irland

Tana French: Der Sucher

Inhalt:

Ein Fremder, ein Dorf, ein Kind. Und eine Suche, die Niemanden verschont.

Cal Hooper, ehemaliger Cop aus Chicago, hat sich in den Westen Irlands geflüchtet. Die Natur scheint friedlich, im Dorf nimmt man ihn freundlich auf. Da springt sein innerer Alarm an: Er wird beobachtet. Immer wieder taucht ein Kind bei ihm auf. Auf den umliegenden Farmen kommen auf seltsame Weise Tiere zu Tode. Stück für Stück gerät Cal in eine suche, die ihn tief in die Dunkelheit führt. (Klappentext)

Rezension:

Selten geben Inhaltsangaben eines Verlags und der eigentliche Text eine solche Differenz her, wie im Falle von Tana French, die mich mit ihrer neuen Geschichte, diesmal um den ehemaligen Detective Cal Hooper, mehr als überraschen konnte. Der Inhalt ist klar skizziert, liegt hier doch ein klassischer Kriminalroman vor, vermischt mit reichlich Lokalkolorit.

Der Handlungsort Irland bietet sich einfach dafür an, auch die Hauptfigur ist für Frenchs Leserschaft schnell fassbar und zudem ein Sympathieträger, den man gerne folgt.

Überraschend vor allem, ist die Wirkung des Textes. Im Gegensatz zu den Angaben auf den Umschlag steigt man zunächst vergleichsweise ruhig und gemächlich in die Geschichte ein. Die Autorin macht mit Handlungsort und Figuren vertraut. Die Degeto-Idylle liegt zum Greifen nah. Das ändert sich lange nicht. Der bedächtige Schreibstil tut sein Übriges, ohne ins allzu Gefühlige abzurutschen, wenn auch hin und wieder eine Zehe über gewisse grenzen gesetzt wird. Lange passiert nichts und dann doch alles.

So eingelullt entfalten sich nach und nach, wir nehmen die Position der Hauptfigur mitsamt dessen Kenntnisstands ein, die Geheimnisse der Dorfgemeinschaft, die abgründiger nicht sein könnten, dennoch im Bereich des real Möglichen liegen. Zudem schafft es French lange, die Antagonisten ziemlich konturlos erscheinen zu lassen, ohne dass das Gefühl des Fehlens entstehen würde oder die Autorin selbst den roten Faden zu verlieren drohte.

Bevorzugt lese ich eher den rasanten, wendungsreichen, brutalen und ja, auch oft genug blutigen Thriller. In “Der Sucher” ist praktisch nichts von diesen Zutaten vorhanden, die ich als für mich “sichere Bank” bezeichnen würde, zudem konnte ich die Position jeder Figur nachvollziehen. Gegen Ende habe ich den Ausgang zwar leise geahnt, gestört hat das nicht.

Mit stoischer Gelassenheit und Ruhe wird hier Seite für Seite eine Geschichte aufgebaut, in der man eingesogen wird. Die Wirkung von Perspektive und Art des Erzählens vermögen in den Bann zu ziehen. Bei mir hat’s funktioniert. Wer sinst wendungsreiche und mitunter auch brutale Thriller liest, könnte selbigen Effekt unterzogen werden. Ich empfehle es allen, das zu versuchen. Da natürlich immer Luft nach Oben offen ist und ein Szenenwechsel doch nicht so ganz flüssig war, wie der Rest des Romans zu lesen, Punktabzug.

Dennoch, Tana French, gerne wieder.

Autorin:

Tana Elzabeth French wurde 1973 in Burlington, Vermont, geboren und ist eine irische Schriftstellerin. Nach Stationen, rund um den Globus, studierte sie Schauspiel am Trinity College in Dublin und arbeitete anschließend für Film und Fernsehen. 2007 erschien ihr erster Roman, weitere folgten und wurden teilweise verfilmt, sowie in zahlreiche Sprachen übersetzt. Mit ihrer Familie lebt sie in Dublin.

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John Boyne: Cyril Avery

Cyril Avery Book Cover
Cyril Avery Autor: John Boyne Piper Verlag Erschienen am: 02.09.2019 Seiten: 736 ISBN: 978-3-492-23116-9 Übersetzer: W. Löcher-Lawrence

Inhalt:

Schon vor seiner Geburt steht Cyril Averys Leben unter einem ungünstigen Stern. Als uneheliches Kind hat er keinen Platz in der konservativen Gesellschaft Irlands der 1940er Jahre. Ein exzentrisches Dubliner Ehepaar nimmt ihn bei sich auf, doch auch dort fühlt er sich nicht zu Hause. Bis eines Tages ein Junge im Hausflur steht – und mit ihm ein Abenteuer beginnt, das Cyril genau das finden lässt, wonach er immer gesucht hat: seinen Platz in dieser verrückten Welt. (Klappentext)

Rezension:

Irland war vor noch wenigen Jahrzehnten das Armenhaus Europas, in dem die katholische Kirche noch vor den staatlichen Politikern, mit all ihren veralteten Moralvorstellungen und Predigten das Sagen hatte und das Leben der Menschen, besonders in den Dörfern, bestimmte.

