Gleichheit

James Baldwin: Nach der Flut das Feuer

Nach der Flut das Feuer Book Cover
Nach der Flut das Feuer James Baldwin dtv Erschienen: 19.06.2020 (Neuauflage) Seiten: 128 ISBN: 978-3-423-14736-1 Übersetzerin: Miriam Mandelkow

Inhalt:

James Baldwin ist 10 Jahre alt, als er zum ersten Mal Opfer weißer Polizeigewalt wurde. 30 Jahre später, 1963, brach “Nach der Flut das Feuer” – “The Fire Next Time” – wie ein Inferno über die amerikanische Gesellschaft herein und wurde sofort zum Bestseller.

Baldwin rief dazu auf, dem rassistischen Albtraum, der die Weißen ebenso plage wie die Schwarzen, gemeinsam ein Ende zu machen. Ein Ruf, der heute wieder sein ganzes provokatives Potenzial entlädt. (Inhaltsangabe des Verlags)

Rezension:

Überall wird sie inzwischen wieder geführt, diese Debatte um die Gleichheit aller Menschen, unabhängig von ihrer Hautfarbe, Religion oder Sexualität, nachdem vielerorts geglaubt wurde, dass rassistische Auswüchse der Vergangenheit angehören. Dem ist nicht so. Bilder, rund um den Globus, beweisen es. Gewalt gegen Minderheiten allerorts greift zuweilen um sich und wird immer aggressiver und brutaler offensichtlich.

Doch, auch heute gibt es die jenigen, die sich dem entgegenstellen und auch die Texte von vor Jahrzehnten, die wieder aktuell werden und zur Diskussion stehen. Ganz vorne dabei, James Baldwins Essays und Romane, in denen sich der in New York geborene Schriftsteller für die Gleichheit aller einsetzte und damit zu einem Sprachrohr der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung wurde.

Seine erste Veröffentlichung “The Fire Next Time”, der weitere folgten, besaß innerhalb Amerikas schon damals genug Sprengkraft, um die Massen aufhorchen zu lassen. heute ist dies wieder der Fall.

Was ist eigentlich Rassismus, wo beginnt solcher und welche Auswirkungen hat dies eigentlich, auf die jenigen, die unter ihn leiden, aber auch auf jene, die ihn entfesseln und tragen? Baldwin legt Zeile um Zeile eine komplexe Problematik frei, die man kaum erfassen kann, der auch keine Rezension eines solchen Textes nur annähernd gerecht wird.

Ich glaube, dass die Menschen besser sein können als angenommen, und ich glaube, dass Menschen besser sein können, als sie sind.

James Baldwin: Nach der Flut das Feuer.

In Baldwins Text wird der Wille, etwas zum Positiven zu bewegen, deutlich. Zeile für Zeile deutet er auf das Negative, macht jedoch auch klar, an das Positive, den Willen des Menschen zur Veränderung zu glauben. In klaren Worten drückt er aus, was damals war, was heute unter anderen Vorzeichen immer noch ist und welche Wurzeln der Rassismus der Weißen in Amerika hat.

Seine eigenen Erinnerung an erlebte Ungerechtigkeit hat er ebenso eingearbeitet, wie die Großen der jüngeren amerikanischen Geschichte, die Baldwin erlebte. Welche Rolle spielt Religion, welche Hautfarbe und warum ist das so? Wie können wir dies überwinden? Baldwin stellt Fragen, die immer neue aufwerfen.

Den Lesenden muss klar werden, dass es einfache Antworten nicht geben kann, nicht geben wird, sondern an diesen Stellschrauben immer wieder gedreht und die Debatte lebendig gehalten werden muss.

Doch solange wir im Westen der Hautfarbe eine solche Bedeutung beimessen, machen wir es der Masse unmöglich, sich nach irgendwelchen anderen Kriterien zusammenzuschließen. Hauptfarbe ist keine menschliche oder persönliche Realität; sie ist eine politische Realität.

James Baldwin: Nach der Flut das Feuer.

Der Autor appelliert daran, nachzudenken, hinzuschauen, sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden und zu hinterfragen. Wie schaffen wir es, eine andere Gesellschaft zu werden, in der Determinanten wie Hautfarbe und Religion keine Rolle spielen, wenn auch aus letzterer vor allem Baldwin seine Kraft zieht, etwas ungewohnt für europäische Lesende. Was kann ein jeder tun?

