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Jasmin Schreiber: Marianengraben

Marianengraben Book Cover
Marianengraben Jasmin Schreiber eichborn Verlag Erschienen am: 28.02.2020 Seiten: 254 ISBN: 978-3-8479-0042-9

Inhalt:
Paula braucht nicht viel zum Leben: ihre Wohnung, ein bisschen Geld für Essen und ihren kleinen Bruder Tim, den sie mehr liebt als alles andere auf der Welt. Doch dann geschieht ein schrecklicher Unfall, der sie in eine tiefe Depression stürzt.

Erst die merkwürdige Begegnung mit Helmut, einem schrulligen alten Herrn, erweckt wieder einen Funken Lebenswillen in ihr. Und schließlich begibt Paula sich zusammen mit Helmut auf eine abenteuerliche Reise, die sie Beide zu sich selbst zurückbringt – auf die eine oder andere Weise. (Klappentext)

Rezension:
Es passiert eigentlich nicht viel im neuesten Roman von Jasmin Schreiber und doch eine ganze Menge, lesen so einen wunderbar schmerzhaften, bedrückenden und dennoch lebensbejahenden Roman. Wie das zusammenpasst? Zu Beginn steht die Trauer der Hauptprotagonistin, der ein Leser sofort in sein Herz schließen wird.

Die Studentin Paula hat vor ein paar Jahren ihren kleinen Bruder durch das Meer verloren und ist seit dem tief gefallen. Im übertragenen Sinne bis an den Grund des Marianengrabens, des tiefsten Punkt der Ozeane. Nur ist es hier Lethargie und Depression, unverarbeiteter Schmerz, der die Oberhand hat.

Aus ihrer Perspektive erlebt man nun einen Roadtrip und damit auch ein Auftauchen, beschwerliches Ankämpfen gegen die Schuldgefühle. Gegenpol bildet der zweite Hauptprotagonist. Helmut, ein älterer Herr, der ebenso eine Geschichte zu erzählen hat. Auf diese zwei Figuren ist die Geschichte reduziert. Völlig ausreichend ist das.

Feinfühlig beschreibt die Autorin diesen schmerzhaften Verarbeitungs-prozess. Gebannt wird man in die Geschichte eingesogen. Manch kalter Schauer wird einem bei diesen Zeilen über den Rücken laufen, nur um dann wieder grinsen, manchmal laut auflachen zu müssen.

Diese Kontraste zu schaffen, ist Jasmin Schreiber hervorragend gelungen. Dies lässt in der Geschichte die Protagonisten durchhalten, ebenso fordert dies die Leser dieses gelungen Werks.

Auf Trauer folgt Verarbeitung. Diesen Prozess begleiten die Leser, die nach und nach die Puzzleteile der Geschichten beider Protagonisten erfahren, wenn Paula und Helmut so langsam aus dem sprichwörtlichen Meer auftauchen. Interessant dazu auch die Titelüberschriften.

Jasmin Schreiber hat nicht nur ihr Biologie-Studium der Protagonistin „umgehängt“. Viel steckt von der Autorin in Paula. Jede Zeile so gemeint. Jede Zeile ehrlich.

Dies alles ist die große Stärke von „Marianengraben“. Definitiv ein Highlight für alle, die ihn lesen werden und eine Mahnung, Menschen mit Depression die Hand zu reichen, niemals allein zu lassen, im übertragenen und wörtlichen Sinne, schwimmen zu lernen.

Autorin:

Jasmin Schreiber wurde 1988 geboren und ist studierte Biologin, arbeitet als Kommunikationsexepertin und Autorin. 2018 wurde sie als Bloggerin des Jahres ausgezeichnet. Sie arbeitet ehrenamtlich als Sterbebegleiterin und Sternenkinder-Fotografin. Die Autorin lebt in Frankfurt/Main.