Ohnehin zerrüttet durch die ständigen politischen Auseinandersetzungen, gab es nicht viel, woran sich die einfache Bevölkerung orientieren und halten konnte, doch die angespannte gesellschaftliche Situation ließ Abweichungen von der Norm nicht zu. John Boyne, einer der großen irischen Schriftsteller hat sich der Geschichte und vor allem den Wandel moralischer Vorstellungen angenommen und erzählt die Geschichte seines Heimatlandes und den gesellschaftlichen Wandel in großen Bildern.

Erzählen kann der Autor, wie er in unzähligen Romanen, allen voran “Der Junge im gestreiften Pyjama” und “Der Junge auf den Berg” bewiesen hat und es ist eine Großtat, sich ebenso mit einem entscheidenden Aspekt der irischen geschichte auseinandergesetzt zu haben.

Anhand des Protagonisten Cyril, der von der Mutter gezwungenermaßen weggegeben wird und bei Adoptiveltern aufwächst, die sich alles andere als solche verhalten, beschreibt Boyne die Leidensgeschichte derer, die nicht in das erzkonservative gesellschaftliche Bild passten, die katholische Kirche und Politik ihrer Bevölkerung aufzwangen.

John Boyne, der sich in seinen anderen Erzählungen durchaus auf das Beschreiben von Coming-of-age-Situationen versteht, misslingt hier der erste Teil des Romans, in sofern, dass dieser verhältnismäßig blass bleibt. Frank McCourt hat dies in den Romanen, die er über seine Lebensgeschichte verfasst hat, besser verstanden, berichtete jedoch von tatsächlich Erlebten, während Boyne Geschichte erdenken musste. Dieser Funke springt jedoch nicht über, was dann erst im zweiten Teil passiert.

Der Handlungsverlauf versteht sich erst im Mittelteil zu steigern, in einer Wucht, die den ersten Seiten nur am Anfang zu Gute kommt, dann jedoch eine ganze Weile abebbt. Doch, es scheint als habe der Autor erst nach mehreren hundert Seiten wirklich in die Geschichte eingefunden und so lohnt es sich für den Leser auch, durchzuhalten. Man ist gefangen von der Dynamik der Protagonisten, den Tragödien, kurzen Momenten des Glücks, bevor die Figuren dann wieder allzu hart auf den Boden der Tatsachen gedrückt werden.

Damit allein hätte der Roman das Zeug zu einem Meisterwerk, alleine der Schluss zeigt, dass “Friede, Freude, Eierkuchen” und alle verstehen sich irgendwie, alle kommen miteinander aus oder machen eben ihren Frieden miteinander im wirklichen Leben zwar wünschenswert ist, aber wann passiert das schon so? Doch, nur in den wenigsten Fällen und gerade bei der bewegten Geschichte, die uns Boyne hier erzählt, nehme ich das ihn nicht ab.

Eine Prise mehr Nachdenklichkeit, weniger Sentimentalität und eine Spur weniger Anlehnung an John Irving hätte der Handlung ganz gut getan. So ist es dennoch eine Geschichte mit Ecken und Kanten, die zwar nicht besonders aber dennoch irgendwie im Gedächtnis bleibt.

Autor:

John Boyne wurde 1971 in Dublin geboren und ist ein irischer Schriftsteller. Nach der Schule studierte er Englische Literatur am Trinity College in Dublin, sowie Kreatives Schreiben in Norwich. Zahlreiche seiner Romane wurden ins Deutsche übersetzt, bekannt wurde er einer größeren Menge mit “Der Junge im gestreiften Pyjama” (2006), welcher zudem verfolt wurde. Boyne nimmt sich in seinen Romanen und Kurzgeschichten immer wieder gesellschaftlichen und kontroversen Themen an und war 2013 Jurymitglied im Kinder- und Jugendprogramm für “Das außergewöhnliche Buch” beim Internationalen Literaturfestival Berlin. Seine Werke wurden in über 46 Sprachen übersetzt. Boyne lebt in Dublin.