Fragen, die bis heute brandaktuell bleiben. James Baldwin reiht seine Gedanken wie Perlen einer Kette aneinander und zwingt die Leser sich der rauen Wirklichkeit zu stellen. Zugleich verdeutlicht er, dass Hass nicht die Lösung sein kann, egal von welcher Seite man diese Debatte führt, sondern Liebe und Verständnis für einander.

Baldwin ist voller Wut, jedoch auch voller Zuversicht, beschreibt Geschichtsverläufe und legte frei, was lange verborgen blieb, nach seinem Tod zu lange in Vergessenheit geriet und heute wieder hervorgeholt wird.

Was Weiße über Schwarze nicht wissen, offenbart also genau und unerbittlich ihr Unwissen über sich selbst.

James Baldwin: Nach der Flut das Feuer.

Fast jede Seite ist gekennzeichnet vom Willen zur Veränderung, nicht nur für die Benachteiligten, Ausgegrenzten, sondern für alle Menschen, vor allem in Amerika, natürlich mit den Blick über den Tellerrand weltweit. Baldwin beschreibt die Schwierigkeiten einer Gesellschaft, von der wir lange geglaubt haben, sie überwunden zu haben.

Jüngste Vorfälle von rassistischer Gewalt diesseits und jenseits des großen Teiches zeigen das Gegenteil. Und so gilt weiterhin ein Zitat Baldwins, nicht Bestandteil dieses Textes, welcher sich lohnt zu lesen:

Wie ich euch nenne, sagt nichts über euch aus oder nur ganz selten; wie ich euch nenne, sagt aber alles über mich.

James Baldwin, 1963, Rede vor Schülern einer amerikanische High School.

Es ist ein beeindruckender Text. Selten war das Gefühl so groß, einem Werk in der Rezension nicht gerecht werden zu können, obwohl ich mir so viele wichtige Stellen markiert habe. Oder, gerade deswegen?

Autor:

James Arthur Baldwin wurde 1924 in Harlem, New York City geboren und war ein US-amerikanischer Schriftsteller. Nach seinem Schulabschluss machte sich Baldwin als Essayist und Rezesent einen Namen und setzte sich mit seinen Texten für Gleichberechtigung, unabhängig von Hautfarbe, Sexualität und Religion ein. 1953 veröffentlichte er in Paris seinen ersten Roman. Immer wieder engagierte sich Baldwin zudem in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, schrieb zahlreiche Gedichte und Theaterstücke. Baldwin starb 1987 in Südfrankreich.

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Sahm Venter: Nelson Mandela – Briefe aus dem Gefängnis

Briefe aus dem Gefängnis Book Cover
Briefe aus dem Gefängnis Sam Venter (Hrsg.) Rezensionsexemplar/Sachbuch C.H. Beck Verlag Hardcover Seiten: 752 ISBN: 9078-3-406-71834-2

Inhalt:

Auf den Höhepunkt einer brutalen Kampagne des Apartheid-Regimes in Südafrika wurde der Anwalt und Aktivist Nelson Mandela verhaftet. Für seine politischen Aktivitäten um den African National Congress ANC musste er die Jahre 1964-1990 in Haft verbringen.

Der spätere Präsident des Landes schrieb in diesen Tagen zahlreiche Briefe an Mitstreiter, Regierungsfunktionäre und an seine Familie. Mehr als 250 ausgewählte Briefe aus dieser Zeit geben Einblick in die Welt eines Mannes, der sich seine Güte und den Weitblick in schwierigen Zeiten bewahrte und zuletzt als einer der inspirierendsten Menschen des 20. jahrhunderts verehrt wurde. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Haft, Ausgrenzung und Isolation sind in Diktaturen und artverwandten Regime dazu angedacht, die Gegner zu brechen und mundtot zu machen. Wer aus dem Alltags- und politischen Geschehen herausgehalten wird, wer behindert wird, aktiv zu sein, soll vergessen und dessen Betrachtungen und Ideen keine Chance zum Wachstum haben.

