene war eine alte Landkarte im Familienbesitz. Brooke-Hitching sammelt Werke über englische Forscher und Entdecker und lebt in London.

Die Fotos sind dem Vorschaumaterial des Knesebeck-Verlages entnommen und dürfen nicht verändert werden, sind derem Eigentum.

Das Buch wurde im Rahmen der Aktion des Sachbuchmonats Januar gelesen. #SachJan21 ‘SachJan2021

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Simon Schwartz: IKON

IKON Book Cover
IKON Simon Schwartz Avant Verlag Erschienen am: 01.03.2018 Seiten: 216 ISBN: 978-3-945034-79-8

Inhalt:

IKON folgt dem Russen Gleb Botkin, der als Sohn des Leibarztes des russischen Zaren die Oktoberrevolution miterlebt und dabei seine engste Vertraute verliert – die Zarentochter Anastasia.

Jahre später, im amerikanischen Exil, trifft der spirituell entwurzelte Ikonenmaler Botkin eine psychisch kranke Frau, die vorgibt, seine verlorene Anastasia zu sein und Anspruch auf den russischen Thron erhebt. Botkin, der sein ganzes Seelenheil auf diese tragische Gestalt projiziert, verliert erneut den Halt und verschreibt sich mit Leib und Seele seiner wiedergefundenen Ikone.

IKON ist eine – auf wahren Begebenheiten basierende – Erzählung über Verlust, Projektion und die Liebe zweier verlorener Seelen, die von der Brutalität des 20. Jahrhunderts gezeichnet wurden. (Klappentext)

Rezension:

Die Geschichte der Anna Anderson, die unter mysteriösen Umständen in einer Berliner Heilanstalt in den 1920er Jahren auftauchte und Anspruch darauf erhob, eine der Töchter des letzten Zaren von Russland zu sein, ist bekannt und bereits Stoff für zahlreiche filmische und nicht zuletzt literarische Umsetzungen gewesen.

Zu schön um wahr zu sein ist es doch, einem grausamen Massaker, wie durch ein Wunder, entkommen zu sein und damit um Stellung und nicht zuletzt einem unvergleichlichen Vermögen, wenn auch kaum greifbar, zu kämpfen.

Doch, lässt sich eine Geschichte, die sich über einen Zeitraum von Jahrzehnten abspielte und mindestens die Wucht eines Krimis auf vielerlei Ebenen hatte, wirklich in Form einer Graphic Novel erzählen?

Die Umsetzung einer komplexen Thematik in Comic.Form ist bereits mehreren Zeichnern gut gelungen. Die Graphic Novel um Anne Frank etwa gehört wohl dazu und auch die mehrteilige Kindheits- und Jugendbiografie des Charlie-Hebdo-Zeichners Riad Sattouf “Der Araber von morgen” kann man da nennen. Wie steht es also um “IKON”, in der Simon Schwartz die Geschichte des Russen Gleb Botkin und des Mythos Anastasia erzählt?

Zunächst ist auffällig der grobe Zeichenstil, der in Schwarz-Weiss diese atemraubende Geschichte versucht, zu verbildlichen. Bewusst ist hier vom Versuch die Rede, denn nur schwer gewöhnt man sich an die unruhigen Zeichnungen, die im zusammenhang mit der sprunghaften Erzählweise eine Konzentration abverlangen, die man wohl kaum bei einer Graphic Novel voraussetzen darf.

Zudem wechseln sich hier Zeitebenen nach nur wenigen Seiten ab, Handlungsstränge, die sich nur schwer zusammenführen lassen, zumal für ungeübte Leser. Vorkenntnisse um die Ereignisse des Lebens der letzten Zarenfamilie, der Mordnacht in Jekaterinburg 1918 und nicht zuletzt um Anastasia/Anna Anderson selbst, sind unbedingt von Nöten, möchte man sich auf die Graphic Novel auch nur halbwegs einlassen.