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Karina Urbach: Queen Victoria – Eine Biografie

Queen Victoria - Eine Biografie Book Cover
Queen Victoria – Eine Biografie Rezensionsexemplar/Sachbuch C.H.Beck Hardcover Seiten: 284 ISBN: 978-3-406-72753-5

Inhalt:
Als Victoria 1837 im Alter von achtzehn Jahren den Thron bestieg, hätte niemand ihr zugetraut, eine erfolgreiche Königin zu werden – geschweige denn, ein ganzes Zeitalter zu prägen. Die Historikerin Karina Urbach erzählt in dieser glänzend geschriebenen Biografie, wie Victoria in ihrer 63-jährigen Regierungszeit allen politischen Stürmen und persönlichen Widrigkeiten standhielt und zur mächtigsten Frau des 19. Jahrhunderts wurde. (Klappentext)

Einordnung:
Die Rezension umfasst die erweiterte und aktualisierte Fassung der Biografie, die jetzt im C.H. Beck Verlag erschien.

Rezension:
Sehr knapp gehaltene Biografien haben oft genug den Nachteil, eher einseitig orientiert zu sein und nicht alle Aspekte einer Person in ihren Einzelheiten zu analysieren. Aufgrund Platzmangels fällt so manche wichtige Begebenheit herunter und wenn dazu dann noch eine etwas klägliche Quellenlage kommt, hat man meist eine unausgegorene Arbeit in den Händen, die es sich nicht zu lesen lohnt. Ganz anders die Biografie Queen Victorias, geschrieben von Karina Urbach.

Karina Urbach beherrscht die Kunst der Verknappung ohne den Fehler zu machen, zu einseitig die Person zu analysieren, die Hauptthema ihres Werkes ist.
Auf nicht einmal 300 Seiten wird einer der größten Herrscherinnen Europas auf den Zahn gefühlt und nahezu alle Aspekte, vom politischen Standpunkt und Wandel bishin zum Privatleben beleuchtet, was bei Monarchen bekanntlich fließend ineinander übergeht.

Die Autorin verfolgt dabei eine lineare Strategie, trennt diese Punkte nicht voneinander, sondern orientiert sich an den Jahreszahlen. Sie beschreibt den Werdegang dieser beeindruckenden Frau, das wechselnde politische Gefüge und private Konstellationen, in denen Victoria agieren musste.

Detailliert, jedoch nicht ausufernd, beschreibt die Historikerin, welchen Einfluss die englische Königin auf die politischen Entscheidungen ihrer Premierminister hatte (oder auch nicht), wie sie die Familiengeschicke lenkte, deren Verbindungen in beinahe sämtliche europäischen Herrscherhäuser hineinreichte.
Einzelne Aspekte wie das interesse an sozialen Missständen werden hervorgehoben, aber auch Kritik nicht ausgespart. So wird die fehlgeleitete Irlandpolitik ebenso zur Sprache gebracht, wie die Heiratspolitik, die erbliche Krankheiten quer in die Königshäuser Europas brachte, aber auch einige Mitglieder des britischen Königshauses schwer treffen sollte.

Urbach zeigt, wie Victoria sich zum Fixpunkt des Adels entwickelte, der beim Wegfallenfast zwangsweise (nach ihrem Tod) in die Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts führen sollte. Die Biografie zeichnet das Bild einer Frau ohne jedwedes innenpolitisches Gespür, dafür um so mehr außenpolitischen Glück und Machtbewusstsein, eines Menschen, der sich seiner Fehler bewusst war, bestimmte Wendungen jedoch nicht vermochte, zu verhindern.

So differenziert ist “Victoria – Eine Biografie” ein Werk, um sich einen ersten Überblick über eine Königin zu verschaffen, die eine ganze Epoche ihren Stempel aufdrücken sollte, welche jedoch ohne sie keine Chancen hatte, zu überleben.
Karina Urbach über ein britisches “National Treasure”, welche zwar viele Fehler gehabt, jedoch das Bild prägen sollte, welches teilweise heute noch Groß-Britannien und die britische Königsfamile im Besonderen hat.

Autorin:
Karina Urbach ist eine deutsche Historikerin mit den Spezialgebieten Drittes Reich, sowie Monarchien. An der University of Cambridge studierte sie Geschichte und Internationale Beziehungen, bevor sie u.a. nach Bayreuth wechselte und dort wirkte. Sie unterrichtete an verschiedenen deutschen und britischen Universitäten und forscht seit 2015 am Institute for Advanced Study in Princeton. Als Fachberaterin war sie an zahlreichen historischen Dokumentationen des ZDF und der BBC beteiligt. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen zur deutschen und britischen Geschichte.

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Graham Masterton: Bleiche Knochen

Bleiche Knochen Book Cover
Bleiche Knochen Graham Masterton Festa Verlag Erschienen am: 19.09.2017 Seiten: 443 ISBN: 978-3-86552-558-1 Übersetzerin: Doris Hummel

Inhalt:

Die Skelette von elf Frauen werden bei Bauarbeiten auf einer Farm im ländlichen Irland gefunden, grausam verstümmelt und bei lebendigen Leib gehäutet. Die Ermittlerin Katie Maguire erfährt nach den ersten Untersuchungen, dass die Toten schon seit vielen Jahrzehnten unter der Erde liegen.