Dies hatten die politischen Führer Südafrikas vor, als sie Nelson Rohlilhala Mandela mit Hilfe einer konstruierten Gerichtsverhandlung einsperrten und damit 27 Jahre lang demütigten und nur so ihre Vorherrschaft der Minderheit sichern konnten.

Doch, die Verantwortlichen hatten nicht mit den Willen, Mut und ungeheuren Glaube an das Gute im Menschen, gedacht, welches Mandela Zeit seines Lebens aufrecht hielt, nicht zu vergessen seinen großen Kreis an Freunden, Verwandten und Unterstützern. Ihnen schrieb er beständig Briefe. Ein Großteil wird nun der Öffentlichkeit in dieser Ausgabe zugänglich gemacht.

Dieses Buch ist keine Biografie und auch keine veröffentlichung, die Nelson Mandela selbst forciert hat, dennoch nenne ich ihn hier zumindest an zweiter Stelle als Autor, da er, zwar unwissentlich, aber dennoch für den Inhalt dieses Buches gesorgt hat. Wichtig und an erster Stelle zu erwähnen, ist jedoch Sahm Venter, die mit Beharrlichkeit und Engagement aus Archiven und Privatsammlungen zusammengetragen hat, was ein äußerst vielschichtiges Bild ergibt, welches einen der wohl faszinierendsten Menschen der jüngeren südafrikanischen Geschichte zeigt.

Detailliert gab Mandela Freunden und Verwandten Einblick in seinen Gefängnisalltag, frustriert von den Eingriffen der Zensurbeamten und Gefängnisverantwortlichen, so dass der Anwalt und Aktivist aucvh regelmäßig an Justizminister und andere staatlich Verantwortliche schrieb.

Teilweise sehr schwer zu lesen, da besonders die ersten Briefe unglaublich frustrierend und zermürbend zu lesen sind, so wie sich eben Mandela gefühlt haben muss, wird die Sammlung durch ein umfangreiches Personenregister ergänzt und unter jeden Brief gibt es Erläuterungen zu den dort verwendeten Begrifflichkeiten, beschriebenen Verwandtschaftsverhältnissen oder Ereignissen.

Dies macht die Sammlung so unglaublich wertvoll und informativ, dass man sie in Ergänzung zu Mandelas Biografie “Der lange Weg zur Freiheit” lesen sollte, jedoch unbedingt Vorkenntnisse haben muss, um dies mit Genuss und Gewinn zu lesen.

Charaktereigenschaften, die später die Öffentlichkeit faszinieren und diese sehr besondere Sichtweise Mandelas, die schließlich zum Versöhnungsprozess in Südafrika führen sollten, werden in seinen Briefen deutlich, wozu besonders die Vielfalt und Auswahl der Briefe betragen.

Für die Lektüre sollte man sich Zeit nehmen und nichts parallel lesen, um mit der vollen Konzentration dem rechnung zu tragen, welch schwere Zeit Mandela durchlebt hat. Kartenmaterial und Fotos, eine Kurzbiografie, sowie das berührende Vorwort einer Enkelin Mandelas machen hier Geschichte erlebbar, eingebetet im historischen Material der Briefsammlung.

Wer Südafrika verstehen will, sollte zu diesem gut recherchierten und strukturierten Werk greifen, ahnt hinterher aber auch, warum die Regenbogennation heute ohne ihren Übervater eine wankende Zukunft hat. Unbedingte Empfehlung.

Autor:

Nelson Mandela wurde 1918 geboren, war ein führender südafrikanischer Aktivist und Politiker. Im Jahrzehnte andauernden Widerstand gegen die Apartheid praktizierte er als Anwalt, bevor er von 1963-1990 in verschiedenen Gefängnissen Südafrikas als politischer Häftling einsaß.

Ab 1944 engagierte er sich im African National Congress (ANC) und wurde zum Symbol und Vorbild im Freiheitskampf gegen Unterdrückung und Rassentrennung. 1994 wurde er erster schwarzer Präsident seines Landes und bekam ein Jahr zuvor den Friedensnobelpreis. Er starb 2013 in Johannesburg.

Herausgeberin:

Sahm Venter ist Senior Researcher bei der Nelson Mandela Foundation.

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