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Sarah Perry: Melmoth

Melmoth Book Cover
Melmoth Sarah Perry Bastei Lübbe/eichborn Erschienen am: 30.09.2019 Seiten: 332 Übersetzung: Eva Bonne ISBN: 978-3-8479-0664-3

Inhalt:

Helen Franklins Leben nimmt eine jähe Wende, als sie in Prag auf ein seltsames Manuskript stößt. Es handelt von Melmoth – einer mysteriösen Frau in Schwarz, der Legende nach dazu verdammt, auf ewig über die Erde zu wandeln. Helen findet immer neue Hinweise auf Melmoth in geheimnisvollen Briefen und Tagebüchern – und sie fühlt sich gleichzeitig verfolgt. Liegt die Antwort, ob es Melmoth wirklich gibt, in Helens eigener Vergangenheit? (Klappentext)

Rezension:

Ein Klassiker unter den englischsprachigen Schauerromanen ist sicherlich “Melmoth der Wanderer” von Charles Robert Maturin, der erstmals 1820 veröffentlicht wurde. Hauptfigur und tragendes Element ist Melmoth, in einer deutschen Übersetzung auch Melmotte genannt, die dazu verdamt ist, auf der Welt nach einer Ersatzseele zu suchen, um sich selbst Erlösung zu verschaffen.

Die Frau in Schwarz hatte dereinst einen Pakt mit den Teufel geschlossen und konnte die ihr gestellten Bedingungen nicht erfüllen. Nun, in neuen Gewandt, erzählt die britische Autorin Sarah Perry die Geschichte neu und versetzt sie in unsere Zeit.

Hauptprotagonistin ist jedoch diesmal nicht Melmoth selbst, die auch in dieser Erzählung auf der Suche nach verzweifelten Seelen ist und deren Geschichten in sich aufnimmt, sondern Helen Franklin, die mit ihrerer Vergangenheit hadert und sich als Strafe, für zunächst nicht näher Benanntes, allen Vergnügungen und Annehmlichkeiten entsagt.

Auch spielt die Handlung, im Gegensatz zum Original, im modernen Prag. Leser werden die Altstadt und die Szenarie um den Wenzelsplatz und der Karlsbrücke erkennen. Fast ist es so, als würde man selbst über das Kopfsteinpflaster der Stadt an der Moldau wandeln.

Die Figuren, die nach und nach behutsam eingeführt werden, sind nicht wirklich Sympathieträger, dienen jedoch vor allem als Verknüpfungspunkte zu den einzelnen Geschichten und Personen, auf die Melmoth stößt. Die Szenarien sind feinfühlig eingewebt.

Immer wieder wechselt die Perspektive zwischen Helen und den Hauptprotagonisten der einzelnen Geschichten. Dies trägt dazu bei, dass die einzelnen, sehr kurzen Handlungsstränge zu einem sinnvollen Ganzen verwoben sind, jedoch entstanden dadurch einige Längen, die es auszuhalten gilt.

Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob ein klassischer Schauerrom,an in unserer Zeit überhaupt noch funktioniert? Ist die Art und Weise des Erzählens nicht zu träge und wirkt der Roman in seiner Gesamtheit nicht zu ruhig? Ja und nein. Manche der eingewobenen Geschichten, die der Rahmenhandlung Gewicht verleihen, hätte ich mir ausführlicher gewünscht.

So spricht die Autorin viele gesellschaftlich durchaus kontrovers diskutierte Themen an, unterscheidet nicht zwischen Gut und Böse, sondern weist auf vielerlei Grauschattierungen hin. Doch, beginnt es interessant zu werden, ist schon das nächste kürzere Kapitel mit den Fortgang der Geschichte beschäftigt. Das ist schade, da man so viel mehr aus dieser Erzählung hätte machen können, wenn man sie schon in die Moderne überträgt.

Wenn Sarah Perry es jedoch schafft, einzelne Leser dazu zu bringen, sich mit der historischen Originalgeschichte zu befassen und zumindest einzelne der eingewobenen Handlungen gedanklich weiter zu spinnen, ist dieser Roman durchaus eine Beschäftigung wert. Es kommt auf den Versuch an.

Autorin:

Sarah Perry wurde 1979 in Chelmsford geboren und ist eine britische Schriftstellerin. Nach einer streng reglementierten Kindheit und einer baptistischen Erziehung, studierte sich Kreatives Schreiben und gewann unter anderen den Preis für das “Waterstones Buch des Jahres” und den britischen Buchpreis.

“Melmoth” als Adaption des britischen Schauerromans “Melmoth der Wanderer” ist ihr dritter Roman. Seit 2018 ist Perry Mitglied der Könglichen Gesellschaft für Literatur.

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