Ihr Vorgesetzter will den Fall bereits zu den Akten legen, da taucht ein frisches opfer auf. Welche Verbindung besteht zwischen dem Killer der Gegenwart und dem Toten aus der Vergangenheit? Und warum sind merkwürdige Stoffpuppen an die Oberschenkelknochen sämtlicher Leichen gebunden?

Katie Maguire stößt auf ein uraltes Ritual und muss den Mörder stoppen, bevor er erneut zuschlägt. (Klappentext)

Rezension:

Dem Schauerroman liegt eine lange, vor allem englische Tradition zu Grunde, die heutzutage durch gute Horrorliteratur ergänzt wird. Graham Masterton ist ein Meister dieses Genres und so liegt mit “Bleiche Knochen” eine spannende Geschichte vor, die mit Vorsicht zu genießen ist.

Wenn davon überhaupt die Rede sein kann. Zunächst ist es eine der klassischen Ermittler-Geschichten, wie sie zu Hauf von den britischen Inseln kommen.

Eine Ermittlerin stolpert mit ihrem Team praktisch über Leichen und immer mehr details schälen sich an die Oberfläche. Heraus kommt das grausame Machwerk eines Täters, der die Umgebung im Atem hält.

Als wäre das nicht genug, stößt Katie Maguire auch noch auf eine uralte Legende und einen politischen Hintergrund, der nichts weiter als den freiden in Irland gefährden könnte. Größer geht’s kaum.

Dieses Szenario hätte schief gehen können. Andere Autoren wären mit dieser Geschichte gegen die Wand gefahren. Graham Masterton schafft es dagegen, sie großartig, sehr detailliert in Szene zu setzen. Sehr feinsinnig stellt er die Ermittlungen der irischen Polizistin dar, was ihn aber nicht daran hindert, auch die Mordszenen ebenso zu erzählen.

Tatsächlich sollte sich überlegen, wer gerade gegessen hat, dass Buch zu lesen. Für zart Besaitete nichts, wobei es auch in diesem Genre Steigerungen gibt, besonders wenn sie im Verlag Festa erscheinen.

Beim Leser schleicht sich eine Faszination für’s Morbide, für’s Böse ein. zeile für Zeile wird er in die Geschichte hineingesogen, will manchmal loslassen, kann jedoch sich kaum den beschriebenen Grausamkeiten entziehen und rätselt dann auch mit, wer der Täter ist.

Oder sind es gar mehrere? Und am Ende kommt doch alles ganz anders. Als Einstieg in die Horrorliteratur unbedingt geeignet, in manchen Teilen eines Stephen King würdig, doch Graham Mastertons Schreib- und Erzählstil ist sehr eigen, und macht mit seinen Perspektivwechseln und Wendungen einen Großteil der Faszination aus, die diese Geschichte trägt.

Die Protagonisten sind glaubwürdig, mit Ecken und Kanten versehen, und bekommen im Laufe der Geschichte eine Tiefe, die sicherlich in Folgebänden weiter ausgebaut werden wird. Auch “böse” Figuren haben ihre sympathischen Seiten, doch wer sich in Gafhar begibt, kommt darin um.

Zum Glück blättert man als Leser nur Seiten um, doch hat man das Gefühl, mitten im Geschehen zu stehen. Die Einbindung einer uralten Legende passt zur Handlungsumgebung, sowie auch die Verarbeitung der Landesgeschichte hier einen wichtigen Stellenwert für den Verlauf einnimmt.

Für nicht so ganz zarte Gemüter eine unbedingte Empfehlung, wer qualitativ gute Krimi-Horrorliteratur lesen möchte, und nicht weiß, wo er ansetzen muss. Graham Mastertons “Bleiche Knochen” ist da ein guter Einstieg, den man sich hingeben kann. Beschreibung expliziter Szenen inklusive. Diese Warnung muss jedoch sein.

Autor:

Graham Masterton wurde 1946 in Edinburgh geboren und ist ein britischer Autor von Horrorliteratur. Nach seiner Ausbildung zum Zeitungsreporter arbeitete er als Redakteur beim Magazin Penthouse.

In dieser Zeit schrieb er eine Reihe von Erotikratgebern, betätigte sich jedoch auch als Schreiber verschiedener anderer Magazine. 1976 veröffentlichte Masterton seine erste Horrorgeschichte, und schrieb seitdem über hundert Romane, Horrorliteratur, Thriller und Katastrophen-Romane. Er wurde mehrfach ausgezeichnet.

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