Wer will, erfährt so einiges über die russisch-orthodoxe Religion, die Bedeutung und Werdung von Ikonen, versteht die Anspielungen, die Simon Schwarz hier durchaus gelungen eingebracht hat. Das funktioniert jedoch nur bei denen, die nicht gerade Einsteiger in diese Thematik sind.

In der Graphic Novel nachempfunden. Gleb Botkin zeichnet für die Zarenkinder.
Quelle: Simon Schwartz, IKON, Avant Verlag.

Die Zeichnungen Gleb Botkins für die Zarenkinder gab es wirklich, sahen auch so ähnlich aus, wie sie der Protagonist in mehreren Szenen zu Papier bringt, auch hält sich der Autor strickt an die Historie und erliegt nicht der Versuchung, dem schon aufgeklärten aber immer noch an manchen Stellen gepflegten Mythos um Anastasia neue Nahrung zu verschaffen.

Wenn man jedoch dieses Vorwissen nicht hat, fällt es trotz der nachstehenden Erläuterungen schwer, in die Geschichte einzutauchen und sich auch darauf einzulassen.

Prägnant ist der erdrückend wuchtig wirkende Zeichenstil.
Quelle: Simon Schwartz, IKON, Avant Verlag.

Zu wuchtig, zu eigenwillig wirken sämtliche Protagonisten, was am Zeichenstil einerseits liegt, von den ständigen Zeitsprüngen mal gar nicht zu reden, andererseits auch und besonders an einer Überbetonung von Charakterzügen. Das funktioniert vielleicht auf einer Theaterbühne, damit’s dann auch der Zuschauer in der hintersten Reihe mitbekommt, hier aber allzu aufdringlich und abstoßend wirkt.

Wer sich wirklich mit der Tragik der Familie des letzten Zaren beschäftigen wollte, noch keine Berührungspunkte mit der Thematik hat, sollte besser zu Simon Sebag-Montefoire oder Elisabeth Heresch (“Alexej, der Sohn des letzten Zaren”) greifen, die beiderseits hervorragende und verständlich zu lesende Sachbücher darüber verfasst haben. Damit ist Interessierten und Kennern eher gedient.

Mittels eines DNA-Tests konnte Jahrzehnte später zweifelsfrei festgestellt werden, dass es sich bei Anna Anderson nicht um die Zarentochter Anastasia handelte.

Simon Schwartz über richtige und falsche Ikonen.

Nebenbei erfährt der Leser etwas über russische Orthodoxie und die Entstehung von Ikonen.
Quelle: Simon Schwartz, IKON, Avant Verlag.

Zeichner:

Simon Schwartz wurde 1982 geboren und ist ein deutscher Comiczeichner, Autor und Illustrator. Nach dem Abitur arbeitete er im Mosaik Verlag und studierte von 2004-2009 Illustration an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg.

Für verschiedene Tageszeitungen verfasst er reegelmäßig Comic-Strips und veröffentlichte 2009 seinen ersten comic-Roman. Für Wände mehrerer Gedenkstätten zeichnete er die Vorlagen. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet.

Weiterführende Links und Literatur:

Ein anderer Blog: MonerlS bunte Welt

Simon Sebag-Montefoire: Die Romanows

Douglas Smith: Rasputin – Und die Erde wird zittern

Wikipedia: Die Ermordung der Zarenfamilie

Das Ipatjew-Haus / 10 Fakten / Wikipedia: Anna Anderson

Wikipedia: Anastasia Nikolajewna Romanowa

Helen Rappaport: The Romanov Royal Matyrs (Book Trailer)

Empfehlenswerte Verfilmung:

“Nikolaus & Alexandra”, Spielfilm von 1971, bassierend auf Robert K. Massies gleichnamigen Buch. Sehr nah am Biografischen. Länge: 181 Minuten.

Vielleicht schreibe ich doch mal ein Special zu verschiedenen Verfilmungen und anderen Büchern? Da gibt’s mehrere sehr interessante Umsetzungen.

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